La Palma – die grüne Insel

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Die westlichste Insel der Kanaren und die erste, die wir beide kennen lernen: hier liegen wir sehr ruhig im Hafen von Puerto de Tazacorte gut geschützt durch gleich zwei große Kaimauern, kaum ein Wind weht hier. Da kann die Muktuk dann auch länger bleiben, bevor wir die nächste längere Reise Ende November in Richtung Karibik antreten.

La Palma, sagt man, ist die grünste Insel der Kanaren und noch vom Massentourismus weitgehend verschont. Viele Urlauber sind trotzdem da, es ist landschaftlich wunderschön hier, zum Wandern, Baden und Entspannen. Die Haupturlaubszeit ist hier und überall auf den Kanaren allerdings der Winter, wenn die Mittel- und Nordeuropäer dem ungemütlichen Wetter für ein paar Tage entfliehen wollen.

Das Bussystem ist gut ausgebaut und wird vor allem von den Einheimischen genutzt. Auch wir lernen den Fahrplan und die Buslinien nach und nach kennen.

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Um die Ecke beim Hafen sind zwei Strände mit schwarzem Kies, Ferienwohnungen, Restaurants drum herum, es ist viel los am Nachmittag und Abend. Der Ort Tazacorte liegt ein paar Höhenmeter weiter oben, fünf Minuten mit dem Bus oder fünfzehn zu Fuß durch die Bananenplantagen. Von dort hat man einen wunderschönen Blick übers Meer. Fünfzehn Busminuten weiter im Inneren liegt Los Llanos, die größte Stadt der Insel, mit einer schönen Fußgängerzone, vielen Läden, Cafés, Restaurants, einem kleinen Marktgebäude.

Und es gibt sehr viele Deutsche hier, Touristen wie Auswanderer: z.B. in Los Llanos finden wir ein gemütliches Café von zwei Deutschen Konditormeistern betrieben, mit bestem Käsekuchen und selbstgemachtem Eis, die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel liegen aus; dann ein hübsches Restaurant mit kanarisch-venezolanischer Küche von einer jungen Deutschen und ihrem venezolanischen Mann betrieben; wir entdecken einen Gemüseladen, auch von einem deutschen Ehepaar betrieben, die hier am Vormittag die Bio-Produkte ihres Betriebes verkaufen und bei größeren Mengen auch zum Boot liefern. Ungewohnt für uns, nach diesem einem Jahr in Galicien, dass wir kaum noch dazu kommen, spanisch zu sprechen.

Eine der schönsten Wanderungen geht in die Caldera de Taburiente, einer riesigen Schlucht von 8km Durchmesser, die sich zum Inneren hin immer mehr verjüngt. Kiefernwälder, wilde Felsenlandschaft, wir gehen erst durch ein trockenes Bachbett voller Kiesel, aber die Anstrengung wird belohnt, bald kommt ein Naturschwimmbecken, und zu Abwechslung baden wir mal in Süßwasser.

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An einem anderen Tag werden wir von Mike und Uli, einem befreundeten Seglerpaar vom Nachbarsteg, eingeladen, mit ihrem Auto eine Rundfahrt zum Nordwesten der Insel zu unternehmen: zuerst zu einem malerischer kleiner Fischereihafen, eine Bar zum Kaffeetrinken davor, dann geht es weiter nach Los Tilos, einer kleinen Schlucht, mit dem größten zusammenhängenden Lorbeerwald der Insel, seit einigen Jahren ein Biosphärenreservat. Hier ist ein Informationszentrum eingerichtet, Picknick-Tische in Terrassen, wo wir uns zu Mittag gemütlich hinsetzen, nachdem wir eine kurze Wanderung zum Wasserfall unternommen haben. Auf dem Rückweg sehen wir noch ein paar Drachenbäume und können uns davon überzeugen, dass La Palma wirklich eine grüne Insel ist – der Westen fängt die Regenwolken und die Feuchtigkeit ein und von hier aus geht das weit verzweigte System der Wasserkanäle, Leitungen und Bassins los, das für die Bananenplantagen dringend gebraucht wird. Es war ein schöner Tag. Eine Stegparty steigt noch am Abend, wir sitzen vor unserem Boot, erzählen, singen bis spät in die Nacht.

