Guatemala – Mittelamerika – Central America

Neue Länder, neue Sprachregelungen: Wenn wir hier mit den US-amerikanischen Seglern sprechen, heißt es immer, wir sind in Zentralamerika. Bei Mittelamerika schauen sie erst einmal irritiert, damit verbinden sie eine Region ihres Landes…

Während der ersten zwei Wochen in der abgeschiedenen Welt des Rio Dulce haben wir ab und zu in Wikipedia über Guatemala gelesen. Dass weniger als die Hälfte der Bevölkerung sich den „indigenas“, Mayas, zuordnen, konnten wir kaum glauben, das Straßenbild zeigte uns etwas anderes. Die wenigen Touristen und Ladinos, Nachfahren der Spanier und deutschen Einwanderer, fallen deutlich auf zwischen den vielen Menschen mit indianischen Gesichtszügen, die Frauen überwiegend in ihrer bunten Tracht.

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Rio Dulce, im Ort Fronteras teilen sich Fußgänger, Straßenstände und Trucks die enge Fahrbahn

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Überall werden Tortillas gebacken!

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Auch in der Hauptstadt, Guatemala City, war es nicht viel anders. Dort hatten wir einen Tag lang Zeit, bevor unser Flug nach Deutschland ging. Im Zentrum versammelten sich an jenem Tag, Ende Mai, an verschiedenen Plätzen Menschen, zogen in Gruppen an uns vorbei, mit Fahnen und Spruchbändern. Dazwischen und vor einigen Gebäuden Polizei mit den obligatorischen Maschinengewehren.

Ministerium1

Polizei vor dem Ministerium in Erwartung der Demonstranten

Ministerium2

Zwei Stunden später…

Maschp

Vor einem Ministerium stand eine größere Gruppe, sie skandierten Parolen, andere saßen im Schatten und aßen ihre mitgebrachten Tortillas, kauften von den Straßenhändlern frisches Obst in Tütchen. Zwei junge Männer fielen uns auf, einer davon hatte einen Fotoapparat mit Teleobjektiv in der Hand. Wir sprachen sie an, ob sie wüssten, weshalb heute diese vielen Demonstrationen stattfänden. Jeff, der eine, begann zu erzählen und wir erhielten innerhalb von zwanzig Minuten einen Schnellkurs in Sachen Zeitgeschichte. Zwei, drei Monate zuvor war bekannt geworden, dass etliche Regierungsmitglieder Steuergeldern beiseite geschafft hatten, dieses Mal war das Ausmaß der Selbstbedienung allerdings so groß, dass sogar Minister und der Vizepräsident zurücktraten

DemoJeff

Demoplakat

U.a. fehlt dieses Geld nun im sowieso schon maroden Gesundheitswesen und Land, das den Kleinbauern versprochen worden war, konnte nicht verteilt werden, usw. Also gab es schon seit einiger Zeit immer wieder Demonstrationen, und an diesem Tag waren nicht nur die Angestellten der Krankenhäuser und Polykliniken auf der Straße, aus dem ganzen Land kamen „campesinos“, Bauern zusammen. Jeff, ein us-amerikanischer junger Journalist, der schon seit etlichen Jahren in Guatemala lebt, erzählte uns auch von den Oligarchen, ihrem Reichtum, dem Einfluss der USA, von dem Misstrauen der indigenen Bevölkerung der Polizei und dem Militär gegenüber, der 30jährige Bürgerkrieg endete ja erst 1996. Die Rate der Analphabeten ist erschreckend hoch, viele Mayas sprechen einen der 15 Dialekte, aber nicht alle können Spanisch. Der Schulunterricht auf dem Land sollte zweisprachig sein, das wird kaum gewährleistet.

Obststand

Parque

Die bunte Menge im Hintergrund: ebenfalls Demonstranten

In den Straßen der Hauptstadt war uns vorher schon aufgefallen, dass die Telegrafenmasten auf Augenhöhe mit bunten Ornamenten bemalt waren – auch ein Zeichen des Protestes, so können oder dürfen darauf keine Wahlplakate geklebt werden. Warum tragen so viele Maya-Frauen Tracht, nicht aber die Männer? Teil des Genozids, während des Bürgerkrieges wurden Männer, die z.B. bunt gewirkte Gürtel oder Umhängetaschen trugen, vom Militär als Rebellen klassifiziert, wurden festgenommen, erschossen, galten als Freiwild.

