Drecksarbeit

Wenn man unseren Blog so liest, könnte man ja fast meinen, wir wären hier im Dauerurlaub. Das wäre allerdings ein grobes Missverständnis. Die Tage hier auf der Isla de Mujeres waren – von einem Tag Inselrundfahrt auf geliehenen Fahrrädern abgesehen – gefüllt mit Arbeiten rund ums Schiff sowie mit Versorgungsaufgaben.

Die Ankerwinsch hat mal wieder gesponnen und musste ausgebaut, zerlegt, repariert und wieder eingebaut werden (fast ein Tag Arbeit), eine Fahrt mit der Fähre ins gegenüberliegende Cancun, weil wir länger als fünf Tage in Mexiko bleiben und somit ein „Temporary Import Permit“ fürs Schiff brauchen, ein vergeblicher Versuch, die Gasflaschen zu tauschen, Bevorratung für die nächste Überfahrt, usw. usf.

Aber man kennt ja den Spruch: Langfahrtsegeln heisst, sein Schiff an den schönsten Orten der Welt zu reparieren. Da wollen wir uns also keinesfalls beschweren. Der Höhepunkt an karibischer Lebensfreude und Naturerleben war aber heute Vormittag.

MuktukVogel

Genau genommen fing es ja schon gestern Abend an. Die großen schwarzen Fregattvögel, die so majestätisch am Himmel stehen, über Stunden hinweg ohne einen Flügelschlag, müssen am Abend auch einmal schlafen gehen. Auf dem Wasser landen können sie nicht (d.h. vielleicht schon, aber hoch kämen sie nicht mehr), daher hat es schon ein paar Mal einer versucht, auf einem unserer Masten zu landen. Bisher hat das allerdings nie geklappt.

AufDerStange

Gestern Abend aber schon. Und wo einer sitzt, ist doch bestimmt Platz für ein paar mehr. Prompt hatten wir fünf von den Viechern auf unserem Genickstag sitzen (das ist das Stahlkabel, das die beiden Mastspitzen verbindet). Sie liessen sich auch nicht durch Anleuchten mit der Taschenlampe vertreiben.

Schon am Abend hörten wir vereinzelte Aufplatsch-Geräusche, heute morgen sahen wir die Bescherung: das ganze Deck mit Vogelkot übersät, das Cockpitdach nicht länger weiss, sondern grau-braun besprenkelt, die Cockpitpersenning versaut, das Fischbrett besudelt, durch die offen stehenden Luken Dreck in der Küche und in der Achterkoje (immerhin unser Schlafzimmer!). Die beiden großen Eimer mit Süsswasser, die am Achterdeck stehen, um sich nach dem Baden ein wenig abpülen zu können, hat es auch erwischt. Aber vielleicht haben die Homöopathen ja recht und Vogelkot in D4-Verdünnung hilft gegen den Dreck?

Dreck

Na ja, jedenfalls waren wir dann von neun bis zwei damit beschäftigt, den Dreck mit Bürsten, Lappen und unzähligen Eimern Seewasser wegzuputzen und eine Angelsehne über dem Genickstag zu spannen, damit sich das Theater heute Abend nicht wiederholt. Dass sämtliche Maststufen und die Salinge auch komplett versifft und glitschig waren, hat den Aufstieg und die Arbeit auf den Mast-Toppen auch nicht unbedingt sicherer und angenehmer gemacht. Brrrrrrr….

Jedenfalls: wenn sich die Biester heute Abend trotz unserer Abwehr-Konstruktion wieder da oben niederlassen, packen wir die Gummischlinge und Papier-Krampen aus und blasen zur Fregattvogeljagd. In diesem Sinne: Halali.

Vogel

Isla de Mujeres

Zwei Tage brauchen wir für die Strecke von Kubas Westspitze bis zur mexikanischen Isla de Mujeres. Die 120 Seemeilen hätten wir eigentlich in einem Tag schaffen können, wir hatten stetigen Wind aus guter Richtung, und durchs Wasser machten wir schätzungsweise nie unter fünf, meist sechs Knoten Fahrt.

Aber der Kanal von Yucatan ist für seine heftige Strömung berüchtigt, und die sorgt dafür, dass wir über Grund nur mit zwei bis drei, über viele Stunden hinweg sogar eher anderthalb Knoten laufen. Und dann können auch 120 Meilen ganz schön lang werden.

Zum Glück lässt der Strom am Ende nach, so dass wir am zweiten Tag doch noch bei Tageslicht in der Ankerbucht ankommen. Einklarieren können wir zwar erst am nächsten Morgen, aber wir gönnen uns am Abend die ersten Tacos in der Marinabar.

Steg

Was für ein Unterschied zu Kuba! Nach gut sieben Wochen Einsamkeit und Versorgungsengpässen können wir die Eindrücke kaum verarbeiten. Eine Bar mit Livemusik, eine Speisekarte mit verschiedenen Gerichten darauf, die es auch wirklich gibt. Eine Toilette mit Spülung, Klopapier und sogar einem funktionierenden Waschbecken.