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Vollgas

Sie standen ja im Revierführer: die „acceleration zones“, d.h. Seegebiete vor den Steilküsten der kanarischen Inseln, an denen durch den Düseneffekt der Wind erheblich stärker weht. Die Rede war von einer Steigerung um 10-15kn.

Auf der Überfahrt von den Selvagems nach La Palma hatten wir im Schnitt 20kn, also Windstärke 5. In der acceleration zone erwarteten wir also 30-35kn (Windstärke 7). Alles im grünen Bereich, zumal sich in dem kleinen Gebiet kein Seegang aufbaut, der diesem Wind entspricht. Also zwei Reffs ins Groß und rein ins Vergnügen.

Aber Rasmus hatte sich das anders vorgestellt. Es kachelte auf einmal mit 40-45 (9 Bft), in Böen auch schonmal 50-55kn (10 Bft), ein ausgewachsener Sturm also. Und auch aus den 2-3 Meter Wellen wurden ab und an 4-5 Meter, so dass das Ganze doch ein recht sportliches Erlebnis wurde.

Weder Windsteueranlage noch Autopilot konnten das mehr steuern, und so durfte ich Sturmtaktik beim Rudergehen üben: wenn die großen Wellen anrollten, vor den Wind gehen, damit einen die Welle genau von achtern erwischt und nicht querschlagen lässt. Wenn kleinere Wellen anrollen, wieder anluven, damit man irgendwann auch aus der acceleration zone heraus- und in die Abdeckung der Insel hineinkommt.

Mich hatte die ganze Aktion in unserer normalen Bordkleidung erwischt (kurze Hose, T-Shirt), war sofort klatschnass und schaffte es erst nach einer halben Stunde, kurz nach unten zu gehen und Ölzeug anziehen zu können.

Birgit war währenddessen unter Deck damit beschäftigt, die umherfliegende Inneneinrichtung zu bändigen, denn alles was nicht niet- und nagelfest gestaut war, entwickelte einen ungeheuren Bewegungsdrang. Und welche Luken nicht ganz dicht sind, wissen wir jetzt auch genau. Aber insgesamt hatte unsere Muktuk keinerlei Schwierigkeiten mit diesen Verhältnissen, sie blieb jederzeit kontrollierbar und sicher.

Nach anderthalb Stunden war der Spuk vorbei, und zwar so plötzlich, als hätte man einen Schalter umgelegt. Innerhalb von fünf Minuten ging es von Sturm auf Flaute, so dass wir die Segel bergen und die Maschine anwerfen mussten. So tuckerten wir dann gemütlich in den Hafen von Tazacorte, wo wir extrem geschützt liegen. Leider gibt es auf La Palma keine guten Ankerplätze, so dass wir erst einmal in der Marina bleiben werden, um von hier aus die Insel zu erkunden.

Von unserem heißen Ritt gibt es leider keine Fotos – unsere Kamera ist nicht wasserdicht, und ich hatte auch keine Hand frei. Das Bild und ein kleines Video sind von der Überfahrt.

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Video (Geduld, Bild kommt erst nach ein paar Sekunden)

Postamt Selvagems

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Man muss schon wissen, wo sie sind, um sie auf der Seekarte überhaupt zu finden. Die Ilhas Selvagems („wilde Inseln“), kaum mehr als eine Ansammlung einiger Felsbrocken auf dem Weg von Madeira zu den Kanaren.

Die Überfahrt dorthin ist recht zäh – fast ein ganzer Tag Flaute, ansonsten auch wenig Wind, aber das ist ja das Schöne, wenn man Zeit hat: man braucht einen Tag länger, um hinzukommen, dafür bleibt man einen Tag länger, weil es so schön ist.

Die Angaben im Revierführer klingen spannend: den Positionen sei nicht zu trauen, weil sie aus der Vor-Satelliten-Zeit stammen, die Karte verzeichne auch nur die wichtigsten Untiefen und einige Gebiete seien gänzlich unkartiert. Da fühlt man sich doch halb wie Herr Kolumbus, kramt sein altes Werkzeug aus der terrestrischen Navigation aus und nähert sich mit etwas mehr Adrenalin als üblich.

