Hölle und Fußbäder

Unzen und Obama Onsen 21. – 22. Mai 2023

Unzen, ein kleines Dorf in den Bergen voller Thermalquellen, war schon seit 1868 ein beliebter Badeort. Seit 1910 wurde es auch bei ausländischen Besuchern immer bekannter und so entstand hier eine touristische Infrastruktur mit Hotels und regelmäßigen Busverbindungen.

Weil Unzen Onsen im Landesinneren der Shimabara Halbinsel liegt, und wir unsere Muktuk nur schwer im Bus mitnehmen können, wollen wir sie für eine Nacht alleine lassen und uns in einem traditionellen japanischen Gasthaus, einem „Ryokan“ einquartieren. Wir haben schon viel darüber gehört und gelernt, wie es dort zugehen soll: wie in den Zimmern am Abend das Futonbett auf den Tatami-Matten ausgerollt wird, wie man nach dem abendlichen Bad im Bademantel zum gemeinsamen Abendessen erscheint etc.


Nur leider: weil es so viele Regeln zu beachten gibt, sind diese Gasthäuser sehr zögerlich, Nichtjapaner als Gäste willkommen zu heißen. Sie werden wohl in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wir wurden jedenfalls aufgrund unserer mangelnden Japanisch-Kenntnisse als Gäste abgelehnt. Schade – in genau so einem Gasthaus hätten wir uns gerne einquartiert. Das ist ein wenig wie bei Groucho Marx, der auch keinem Club angehören wollte, der ihn als Mitglied aufnehmen würde.

Wir landen aber bei einem gar nicht so schlechten Kompromiss, indem wir ein Zimmer im japanischen Stil mit Tatami-Matten, ausgerollten Futons und sogar Seeblick finden, aber ohne Verpflegung im Hotel.

An heißen Quellen mangelt es diesem Ort wahrhaftig nicht. Über ein Dutzend öffentlicher Bäder stehen zur Auswahl, dazu kommen noch etliche Hotels, die über eine eigene Thermalquelle verfügen. Mitten im Ort gibt es ein aktives Fumarolenfeld, das auf Japanisch „Hölle“ (jigoku) genannt wird, denn überall dampft und blubbert es aus dem kargen Geröll und die Luft ist von Schwefelgeruch erfüllt. Die Hölle war es auch während der Christenverfolgung zwischen 1627 und 1631, als hier christliche Märtyrer mit dem 98°C heißen Wasser zu Tode gefoltert wurden. Heute spazieren aber die Touristen unbehelligt auf Bohlenwegen durch das Gelände, und in den Bädern wird das heiße Wasser auf angenehme 42°C heruntergekühlt.

Auf dem Rückweg machen wir noch Station in Obama Onsen, einem Thermalbad an der Küste, das aus derselben Magmakammer wie Unzen Onsen gespeist wird. Weil der Dampf aber auf dem Weg zur Oberfläche andere Gesteinsschichten durchquert, enthält das Wasser weniger Schwefel, dafür mehr Chlorsalze. In Obama Onsen (der Name hat nichts mit dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten zu tun) gibt es die Tradition, sein Essen im Dampf der heißen Quellen zu garen. Es gibt sogar eigene öffentliche Küchen zu diesem Zweck, wo man seine Zutaten selbst mitbringt, um sie dann dort zu dämpfen und zu essen.

Wir haben Zeit, uns ein wunderbares Museum über die Geschichte des Badeortes anzusehen, das uns allein schon durch seine Architektur und seinen herrlichen Blumengarten begeistert.

Zum Ausklang des Tages gönnen wir uns noch eine Besonderheit von Obama Onsen, die bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebt ist: den Besuch des 105 Meter langen öffentlichen Fußbads an der Strandpromenade. Man muss ja nicht immer gleich die Seele baumeln lassen, manchmal tun’s auch die Füße.

Tomodachi – Freunde in Kuchinotsu

Mai 2023

Ein weiterer Grund, weshalb wir ein paar Tage länger in Kuchinotsu verbringen wollten, waren die vielen herzlichen Menschen, die wir beim ersten Mal kennen gelernt hatten und die wir noch einmal treffen wollten.

Zur Erinnerung: Etwa drei Wochen zuvor hatten wir Kosei getroffen, der mit seinem Segelboot unterwegs nach Okinawa war. Er empfahl uns, unbedingt einige Tage in Kuchinotsu zu verbringen, und bat seinen Bruder Eiji sowie seinen Segelfreund Yamamoto, sich um uns zu kümmern. Yamamoto wiederum brachte seinen Sohn, Yamamoto Jr., zur Begrüßung mit. Wir saßen dann bei Kaffee und Keksen im Boot und lernten uns erst einmal kennen.

Yamamoto Sen. ist Kartoffelbauer und Segler. Als wir ihm erzählten, dass die Kartoffeln in Deutschland ein Grundnahrungsmittel seien, so wie der Reis in Japan, und dass wir ganz begeistert wären, wie gut die Kartoffeln auf den Inseln Okinawa und Okinoerabu schmeckten, nickte er zustimmend und erfreut: „So, so!“. Um die 20 Tonnen habe die letzte Ernte auf seinen Feldern betragen. Tags darauf bekamen wir eine große Kiste mit Kartoffeln geschenkt – so viele, dass wir damit sicherlich bis in den Sommer auskommen werden!