Laden

Am nächsten Tag der erste Gang durch den Ort. Geschäfte. Supermärkte mit vollen Regalen. Internet in fast jedem Cafe. Wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

Strasse

Das Prozedere des Einklarierens ist freilich nicht unbedingt einfacher als auf Kuba. Von allen Dokumenten benötigen wir sechs Kopien, zig Formulare wollen ausgefüllt, drei Behörden besucht und etliche Rechnungen bezahlt werden, bis wir uns schließlich legal in Mexiko aufhalten.

Jeden Morgen um halb neun hören wir das „Cruiser’s Network“ auf UKW Kanal 13, wo die Fahrtensegler aus den Marinas und vor Anker Informationen, Wetter und Veranstaltungshinweise austauschen.

Es tut uns jedenfalls gut, für ein paar Tage die Annehmlichkeiten der ersten Welt zu geniessen. Banal, aber wahr: man weiss sie erst zu schätzen, wenn man ein paar Wochen auf sie verzichtet hat. Wir bleiben gerne ein wenig länger an diesem wunderschönen Ort.

Seltsame Begegnung

Etwa auf halbem Weg zwischen Kuba und Mexiko, sechzig Meilen weg von Land in jede Richtung. Ich habe Wache und sehe von Deck aus etwas Seltsames im Wasser. Zu klein für ein Schiff, zu seltsam geformt für ein Seezeichen, dass es laut Karte hier auch nicht geben sollte. Auch mit dem Fernglas werde ich aus dem Ding nicht schlau. Ich wecke Birgit, die ja bessere Augen hat, aber auch sie rätselt.

weit

Wir ändern unseren Kurs ein wenig, um näher heranzukommen. Es ist ein kleines, mit einfachsten Mitteln zusammengebautes Bötchen. Zwei Rümpfe, bestehend aus einem Metallgitter, gefüllt mit Scheiben von Styropor, oben drauf eine Plattform, ein abgespannter Mast mit einer Art Rahsegel, schon recht zerfetzt.

Wir haben 5 Bft. Wind, Raumschot-Kurs, Vollzeug inklusive Fisherman gesetzt und können daher nicht schnell aufstoppen, sausen also mit sechs Knoten Fahrt an dem Gefährt vorbei, im Abstand von vielleicht 50 Metern. Erkennen können wir nicht viel, aber es scheinen keine Personen an Bord zu sein.

Aber sicher sind wir nicht. Nach ein paar Minuten bergen wir den Fisherman, wenden und segeln auf Amwindkurs zurück. Wieder in der Nähe, bergen wir die Segel und laufen die letzte viertel Meile unter Motor.

Ein großer Tanker hält allerdings genau auf das seltsame Gefährt zu. Ich funke ihn an, erkläre ihm die Situation und bitte ihn, uns etwas Raum zu geben. Er ändert nicht nur seinen Kurs, sondern stoppt sogar auf und wartet, was unsere Nachforschungen ergeben.

nah1

nah2

Wir fahren ein paar Kreise um das Boot und können nun aus einem Abstand von ein paar Metern genaueres erkennen. Personen sind wirklich keine drauf, dafür aber einige – anscheinend leere – Wasserkanister, Säcke mit Vorräten (Lebensmittel?), eine Reisetasche, ein Koffer, ein paar Kleidungsstücke und Gummistiefel.

Es sieht eindeutig nach einem selbst zusammengezimmerten Flüchtlingsboot aus, ob aus Kuba oder aus Haiti können wir nur raten. Offensichtlich ist die Flucht aber wohl missglückt, denn warum sonst hätten der oder die Passagiere ihre Koffer und Taschen an Bord gelassen? Sind sie über Bord gespült worden? Wurde sie von der Küstenwache aufgebracht und zurückbefördert? Wir wissen es nicht.

Der Rest ist schnell erzählt. Dem wartenden Tanker geben wir Entwarnung, seine Hilfe wird nicht benötigt. Den Rest der Schifffahrt warnen wir mit einer Sicherheitsmeldung über UKW mit Position und geschätzter Driftgeschwindigkeit und –richtung. Aber Birgit und mir bleibt der trostlose Anblick des verlassenen Gefährts noch lange in Erinnerung.

mitTanker

Menschen in Kuba – Begegnungen

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Havanna Vieja

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Havanna, Vedado

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Havanna, Vedado

Es gibt so viel zu erzählen über das Land an dessen Südküste wir acht Wochen lang unterwegs waren, dazu etliche Tage mit dem Bus an Land. Der Bericht darüber würde einen halben Reiseführer füllen und davon gibt es inzwischen genügend und sicher auch viele Infos im Internet. Darum, zum Abschluss unserer Zeit ein paar persönliche Eindrücke.

In Santiago de Cuba, ganz im Osten der Insel, bei einem kleinen Fest  als Dankeschön für die Rettungsaktion der Muktuk, als sie in der Bucht auf Wanderschaft ging: Die beiden jungen Marineros, die den Katamaran der Marina betreuen, haben viel Kontakt mit Seglern und dadurch nach und nach ihr Englisch verbessert. Sie würden sofort, wenn es möglich wäre, auswandern, um eine Weile im Ausland zu arbeiten, egal was. Sie ärgern sich, dass ihre Arbeit so gering bezahlt wird und sie davon nicht leben können, sie möchten das Internet nutzen, aber das ist nicht möglich, für private Haushalte nicht zugelassen… sie wollen reisen können, fragen uns aus nach den Ländern, die wir schon gesehen haben, wohin wir demnächst hin wollen, stellen Fragen zur Renovierung unseres Bootes, was es gekostet hat. Sie lachen hellauf und meinen, was sie für dieses Geld in Kuba alles hätten reparieren können. Selbst der anwesende Sicherheitsoffizier scheint sich nicht an ihren Reden zu stören, immerhin führen wir die Gespräche teilweise auch auf Spanisch.

