Die Burg in Kumamoto

13. Mai 2023

In Kumamoto befindet sich eine der drei größten und bedeutendsten Burgen von Japan, die wir uns auch anschauen wollen. Das Wetter spielt an diesem Tag leider nicht so mit, alles ist grau und regennass. Am frühen Vormittag sind noch kaum Touristen unterwegs, als wir uns erst einmal die Anlage unterhalb der Burg anschauen: zwei kleine Straßen mit traditionellen Holzhäusern, in denen früher Samurai gewohnt haben sollen und in denen sich heute Andenkenläden und Restaurants befinden.

Erbaut wurde die Burg von 1599-1607 in der heutigen Größe unter der Leitung des Fürsten Kato Kiyomasa (1562-1611). Er kümmerte sich um den Wiederaufbau seiner Provinz Higo, der heutigen Präfektur Kumamoto, die in den letzten Kriegswirren sehr gelitten hatte. Unter anderem wurden Wälder aufgeforstet, Reisfelder angelegt und Entwässerungskanäle gebaut, die auch heute noch genutzt werden. Er baute den Handel mit den Portugiesen und der Spaniern aus und bewirkte insgesamt einen wirtschaftlichen Aufschwung für die Region. Die Menschen hier erinnern sich auch heute noch mit Dankbarkeit an ihn. Hier ein Denkmal des Fürsten, das ihn mit dem damals charakteristischen Spitzhut zeigt.

Während der sogenannten Satsuma-Rebellion von 1877, brannten große Teile der Holzkonstruktion des Schlosses unter bis heute ungeklärten Umständen ab. Trotzdem konnte die Burg einer Belagerung von über 50 Tagen Stand halten – in der historischen Aufarbeitung im Burgmuseum wird dieser Sieg als ein wichtiger Meilenstein in der Niederschlagung der Rebellion gewertet. Nach der Öffnung Japans fanden große politische und gesellschaftliche Umwälzungen statt, die historisch unter dem Stichwort Meiji-Restauration zusammengefasst werden. Gegen den Kurs der neuen Regierung mit ihrer Ausrichtung auf westliche Werte gab es erheblichen Widerstand.

Diese hohen dicken Mauern sehen tatsächlich unüberwindlich aus.

Erst 1960 wurden die Hauptgebäude der Burg nach alten Plänen neu gebaut und feierlich eingeweiht. Während des verheerenden Erdbebens von 2016 auf der Insel Kyushu wurde die ganze Anlage sehr stark beschädigt. Beim Wiederaufbau wurden die Fundamente mit beeindruckend massiven Stahlträgern verstärkt, die wiederum mit einer Hydraulik-Vorrichtung versehen sind.

Inzwischen ist die Burg wieder zugänglich – und ein beliebtes Foto-Motiv für Besucher aus aller Welt.

An diesem Nebengebäude sind die Schäden des Erdbebens noch gut sichtbar.

Das Burgmuseum erstreckt sich über vier Stockwerke und behandelt die Geschichte der regierenden Adeligen, zeigt den Verlauf der Satsuma-Rebellion und berichtet ausführlich über den Bau und die verschiedenen Phasen des Wiederaufbaus der Burg.

Die beiden Mädchen folgen gebannt einem Film über die Belagerung der Burg.

Im schmalen oberen 6. Stockwerk hat man einen wunderbaren Ausblick über die Stadt. Moderne und Tradition auf einen Blick.

Am Nachmittag besuchen wir das Shimada Kunstmuseum, das sich etwas abseits vom großen Trubel der Innenstadt in einer ruhigen Wohngegend befindet. Es beschäftigt sich hauptsächlich mit der Kultur der Samurai von Kumamoto, insbesondere mit einem der berühmtesten Vertreter seiner Zunft, dem Samurai Miyamoto Musashi. Dieser ließ sich nach seiner aktiven Zeit auf Einladung des Fürsten in Kumamoto nieder und betätigte sich fortan als Künstler und Schriftsteller. Sein „Buch der fünf Ringe“ gilt auch heute noch in Japan als ein bedeutendes und wegweisendes Werk.

In einem Raum des Museums werden die Besucher aufgefordert, sich auszuruhen und den Garten durch die große bis zum Boden reichende Fensterscheibe zu betrachten.

Das kleine gemütliche Café des Museums ist liebevoll eingerichtet und bietet dazu allerlei Kunsthandwerk und Postkarten zum Verkauf an.