Geht aber alles gut, und so liegen wir dann bald in der Bucht, in der sich auch das Häuschen der einzigen Inselbewohner befindet: ein Parkwächter und drei Ornithologen, denn die Insel ist Naturschutzgebiet und Brutstätte für etliche Vogelarten, vor allem für eine große Kolonie von Gelbfuss-Sturmtauchern, die in der Dämmerung zu Hunderten ihre Kreise über der Bucht ziehen und zum Zwecke des sozialen Austauschs ihr charakteristisches „ouwa-ouwa“ ertönen lassen.

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Die Inselbewohner, auch durch Birgits frisch gebackenen Apfelkuchen freundlich gestimmt, haben uns dann am nächsten Tag die Insel gezeigt. In jeder zweiten kleinen Felshöhle nistet ein kleines Küken, das nur einmal täglich (später noch seltener) von den Eltern mit Nahrung beliefert wird, denn letztere kümmern sich ja mehr um den sozialen Austausch (s.o.) als um die Kinderpflege.

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Dafür haben die Bruthöhlen alle ihre eigene Hausnummer, vermutlich damit es bei der Postzustellung nicht zu Verwechselungen kommt. Die Insel hat nämlich ein eigenes Postamt, und Carlo, der Parkwächter, stempelt mit großer Hingabe unsere Postkarten ab. Briefkastenleerung allerdings nur einmal pro Monat, dann ist Schichtwechsel für die Bewohner. Das letzte Boot ist übrigens ein paar Stunden früher als geplant von Madeira aus losgefahren, deshalb gab es leichtes Durcheinander beim Einkaufen für die vier Wochen, und irgendwie fehlte am Ende das Bier. Sie haben noch zwei(!) Flaschen, aber noch über zwei Wochen vor sich. Zum Glück können wir mit Bordbeständen die größte Not lindern.

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Eine kleine Gecko-Art ist hier endemisch, und seit 2001 die überhandnehmenden Kaninchen und Ratten auf der Insel komplett ausgerottet wurden, erholt sich die Vegetation auf dem Hochplateau wieder. Eine Flechtenart diente füher zum Färben von Stoffen und aus einer anderen Pflanze wurde Seife gemacht. Für die Vögel und ihre Eier sowie das Sammeln dieser Pflanzen haben früher Fischer aus Madeira die lange Reise zu den Selvagems unternommen, bis das Gebiet unter Naturschutz gestellt wurde.

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Ich darf dann noch beim Auslegen von Bojen zur Ciguatera-Kartierung mithelfen, denn einer muss das Schlauchboot manövrieren, während Carlos die Bojen plaziert, und die Ornithologen sind nicht so aussenborder-affin. Hat Spass gemacht, und wenn ich zukünftig irgendwo mehrere Bojen in schnurgerader Reihe sehe, bin ich voller Hochachtung. Birgit und ich machen dann noch einen Schnorchelausflug zusammen mit vielen bunten Fischen, dann geht’s zurück zur Muktuk, denn morgen fahren wir weiter zu den Kanaren.

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Madeira klassisch – Blumen und Levadas

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Nach den ersten Tagen in der Ankerbucht vor dem Ostkap sind wir zwei Buchten weiter westlich gefahren, haben den Anker vor dem Örtchen Machico geworfen. Und von hier aus starten wir zu einer Levada-Wanderung, die zu einem Besuch auf Madeira einfach dazu gehört. Die Levadas sind Wasserkanäle, die von dem wasserreichen und wasserspeichernden Norden der Insel das nötige Nass in den Süden transportieren, wo das Klima günstiger ist für den Anbau von Bananen, Wein und viel Ost und Gemüse. Und überall dazwischen Blumen! Die Levadas sind teilweise begehbar und einige sehr schöne sind als Wanderwege ausgebaut, die sich an den Hängen entlang schlängeln. Mit dem Bus fahren wir von Machico in ein kleines Dorf hoch und laufen fast vier Stunden lang eine Levada entlang bis zum nächsten Ort, immer am Hang entlang, immer auf der gleichen Höhe, nur die letzte halbe Stunde geht es steil bergab zurück in unseren Ort.
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Anfangs verläuft der Wasserkanal noch an Häusern vorbei, dann nur noch an Gärten und Wiesen mit kleinen Werkzeughäuschen, dazwischen mal ein bisschen Lorbeer-Urwald. Weinreben ranken sich am Wegesrand, mal wild, mal gepflegt, laden zum Naschen ein, und einmal schauen wir staunend einen senkrechten Hang hinunter, wo sich ein schöner kleiner Weinberg befindet. Wie kann man da bloß ernten?