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Fensterladen in Havanna

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Plattenbau unterwegs

Diese Offenheit erleben wir in den nächsten Tagen noch oft: in Camagüey im Artex-Laden des staatlichen Kunsthandwerksverbandes, wo es die schönsten Che T-Shirts gibt, komme ich mit den beiden Verkäuferinnen ins Gespräch. Wie so oft fragen sie erst nach, woher wir kommen und wieso wir als Deutsche so gut Spanisch sprechen, und so ergeben sich schnell weitere Gesprächsthemen. Auch sie sagen spontan, wie gerne sie reisen möchten und wie schwer das Leben hier sei. Wenn ich daraufhin antworte, dass ich zuversichtlich bin und hoffe, dass die bisherigen ersten Schritte in Richtung Privatisierung, einen Wandel zeigen, der „poco a poco“ nicht mehr zurückzudrehen sei, schauen sie mich sehr skeptisch an. Zu lange schon warten sie, Jahre um Jahre…

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Bicitaxis in Camagüey

In der Warteschlange vor der Wechselstube kommen wir mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der vier Jahre in Erfurt gearbeitet hat, noch zu DDR-Zeiten. Er fragt uns nach einer Weile, was denn ein Flug nach Deutschland kosten würde, schluckt, als er die Summe von 800,00 EUR hört – er hatte mit einem Viertel gerechnet – und erzählt, dass er einen Sohn in Deutschland habe, den er gerne einmal besuchen würde.

In Santiago fahren wir mit dem Taxi in die Stadt, wollen für zwei Wochen frisches Obst und Gemüse vom Markt kaufen. Der Taxifahrer erwähnt, dass er in den nächsten Tagen seine Frau aus Venezuela zurück erwartet, sie hat dort zwei Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet. Seine Eltern halfen ihm, den 12 Jahre alten Sohn mit zu versorgen. Eigentlich hätte sie schon da sein sollen, aber sie musste erst nach und nach die vielen Pakete losschicken, mit all den Haushaltswaren und sonstigen lebensnotwendigen Dingen, die sie in Venezuela erstanden hat und die es in Kuba nicht gibt.

Als wir mit den Einkäufen zu ihm zurück kommen, stellt er uns einen jungen Mann vor, der uns in fließendem Deutsch mit leicht sächsischem Akzent begrüßt. Er ist Sohn einer Deutschen und eines Kubaners, noch vor der Wende in Kuba geboren, als Kleinkind mit den Eltern nach Merseburg gezogen und dort aufgewachsen. Nun ist er zurück gekommen, vertieft seit 9 Monaten seine Spanischkenntnisse und möchte hier bleiben, als Biochemiker, Techniker arbeiten. In Kuba sei das Leben so viel ruhiger, der Staat mische sich viel weniger ein als in Deutschland (sic!), erklärt er uns. Und dann gibt er unumwunden zu, dass er zwar mit einem guten finanziellen Polster hergekommen sei, sich aber genauso wie alle anderen an dem Schwarzhandel beteilige, der das Überleben überhaupt erst möglich mache. So z.B. wohnt er in bzw. neben einer Rumfabrik, wird von dort mit günstigen Rumflaschen versorgt, die er gewinnbringend weiter verkaufen kann.

Schnell lernen auch wir, dass wir ein bisschen herumfragen müssen, um beispielsweise Eier und Butter zu bekommen, denn in den Kaufhäusern der Stadt wurde ich nur milde belächelt, als ich danach fragte. Die Kellnerin im Restaurant oberhalb der Marina, oder die Köchin im Hotel nebenan, sie alle verdienen sich ein paar CUCs dazu, in dem sie uns einen Tag später eine Lage Eier bringen, ein Pfund Butter in der Tüte.

Zwei junge Männer am Flughafen in Havanna, sie haben ein privates Taxi, einen hübsch hergerichteten Oldtimer aus den USA, 50er Jahre – wir holen mit ihnen unseren nächsten Gast ab. Ein Flugzeug steigt in den Nachthimmel über unsere Köpfe hinweg auf, sie schauen beide sehnsüchtig hinterher: „Einmal möchte ich auch darin sitzen“, sagt der eine.

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Mangroven

An der Südküste der Insel ziehen wir von einer einsamen Ankerbucht zur nächsten – vor einem kleinen Dorf muss dann der örtliche Grenzsoldat seine Pflicht erfüllen und unseren „despacho“, das Reisedokument, abstempeln. Er wird von einem Fischer im Bötchen zu uns gerudert, beide sitzen in der Messe und auch sie fragen nach den Ländern, wo wir schon waren und wohin wir noch segeln möchten. Da erklärt der Grenzsoldat freimütig, dass er auch sehr gerne reisen wolle, aber nicht dürfe, könne. Und fragt uns im weiteren Gespräch, ob wir denn ein paar Fische als Geschenk haben wollten –s ehr gerne, natürlich. Dafür gibt es eine Tüte voller Geschenke im Tausch für seine Kinder und jene des Fischers.