Die Bereitschaft auf die Straße zu gehen und nicht mehr alles hinzunehmen, wertete er als einen beginnenden gesellschaftlichen Wandel, der sich vielleicht schon in den kommenden vorgezogenen Wahlen im September niederschlagen könnten. Er schreibt für eine Internetseite, die sich kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Vorgängen in Lateinamerika auseinandersetzt: upsidedownworld.org.

Es wird also spannend werden in den nächsten Monaten und wir hoffen, noch einiges dazu zu lernen, auf unseren Fahrten durchs Land.

Ziege

Beim Parque Central neben der Demo bietet ein Bauer seine Ziegen zum Verkauf an

Wasser und Diesel

Nach fast zwei Monaten Deutschland fiel uns das Ankommen in den Tropen nicht leicht. Zum Jetlag der ersten Tage kam die unglaubliche Hitze und Feuchtigkeit, die unseren Kreislauf zum Stottern und jeglichen Arbeitseifer im Nu zum Erliegen bringt.

Auch die jetzt häufigen sintflutartigen Regenfälle bringen kaum Abkühlung, sie sorgen nur dafür, dass es im Schiff gar nicht mehr auszuhalten ist, weil man alle Luken schließen muss, was bei der heißen, dampfigen Luft kein Vergnügen ist.

Bluete

Trotzdem war es schön, die Muktuk wiederzusehen, noch immer brav am Steg auf uns wartend und alles in allem in gutem Zustand. Ein kleines Problem hat allerdings doch für einigen Ärger gesorgt. In unserer Ankerlast lagern ja neben der Ankerkette und ein paar hundert Meter diverser Leinen auch drei Kanister Diesel zu je knapp dreißig Litern. Und einer davon war leer. Bei unserer Abreise war er noch voll.

Schuld daran war ein kleiner Riss im Plastik, durch den sich der Diesel über die letzten Wochen gemütlich in die darunter liegende Bilge entleert hat. Sehen konnte man das zunächst nicht, denn am Boden der Ankerlast liegt ein eingepasstes Brett, unter das sich der Diesel verkriechen konnte.

Dazu gab es nun eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: die Bilge unter der Ankerlast ist in sich abgeschlossen und leer, so dass der Diesel nicht die anderen Bilgenabteile erreichen konnte, in denen wir allerlei Sachen gestaut haben. Die schlechte: die Bilge unter der Ankerlast ist nicht wie die meisten anderen Abteile lackiert, sondern mit einem Material ausgegossen, das an festen Teer erinnert, und zudem zum Schutz vor Korrosion gefettet. Die besonders schlechte Nachricht: nicht nur das Fett ist in Diesel löslich, sondern auch die teerartige Gussmasse wird weich und löst sich auf, wenn sie ein paar Wochen unter Diesel gesetzt wird.

Ankerlast

In der Bilge schwamm also nicht etwa Diesel, den wir einfach hätten abpumpen können, sondern zuoberst schwarze Flüssigkeit, darunter eine ebenso schwarze Masse kaugummiähnlicher Konsistenz, die allmählich in noch festen Teer übergeht. Einen Tag lang durften wir also pumpen, löffeln, kratzen und mit zig Rollen Küchenpapier tupfen, um den festeren Teil der Teermasse freizulegen.

Bedingt durch die räumliche Enge in der Bilge war das keine ganz einfache Arbeit. Der einzige Platz, an dem man hätte stehen können, war ja voll von der Brühe, also hing ich stundenlang bäuchlings, kopfüber oder in Bergsteigerposen festgeklammert über der Bilge, während Birgit mit abwechselnd Geräte oder Küchenpapier anreichte und wir Müllbeutel voller kontaminierten Abfalls ansammelten. Das ganze natürlich bei 40 Grad Celsius und 80% Luftfeuchte. Der Spruch vom auszuwringenden T-Shirt war diesmal durchaus wörtlich zu verstehen.

Hose

Nun hoffen wir darauf, dass sich in den nächsten Wochen der restliche Diesel verflüchtigt und die Teermasse wieder halbwegs fest wird. Die abschließenden Reinigungsarbeiten (Deck, Klamotten und Schuhe, Flecken an Boden und Wänden, Pumpgeräte etc.) werden uns wohl noch ein paar Tage beschäftigen. Unser Respekt vor der Erdölindustrie ist jedenfalls gewaltig gestiegen.