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In den Gärten stehen hier überall Bananenstauden, zwischen den Maispflanzen wächst auch mal ein Kohl, ranken sich die Bohnen hoch. Kartoffeln, Möhren, Petersilie wild durcheinander. Und überall breiten sich Zucchini- und Gurkenpflanzen aus.

Mit solchen Gärten kann man sich sicher gut selbst versorgen… Ab und zu steht am Wegesrand eine Kiste mit Obst und dazu eine Dose für die Münzen: wir bedienen uns, zahlen den angegebenen Preis von je 50Ct für drei Bananen und Weintrauben und haben eine feine Wegzehrung.

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Zwischendurch riecht es ganz süß, wenn wir an einem Feigenbaum vorbei kommen, an einer anderen Stelle ist es frisch gemähtes Heu. Und in den kleinen Senken hört man immer wieder eine Ziege meckern.

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Es ist August und schon überall etwas trocken, trotzdem blüht zur Zeit viel: hie und da noch eine Strelitzie, die eigentlich in den Wintermonaten vorherrscht, ein paar verblühte Hortensien, Rosen, Lilien am Wasser und viele andere Arten, wilde und angepflanzte, die wir ohne Bestimmungsbuch gar nicht benennen können. Wir sind begeistert von der Vielfalt!

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Vor der nächsten Überfahrt, Richtung Kanarische Inseln, wollen wir noch mal die Wassertanks füllen und melden uns im benachbarten Hafen an. Wie froh sind wir, dass wir zwei Nächte lang auf ruhigem Kiel (aus)schlafen können. In der Bucht vor Machico hatten wir zuletzt Schwell und Wind quer zur Welle, d.h. Muktuk rollte die meiste Zeit hin und her die Längsachse entlang. An ruhigen Schlaf war nicht zu denken. Morgen geht es los!

Ankunft auf Madeira

…also erst einmal sorry für die Probleme mit der Technik: die beiden letzten Beiträge, die wir auf der Überfahrt geschrieben haben und kunstvoll per Pactor-Modem an eine supergeheime EMail-Adresse gesendet haben, die daraus eigentlich einen Blog-Eintrag hätte machen sollen, sind irgendwie nicht angekommen. Jetzt posten wir sie eben rückwirkend. Das lernen wir aber auch noch.

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Jedenfalls sind wir jetzt da. Beweisfotos siehe unten. Alles in allem eine wunderschöne erste Etappe mit optimalem Wind. Ab der dritten Nacht konnten wir dem Meeresleuchten zusehen, das bis Madeira immer stärker wurde. Ist schon faszinierend, wenn die Muktuk eine grün leuchtende Spur durchs Wasser zieht.

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In der fünften Nacht auf See konnten wir die ersten Lichter von Porto Santo erkennen, im Morgengrauen dann die Umrisse Madeiras. Und als wir aufs Ostkap zufuhren, hat uns wieder einmal eine Gruppe von Delfinen begleitet, diesmal eine andere, deutlich größere Art. Schwer zu erklären, aber es ist für uns jedesmal eine große Freude, diesen Tieren zuzusehen.