Ein paar Tage später ankern wir neben einer kleinen Flotte von Krabbenfischern, die sich von ihren nächtlichen Ausfahrten tagsüber dort ausruhen. Versorgungsboote kommen alle paar Tage, holen ihre Kisten mit Krabben ab. Wir fahren zu ihnen rüber. Einer aus der Mannschaft erzählt uns, dass er vor etlichen Jahren zu einer zweimonatigen Schulung in Galicien war, just auf der Isla de Arousa, wo wir ein Jahr lang an der Muktuk herum gewerkelt haben. Es hat ihm sehr gut gefallen dort, er zählt aus dem Stegreif alle Ortschaften der Ecke auf, die er damals besucht hat. Wir ziehen ab mit einem Eimer voller frischer Krabben plus zwei Langusten, bringen der Besatzung einen Schnaps aus Galicien und noch ein paar Kleinigkeiten als Gegengabe.

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Cienfuegos

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Einfahrt in die Bucht von Cienfuegos

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Markt in Cienfuegos

In Cienfuegos in der Nähe der Marina laufen wir in einer Seitenstraße an einem Garten vorbei, am Zaun ein Schild, mit Obst und Gemüse zum Verkauf, darunter ein Plakat mit der Castro-Familie anlässlich eines Jubiläums. Wir rufen, der Besitzer kommt und lässt uns rein, zeigt uns stolz sein Reich: Beete mit Minze, Tomaten, kleinen roten süßen Paprika, Salate, Schnittlauch. Dazwischen schattenspendende Bäume, Zitronen, Orangen, Avocados, zwei große Mangobäume, die reifen Früchte liegen auf dem Boden, hinten in der Ecke ist ein Hühnerstall. Wir bekommen Tüten in die Hand gedrückt und dürfen selber ernten, derweil der Gärtner auf unsere Fragen hin allerlei erzählt. Er verkauft nur an Privatleute, für sein Gemüse würde er auf dem Markt mit den staatlich festgelegten Preisen nicht genug einnehmen, um zu überleben. Und seine Sachen sind so viel besser, das können wir bestätigen. Es ist eine Freude, ihm zuzuhören, wie er mit Begeisterung und Liebe von seinem Garten spricht. Eine kleine Oase hat er da geschaffen. Bei unserem zweiten Besuch, wir brauchen wieder Proviant für die nächsten einsamen Ankerbuchten, sind wir schon gute „amigos“, werden von ihm und seiner Frau mit Küsschen begrüßt, er zeigt uns seine Garage, in der er ein provisorisches Lager aufgebaut hat, einen Kühlschrank voller Limettensaft, und wir bekommen  zum Abschied ein Plakat mit der Castro-Familie geschenkt. Anschließend fährt er uns das kurze Stück zur Marina zurück in seinem schönen alten Auto, 10.000 CUC hat es ihn gekostet, noch mit Originalmotor.

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Leuchtturm Cayo Guano de Este

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Mangroven
Auf er Isla de Juventud treffen wir noch freundlichere und hilfsbereitere Menschen, so viele fröhliche und entspannte Gesichter sehen wir auf der Busfahrt zur Inselhauptstadt, wie sie einander begrüßen, miteinander umgehen. Auch wir werden oft angesprochen, werden gefragt, ob wir Hilfe bräuchten, bekommen bereitwillig und ausführlich Antwort auf unsere Fragen.

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Privater Markt auf der Isla de Juventud

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„Jeder Kubaner muss schiessen können und er muss gut schiessen können (Fidel)“

Im Hotel neben der Marina geht es ruhig zu, abgesehen von sporadischen Tauchurlaubern ist dort nicht viel los, dabei ist die Anlage ganz hübsch, mit Swimmingpool, ein paar Schritte weiter der Strand. In dem Laden des Hotels arbeitet eine Dame, die recht gut Deutsch spricht – und auch sie fragt sofort offen und herzlich, womit sie uns helfen kann. Fahrten zum Flughafen, um Besuch abzuholen, Obst und ein gutes Huhn aus ihrem Dorf organisiert sie spontan für uns. Und nach und nach erzählt auch sie, von ihren beiden Söhnen, der eine ist Ingenieur und arbeitet in Havanna, der andere studiert Medizin. Sie hofft auf ein Visum für Deutschland, will im Sommer dort auf Einladung einer Freundin drei Monate lang bleiben und unbedingt arbeiten. Mit dem Geld möchte sie ein Haus in Havanna kaufen, vielleicht eine Pension, ein Restaurant eröffnen, ihr Mann kann gut kochen. Sie sorgen sich um die Zukunft ihrer Söhne, wollen für die beiden etwas in der Hauptstadt aufbauen. Das beschauliche Landleben auf der Insel mit der Hektik der Großstadt zu tauschen, ist nicht einfach, aber nachdem vor einem Jahr die Löhne gekürzt wurden und sie nurmehr umgerechnet 11 CUC pro Monat verdient: „Was sollen wir machen, wir haben unser Leben schon hinter uns, aber unsere Söhne…“ Wir hoffen sehr, sie im Sommer in Deutschland wieder zu sehen.