Suizenji-Park

Kumamoto, 12. Mai 2023

Kumamoto ist die drittgrößte Stadt Kyushus und hat touristisch allerhand zu bieten. Hauptanziehungspunkt für uns ist allerdings die Einwanderungsbehörde, denn wir müssen unser Dreimonatsvisum verlängern, damit wir wie geplant bis Mitte Juli in Japan bleiben dürfen. Die Mitarbeiterin dort hatte wohl zuvor noch nie einen solchen Fall, allemal keine deutschen Segler, und muss erst einmal die Chefin konsultieren. Dann aber bekommen wir problemlos den neuen Stempel in den Pass und haben den Rest des Tages frei.


Den nutzen wir für einen Besuch im Suizenji-Park, der in den 1630er Jahren als Wandelgarten um einen See herum angelegt wurde. Spektakulär müssen hier wohl die Kirsch- und Pflaumenbäume zur Blütezeit sein, aber auch Mitte Mai hat der Garten mit seinen Steinbrücken, Kiefern und Reihern im Sonnenschein seinen Charme.

Eine breite Allee am Rand des Gartens ist zweimal im Jahr Schauplatz für das Bogenschießen zu Pferde, worin der Erbauer des Parks ein Meister und Lehrer war. In der Nähe stehen fünf Bonseki, bedeutungsvoll arrangierte Felsen umgeben von weißen und dunklen Kieselsteinen, abstrakte Gartenkunst auf japanische Art.


Dank eines Kimono-Verleihs im Eingangsbereich gibt es auch von den Touristen des 21. Jahrhunderts hübsche Fotomotive, und auch ein Hochzeitspaar nutzt den historischen Ort. Und weil es 1630 noch keine Farbfilme gab, sind die Bilder heute schwarz-weiß (ok, diese Erklärung hinkt gewaltig, aber was soll’s, ich wollte es einfach einmal ausprobieren).



Im Teehaus Kokindenju no Ma, das ebenfalls fast 400 Jahre alt ist, nehmen wir auf den Tatami-Matten Platz, trinken einen Grüntee und haben durch die offenen Schiebetüren einen wundervollen Blick auf den See.


Wir sind jedes Mal aufs Neue begeistert, wie die japanischen Gartenarchitekten mit ihrer gestalteten Natur ein solches Maß an Ruhe und Harmonie einfangen können.

Noch mehr Keramik in Amakusa

  1. – 11. Mai 2023

In den nächsten Wochen wollen wir kreuz und quer durch die geschützte Bucht der Ariake-See auf der Westseite von Kyushu tuckern. Es gibt hier viel zu entdecken und die Sehenswürdigkeiten liegen alle nicht weit auseinander. Und da sind ja auch noch die vielen Keramikwerkstätten auf der Insel Amakusa, von denen wir erst zwei besucht haben.

Von Kuchinotsu ist es nur ein kleiner Sprung rüber zum Hafen Hondo auf Amakusa. Wir haben mit einem Gegenstrom zu kämpfen, so dass wir teilweise nur mit 2kn Fahrt vorankommen und obendrein regnet es schon wieder. Gegen Abend wird der Regen deutlich stärker und auch Wind kommt auf, der gar nicht vorhergesagt war. Der große Schwimmsteg, an dem wir in diesem Hafen liegen, ist gar nicht gut geschützt. Bei Dunkelheit verlegen wir die Muktuk auf die andere Seite des Schwimmsteges, wo es immerhin geringfügig besser ist. In der Nacht schlafen wir kaum, zu unruhig sind die Bewegungen des Bootes, zu laut knarzen und quietschen die Leinen und Fender. In der Früh nehmen Wind und Welle noch einmal an Stärke zu und wir legen zusätzliche Leinen, um das Boot zu sichern. Die Muktuk wird heftig hin und her geworfen, einer unserer neuen japanischen Fender wird fast zwischen Boot und Steg zermahlen und ich werde im Hafen seekrank!

Immerhin scheint nun die Sonne und so beschließen wir, die Muktuk soweit gesichert, am Steg alleine zu lassen und machen uns auf den Weg in den Ort. Zuerst suchen wir in den beiden Gebrauchtwarenläden der Stadt nach einem Hartschalen-Koffer und finden tatsächlich einen richtig großen, stabilen mit Rollen. Nun können wir beruhigt weiter Keramik einkaufen!

Alle Töpfereien der Insel sind auf einer übersichtlichen Karte verzeichnet, die das Tourismusbüro von Amakusa herausgegeben hat. Hier, in und um Hondo-Amakusa herum, gibt es etliche Werkstätten, die wir zu Fuß erreichen können.

Auf dem Weg zu den einzelnen Töpfereien bewundern wir die vielen schönen Häuser und die liebevoll gestalteten Vorgärten, manche Besitzer haben Blumenbeete angelegt und ziehen dazwischen Gemüse. Ein für uns schon sehr vertrauter Anblick.

Wir spazieren auch durch die große Parkanlage, wo im Frühling die Kirschbäume blühen und in ein paar Wochen der große Liliengarten in voller Blüte stehen soll.