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Am Vormittag haben wir schließlich das Ostkap gerundet und sind kurz dahinter in einer von hohen Felswänden umgebenen Bucht vor Anker gegangen. Nach Anleger und Mittagessen haben wir uns dann erst einmal ausgeschlafen. Bis die Schlafbatterien wieder voll sind, wird aber noch ein Weilchen dauern. Eigentlich brauchen wir gar nicht an Land zu gehen: wir haben erst einen von sieben Wassertanks geleert (ok, den größten, aber immerhin), der Kühlschrank ist noch voll, Klopapier auch noch genügend da, und die Zwiebeln reichen locker bis New York. Dass wir nicht an Land müssen, ist auch ganz gut so, denn wir liegen hier am Ostkap sehr abgeschieden, Geschäfte gibt’s hier nicht. Dafür Heerscharen von Wanderern, es geht zu wie auf den Münchener Hausbergen. Alle genießen den spektakulären Blick von der Steilküste herab und Muktuk als Fotomotiv.

Davon abgesehen haben wir es noch nicht geschafft, mit dem Dinghi anzulanden, denn die Felsen wirken als Düse, so dass ganz ordentlich der Wind pfeift und das An-Land-kommen mit dem Beiboot schwierig macht. Na ja, erst einmal haben wir auch an Bord genug Programm: putzen, ein paar Reparaturarbeiten, lesen, schlafen, essen…

Einzig die Fisch-Versorgung könnte noch besser werden. Klar, weil das mit dem Blog schreiben von unterwegs nicht geklappt hat, konnten uns die Fische auch nicht finden, deshalb hat auch keiner angebissen. Immerhin: ein paar Stunden nachdem wir den letzten Beitrag mit Positionsangabe per Mail losgefunkt hatten, sprang zumindest der erste fliegende Fisch an Deck und ergab sich seinem Schicksal als Vorspeise am Mittag. Klein, aber fein – können ruhig noch mehr davon angeflogen kommen…

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Ziemlich viel Blau

Inzwischen ist es bedeutend gemütlicher geworden: die See ist ruhig, der Wind schwächer und unser Speed auf 4kn gesunken. Der Bewegungsdrang der Gegenstände an Bord ist jetzt schwächer, selbst die Zwiebeln halten Mittagsschlaf.

Wir könnten die ganze Nacht laut Musik hören, denn Probleme mit Nachbarn haben wir kaum. Aber da ja nachts immer einer von uns zu schlafen versucht, lassen wir das mit der lauten Musik sowieso. Den einzigen Lärm macht das AIS, das uns zuverlässig per Hupe informiert, wenn ein größeres Schiff in unsere Nähe kommt. Das passiert aber nur 2-3 Mal pro Tag, und auch dann mussten wir in letzter Zeit nie unseren Kurs ändern.

Da jetzt die Sonne häufiger scheint, sitzen wir öfter auch an Deck und bewundern die Unmengen an blauem Wasser, die uns umgeben. Heute konnten wir einer Gruppe von Delphinen zuschauen, wie sie die „Rund Muktuk“ Regatta veranstaltet haben. Dabei geht es darum, möglichst dicht vor dem Bug zu passieren, dann unter dem Boot durchzutauchen und möglichst schnell wieder vorne am Bug zu sein. Bei einem Dutzend Wettkämpfern war das erheblich spannender als die Fussball-WM vor unserer Abreise.

Gestern vormittag habe ich die Windsteueranlage in Betrieb genommen und den Autopilot ausmachen können. Während der Autopilot mit Storm läuft und einen konstanten Kurs hält, arbeitet die Windsteueranlage rein mechanisch und sorgt dafür, dass das Boot einen konstanten Winkel zum Wind behält. Das hat Vor- und Nachteile: man weiss immer erst hinterher, wohin man gefahren ist, denn wenn der Wind dreht, dreht sich der Kurs mit. Aber was sind auf Langstrecke schon 10-15 Grad hin oder her? Der Vorteil ist, dass man praktisch nichts an der Segelstellung machen muss, die passt ja immer automatisch zur Windrichtung. Und Strom spart die Windsteuerung sowieso. Wir laufen jedenfalls jetzt seither ohne Autopilot.

Die Angelrolle habe ich heute auch repariert, und während gestern höchstens ein stark suizidal veranlagter Fisch an den Haken hätte gehen können, gibt es seit heute keine Ausrede vor dem Anbiss mehr. Ich hoffe viele Fische lesen unseren Blog.