Letzte Station, bevor wir Kuba verlassen, ist eine kleine Marina an der westlichsten Spitze der Insel, am Cabo San Antonio. Hier sind die Offiziellen überraschend entspannt, die Papiere, der Arztbesuch können an Land erledigt werden, nur der Hundeführer kommt mit seinem haarigen Pelzbündel an Bord. Er lässt seine Hündin laufen, schnüffeln, und fragt derweil interessiert nach den schönen Holzarbeiten im Boot, nach den aufgehängten Fotos. Nachdem die Hündin ausgiebig unsere Zehen abgeschleckt, eine deutsche Zeitung angeknabbert hat, schläft sie friedlich ein, und wir unterhalten uns immer noch mit dem freundlichen Gast. Er hat schon immer auf diesem einsamen Außenposten gearbeitet, 20 Tage in der Grenzstation, eine Woche daheim, mit drei Kindern ist das kein einfaches Leben. Aber in wenigen Jahren, mit Mitte Vierzig, kann er offiziell aus dem Militär ausscheiden und sich eine andere Beschäftigung suchen. Die desolate wirtschaftliche Lage Kubas schiebt er voll und ganz auf das US-Embargo und erzählt von den schweren Jahren der sogenannten Sonderperiode nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, als Kuba schlagartig von den Subventionen, dem Austausch der Arbeitskräfte und vor allem den günstigen Öllieferungen abgeschnitten wurde. Damals wurde buchstäblich der Gürtel enger geschnallt, die Lebensmittel rationiert, auf Pferde und Ochsenkarren umgestellt. „Aber wir haben überlebt“, sagt er stolz und streckt seine Arme hoch, die Hände zu Fäusten geballt. Kuba müsse seine Zukunft im Ausbau des Tourismus suchen, erklärt er dann noch, denn Kaffe, Rum und Zigarren, die früheren Exportschlager geben auf dem Weltmarkt nicht mehr viel her.

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Cayo San Felipe

Es sind einzelne Begegnungen mit Menschen, eine sehr subjektive Auswahl, und es sind Menschen, die überwiegend mit Touristen, Reisenden wie uns, zu tun haben. Wir hatten leider keine Zeit, um diese Bekanntschaften zu vertiefen und wir hatten auch kaum Gelegenheit, Menschen aus anderen Lebens- und Arbeitsbereichen des Landes kennen zu lernen. Wir sind trotzdem sehr gespannt darauf, wie es im Lande weiter geht, wie es in ein paar Jahren aussehen wird.

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Karibik in Kuba

 

Fisch satt

Nachdem wir uns soviel über die schwierige Versorgungslage an Land beschwert haben, nun einmal ein dickes Lob über die Eiweissversorgung auf See.

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Wann immer man in einer der sonst menschen- und yachtenleeren Buchten einem Fischer begegnet – für wenig Tauschwaren kann man mehr Fisch bekommen, als man selbst bei gutem Willen essen kann. Zweimal begegnen wir Krabbenkuttern, die Besatzung ist jeweils 40 Tage auf See und kann sich dann 20 Tage an Land erholen. Kann man ein wenig Spanisch, freuen sie sich über Besuch, plaudern und schenken einem einen halben Eimer Schrimps. Und das ist eine Menge, wir fühlen uns wie bei Forest Gump und probieren alle unsere Schrimps-Rezepte aus. Ein paar Gläser Konserven konnten wir auch noch einkochen.

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Und dazu kommen unsere eigenen Fangerfolge. An der Schleppangel hatten wir ein paar Bisse, immer gut fürs Mittagessen. Am schönsten ist es aber an den Ankerplätzen hinterm Riff, wo wir – kaum ist der Anker gefallen – ins Beiboot steigen, mit der Harpune schnorcheln gehen und uns den Fischgang füs Abendessen aussuchen können. Papageienfisch oder soll’s heute lieber ein Red Snapper sein?

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treffer

Und am besten: seit ein paar Tagen haben wir auch den Blick für die Langusten entwickelt, die tagsüber mehr oder weniger gut versteckt in Felshöhlen oder unter Überhängen sitzen und hoffen, nicht entdeckt zu werden. Auch die werden ein Opfer der Harpune und landen in Topf oder Ofen.

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Aber natürlich gibt es auch viel nicht kulinarisches zu sehen: Schwärme bunter Fische wie im Aquarium, ein gepunkteter Adlerrochen von ca. 1,5m Spannweite zieht unter uns durch. Birgit entdeckt einen Ammenhai, der auf dem Sandboden liegt, Jonas später einen Riffhai – da war dann doch der geordnete Rückzug ins Beiboot angesagt. Im Fischbuch steht ‚potentially dangerous‘, was auch immer man damit anfangen soll. Ist aber wohl eine gute Idee, dann nicht gerade einen Fisch zu harpunieren, man will den Hai ja nicht auf dumme Gedanken bringen. Und die Rollenverteilung beim Thema fressen und gefressen werden ist ja nicht unwichtig.

blaufisch

blauschwarm

grossklein

Barracudas schwimmen auch immer recht viele herum, aber da hier Ciguatera-Gefahr besteht und die größeren Raubfische im Riff giftig sein könnten, lassen wir sie in Ruhe, und sie uns auch.