Yamamoto Jr. erzählte, dass seine Familie seit acht Generationen in dieser Region leben würde und seine Vorfahren ursprünglich von der Seto Inland See hierher kamen. Durch Kriege, Aufstände und die Christenverfolgung waren gegen Ende des 17. Jahrhunderts viele Menschen umgekommen und ganze Landstriche von Kyushu entvölkert, so dass die Fürsten um Bauern aus anderen Teilen Japans warben.

Eiji, der Bruder von Kosei, war früher bei der Stadtverwaltung von Shimabara für das Schlossmuseum zuständig, als Rentner arbeitet er nun freiberuflich für die regionale Zeitung und ist .u.a. Mitglied der Vulkanologischen Vereinigung. Ein naheliegendes Interesse, denn der Vulkan hier in der Nähe spuckt regelmäßig alle paar Jahrzehnte Rauch und Lava.


Eiji-san und Yamamoto-san

Am Sonntagvormittag, am Tag nach dem Fischfang-Festival, kam Eiji eigens noch einmal von Shimabara nach Kuchinotsu, denn Yamamoto Sen. hatte uns alle in ein Café eingeladen, wo wir auch eine gute Freundin von ihm trafen: Shu-san. So saßen wir in dem gemütlich eingerichteten „Café Bremen“, das mit vielen Bilder der vier Bremer Stadtmusikanten geschmückt war.


Der Inhaber des Café Bremen

Frau Shu zeigte uns anschließend ihren schönen, im japanischen Stil angelegten Garten und wir verabredeten, dass wir uns nach unserer Runde durch die Ariake See noch einmal alle in Kuchinotsu wiedersehen wollten.


Shu-san in ihrem Garten

Yamamoto-san, Andreas-san, Shu-san und Eiji-san

Als wir – wieder bei strömendem Regen – ein zweites Mal in Kuchinotsu ankamen, fuhren wir mit Eiji und seiner Frau zu einem Mittagscafé, wo Frau Shu bereits auf uns wartete. Wie sich herausstellte, war der Koch und Inhaber des Cafés ein ehemaliger Segler, der 17 Jahre lang mit seinem Boot unterwegs war, davon längere Zeit auch im Mittelmeer. Das erklärte auch die italienisch-griechisch anmutende Einrichtung und vor allem die köstlichen Spaghetti-Saucen!

Shu-san betreibt hauptberuflich die Tankstelle gleich gegenüber des Hafens. Nebenbei ist sie eine passionierte Musikerin und spielt mit Hingabe Mundharmonika. Wir beschlossen den Nachmittag bei uns an Bord mit Kaffee und Apfelkuchen und bekamen von Shu-san ein Privatkonzert geboten. Sie legte eine CD mit Begleitmusik ein und spielte auf ihren verschiedenen Harmonikas die Titelmelodie: japanische Schlager aus den 1960er Jahren, traditionelle japanische Lieder und auch „Edelweiß“ aus dem in Japan so berühmten Hollywood-Film „Sound of Music“ von 1965.

Danach holte Andreas unsere Gitarre, drückte sie Eiji in die Hand und wir sangen alle zusammen noch ein paar Lieder. „Arigato gosaimasu! Vielen Dank für die schöne gemeinsame Zeit!


Eiji-san mit seiner Ehefrau bei uns auf der Muktuk

An einem der ersten Abende in Kuchinotsu fanden wir ein Sushi-Lokal, das vom Ehepaar Kodama betrieben wird. Wir saßen an der Theke in dem kleinen heimeligen Raum und schauten ratlos auf die Karte, denn unser Übersetzungsprogramm konnte die handgeschriebenen Zeichen nicht gut entziffern. Kurzerhand rief die Dame des Hauses ihren Sohn an, der mit seiner Familie zwölf Jahre lang in den USA bzw. Kanada gelebt und gearbeitet hatte. Er und seiner Tochter, beide fließend Englisch sprechend, übersetzten dann den ganzen Abend geduldig und bereitwillig, wenn die Mama bzw. Oma immer wieder anrief, sobald wir mit dem Übersetzungsprogramm nicht weiter kamen. So durften wir wieder gleich eine ganze Familie kennen lernen. Bevor wir heim gingen, packten sie uns eine Teetasse aus Keramik ein, die sie vor gut 40 Jahren zur Eröffnung ihres Restaurants hatten anfertigen lassen.


Das Ehepaar Kodama in ihrem Sushi-Restaurant

Das Außenfenster des Sushi-Restaurants bei Nacht

Am nächsten Morgen kamen die beiden kurz zur Muktuk, um sich mit eigenen Augen von dem zu überzeugen, was wir am Vorabend erzählt hatten. Als wir sie um das Rezept ihrer Miso-Suppe fragten, die so gut und ganz anders geschmeckt hatte, als die, die wir bisher kannten, bat sie wieder ihren Sohn, uns zu erklären, wie das geht. Aber das schien ihnen nicht sicher genug, so dass sie noch einmal vorbei kamen und uns alle notwendigen Zutaten brachten, eine spezielle Miso-Sorte, Algen und außerdem noch ein Päckchen mit Äpfeln, die hier in Japan ein kleines Vermögen kosten.