Wie sie uns finden? Pos 36°44N 014°12W COG 220 SOG 4,6kn

sture Zwiebeln

Bordalltag auf der Überfahrt. Drei Stunden schlafen, drei Stunden wach in der Nacht, tagsüber Zeit für die Verrichtungen das Alltags. Das Schaukeln des Bootes bei moderaten 2-3 Metern Atlantikwelle macht letztere zu kleinen Geschicklichkeitsübungen, schliesslich kann man keinen Schraubenzieher, keinen Suppenteller und keine Zahnpastatube irgenwo hinlegen in der landüblichen Erwartung, diesen Gegensatnd drei Sekunden später noch an der selben Stelle vorzufinden.

Zu den unerwarteten nautischen Gefahren gehörte heute Mittag der Zwiebelschlag. Wie von nahezu allem Essbaren haben wir auch von Zwiebeln ziemlich viel an Bord, denn wer weiss ob uns nicht eine monatelange Flaute heimsuchen könnte, und wenn dann alle von Birgit eingemachten Gläser mit Gulasch, Zwiebelschnitzeln, Sugo und Rouladen aufgegessen sind, werden ein paar Kilo Zwiebeln sicher nicht reichen. Und zu denen, die wir selbst gekauft hatten, bekamen wir noch etliche dazugeschenkt von der Frau unseres Schreinermeisters.

Weil diese Zwiebeln noch recht frisch sind und luftig gelagert sein wollen, damit sie nicht schimmeln, haben wir sie in ein Netz gelegt, das über dem Küchengang gespannt ist. Das ist nicht ganz so praktisch wie es klingt, denn wenn man eine Zwiebel herauszieht, rieseln von ungefähr zweihundert anderen Teile ihrer Schale zu Boden.

Na ja, jedenfalls kam es wie es kommen musste: ich hatte gerade das Geschirr abgespült und auf der Küchenplatte gestapelt (natürlich kunstvoll mit Leisten und feuchten Lappen gegen Wanderschaft gesichert), als eine etwas größere Welle dem Boot einen kleinen Extra-Schubs gab und damit den ersten Zopf Zwiebeln aus dem Netz beförderte. D.h. eigentlich bewegte sich nicht die Zwiebel, diese bestand nur auf ihrem angestammten Recht, träge am selben Ort wie zuvor bleiben zu dürfen. Es war genau genommen Muktuk, die um die Zwiebel herumhüpfte. Aber der Effekt war derselbe: nach dem Fall des ersten Zopfes kam der Rest des Netzes aus dem Gleichgewicht und es ergoss sich ein Strom von Zwiebelzöpfen, Einzelzwiebeln, Knoblauchknollen und verstreuten Paprikas, Zucchinis und Kräutern über meinen Kopf, auf den Boden und – besonders gemein – auf das frisch abgewaschene Geschirr. Also geflucht, Netz anders abgespannt, Gemüse zurückgestaut, Boden gekehrt und nochmal abgewaschen… Bordalltag eben.

Ansonsten ist alles gut: wir kommen mit Etmalen von 140 Seemeilen Richtung Madeira voran, haben prächtigen Wind zwischen 4 und 6 Bft aus der besten aller Richtungen und müssen uns geradezu bemühen, mit Reffs die Fahrt unter sieben Knoten zu halten, damit der Ruderdruck nicht zu groß und die Bewegungen des Boots nicht zu heftig werden – Luxusprobleme auf einem Segelboot.

Leinen los

Fast ein Jahr hat es gedauert, und ein paar Mal war es schwer gewesen, die Zuversicht zu behalten: aber es sieht wirklich so aus, als hätte Muktuk ihre Metamorphose von der Baustellenraupe zum seetüchtigen Lebensraum-Schmetterling abgeschlossen. Die Arbeitslisten sind im Wesentlichen abgearbeitet, einzig die Jungs von der Werft müssen in den nächsten zwei Tagen noch einmal die Plexiglasscheiben der Luken neu einkleben, denn das Dichtmittel ihrer ersten Wahl war ungeeignet und haftet nicht gut am Plexiglas. Gut dass es noch rechtzeitig bemerkt wurde.