Hier ein paar Impressionen von den Häusern und ihren Gärten, dem Park sowie den Töpfereien mit ihrer schönen Keramik.

Fisch in der Falle

Shimabara, 7. Mai 2023

Segeln mit Familienanschluss. So kommen wir uns mittlerweile in Japan vor. Vor rund zwei Wochen hatten wir in Makurazaki einen sehr netten Segler namens Kosei kennengelernt, der auf dem Weg nach Okinawa dort Station machte. Er empfahl uns eindringlich, den Hafen von Kuchinotsu zu besuchen, denn dort erwarte uns nicht nur ein großer Schwimmsteg, sondern auch sein Bruder Eiji.

Und so war es denn auch. In strömendem Regen wartete Eiji zusammen mit zwei Freunden auf uns, und wegen des stärker als erwartet ausfallenden Gezeitenstroms kamen wir auch noch eine Dreiviertelstunde verspätet an. Am nächsten Tag wurden wir mit dem Auto abgeholt und konnten alle zusammen an einem ganz besonderen, einmal jährlich stattfindenden Spektakel in Shimabara teilnehmen: dem Frühlings-Fischfallen-Festival.

Und das geht so: schon seit Ewigkeiten nutzten die Einwohner Shimabaras die starken Gezeiten (der Tidenhub erreicht fast sechs Meter) zum Fischfang, indem sie einen Steinwall am Strand errichteten und so eine halbrunde Fläche von fast zweihundert Metern Durchmesser umschlossen. Bei Hochwasser wird der Steinwall überspült, und wenn das Wasser mit der Ebbe abfließt, bleiben Fische, Krebse und Kraken zurück und können bei Niedrigwasser einfach eingesammelt werden.

Jedenfalls war das bis vor rund fünfzig Jahren so, dann geriet diese Fangmethode in Vergessenheit. Vor zwölf Jahren aber beschloss die Stadtverwaltung, den Damm wieder herzurichten und einmal jährlich im Frühling ein Fischfallen-Fest zu veranstalten, um den Kindern der Halbinsel beizubringen, was es an lokalen Fischsorten und anderen Meerestieren gibt. Schließlich ist der Fischfang tief in der japanischen Kultur verwurzelt. Nur leider sind Japans Küstengewässer mittlerweile so stark überfischt, dass sich kaum mehr Fische freiwillig in die Falle begeben. So müssen also für das Fest eigens gefangene Fische und Meerestiere in der Fischfalle ausgesetzt werden, damit die Kinder sie später fangen können.

Das Aussetzen der Fische ist also der erste Akt des Spektakels, bei dem sich auch die Lokalpolitiker in Gummistiefeln im Fischweitwurf üben müssen. Als nächstes dürfen Kleinkinder, die noch an der Hand der Eltern gehen, an den Rand der verbliebenen Wasserfläche. Erst wenn alle da sind, darf der Fang beginnen. Ganz diszipliniert halten sich auch alle daran und warten auf die Lautsprecherdurchsage. Dann stürzen sich aber alle Kinder, ihre Eltern hinter sich herziehend, in die Fluten. Als zweites dürfen dann auch die größeren Kinder losziehen, und am Ende kommen die Erwachsenen.

Alles in allem sollen in diesem Jahr knapp tausend Personen teilgenommen haben. Birgit und ich scheinen die einzigen Ausländer zu sein. Wir sind ein wenig zwiegespalten: einerseits stimmt es traurig, wenn der einstige Fischreichtum Japans schon so dezimiert ist, dass man den Kindern extra gefangene Fische vorsetzen muss, um ihnen das Wissen um die Natur vermitteln zu können. Andererseits aber haben alle ganz offensichtlich einen Heidenspaß dabei, kommen erschöpft und teils klatschnass, aber begeistert an den Strand zurück. Und sind mächtig stolz, wenn sie in ihrem Netz einen Fisch oder gar einen Oktopus vorzeigen können. Und wir sind froh, dabei sein zu dürfen.

Schüler aus Stein

Nagasaki, 2. Mai 2023

Auf der Suche nach einem Laden für gebrauchte Fahrräder in Nagasaki sind wir zufällig über das angeblich einzige authentische Konfuzius-Mausoleum Japans gestolpert. Das wuchtig-chinesische Gebäude hat uns angelockt. Drinnen macht China ein wenig Werbung für sich und seine neue Seidenstraße; etliche Kunstwerke aus den Beständen Pekinger Museen werden ausgestellt.