Als wir wieder in Kuchinotsu waren und noch einmal zum Sushi-Essen zu ihnen gingen, brachte ich als kleines Dankeschön für die vielen Gaben ein Glas von der Orangenmarmelade mit, die ich aus den hiesigen Bitter-Orangen (einer Kreuzung aus Orange und Grapefruit) gekocht hatte. Und am nächsten Tag, als wir von unserer Wanderung zurück kamen, hing eine Tasche an der Reling und darin ein kleines Mobile aus gefalteten Kranichen mit einem lieben Gruß von ihnen. Die Kraniche hängen nun bei uns in der Messe neben dem Kolibri aus Oaxaca. Sie werden uns jedes Mal an diese liebenswürdigen Menschen erinnern und sie werden uns ganz gewiss viel Glück auf unserer weiteren Reise durch Japan bringen!

„Kuchinotsu olle“

20. Mai 2023

Unsere Rundreise durch die Ariakesee beendeten wir an unserem Ausgangspunkt, in Kuchinotsu. Ich wollte den Ort unbedingt einmal mit Sonne erleben, nicht nur bei strömendem Regen und grau verhangenem Himmel. Die Regenzeit schien in diesem Jahr sehr früh begonnen zu haben. Bereits Mitte Mai waren die sonnigen Tage rar und jeder einzelne Sonnentag wurde von uns gefeiert.

Eine große Informationstafel am Hafen versprach eine reizvolle Rundwanderung um eine kleine Halbinsel, unter dem lustigen Namen „Kuchinotsu Olle“.

Vom Fährhafen aus folgten wir der rot-blauen Markierung. Nach einem kurzen Aufstieg durch enge Gassen und am großen Tempel vorbei, erreichten wir das erste Waldstück. Von hier oben konnte man fast das gesamte Hafenbecken überblicken.

Als wir aus dem Wald heraus kamen, lag vor uns ein offenes Plateau mit sanften Hügeln. Abwechselnd ging es auf breiten Wegen und schmalen Pfaden zwischen Feldern hindurch, auf denen Eisbergsalat und Brokkoli angebaut wurden. Manche Felder sind offensichtlich nicht abgeerntet worden, der Brokkoli war bereits ausgewachsen und zeigte gelbe Blüten.

Immer mal wieder stand am Wegesrand ein Stein mit einer Inschrift, ein kleiner überdachter Schrein oder ein rotes Torii.

Von den Feldern aus konnte man am Ufer ein kleines Dorf sehen und über die Meeresenge hinweg die Küste der Insel Amakusa erkennen.

Etwa auf halber Strecke entdeckten wir einen kleinen Park mit Tischen und Bänken, direkt am Meer gelegen, perfekt für eine Mittagspause. Und daneben wieder eine Andachtsstätte.

Am steinigen Ufer waren ein paar Leute damit beschäftigt, Algen zu ernten, die anschließend von den kleineren Booten in größere geschaufelt wurden.

Auf dieser Plattform hatte man einen herrlichen Ausblick aufs Meer und den Leuchtturm, der weit ins Meer hinein gebaut war.

Wieder ging es auf schmalen Wegen dieses Mal an Kartoffelfeldern vorbei und noch einmal runter zum Meer zu einem anderen Strandabschnitt.

Hier kraxelten wir über große Steine und beobachteten ältere Menschen, die am Ufer im Wasser wateten. Als wir näher kamen, sahen wir, dass sie im mitgeführten Netz bereits eine ganze Menge von den schwarzen stacheligen Seeigeln gesammelt hatten.

Das letzte Stück unserer Wanderung führte erneut durch einen kleinen Wald, und später vorbei an Häusern mit Blumengärten und in denen Bäume voller Früchte standen.

Überall, noch auf der kleinsten freien Fläche wird Gemüse angebaut!

Über diese rote Brücke gelangten wir schließlich zur Uferstraße, die uns zurück zum Hafen brachte.

Kashima und Tara – der Tag der roten Tore

15. Mai 2023

Sake, Samurai und den größten Inari-Schrein von Kyushu – das alles gibt es in Kashima zu sehen. Allerdings ist es mit dem Boot unmöglich, direkt zu diesem Städchen zu fahren. Im nördlichen Teil der Ariake-Bucht, wo Kashima liegt, beträgt der Tidenhub bis zu 6 Meter und bei Ebbe fällt eine große weite Wattfläche trocken.

Also suchen wir den nächstgelegenen Hafen, wo wir die Muktuk parken können. Von Kumamoto aus tuckern wir einmal quer über die Bucht nach Hizen-O-Ura. Die Schwimmstege hier sind mit zwei großen Arbeitsschiffen belegt, aber im großen Hafenbecken ist ausreichend Platz zum Ankern. Hizen-O-Ura ist ein ruhiger kleiner Ort mit einem Supermarkt, einem Hotel, und vier Restaurants, von denen zurzeit nur eines in Betrieb ist. Im Hotel am Hafen dürfen wir den hauseigenen Onsen benutzen – außerhalb der Reisesaison haben wir das Bad ganz für uns, mit Blick aufs Meer und die Muktuk.

Von Hizen-O-Ura fahren fast stündlich Züge nach Kashima, in weniger als einer halben Stunde sind wir da. Fünf Minuten zu Fuß vom Bahnhof Kashima finden wir die Häuser, in denen früher die Samurai gelebt haben. Alle Gebäude sind sorgfältig renoviert worden, eine ganze Straße davon ist erhalten geblieben. Samurai gibt es schon lange nicht mehr, dafür beherbergen die alten Häuser heute Sake-Brauereien, auch finden wir einen Betrieb, in dem feine Soja-Sauce hergestellt wird.