Schuhe

Monkey Bay Marina

MuktukSchilf

Muktuk hat ihre erste Segelsaison mit Birgit und mir hinter sich gebracht und darf sich jetzt voraussichtlich bis Ende November – bis zum Ende der Hurrikane-Saison – erst einmal ausruhen.

Die Monkey Bay ist tatsächlich nach den Affen benannt, die es hier gibt. Bevor man sie sieht, hört man sie, denn es sind Brüllaffen. Sie klingen in etwa wie Kühe mit ernsthaften Verdauungsbeschwerden (anhören), tollen aber im Gegensatz dazu zu dritt oder viert in den Bäumen herum.

monkey

Die Marina hat nicht viel mit einer klassischen Marina nach europäischen Maßstäben zu tun. Ein Steg, ein paar Holzhütten. Kein Café oder Restaurant, keine Straßenverbindung zur Außenwelt. Wenn man in den Ort oder zu einer der vielen anderen Marinas will, braucht man sein Dinghi. John, der Manager, wohnt auf seinem kleinen Bötchen.

Veranda

Aber irgendwie wunderschön. Muktuk liegt sicher vertäut, wenn sie auch ein wenig zu dick war, um in den Liegeplatz hineinzupassen, aber Holzpfähle biegen sich. Na gut, ein wenig rot sind sie jetzt auch, nachdem wir reingefahren sind…

Es gibt einen Gefrierschrank, eine Waschmaschine, eine kleine Gemeinschaftsküche für die „Liveaboards“, eine überdachte Veranda, liebevoll eingerichtet wie ein Wohnzimmer, ganz viele schlechte Bücher, eine kleine Werkstatt, die man benutzen kann, und sehr ordentliche Duschen. Was will man mehr?

Boot

Überhaupt Duschen: seit einem halben Jahr, seit den kanarischen Inseln, für uns die erste Dusche mit warmen Wasser (auch wenn man das bei der Hitze hier nicht wirklich braucht). Seit Februar die erste Dusche überhaupt, und so eine Dusche in diesen Ländern heißt normalerweise einfach ein Loch in der Wand, aus dem Wasser kommt. Wenn man Glück hat, befindet sich das Loch über Kopfhöhe. Hier dagegen kommt das Wasser richtig aus einem Duschkopf, und man hat zwei Wasserhähne zur Regulierung der Temperatur. Was es alles gibt…

Veranda2

Die Zeit bis zum Abflug nutzen wir, um Muktuk für die Regenzeit einzumotten: alle Segel werden abgeschlagen und gefaltet, über Deck spannen wir eine große Plastikplane. Das Material dafür konnten wir in der Marina günstig erstehen, es ist laminierte Leinwand von großen Werbeplakaten. In unserem Fall von der letzten Wahl in Guatemala, vom Kandidaten, der zum Glück nicht gewonnen hat, bestand sein Wahlprogramm doch aus dem Versprechen auf öffentliche Hinrichtungen, Abschaffung der Polizei zugunsten einer militärischen Organisation etc. Aber die Werbebotschaft ist ohnehin nur innen, von außen ist die Plane halbwegs weiß.

Plane

Am 20. Mai fliegen wir für zwei Monate nach Deutschland, so dass sich nun erst einmal im Blog nicht viel tun wird. Ende Juli geht’s dann weiter.

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Rio Dulce – Guatemala

Frühmorgens ein paar Stunden vor Landfall, kam eine Brise aus West auf und brachte mit einmal einen eigentümlichen Geruch mit sich: nach frisch gepflügter Erde oder Waldboden im Frühling, leicht modrig. Schon nach fünf Tagen auf See ist es ein intensiver Eindruck, genauso wie sich auch unsere Augen an das viele Grün gewöhnen müssen.

Guatemala hat auf der Atlantikseite einen kleinen Küstenstreifen, wir steuern das Örtchen Livingston an, das an der Mündung des Rio Dulce liegt. Vorher müssen wir noch die berühmte Barre passieren, ein Flach von nur etwas mehr als 2m Tiefe bei Hochwasser, durch das sich manche Segelboote von den Fischern durchziehen lassen müssen. Für uns kein Problem, wir heben einfach den Kiel hoch!

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Livingston

In Livingston kommen, kaum haben wir den Anker fest, vier Beamte an Bord, füllen ein paar Papiere aus und 15min später sind sie wieder weg. Damit ist der Papierkram aber noch nicht fertig und wir nehmen dieses Mal die Dienste eines Agenten in Anspruch, der genau weiß, welche Behörden man ablaufen muss. Dann sind wir offiziell in Guatemala einklariert und können uns hier ein dreiviertel Jahr aufhalten.