Das (uns) Beeindruckende sind aber die lebensgroßen Statuen der 72 besten Konfuzius-Schüler, den sogenannten „Weisen“. Jede einzelne der aus weißem Stein gehauenen Figuren hat ihren eigenen, ganz spezifischen Charakter. Man kann dicht an sie heran oder um sie herumgehen, ihre Haltung und ihren Gesichtsausdruck genau inspizieren und sich vorstellen, welche Persönlichkeit dieser alte weis(s)e Mann wohl gewesen sein muss.






Manche schauen gütig und wohlwollend drein, manche geben sich unnahbar, andere grimmig, wieder andere fromm. Manche sind gebeugt, andere sehen nach oben, aber jeder Einzelne ist ungeheuer ausdrucksvoll dargestellt. Es ist ein großes Vergnügen, zwischen den Reihen dieser Weisen durchzulaufen und sich vorzustellen, wie wohl das Vorbild der Figur gewesen sein muss. Schade, dass man nicht die Biografien zur Hand hat, um seinen Eindruck überprüfen zu können. Oder sich überraschen zu lassen.



Töpfermarkt in Arita

  1. und 3. Mai 2023

Als wir unsere Route für die ersten Monate in Japan entlang der Westküste von Kyushu planten, wollten wir dieses Mal Arita nicht auslassen. Und dann entdeckten wir bei unseren Recherchen, dass in Arita während der „Goldenen Woche“ der wohl größte Töpfermarkt Japans stattfinden würde!

500 Anbieter, die auf einer Strecke von knapp drei Kilometern verteilt ihre Waren anbieten: So stellt man sich den Himmel auf Erden vor, wenn man sein Herz an japanische Keramik verloren hat.

Keramik hat in Japan eine Tradition, die Jahrtausende alt ist. In vielen Teilen des Landes gibt es berühmte Töpfereien, mancherorts sind ganze Keramikdörfer entstanden, die ihren ganz eigenen Stil über Generationen hinweg behalten haben und auch heute noch pflegen. Porzellan wird in Japan allerdings erst seit vergleichsweise kurzer Zeit hergestellt. Porzellan-Meister, die aus Korea als Kriegsbeute nach Kyushu verschleppt wurden, fanden 1616 in den umliegenden Bergen von Arita Kaolin und etablierten hier und in anderen Teilen des Landes eine neue Tradition der Porzellanproduktion. Nur wenige Jahrzehnte darauf sorgte u.a. ein Deutscher, Zacharias Wagner, für die Verbreitung des japanischen Porzellans in Europa. Nicht zu verwechseln mit Gottfried Wagener, einem deutschen Ingenieur, mit dessen Hilfe im 19. Jahrhundert in Arita die Brennöfen auf Steinkohle umgestellt wurden und somit die Produktionsbedingungen verbessert werden konnten.

Und dann klappte es tatsächlich, dass wir unseren Plan einhalten konnten und rechtzeitig zur „golden week“ da waren. Wir parkten die Muktuk am Fähranleger in Mogi, wie vor vier Jahren schon einmal. Von hier aus fuhren wir mit dem Bus zum Hauptbahnhof nach Nagasaki und weiter mit dem Regionalzug nach Arita.

Der Töpfermarkt erstreckte sich durchgehend auf einer drei Kilometer langen Straße, beginnend am Bahnhof Arita bis zur nächsten Bahnstation Kami-Arita: Links und rechts reihte sich ein Stand an den anderen.

Normalerweise befinden sich in dieser Straße bereits viele Porzellangeschäfte, die das ganze Jahr über Waren aus Arita anbieten. Aber zusätzlich dazu müssen noch Wohnstuben und Garagen ausgeräumt worden sein, um den angereisten Anbietern Verkaufsflächen zur Verfügung zu stellen. Zudem waren viele mobile Stände an Mauern und auf freien Plätzen aufgebaut. Die meisten provisorischen Stände waren ansprechend dekoriert, hatten die Ware kunstvoll präsentiert. Andere wiederum begnügten sich mit großen Plastikkisten, in denen die Kundschaft auf der Suche nach Schnäppchen wühlen konnte.

Auf den ersten Blick bot sich ein wildes Durcheinander von Keramikwerkstätten und Porzellanmanufakturen, die ihre Jahresproduktion anboten; Zwischenhändler, die zum Teil auch Ausschussware in den Kisten zum Verkauf bereit hielten; exquisite Antiquitätenhändler und nicht zuletzt Trödler mit Flohmarktware. Keramik und Porzellan für den täglichen Gebrauch konnte man in diesen Tagen für ein Drittel ihres Ladenpreises erstehen. Nicht alles wurde verschleudert, viele schöne Einzelstücke kosteten mitunter ein kleines Vermögen und wir begnügten uns mit dem Genuss des Betrachtens.