Touristen sind wenige unterwegs an diesem Montagvormittag und wir scheinen die einzigen Ausländer hier zu sein. Am Ende der Straße entdecken wir einen Laden, der Touristeninformation, Andenkengeschäft mit lokalen Produkten für die obligatorischen Mitbringsel sowie Schaubrauerei in einem ist. Wir kommen nicht umhin, zwei Schluck Sake zu probieren sowie Sake-Bonbons und Nori-Blätter mitzunehmen.

Unterwegs zum Inari-Schrein, der weit draußen am Rande der Stadt fast schon in den Bergen liegt, gibt es viel zu sehen. Wir gehen ein Stück am Fluss entlang, entdecken einen verwunschenen kleinen Schrein auf einer Anhöhe, sehen wieder schöne freistehende Häuser im traditionellen Stil mit kunstvoll zurecht gestutzten Bäumen und Steingärten, kommen an einem kleinen Friedhof vorbei, der mit interessanten Statuen versehen ist. Und überall diese wunderbaren Blumenbeete und Sträucher.

Bevor man zum Schrein kommt, wird man durch eine Straße mit Andenkenläden und Restaurants geführt – vor der Pandemie sollen drei Millionen Menschen jährlich die Anlage besucht haben.

Neben dem Schrein entdecken wir ein Schild mit dem Hinweis auf einen Japanischen Garten. Hinter einer hohen dichten Wand aus Bambus versteckt sich ein wunderschöner kleiner Park, dessen Gestaltung sich an den Lauf eines Bächleins anpasst. Die rote Brücke ist ein toller Blickfang und ein starker Kontrast zum satten Grün der Pflanzen drum herum.

Der Inari-Schrein, auf hohen Stelzen an den Berg gebaut, erhebt sich hinter dem nicht minder imposanten Eingangstor – es ist die drittgrößte Anlage dieser Art in Japan.

Vom geräumigen Innenhof steigen wir die Treppen zum Hauptschrein hoch. Dort kann man Münzen in ein Kästchen werfen und sich in ein kurzes stilles Gebet versenken. Hier wird die in Japan sehr beliebte Göttin Inari angerufen, die Menschen bitten um Glück, Kindersegen, beruflichen Erfolg und sichere Reise.

Auf einem Schild erkennen wir neben den japanischen Schriftzeichen nur den Hinweis: 300 Meter. Damit sind Höhenmeter gemeint, wie wir irgendwann feststellen. Diese muss mach überwinden, wenn man vom Hauptschrein zum Okunoin Schrein ganz oben auf dem Berg pilgern möchte. Der Weg führt durch mehrere lange Tunnel aus roten  Torii durch. Am Wegrand stehen viele schier unübersichtlich angeordnete Andachtsstätten: von einem riesigen Stein, der mit Tüchern und einem Torii gekennzeichnet ist, bis zu einer kleinen Statue mit einem rot angemalten Miniaturschrein davor, sind alle Größen und Varianten vorhanden. Wir bleiben immer mal wieder stehen, um Fotos zu machen und Luft zu holen, der Weg ist teilweise wirklich sehr steil.

Zurück auf Tempel-Normalnull schauen wir noch im Museum vorbei. Dort sind die Schätze der fürstlichen Familie Nabeshima ausgestellt. Ein ganzer Raum widmet sich Kazanin Manko-hime, der Ehefrau des Fürsten Nabeshima Naotomo, die bereits zu Lebzeiten für ihre Güte und ihre Dichtkunst gerühmt wurde. Ihr zu Ehren baute der Fürst 1687 diese ganze Anlage und einen Blumengarten mit Teich dazu. Der Garten stellt in Miniaturform die Gegend von Kyoto nach, aus der die Fürstin stammte; damit wollte der Fürst ihr Heimweh etwas lindern.

Nach einem langen Fußmarsch zurück in den Ort, finden wir in diesem Holzhaus ein Restaurant mit einer Auswahl an köstlichen Mittagsmenüs. Inzwischen haben wir gelernt, wie man mit Stäbchen einen gekochten Fisch zerlegen und essen kann, auch wenn wir diese Kunst noch lange nicht so souverän beherrschen wie die vier Damen am Nebentisch, die für eine Weile ihre fröhlichen Gespräche unterbrechen, um sich konzentriert ihrem Fisch zu widmen.

Auf dem Rückweg machen wir einen Zwischenstopp in Tara. Hier sind rote Torii-Tore vom Ufer bis ins Meer hinein aufgestellt. Bei Niedrigwasser fallen sie trocken und man kann durch sie hindurch spazieren.

Die Burg in Kumamoto

13. Mai 2023

In Kumamoto befindet sich eine der drei größten und bedeutendsten Burgen von Japan, die wir uns auch anschauen wollen. Das Wetter spielt an diesem Tag leider nicht so mit, alles ist grau und regennass. Am frühen Vormittag sind noch kaum Touristen unterwegs, als wir uns erst einmal die Anlage unterhalb der Burg anschauen: zwei kleine Straßen mit traditionellen Holzhäusern, in denen früher Samurai gewohnt haben sollen und in denen sich heute Andenkenläden und Restaurants befinden.