Dennoch sind Meereslebewesen als Eiweissquelle eindeutig die bessere Wahl. Auf einer der Inseln leben etwa dackelgroße, pelzige Wesen namens Jutias, sie sehen ähnlich wie Bisamratten aus, leben aber nicht am Wasser, sondern auf festem Boden. Wie haben sie zur Unterscheidung ‚Landratten‘ getauft, eine davon haben uns die netten Parkwächter (küchenfertig ausgenommen) geschenkt, und natürlich gab es dann mit großem Genuss am Wortspiel gebratene Landratte zum Abendessen. Der Genuss am Geschmack fiel aber deutlich gemäßigter aus…

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PS: gerade als ich dies schreibe, schlägt unsere Fischalarm-Handgranate an und ein größerer Barracuda hing am Haken. Wir haben das Tier befreit und wieder zurückgeworfen. Glück für den Barracuda, und wir haben ja noch zwei Stunden bis zum Mittagessen. Und Langustenschwänze von gestern sind auch noch im Kühlschrank.

keinfisch

Wallenstein in Kuba

Glocke

Wer hätte das gedacht. Unser kleiner Herr Wallenstein (treue Leser unseres Blogs erinnern sich an den unverzagten Pinguin, der mit uns auf Reisen ist) entpuppt sich hier in Kuba als unheilbarer Revolutions-Romantiker. Kein Bild von Che Guevara (und daran herrscht hier weiss Gott kein Mangel) ist vor ihm sicher, immer will er mit aufs Bild, wenn die Castro Brüder oder der beste Freund des Landes (Chavez) zu sehen ist.

Castros

Auto

Total begeistert ist Wallenstein auch von den vielen alten Ami-Schlitten, die das Stadtbild Havannas prägen und die meistens den Skipper an Lebensalter übertreffen. Oder die Fahradtaxis, die eigentlich zwar keine ausländischen Touristen befördern dürfen, aber bei Pinguinen schon einmal eine Ausnahme machen.

Bici

FreiePutzfrau

Herr Wallenstein ist auch der einzige von uns, der selbst beim siebzehnten Mal „Guantanamera“, gespielt von kubanischen Strassenmusikern zur Erbauung ausländischer Touristen, immer noch vor Freude in die Flossen klatscht.

CheRegal

Triumph

So richtig in Fahrt kommt der Kleine aber vor allem bei den vielen herrlichen Parolen, die die Hauswände und öffentlichen Gebäude zieren. „ich arbeite hart“, „wir sind stolz auf unser Werk“, „zum ersten Mal wirklich frei“, und – sein Lieblingsslogan – „Optimismo!“. Dem können wir uns natürlich nur anschliessen.

imLaden

Heisser Tipp übrigens für ein Geburtstagsgeschenk für Herrn Wallenstein: ein Che Guevara T-Shirt. Trotz des riesigen Angebots haben wir hier keines in seiner Größe finden können. Aber wer weiss? Optimismo!

Drink

First in first out

Schlange

Kuba – so viele Bilder, so wenig Internet…

Aus Deutschland kennt man ja Warteschlangen nur noch vom Mittleren Ring und vielleicht noch aus der Informatik. Hier in Kuba gehören sie zum Alltag.

Zum Beispiel beim Geldwechseln. Die Empfehlung lautete, Euro-Bargeld mitzubringen, weil man das ohne Gebühren in kubanische Pesos tauschen kann, während auf Kreditkartenabhebungen zusätzliche Kosten anfallen. Aber vor jeder Bank stehen leider immer ein paar Dutzend Menschen, die von einem Türsteher nur sequentiell und widerwillig Einlass gewährt bekommen. Es gibt allerdings keine klassische Warteschlange wie bei einer britischen Bushaltestelle. Stößt man dazu, muss man vielmehr laut ?El utlimo?? rufen (?der Letzte?), dann meldet sich einer, und hinter dem kommt man dann dran. Beim nächsten Mal ist man dann selber der ?ultimo?, und so regelt sich das Warten. Kaum ist eine halbe Stunde herum, schon darf man in die Bank hinein, um sich dort einer weiteren Schlange für die Kassenschalter hinzugesellen zu dürfen.

Oder eben Internet. Vor dem Eingang des Etecsa Gebäudes (die hiesige Telekom) ist es allerdings etwas komplizierter. Hier gibt es nicht eine Warteschlange, sondern je nach Zweck des Besuches gleich mehrere. ?El ultimo para navegar el Internet? muss man rufen, um sich korrekt für die Internetnutzung anzustellen. Es dauert eine dreiviertel Stunde, dann darf man in einen Raum, in dem vier etwas ältere PCs herumstehen. Hier wird eine Benutzerkennung und ein Passwort verlangt. Woher man das bekommt? Kubanische Mitbürger klären mich auf: dazu muss man eine ?tarjeta?, eine Guthabenkarte kaufen. Wo es die gibt? Tja, das ist die andere Warteschlange. OK, noch einmal eine halbe Stunde anstehen, dann kann man nach Vorzeigen seines Passes für 5 Euro eine Stunde Internet erwerben. Zurück in den Raum mit den PCs ist freilich der freie Platz weg, aber nach einiger Zeit kann ich endllich unsere Flüge nach Deutschland buchen. Ein USB-Port, um Bilder für den Blog hochzuladen? Natürlich Fehlanzeige.