Zwischendurch entdeckten wir einen Laden mit Holz- und Lackwaren, einen Stand mit schönen Stoffen, eine Kiste mit alten japanischen Tuschezeichnungen, alles Kostproben der Kunsthandwerke, die in Japan über die Jahrhunderte hinweg zur Perfektion gereift sind.

Der Himmel auf Erden kann allerdings auch anstrengend werden. Stundenlang Läden und Stände abklappern, dabei in Grabbelkisten wühlen, die Regale entlang gehen und in der Fülle der Angebote jene Stücke finden, die uns gefallen; dann beraten, ob wir die eine oder andere Vase mitnehmen wollen; überlegen, ob diese Schale oder jener Becher vielleicht als Geschenk in Frage käme. Zwischendurch eine Pause einlegen, einmal Luft holen, von einem der mobilen Stände eine Portion Nudeln holen, um danach gestärkt weiter machen zu können.

Als ich auf dem Rückweg im Zug die vielen Fotos durchging, die ich an diesem Tag mit meinem Mobiltelefon gemacht hatte, entdeckte ich viele Stücke, die ich doch sehr gerne mitgenommen hätte. Nach einigem Überlegen entschloss ich mich, ein weiteres Mal nach Arita zu fahren – Andreas erklärte mich für verrückt und wollte nicht noch einmal die Fahrt von dreieinhalb Stunden auf sich nehmen. Allerdings brauchte ich einen Tag Pause dazwischen. Am fünften Tag der Goldenen Woche stand ich wieder bereit, mich ins Getümmel zu werfen. An diesem Tag waren viel mehr Menschen unterwegs, und die Regale und Grabbelkisten waren bereits deutlich ausgedünnt, so dass ich nach einigen der von mir ersehnten Stücke gründlicher suchen musste oder aber sie nicht mehr fand, weil sie längst verkauft waren.

Erfahrene Töpfermarktbesucher reisten gleich mit einem Rollkoffer an oder hatten ein ausklappbares Wägelchen dabei, in das sie ihre Einkäufe gut verpackt verstauen konnten. Sicherheitshalber hatte ich nur meinen Rucksack und zwei Taschen dabei, sonst wäre ich sehr versucht gewesen, auch so viel mitzunehmen.

Auch am Ende meines zweiten Tages in Arita schwirrte mir der Kopf und wenn ich die Augen zumachte, sah ich immer noch Teller, Tassen und Vasen vor mir. Solch eine Menge und Vielfalt an Keramik und Porzellan hatte ich noch nie in so kurzer Zeit an einem Ort gesehen und es dauerte ein paar Tage, bis ich alle Eindrücke verarbeitet und sortiert hatte.

Über die Geschichte der Keramik und des Porzellans in Japan ist viel geschrieben worden. Hier sind ein paar Links dazu:

Die Geschichte des Porzellans von Arita und Imari: (https://de.wikipedia.org/wiki/Imari-Porzellan)

Die Geschichte des Porzellans: https://de.wikipedia.org/wiki/Porzellan

Die Entwicklung der Keramik in Japan und die sogenannten „Sechs Öfen“: https://de.wikipedia.org/wiki/Rokkoy

Ein interessanter Blog über  Tee und Teekeramik: https://blog.teekeramik.com/einfuehrung-in-die-eigentuemlichkeiten-japanischer-keramik/

Amakusa – Porzellan und Keramik

28. – 29. April 2023

Wer bitte segelt in Japan ohne Ingwerreibe?

Die aus Plastik zählt nicht, es sollte schon eine aus Porzellan sein. Vor vier Jahren hatten wir auf der Insel Amakusa in einer Porzellanmanufaktur eine gesehen, aber leider nicht mitgenommen. Wir erinnern uns, dass uns das Libellenmotiv damals so gut gefallen hatte und würden gerne überprüfen, ob das auch heute noch so ist.

(Unser Besuch auf Amakusa von 2019)

Das Wetter spielt mit, wir können beruhigt in der Bucht vor dem Ort Takahama ankern, finden auch wieder den Weg zum Ladengeschäft, wo es die Ingwerreibe tatsächlich immer noch gibt. Mit dem hübschen Libellenmotiv ist eine ganze Linie verziert: Teller, Schalen, Becher.

Das Museum nebenan ist heute allerdings geschlossen, nur eine schläfrige Katze bewacht den schönen Innenhof und die Blüten der Orangenbäume verströmen einen betörend berauschenden Duft.

Am nächsten Tag wollen wir zu einer Töpferei, die wir noch nicht kennen. Sie liegt gerade mal eine Bucht weiter nördlich. Es ist eine Anreise der besonderen Art: vorsichtig tasten wir uns in die unkartierte Bucht hinein, wo wir die Muktuk für eine kurze Zeit vor Anker liegen lassen können. Es regnet in Strömen, ein Schirm ist nutzlos, der Wind treibt den Regen fast senkrecht übers Wasser. Es mag etwas übertrieben aussehen, aber nur mit unserem orangenen Ölzeug und den Gummistiefeln aus Alaska bleiben wir trocken.