Erbaut wurde die Burg von 1599-1607 in der heutigen Größe unter der Leitung des Fürsten Kato Kiyomasa (1562-1611). Er kümmerte sich um den Wiederaufbau seiner Provinz Higo, der heutigen Präfektur Kumamoto, die in den letzten Kriegswirren sehr gelitten hatte. Unter anderem wurden Wälder aufgeforstet, Reisfelder angelegt und Entwässerungskanäle gebaut, die auch heute noch genutzt werden. Er baute den Handel mit den Portugiesen und der Spaniern aus und bewirkte insgesamt einen wirtschaftlichen Aufschwung für die Region. Die Menschen hier erinnern sich auch heute noch mit Dankbarkeit an ihn. Hier ein Denkmal des Fürsten, das ihn mit dem damals charakteristischen Spitzhut zeigt.

Während der sogenannten Satsuma-Rebellion von 1877, brannten große Teile der Holzkonstruktion des Schlosses unter bis heute ungeklärten Umständen ab. Trotzdem konnte die Burg einer Belagerung von über 50 Tagen Stand halten – in der historischen Aufarbeitung im Burgmuseum wird dieser Sieg als ein wichtiger Meilenstein in der Niederschlagung der Rebellion gewertet. Nach der Öffnung Japans fanden große politische und gesellschaftliche Umwälzungen statt, die historisch unter dem Stichwort Meiji-Restauration zusammengefasst werden. Gegen den Kurs der neuen Regierung mit ihrer Ausrichtung auf westliche Werte gab es erheblichen Widerstand.

Diese hohen dicken Mauern sehen tatsächlich unüberwindlich aus.

Erst 1960 wurden die Hauptgebäude der Burg nach alten Plänen neu gebaut und feierlich eingeweiht. Während des verheerenden Erdbebens von 2016 auf der Insel Kyushu wurde die ganze Anlage sehr stark beschädigt. Beim Wiederaufbau wurden die Fundamente mit beeindruckend massiven Stahlträgern verstärkt, die wiederum mit einer Hydraulik-Vorrichtung versehen sind.

Inzwischen ist die Burg wieder zugänglich – und ein beliebtes Foto-Motiv für Besucher aus aller Welt.

An diesem Nebengebäude sind die Schäden des Erdbebens noch gut sichtbar.

Das Burgmuseum erstreckt sich über vier Stockwerke und behandelt die Geschichte der regierenden Adeligen, zeigt den Verlauf der Satsuma-Rebellion und berichtet ausführlich über den Bau und die verschiedenen Phasen des Wiederaufbaus der Burg.

Die beiden Mädchen folgen gebannt einem Film über die Belagerung der Burg.

Im schmalen oberen 6. Stockwerk hat man einen wunderbaren Ausblick über die Stadt. Moderne und Tradition auf einen Blick.

Am Nachmittag besuchen wir das Shimada Kunstmuseum, das sich etwas abseits vom großen Trubel der Innenstadt in einer ruhigen Wohngegend befindet. Es beschäftigt sich hauptsächlich mit der Kultur der Samurai von Kumamoto, insbesondere mit einem der berühmtesten Vertreter seiner Zunft, dem Samurai Miyamoto Musashi. Dieser ließ sich nach seiner aktiven Zeit auf Einladung des Fürsten in Kumamoto nieder und betätigte sich fortan als Künstler und Schriftsteller. Sein „Buch der fünf Ringe“ gilt auch heute noch in Japan als ein bedeutendes und wegweisendes Werk.

In einem Raum des Museums werden die Besucher aufgefordert, sich auszuruhen und den Garten durch die große bis zum Boden reichende Fensterscheibe zu betrachten.

Das kleine gemütliche Café des Museums ist liebevoll eingerichtet und bietet dazu allerlei Kunsthandwerk und Postkarten zum Verkauf an.

Suizenji-Park

Kumamoto, 12. Mai 2023

Kumamoto ist die drittgrößte Stadt Kyushus und hat touristisch allerhand zu bieten. Hauptanziehungspunkt für uns ist allerdings die Einwanderungsbehörde, denn wir müssen unser Dreimonatsvisum verlängern, damit wir wie geplant bis Mitte Juli in Japan bleiben dürfen. Die Mitarbeiterin dort hatte wohl zuvor noch nie einen solchen Fall, allemal keine deutschen Segler, und muss erst einmal die Chefin konsultieren. Dann aber bekommen wir problemlos den neuen Stempel in den Pass und haben den Rest des Tages frei.


Den nutzen wir für einen Besuch im Suizenji-Park, der in den 1630er Jahren als Wandelgarten um einen See herum angelegt wurde. Spektakulär müssen hier wohl die Kirsch- und Pflaumenbäume zur Blütezeit sein, aber auch Mitte Mai hat der Garten mit seinen Steinbrücken, Kiefern und Reihern im Sonnenschein seinen Charme.

Eine breite Allee am Rand des Gartens ist zweimal im Jahr Schauplatz für das Bogenschießen zu Pferde, worin der Erbauer des Parks ein Meister und Lehrer war. In der Nähe stehen fünf Bonseki, bedeutungsvoll arrangierte Felsen umgeben von weißen und dunklen Kieselsteinen, abstrakte Gartenkunst auf japanische Art.