Auswahl

Aber das waren jetzt Warteschlangen für Luxusprobleme. Leider gehört das Anstehen für Kubaner zum Alltag der normalen Lebenswirklichkeit. Ob es darum geht, eine der beiden landesweit verfügbaren Wurstsorten zu kaufen, ob es um die Eier auf dem Markt, um Essig (pro Person dürfen 1,5 Liter erworben werden) oder um Käse geht (maximal ein Pfund pro Person, ein Soldat überwacht die Einhaltung der Regel), eine halbe Stunde pro Einkaufsvorgang muss man schon einplanen. Wenn es denn überhaupt Eier gibt, was auch nicht jeden Tag der Fall ist. Kubaner sein ist eben nicht einfach…

eier

Schinken

Anstehen muss man auch vor Cafes, vor Restaurants (auch wenn sie nur halb bestetzt sind), oder vor Gemischtwarenläden. Auch wenn man angesichts des mageren Angebots dann fragt, wofür sich jetzt das Anstehen eigentlich gelohnt hat. Aber immerhin: herausgehen darf man spontan und ohne Warteschlange.

Offerta

Muktuk alleine unterwegs

DinghiZieht

Am späten Nachmittag brechen wir unseren Stadtausflug ab, weil der Nordwind zunimmt und eine Kaltfront immer näher kommt. Mit dem Taxi lassen wir uns zur Marina fahren und sehen Muktuk am Steg liegen, längsseits am Boot der Küstenwache festgemacht. Ach du Schreck! Ein britisches Seglerpaar berichtet, was geschehen ist. Drei Stunden zuvor ist erst bei dem neben uns ankernden Katamaran, dann auch bei uns der Anker geslippt, d.h. er hat in dem starken Wind nicht gehalten und die Boote sind in die Bucht hinausgetrieben. Der Katamaran war leicht: die zu Hilfe kommenden Marineros konnten von aussen die Maschine starten, den Anker einholen, zurück zum Ankerplatz fahren und das Boot dort neu verankern.

ZollbootLaengs

AnkerAuf

Mit Muktuk war die Sache deutlich komplizierter, das Schiff war ja abgeschlossen, und weder Maschine noch Ankerwinsch liessen sich von aussen anwerfen. Erst ein, dann zwei Boote nahmen Muktuk längsseits, um sie wieder in die Marina zu schleppen. Bei 26 Tonnen und 40 Meter langer Ankerkette, die über den Grund schleift, ein fast aussichtsloses Unterfangen. Sie versuchten, Muktuk erneut zu verankern, der Anker hielt aber nicht. Schliesslich kamen ein paar Segler zu Hilfe, die die Ankerkette von Hand mit Hilfsleinen und der Winschen am Mast Meter für Meter einholten. Dann nahm uns das Boot der Küstenwache längsseits und schleppte uns zur Pier, wo wir es dann vorfanden.

Ankersalat

Mein Gott, hatten wir mal wieder Glück! Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie erleichtert wir sind, dass alles gutgegangen ist. Auslöser des Ganzen war wahrscheinlich, dass das elastische Bergseil, das die Ankerkette entlastet und das plötzliche Einrucken in die Kette verhindern soll, durch den Winddruck gebrochen ist. Dann haben die Ruckbewegungen den Anker aus dem Grund gebrochen. Bei seinem langen Schleifweg über Grund durch die halbe Bucht sammelte der Anker dann natürlich jede Menge Gemüse ein, so dass ein erneutes Verankern nicht mehr funktionierte.

NebenKat

Jetzt haben jedenfalls eine Menge Segler eine Menge Drinks bei uns gut, und für die kubanischen Helfer von der Marina und der Küstenwache müssen wir uns noch etwas passendes einfallen lassen. Normalerweise ist es ja streng verboten, Kubaner aufs Boot einzuladen, aber vielleicht können wir bei den Behörden eine Ausnahmegenehmigung erwirken.

Bienvenido a Cuba

StrassenStuhl

Trova

Verkaeufer

Am ersten Abend haben wir in der Bar der Marina ein paar Segler kennen gelernt und dazu Kubaner, die mit ihnen beim Bier zusammen saßen. Die beiden jungen Männer sowie der Vater des einen sprechen gut Englisch mit den kanadischen und britischen Seglern, haben ihr Studium (Lehrer, Sprachen) aber unterbrochen, um was zu verdienen. Sie versuchen, mit Taxifahrten und Wäschewaschen, Stadtführungen, Gemüseverkauf ihren Lebensunterhalt aufzubessern, irgendwie zu bestreiten.