Wir binden unser Dinghi in einem kleinen Hafen hinter hohen Schutzmauern fest. Die schwarzen Ziegeldächer der vielleicht zehn Häuser im Dorf glänzen dunkel im Regen und das Grün leuchtet noch satter im Kontrast dazu. Gleich im ersten Haus am Hafen befindet sich die Töpferei, die wir suchen. Das Ehepaar Kameyama lebt und arbeitet hier. Sanae stammt von der Insel, hat in Arita ihr Handwerk gelernt und konnte ein Jahr lang an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle studieren. Ihr Mann, Go, stammt aus Tokio und hat die Keramik-Schule in Karatsu besucht. Über die Jahre hinweg haben sie in Anlehnung an ihre berühmten Lehrstätten ihren ganz eigenen Stil entwickelt.


Sanae und Go Kameyama

Der Schauraum ihrer Töpferei ist in warmen Tönen gehalten, ein Teil des Raumes mit Tatami-Matten ausgelegt und eine Ecke für die traditionelle Teezeremonie eingerichtet. In Regalen an den Wänden, auf alten Truhen und einem großen Holztisch sind die Keramiken aufgestellt. Uns gefallen auf Anhieb viele der Tassen und Vasen, die die beiden hergestellt haben und es fällt uns richtig schwer, uns auf einige wenige zu beschränken.


Diese Vase ist leider viel zu groß für unseren Koffer.

Sanae zeigt uns noch ihren großen Brennofen, der mit Holz angefeuert wird und den sie nur vier Mal pro Jahr anheizen. Für schnellere Aufträge nutzen sie einen kleineren Gasofen in der Werkstatt nebenan.

Sanae verschwindet kurz, um unsere Sachen einzupacken. Als sie zurück kommt, sehen wir, dass sie auf die braune Papiertüte die Skizze eines Segelbootes mit zwei Masten hingeworfen hat – mit sicherer Hand in japanischem Stil hat sie die Muktuk sehr genau getroffen, dabei hat sie nur aus weiter Entfernung durch graue Regenschleier das Boot sehen können. Unglaublich, wir sind begeistert! Wir wollen die Skizze unbedingt behalten und vielleicht sogar einrahmen. Daher packe ich die Tüte ganz sorgfältig ein, damit sie nicht zerknittert und vor allem auf dem Rückweg zum Boot nicht nass wird.

Durch den strömenden Regen stapfen wir zurück zum Hafen, Sanae und Go kommen mit dem Auto nachgefahren und winken uns noch eine Weile zum Abschied von der Mole aus. Wir gehen gleich wieder Anker auf und segeln weiter rüber zum Festland mit Ziel Mogi (bei Nagasaki).

Kleines Juwel

25. bis 28. April 2023

Ushibuka, ein Fischerort im Süden der Halbinsel Amakusa. Da unser Mast zum Glück nicht so hoch ist, passen wir unter der Brücke durch und können am Schwimmsteg anlegen. Der gilt als „Umi no Eki“, See-Station, und kostet Liegegebühren. Die werden leider nach Tonnen bemessen, und das Gewicht unserer Muktuk, 26 Tonnen, ist schon gar nicht mehr auf der Preisliste und muss extrapoliert werden. So müssen wir für die drei Tage und Nächte den enormen Betrag von 405 Yen, umgerechnet 2,74 Euro bezahlen. Und bekommen natürlich eine Quittung dafür. Am nächsten Tag kommt ein Mitarbeiter des Büros ans Schiff, entschuldigt sich vielmals und erklärt, die Mitarbeiterin von gestern hätte sich vertan und uns 2 Yen zu viel berechnet, die uns natürlich zurückerstattet werden, immerhin fast 2 Cent! Und natürlich gibt es dafür eine neue Quittung. Japan eben.

Aber das nur am Rande. Zeigen wollen wir Euch eigentlich einen kleinen Park, den wir zufällig auf einer Wanderung zum Aussichtspunkt auf dem Berg entdeckt haben:

Im Hafen von Io-Jima

15. – 18. April 2023

Zwei Tage und zwei Nächte sind wir unterwegs, nachdem wir Okinoerabu-Jima verlassen haben. Wir wissen anfangs noch nicht, wie lange uns der Wind für unsere Reise nach Norden erhalten bleiben wird, deshalb haben wir kein festes Ziel, sondern legen uns nur eine ganze Reihe von Optionen zurecht. Für alle Inseln, die in Frage kommen, haben wir Detailkarten, Satellitenfotos der Häfen und ein paar touristische Informationen aus dem Internet heruntergeladen.