Dank eines Kimono-Verleihs im Eingangsbereich gibt es auch von den Touristen des 21. Jahrhunderts hübsche Fotomotive, und auch ein Hochzeitspaar nutzt den historischen Ort. Und weil es 1630 noch keine Farbfilme gab, sind die Bilder heute schwarz-weiß (ok, diese Erklärung hinkt gewaltig, aber was soll’s, ich wollte es einfach einmal ausprobieren).



Im Teehaus Kokindenju no Ma, das ebenfalls fast 400 Jahre alt ist, nehmen wir auf den Tatami-Matten Platz, trinken einen Grüntee und haben durch die offenen Schiebetüren einen wundervollen Blick auf den See.


Wir sind jedes Mal aufs Neue begeistert, wie die japanischen Gartenarchitekten mit ihrer gestalteten Natur ein solches Maß an Ruhe und Harmonie einfangen können.

Noch mehr Keramik in Amakusa

  1. – 11. Mai 2023

In den nächsten Wochen wollen wir kreuz und quer durch die geschützte Bucht der Ariake-See auf der Westseite von Kyushu tuckern. Es gibt hier viel zu entdecken und die Sehenswürdigkeiten liegen alle nicht weit auseinander. Und da sind ja auch noch die vielen Keramikwerkstätten auf der Insel Amakusa, von denen wir erst zwei besucht haben.

Von Kuchinotsu ist es nur ein kleiner Sprung rüber zum Hafen Hondo auf Amakusa. Wir haben mit einem Gegenstrom zu kämpfen, so dass wir teilweise nur mit 2kn Fahrt vorankommen und obendrein regnet es schon wieder. Gegen Abend wird der Regen deutlich stärker und auch Wind kommt auf, der gar nicht vorhergesagt war. Der große Schwimmsteg, an dem wir in diesem Hafen liegen, ist gar nicht gut geschützt. Bei Dunkelheit verlegen wir die Muktuk auf die andere Seite des Schwimmsteges, wo es immerhin geringfügig besser ist. In der Nacht schlafen wir kaum, zu unruhig sind die Bewegungen des Bootes, zu laut knarzen und quietschen die Leinen und Fender. In der Früh nehmen Wind und Welle noch einmal an Stärke zu und wir legen zusätzliche Leinen, um das Boot zu sichern. Die Muktuk wird heftig hin und her geworfen, einer unserer neuen japanischen Fender wird fast zwischen Boot und Steg zermahlen und ich werde im Hafen seekrank!

Immerhin scheint nun die Sonne und so beschließen wir, die Muktuk soweit gesichert, am Steg alleine zu lassen und machen uns auf den Weg in den Ort. Zuerst suchen wir in den beiden Gebrauchtwarenläden der Stadt nach einem Hartschalen-Koffer und finden tatsächlich einen richtig großen, stabilen mit Rollen. Nun können wir beruhigt weiter Keramik einkaufen!

Alle Töpfereien der Insel sind auf einer übersichtlichen Karte verzeichnet, die das Tourismusbüro von Amakusa herausgegeben hat. Hier, in und um Hondo-Amakusa herum, gibt es etliche Werkstätten, die wir zu Fuß erreichen können.

Auf dem Weg zu den einzelnen Töpfereien bewundern wir die vielen schönen Häuser und die liebevoll gestalteten Vorgärten, manche Besitzer haben Blumenbeete angelegt und ziehen dazwischen Gemüse. Ein für uns schon sehr vertrauter Anblick.

Wir spazieren auch durch die große Parkanlage, wo im Frühling die Kirschbäume blühen und in ein paar Wochen der große Liliengarten in voller Blüte stehen soll.

Hier ein paar Impressionen von den Häusern und ihren Gärten, dem Park sowie den Töpfereien mit ihrer schönen Keramik.

Fisch in der Falle

Shimabara, 7. Mai 2023

Segeln mit Familienanschluss. So kommen wir uns mittlerweile in Japan vor. Vor rund zwei Wochen hatten wir in Makurazaki einen sehr netten Segler namens Kosei kennengelernt, der auf dem Weg nach Okinawa dort Station machte. Er empfahl uns eindringlich, den Hafen von Kuchinotsu zu besuchen, denn dort erwarte uns nicht nur ein großer Schwimmsteg, sondern auch sein Bruder Eiji.

Und so war es denn auch. In strömendem Regen wartete Eiji zusammen mit zwei Freunden auf uns, und wegen des stärker als erwartet ausfallenden Gezeitenstroms kamen wir auch noch eine Dreiviertelstunde verspätet an. Am nächsten Tag wurden wir mit dem Auto abgeholt und konnten alle zusammen an einem ganz besonderen, einmal jährlich stattfindenden Spektakel in Shimabara teilnehmen: dem Frühlings-Fischfallen-Festival.

Und das geht so: schon seit Ewigkeiten nutzten die Einwohner Shimabaras die starken Gezeiten (der Tidenhub erreicht fast sechs Meter) zum Fischfang, indem sie einen Steinwall am Strand errichteten und so eine halbrunde Fläche von fast zweihundert Metern Durchmesser umschlossen. Bei Hochwasser wird der Steinwall überspült, und wenn das Wasser mit der Ebbe abfließt, bleiben Fische, Krebse und Kraken zurück und können bei Niedrigwasser einfach eingesammelt werden.