Ein Lehrer verdient 20 CUC, ein Arzt 40 CUC im Monat, erzählen sie uns. Eine Seife oder eine Dose Bier kosten aber schon 1 CUC. Das steht einfach in keinem Verhältnis zueinander? Wir packen unser Spanisch aus, und bleiben noch eine Weile mit ihnen im Gespräch, einer der jungen Männer wird recht deutlich und äußert offen seine Kritik an den Lebensumständen im Lande.

Wir bekommen damit schon einen ersten kleinen Einblick. Zwar haben wir darüber in dem Reiseführer schon gelesen, auch über die beiden Währungen, den Peso, der fast gar nichts mehr gilt (1:25) und den Convertible, den CUC, der 1:1 an den Dollar gebunden ist. Es aber direkt von den Leuten zu hören, ist was anderes?

Am nächsten Tag fahren wir nach Santiago de Cuba mit dem Taxi, die Marina liegt einige km außerhalb. Der Taxifahrer erzählt uns, diese Strecke werde Touristenstraße genannt, weil sie auch zu der benachbarten Burganlage führt, ein Unesco-Kulturerbe. Ich frage auf spanisch, ob das eine ?broma? sei, ein Witz, denn der Moskowitch keucht eine Schotterstraße hoch, umfährt unzählige Schlaglöcher, an manchen Stellen ist nur Einbahnstraße möglich. Aber nein, das ist ganz ernst gemeint.

Das Straßenbild in der zweitgrößten Stadt von Kuba ist so unglaublich kontrastreich: koloniale Bauten, schöne Plätze, gepflegte Parks, manche Häuser liebevoll und zugleich farblich geschmackvoll renoviert, andere ?under construction? mit schweren Gerüsten aus massivem Holz umstellt. Auf den Straßen knattern uralte Motorräder und verpesten die Luft, alte Automarken aus dem Ostblock, oder amerikanische Schlitten aus den 50ern, schön gestrichen, manche auf den zweiten Blick aber nur noch vom Rost zusammengehalten, die Federungen der Sitze durchgesessen. Dann ehemalige Viehtransporter umgebaut zu Bussen, die Leute wie Sardinen darin zusammengepfercht. Bicitaxis (Rikschas), Pferdekutschen bringen die Leute von den städtischen Busbahnhöfen zum Bahnhof. Von einem der Hauptplätze geht eine lange Straße ab mit Galerien, Musikcafés, staatliche Angestellte im Künstlerhaus, vier davon auf einen kaffeetrinkenden Gast.

Viehtransport

Auto

In den Läden ist das Angebot überschaubar, zwei Packungen Buntstifte, drei Stapel Seifen in einer Vitrine, dahinter die Verkäuferinnen. Dann ein paar Klamotten an den Wänden, Schuhe, wenig Auswahl, hier sind die Preise hoch, überwiegend muss man für die Waren den gleichen Preis wie in Europa zahlen. Dann wieder gibt es Läden, die wie amerikanische Warenlager im mittleren Westen aussehen, könnten als Filmkulissen herhalten, mit handgeschriebenen Preistafeln, wo man die Grundnahrungsmittel bekommt: Mehl, Bohnen, Reis, in Fässern und Säcken, in Peso-Preisen, also erschwinglich, aber das war es dann schon. Plastiktüten, Behälter muss man mitbringen.

Mir (Birgit) kommt an diesem ersten Tag im Lande Vieles davon so bekannt vor: die Mangelwirtschaft, in der jedes noch so kleine Stück aus der westlichen Warenwelt duftet und glänzt und begehrt ist. Ob diese Produkte, wie in Rumänien, ebenfalls zum Tauschen verwendet werden, oder als Zahlungsmittel/Währung eingesetzt, kann ich nicht sagen, dazu wissen wir noch zu wenig. Private Initiativen sind in Maßen erlaubt, in kleinen Schritten vollzieht sich der Wandel, staatlich gelenkt und stark eingeschränkt durch das wirtschaftliche Embargo, parallel scheint die Schattenwirtschaft schon längst auf Hochtouren zu laufen.
AltesPaar

Strassenmusik

Und trotzdem ist nicht alles grau, sondern richtig bunt, laut und lebhaft fröhlich. Überall in der Stadt auf den Plätzen gibt es Musik, Buena Vista Social Club für die Touristen, einzelne Geiger, Trommler. Dazu gibt es Musik in den Cafés, in Kulturhäusern, wie der ?Casa de la Trova?, einem kleinen stimmungsvollen Raum voller Fotos und Ölgemälden berühmter Musiker und Sänger, eine kleine Bühne, ein paar Stühle davor, grosse offene Türen, schon am Vormittag sitzt da ein älteres Ehepaar, sie singt Romanzen, er spielt Gitarre, Auftritte bis in den Abend hinein. Wir sitzen auch am Nachmittag kurz da und kommen mit zwei älteren Damen ins Gespräch, die am nächsten Tag singen werden, einem jüngeren Rastafari, der uns zu seinem Konzert einlädt und vorher noch mit uns in seine Lieblingskneipe gegenüber auf einen Mojito gehen möchte.
Es ist eine gänzlich andere Welt und wir freuen uns, dass wir ein paar Wochen Zeit dafür haben, das Land und die Menschen besser kennen zu lernen.

Noch haben wir kein Internetcafé gefunden, die Bilder dazu liefern wir hoffentlich in den nächsten Tagen nach.