Die Überfahrt verläuft zunächst phantastisch: wir sausen mit 6-7 Knoten bei nicht allzu viel Welle dahin und kommen hervorragend voran. Die zweite Nacht ist allerdings anstrengend. Um uns herum toben Gewitter, es regnet in Strömen, die Sicht ist fast Null. Alle Frachter, die zwischen Tokio und Taiwan oder Südkorea unterwegs sind, kreuzen unseren Kurs. Außerdem sind auf dem Dampferstrich auch noch Flotten chinesischer Fischereifahrzeuge unterwegs, die sich um Vorfahrtsregeln wenig scheren. Wer hier ohne AIS unterwegs ist, ist verloren.

In dieser Nacht ist also nicht wirklich an Schlaf zu denken. Ständig stehen Ausweichmanöver oder zumindest gespanntes Beobachten des Schiffsverkehrs an. Wir legen unsere Wunschinsel für die Ankunft fest, und am frühen Morgen ist klar, dass wir diese auch erreichen können, bevor der Wind dreht.

Io-Jima heißt sie und liegt gerade mal 30 sm vom Festland entfernt. Sie hat einen hübschen Vulkankegel und soll mehrere heiße Quellen mit den dazugehörigen Bädern (Onsen) haben. Neben Vulkanologen kommen im Wesentlichen Onsen-Freunde hierher, es gibt kaum touristische Infrastruktur, keine Restaurants, einen kleinen Krämerladen. Genau das Richtige für unseren Geschmack.

Wir erfahren, dass vor etlichen Jahren ein berühmter Trommler aus Guinea hierherzog, um eine Schule für die afrikanische Djembe-Trommel zu eröffnen. Die hat hier auf der Insel gründlich eingeschlagen, so dass die Hälfte der Inselbewohner entweder trommelt oder zur Trommelei tanzt. Viermal pro Woche kommt die Fähre aus Kagoshima, und am Wochenende, wenn die Kinder schulfrei haben, wird die Fähre mit einer Djembe-Trommel Vorführung nebst Tanz begrüßt.

Um der drohenden Entvölkerung der Insel zu begegnen, werden Neu-Ansiedler hier drei Jahre lang subventioniert, um Fuß fassen und eine Anstellung finden zu können. Im Gegensatz zu anderen Inseln mit ähnlichen Programmen muss man hier das Bürgergeld auch dann nicht zurückzahlen, wenn man die Insel wieder verlässt.

Nach unserer harten letzten Nacht auf See freuen wir uns jedenfalls sehr bei der Vorstellung, im heißen Wasser der vulkanischen Quellen entspannen zu können. Aber zu früh gefreut: als wir im Hafen angelegt haben, werden wir von einem Behördenvertreter informiert, dass wir ohne aktuellen PCR-Test nicht an Land dürfen. Wir dürfen gerne im Hafen bleiben, bis das Wetter besser wird, aber das Schiff nur verlassen, um die Hafentoilette zu benutzen. Alles Vorzeigen unserer Impfpässe oder Schnelltests hilft nichts. Und hier auf der Insel kann man natürlich keinen PCR-Test machen, den hätte man schon mitbringen müssen. Sho ga nai, wie der Japaner sagt: da kann man wohl nichts machen.

Langweilig wird es uns trotzdem nicht. Zwar dürfen wir nicht von Bord, aber das hält die Inselbewohner nicht ab, uns zu besuchen. Als erstes kommt Aia, Mutter des fünfjährigen Sohns Aito und ihrer einjährigen Tochter Asami. Aito will unbedingt das Schiff besichtigen, und der Mutter ist der fehlende PCR-Test schnuppe, also kommen sie alle an Bord, wir unterhalten uns, trinken Tee und essen Plätzchen. Sie fährt dann schnell noch heim, um für uns frisch geerntete Bambussprossen zu holen, lässt Aito solange bei uns. Er meint am Ende, wenn er groß ist, will er auch so ein Boot haben und um die Welt segeln.

Als nächstes kommen Yumi und Rei, ein elfjähriges Mädchen, wieder ist es die Neugier des Kindes, die den Kontakt herstellt. Schnell werden Yumis Mann Yoshiro und Oleg, der Vater des Mädchens angerufen, und so sitzen wir bald zu sechst um den Messetisch und unterhalten uns, denn Oleg ist ein Russe aus Estland, der vor dreizehn Jahren nach Japan kam, gut Englisch spricht und für die anderen übersetzen kann. Außerdem baut er gerade sein eigenes Boot und ist natürlich an unserer Muktuk interessiert. Wir verabreden uns für den nächsten Tag zum Abendessen an Bord und können so viel über die Insel, über die japanische Gesellschaft und über Olegs spannende Biographie erfahren.