Jedenfalls war das bis vor rund fünfzig Jahren so, dann geriet diese Fangmethode in Vergessenheit. Vor zwölf Jahren aber beschloss die Stadtverwaltung, den Damm wieder herzurichten und einmal jährlich im Frühling ein Fischfallen-Fest zu veranstalten, um den Kindern der Halbinsel beizubringen, was es an lokalen Fischsorten und anderen Meerestieren gibt. Schließlich ist der Fischfang tief in der japanischen Kultur verwurzelt. Nur leider sind Japans Küstengewässer mittlerweile so stark überfischt, dass sich kaum mehr Fische freiwillig in die Falle begeben. So müssen also für das Fest eigens gefangene Fische und Meerestiere in der Fischfalle ausgesetzt werden, damit die Kinder sie später fangen können.

Das Aussetzen der Fische ist also der erste Akt des Spektakels, bei dem sich auch die Lokalpolitiker in Gummistiefeln im Fischweitwurf üben müssen. Als nächstes dürfen Kleinkinder, die noch an der Hand der Eltern gehen, an den Rand der verbliebenen Wasserfläche. Erst wenn alle da sind, darf der Fang beginnen. Ganz diszipliniert halten sich auch alle daran und warten auf die Lautsprecherdurchsage. Dann stürzen sich aber alle Kinder, ihre Eltern hinter sich herziehend, in die Fluten. Als zweites dürfen dann auch die größeren Kinder losziehen, und am Ende kommen die Erwachsenen.

Alles in allem sollen in diesem Jahr knapp tausend Personen teilgenommen haben. Birgit und ich scheinen die einzigen Ausländer zu sein. Wir sind ein wenig zwiegespalten: einerseits stimmt es traurig, wenn der einstige Fischreichtum Japans schon so dezimiert ist, dass man den Kindern extra gefangene Fische vorsetzen muss, um ihnen das Wissen um die Natur vermitteln zu können. Andererseits aber haben alle ganz offensichtlich einen Heidenspaß dabei, kommen erschöpft und teils klatschnass, aber begeistert an den Strand zurück. Und sind mächtig stolz, wenn sie in ihrem Netz einen Fisch oder gar einen Oktopus vorzeigen können. Und wir sind froh, dabei sein zu dürfen.

Schüler aus Stein

Nagasaki, 2. Mai 2023

Auf der Suche nach einem Laden für gebrauchte Fahrräder in Nagasaki sind wir zufällig über das angeblich einzige authentische Konfuzius-Mausoleum Japans gestolpert. Das wuchtig-chinesische Gebäude hat uns angelockt. Drinnen macht China ein wenig Werbung für sich und seine neue Seidenstraße; etliche Kunstwerke aus den Beständen Pekinger Museen werden ausgestellt.



Das (uns) Beeindruckende sind aber die lebensgroßen Statuen der 72 besten Konfuzius-Schüler, den sogenannten „Weisen“. Jede einzelne der aus weißem Stein gehauenen Figuren hat ihren eigenen, ganz spezifischen Charakter. Man kann dicht an sie heran oder um sie herumgehen, ihre Haltung und ihren Gesichtsausdruck genau inspizieren und sich vorstellen, welche Persönlichkeit dieser alte weis(s)e Mann wohl gewesen sein muss.






Manche schauen gütig und wohlwollend drein, manche geben sich unnahbar, andere grimmig, wieder andere fromm. Manche sind gebeugt, andere sehen nach oben, aber jeder Einzelne ist ungeheuer ausdrucksvoll dargestellt. Es ist ein großes Vergnügen, zwischen den Reihen dieser Weisen durchzulaufen und sich vorzustellen, wie wohl das Vorbild der Figur gewesen sein muss. Schade, dass man nicht die Biografien zur Hand hat, um seinen Eindruck überprüfen zu können. Oder sich überraschen zu lassen.



Töpfermarkt in Arita

  1. und 3. Mai 2023

Als wir unsere Route für die ersten Monate in Japan entlang der Westküste von Kyushu planten, wollten wir dieses Mal Arita nicht auslassen. Und dann entdeckten wir bei unseren Recherchen, dass in Arita während der „Goldenen Woche“ der wohl größte Töpfermarkt Japans stattfinden würde!

500 Anbieter, die auf einer Strecke von knapp drei Kilometern verteilt ihre Waren anbieten: So stellt man sich den Himmel auf Erden vor, wenn man sein Herz an japanische Keramik verloren hat.

Keramik hat in Japan eine Tradition, die Jahrtausende alt ist. In vielen Teilen des Landes gibt es berühmte Töpfereien, mancherorts sind ganze Keramikdörfer entstanden, die ihren ganz eigenen Stil über Generationen hinweg behalten haben und auch heute noch pflegen. Porzellan wird in Japan allerdings erst seit vergleichsweise kurzer Zeit hergestellt. Porzellan-Meister, die aus Korea als Kriegsbeute nach Kyushu verschleppt wurden, fanden 1616 in den umliegenden Bergen von Arita Kaolin und etablierten hier und in anderen Teilen des Landes eine neue Tradition der Porzellanproduktion. Nur wenige Jahrzehnte darauf sorgte u.a. ein Deutscher, Zacharias Wagner, für die Verbreitung des japanischen Porzellans in Europa. Nicht zu verwechseln mit Gottfried Wagener, einem deutschen Ingenieur, mit dessen Hilfe im 19. Jahrhundert in Arita die Brennöfen auf Steinkohle umgestellt wurden und somit die Produktionsbedingungen verbessert werden konnten.