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Den Proviant-Großeinkauf haben wir bereits erledigt: drei Einkaufswägen voll, und da der Supermarkt direkt am Strand liegt, konnten wir den Heimtransport zünftig per Beiboot erledigen und die Sachen direkt bis zum Boot fahren. Fehlen nur noch die frischen Sachen vom Markt und die Lieferung aus der Apotheke für die medizinische Ausrüstung, dann sind wir eigentlich bereit zum Ablegen.

proviant

Nach so langer Zeit in Galicien fällt das Abschiednehmen schon schwer. So viele schöne Erlebnisse, alte und neue Freunde, eine zauberhafte Landschaft – das Fernweh bekommt ernsthafte Konkurrenz vom Abschiedsschmerz. Ich fürchte, an diese Situation müssen wir uns in den nächsten Jahren gewöhnen.

Vorige Woche waren wir beim Chef unserer Schreiner zu einem Grillabend eingeladen, und am Ende (so gegen halb vier) wurde noch der Brauch der Queimada zelebriert: eine Art galicischer Feuerzangenbowle, aber mystisch angereichert. Während der brennende Schnaps mit dem Schöpflöffel gerührt und die Flammen damit immer neu angefacht werden, wird mit erhobener Stimme der Conxuro deklamiert – eine lange Beschwörungsformel, die die bösen Geister von den Anwesenden fernhalten und die Geister der abwesenden Freunde an der Feier teilhaben lassen soll. Wen’s interessiert: es gibt sogar einen Wiki Artikel zur Queimada, inklusiver galicischem Text und Übersetzung des Conxuro. Wir waren jedenfalls schwer beeindruckt.

Die Vorbereitungen für die Reise sollten also diese Woche noch abgeschlossen sein. Im Hafen liegen wir schon aussen am Besuchersteg (da ist das An- und Ablegen einfacher). Beim nächsten günstigen Wind heisst es dann „Leinen los“. Oder unsere Freunde schneiden uns die Leinen durch, damit wir nach so langer Zeit auch wirklich loskommen.

Blumenteppich

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Am darauffolgenden Sonntag wurde in unserem Örtchen wieder ein Fest gefeiert:

Das Besondere daran dieses Mal, in zwei Gassen der Altstadt werden Ornamente ausgelegt auf dem Boden. Einige hundert Meter lang zieht der Teppich durch die Straßen. Er besteht aus bunt gefärbtem grobem Salz, Blumenblüten, die braunen Kringel am Rand sind aus Kaffeesatz, der das Jahr über aufgehoben und eingesammelt wird, und das grüne Füllmaterial dazwischen sind Mimosenblätter. In einer offenen Garage sitzen viele Frauen und zupfen immer noch an Blüten- und Mimosenzweigen, andere, überwiegend Frauen, knien auf der Straße und legen die Muster aus. Wir fragen, bewundern ihre Arbeit, sie erzählen uns, dass jede der beiden Straßen eine Art Verein haben, der nun bald in sein 80. Jahr geht, sie beginnen schon eine Woche vorher mit dem Zupfen der grünen Blätter, dem Einsammeln der Blumen.

Sonntagmorgen ab 8 h werden die Muster gelegt, mittags gegen 13h waren sie schon fast fertig. Das Salz passt zur Gegend hier, mit den vielen Fischkonservenfabriken, dem gesalzenen Fisch, früher gab es mehr Blumen, sagt eine ältere Dame, heute nimmt man überwiegend Salz, das geht schneller, es gibt auch nicht mehr so viele Helferinnen, die sich zwei Tage davor ans Blumenzupfen machen. Mangels ausreichender Helferinnen hat vor einigen Jahren die dritte Straße aufgegeben, es gibt nurmehr zwei Straßen, die diese aufwendige Arbeit leisten.

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Die Muster werden mit Hilfe einer großen Schablone gelegt, am Anfang und Ende des Musterteppichs gibt es dann richtige Bilder, Jesus und ein Kreuz dazu, oder Maria mit dem Jesuskind, oder gar zwei Schwäne mit einem Herz darin.