Die Crew eines gerade eingelaufenen Forschungs- und Bergungsschiffes kommt uns auch begrüßen. Ein weiteres fünfjähriges Mädchen mit ihrem Vater besucht uns, und damit haben wir den Inselkindergarten schon komplett an Bord gehabt. Wenn es mit den Besuchern so weitergeht, haben wir bald die paar Dutzend Insulaner, die hier leben, kennengelernt, und dann hat sich das mit dem PCR-Test ja auch irgendwie erledigt.

Vor ein paar Tagen meinte Birgit, sie wünsche sich einmal einen Tag Pause, an dem nichts Neues passiert, damit sie dazu kommt, in Ruhe ein paar Blogeinträge zu schreiben. Als wir erfuhren, dass wir hier nicht an Land können, dachten wir eigentlich, ihr Wunsch würde sich erfüllen. Aber wir haben hier nun doch so viele nette Menschen kennengelernt und so viel Neues gelernt, dass es wohl wieder nichts war mit der Pause. Tja – sho ga nai, da kann man nichts machen….

Makurazaki – Hauptstadt des schimmeligen Fischs

18. bis 24. April 2023

Für unseren nächsten Hafen muss ich kulinarisch etwas ausholen. Denkt man an typische Zutaten der japanischen Küche, fällt einem als erstes die Sojasauce ein. Schon an zweiter Stelle steht aber eine Zutat, die im Westen nicht ganz so bekannt ist, aber eine absolut zentrale Rolle beim Japanisch Kochen spielt: das Dashi. Ob Miso-Suppe, die Brühe für Ramen, sautiertes Gemüse, zahlreiche Sauce: die Dashi Brühe gibt all diesen Gerichten die entscheidende Note. Die Hauptzutaten für Dashi sind Kombu (eine Algenart) und Katsuobushi, fermentierter Thunfisch. Und die Hafenstadt Makurazaki, in der wir nun liegen, ist der wichtigste Ort Japans für die Herstellung von Katsuobushi. Sie haben angeblich auch schon 1707 damit angefangen.


Das beginnt mit dem Fischfang. In dem riesigen Hafenbecken landen täglich mehrere Dutzend Fischerboote ihren Fang an. Rund 50.000 Tonnen Bonito im Jahr werden hier ausgeladen. Auf den größeren Fangschiffen wird der Fisch unterwegs bereits gefroren, hier im Hafen findet die Auktion des Fangs statt. Ab 6:30 Uhr morgens rumpeln dann die Förderbänder, auf die der Bonito kistenweise mit Gabelstaplern geschüttet wird, dort wird er nach Größe und Unversehrtheit sortiert und in Lastwagen verladen.


Dutzende Fabriken in der Stadt verarbeiten den Fisch weiter: der Bonito wird zunächst ausgenommen, grob filetiert und dann ein bis zwei Stunden gekocht. Die noch warmen Fische werden dann entgrätet, enthäutet und in Viertelfilets aufgebrochen, alles in Handarbeit. Für zwei bis drei Wochen wandert der Fisch nun in Räucheröfen, wo er einen Großteil seiner Feuchtigkeit verliert und dadurch haltbar wird. Läuft man durch die Stadt, sieht man überall die Rauchschwaden aufsteigen, und der Duft von Räucherfisch weht einem um die Nase. Angenehm, solange man da nicht wohnen muss. Auch das in vielen Höfen gestapelte Kirsch- und Eichenholz, das zum Räuchern verwendet wird, riecht herrlich.




Für die besseren Qualitätsstufen geht der Verarbeitungsprozess aber jetzt erst richtig los. Der Fisch wird glattgeschliffen und mit einem Edelschimmel geimpft. Über einen Zeitraum von einem halben Jahr wird immer abwechselnd der Schimmel kultiviert und der Fisch wieder in der Sonne getrocknet. Am Ende steht ein sehr harter und spröder Knüppel, außen gleichmäßig hellbraun, innen glasartig rot wie ein Edelstein, dem man seine fischige Herkunft kaum mehr ansieht oder anriecht, und der viele Monate haltbar ist. Die jeweils benötigte Menge an Bonitoflocken wird von diesem Block in papierdünnen Spänen abgehobelt.




Natürlich kann man in jedem Supermarkt auch schon fertig gehobelte Bonitoflocken kaufen (die aber nicht so lange haltbar sind). Oder gleich Instant-Dashi als Pulver zum auflösen in Wasser. Aber selbst gehobelt ist natürlich schöner, und solange man es nicht im Doppelblindversuch beweisen muss, schmeckt es auch viel besser. Ehrlich.