Und dann klappte es tatsächlich, dass wir unseren Plan einhalten konnten und rechtzeitig zur „golden week“ da waren. Wir parkten die Muktuk am Fähranleger in Mogi, wie vor vier Jahren schon einmal. Von hier aus fuhren wir mit dem Bus zum Hauptbahnhof nach Nagasaki und weiter mit dem Regionalzug nach Arita.

Der Töpfermarkt erstreckte sich durchgehend auf einer drei Kilometer langen Straße, beginnend am Bahnhof Arita bis zur nächsten Bahnstation Kami-Arita: Links und rechts reihte sich ein Stand an den anderen.

Normalerweise befinden sich in dieser Straße bereits viele Porzellangeschäfte, die das ganze Jahr über Waren aus Arita anbieten. Aber zusätzlich dazu müssen noch Wohnstuben und Garagen ausgeräumt worden sein, um den angereisten Anbietern Verkaufsflächen zur Verfügung zu stellen. Zudem waren viele mobile Stände an Mauern und auf freien Plätzen aufgebaut. Die meisten provisorischen Stände waren ansprechend dekoriert, hatten die Ware kunstvoll präsentiert. Andere wiederum begnügten sich mit großen Plastikkisten, in denen die Kundschaft auf der Suche nach Schnäppchen wühlen konnte.

Auf den ersten Blick bot sich ein wildes Durcheinander von Keramikwerkstätten und Porzellanmanufakturen, die ihre Jahresproduktion anboten; Zwischenhändler, die zum Teil auch Ausschussware in den Kisten zum Verkauf bereit hielten; exquisite Antiquitätenhändler und nicht zuletzt Trödler mit Flohmarktware. Keramik und Porzellan für den täglichen Gebrauch konnte man in diesen Tagen für ein Drittel ihres Ladenpreises erstehen. Nicht alles wurde verschleudert, viele schöne Einzelstücke kosteten mitunter ein kleines Vermögen und wir begnügten uns mit dem Genuss des Betrachtens.

Zwischendurch entdeckten wir einen Laden mit Holz- und Lackwaren, einen Stand mit schönen Stoffen, eine Kiste mit alten japanischen Tuschezeichnungen, alles Kostproben der Kunsthandwerke, die in Japan über die Jahrhunderte hinweg zur Perfektion gereift sind.

Der Himmel auf Erden kann allerdings auch anstrengend werden. Stundenlang Läden und Stände abklappern, dabei in Grabbelkisten wühlen, die Regale entlang gehen und in der Fülle der Angebote jene Stücke finden, die uns gefallen; dann beraten, ob wir die eine oder andere Vase mitnehmen wollen; überlegen, ob diese Schale oder jener Becher vielleicht als Geschenk in Frage käme. Zwischendurch eine Pause einlegen, einmal Luft holen, von einem der mobilen Stände eine Portion Nudeln holen, um danach gestärkt weiter machen zu können.

Als ich auf dem Rückweg im Zug die vielen Fotos durchging, die ich an diesem Tag mit meinem Mobiltelefon gemacht hatte, entdeckte ich viele Stücke, die ich doch sehr gerne mitgenommen hätte. Nach einigem Überlegen entschloss ich mich, ein weiteres Mal nach Arita zu fahren – Andreas erklärte mich für verrückt und wollte nicht noch einmal die Fahrt von dreieinhalb Stunden auf sich nehmen. Allerdings brauchte ich einen Tag Pause dazwischen. Am fünften Tag der Goldenen Woche stand ich wieder bereit, mich ins Getümmel zu werfen. An diesem Tag waren viel mehr Menschen unterwegs, und die Regale und Grabbelkisten waren bereits deutlich ausgedünnt, so dass ich nach einigen der von mir ersehnten Stücke gründlicher suchen musste oder aber sie nicht mehr fand, weil sie längst verkauft waren.

Erfahrene Töpfermarktbesucher reisten gleich mit einem Rollkoffer an oder hatten ein ausklappbares Wägelchen dabei, in das sie ihre Einkäufe gut verpackt verstauen konnten. Sicherheitshalber hatte ich nur meinen Rucksack und zwei Taschen dabei, sonst wäre ich sehr versucht gewesen, auch so viel mitzunehmen.

Auch am Ende meines zweiten Tages in Arita schwirrte mir der Kopf und wenn ich die Augen zumachte, sah ich immer noch Teller, Tassen und Vasen vor mir. Solch eine Menge und Vielfalt an Keramik und Porzellan hatte ich noch nie in so kurzer Zeit an einem Ort gesehen und es dauerte ein paar Tage, bis ich alle Eindrücke verarbeitet und sortiert hatte.

Über die Geschichte der Keramik und des Porzellans in Japan ist viel geschrieben worden. Hier sind ein paar Links dazu:

Die Geschichte des Porzellans von Arita und Imari: (https://de.wikipedia.org/wiki/Imari-Porzellan)

Die Geschichte des Porzellans: https://de.wikipedia.org/wiki/Porzellan

Die Entwicklung der Keramik in Japan und die sogenannten „Sechs Öfen“: https://de.wikipedia.org/wiki/Rokkoy

Ein interessanter Blog über  Tee und Teekeramik: https://blog.teekeramik.com/einfuehrung-in-die-eigentuemlichkeiten-japanischer-keramik/