Und alle hoffen, dass der Wind nicht zu stark weht und die Blumen weg pustet, dass es nicht zu regnen beginnt, so wie die beiden letzten Jahre, wo ein Wolkenbruch mit einem Mal alles weg schwemmte. Viele Familien gehen vorbei, hübsch angezogen, die Mädchen vor allem in ihren schicken Sonntagskleidchen, Festtagsstimmung. Abends dann beginnt die Prozession auf dem Teppich – zu Ehren aller Ehepaare, die seit 25 Jahren verheiratet sind. Die gehen in der Prozession mit und dieses Mal hat die Sonne sich den ganzen Tag durchgesetzt.

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San Juan

Letzen Samstag auf dem Markt ging ich einem würzigen Duft nach und sah eine alte Bäuerin mit einem Karren voller grüner Sträuße vor der Halle stehen. Es sei Brauch, sagte mir die Bäuerin, die Pflanzen in einen Bottich voller Wasser zu legen und am Sonntag mit diesem wohlriechenden Wasser Gesicht und Hände zu waschen. Also kaufte ich auch ein Bündel und ließ mir erklären, was alles darin zusammengebunden war: Zitronenverbene, Melisse, Minze, Salbei, Rosmarin, Nussblätter, und noch viele andere intensiv duftende Pflanzen, deren Namen ich nicht kenne, eines bloß davon habe ich mir gemerkt, das auf Spanisch „gutes Kraut“ genannt wird.

Kräuter
Die Sonne schien, im Boot war es warm, und die Kräuter verströmten selbst im schwarzen Bottich im Wasser noch den wunderbaren frischen Duft, nicht nur, wenn wir daran vorbeigingen, er zog durchs ganze Schiff.
San Juan wird hier überall in der Gegend am 23. Juni gefeiert, ähnlich wie in Nordeuropa der Johannistag am 21. Juni. Im Nachbarort Palmeira wird er richtig groß begangen. Schon zwei Tage davor geht es los, gibt es Musik, tagsüber zieht die örtliche Gruppe der Dudelsackspieler durch den Ort, abends treten Musikgruppen auf, die Bars sind voller Menschen, die auf ein Weinchen und ein Tapa zusammenstehen, Kinder wuseln bis spät in der Nacht ganz selbstverständlich mit herum.
Höhepunkt ist dann am letzten Tag, eine „sardiñada“, auch ein Feuer war angekündigt. Also sind wir mit unseren Freunden dorthin gefahren: Am Strand hinter der Mauer wurden auf drei großen Rosten die Sardinen gegrillt, davor auf der Promenade standen die Verkaufstische, und dazu eine ganz lange Schlange gut aufgelegter Menschen. Es ging recht zügig voran, und wir wurden unterdessen unterhalten von einer unglaublich energievollen Zumba-Tänzerin, deren Schule hier in der Gegend liegt, und ihren Schülern, viele Jugendliche dabei. Ihre Musik lag ständig im Wettstreit mit einer Gruppe junger Männer, die ein paar Meter weiter mit Schlagzeug und Blechinstrumenten ebenfalls lateinamerikanische Stücke spielen wollten.
Die Sardinen waren köstlich, mit dem groben Salz knusprig gebraten, ein Stück dunkles Maisbrot dazu, ein Bier aus dem Plastikbecher. Unser Stehplatz an der Mauer beim Essen war perfekt: wir beobachteten die Sardinenbrater bei der Arbeit, ohne Handschuhe wendeten sie die Fische auf dem Rost, eine der Frauen, gab uns ab und zu noch ein paar Sardinen hoch, einfach so!

Sardinen
Etwas später, mit einem Glas Wein am Strand weiter vorne konnten wir das Feuerwerk zu Mitternacht erleben – genau über uns! Fünfzehn Minuten lang!
Danach wurden die beiden großen Holzfeuer angezündet, um die „bruchas“, die Hexen, z u vertreiben, die in dieser Nacht unterwegs sein sollen. Eines der Feuer war mit einer Opfergabe bestückt: ein altes Fischerboot aus Holz wurde mit verbrannt…
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