Hübsch ist es hier, von der Küste bis zu den Bergen hoch ein sattes Grün, dichter Regenwald, in der Ferne sieht man nur vereinzelt freie Felder ohne Bäume drauf. Am Ufer ab und zu ein paar palmenbedeckte Häuser, längliche Fischerboote daneben festgemacht. Livingston ist ein gemütliches kleines Städtchen, ein paar Backpacker tummeln sich, vereinzelte Touristen, ein buntes Straßenbild, u.a. Nachfahren der Spanier, sowie der ehemaligen Sklaven aus Afrika, überwiegend aber die hier ansässigen Mayas. Viele Frauen sind in Tracht zu sehen, lange geraffte Röcke aus dunkel gewebten Stoffen, über der Bluse ein luftiger durchwirkter Poncho, ärmellos, in unterschiedlichen Farben, manche kunstvoll mit Blumenmustern an Hals und Armausschnitt bestickt. Wir laufen durch die paar Straßen des Ortes, Läden mit Kunsthandwerk und Krimskram wechseln sich ab mit Lokalen, zwei Bäcker, eine Bank, und überall Imbiss-Stände und fliegende Händler, die von allem was anbieten. Und ein winziger Markt mit frischem Obst und Gemüse – nach einem halben Jahr mal wieder Brokkoli! Und auch hier die köstlichen Mangos!

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Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg flussaufwärts, das schönste Stück dieser Reise liegt vor uns, eine märchenhaft verwunschene Passage. Noch ein paar Häuser am Ufer mit schönen Gärten, Bootshäuser dazu, dann umfängt und der grüne Urwald. Es riecht wieder so grün und frisch, ab und zu sogar blumig, und wellenartig erfüllt ein lautes Sirren die Luft und verklingt wieder. Auf den Bäumen oder am Boden sitzen unzählige weiße Reiher, Zitronenfalter schwirren vorbei und ein großer brauner Schmetterling, der sich sogar auf dem Wasser neben dem Boot niederlässt, um zu trinken.

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Lange Abschnitte der Flusswindungen sind unbewohnt, selten sieht man ein Haus, eine Hütte. Irgendwann taucht ein Restaurant mit Anlegesteg auf, dann ein paar Bungalows für Touristen, gut versteckt inmitten des Grüns.

Ab und zu braust ein Boot vorbei, meistens mit 5-20 Passagieren darin, es gibt hier in der Nähe kaum Straßen. Dann wieder ein kleines Paddelboot, in dem Obst und Gemüse oder Fisch auf grünen Blättern ausgelegt flussabwärts transportiert wird. Und immer mal wieder ein Fischerboot oder zwei, die Mayas angeln oder werfen kunstvoll ein Netz aus.

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Wurfnetz

Jede Flussbiegung bringt etwas Neues. Es könnte noch ewig so weiter gehen, aber nach gut zwei Stunden erreichen wir den „Golfete“, der Fluss breitet sich aus in einem kleinen Binnensee mit Inselchen darin. Hier werfen wir für eine kurze Mittagspause den Anker ins Wasser.

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Unsere elektronischen Karten sind nicht mehr so genau, darum muss Andreas auf den Mast steigen, um den weiteren Flussverlauf zu finden. Weiter flussaufwärts mehren sich die Zeichen der Zivilisation, Häuser, überdachte Pavillons für Motorboote, vereinzelte Segelboote liegen am Ufer fest und dann kommt schon die große Brücke in Sicht. Davor und dahinter liegen links und rechts viele Marinas. Wir ankern in einer Ecke und mit dem Dinghi auf Erkundungstour. Die Monkey-Bay-Marina war eine Empfehlung, und sie gefällt uns auch am besten. Jetzt bläst aber die tägliche Nachmittagsbrise und so warten wir lieber die Windstille am nächsten Morgen ab, um Muktuk an den Steg zu legen, immerhin müssen wir rückwärts reinfahren, was kein einfaches Manöver ist.

 

Drecksarbeit

Wenn man unseren Blog so liest, könnte man ja fast meinen, wir wären hier im Dauerurlaub. Das wäre allerdings ein grobes Missverständnis. Die Tage hier auf der Isla de Mujeres waren – von einem Tag Inselrundfahrt auf geliehenen Fahrrädern abgesehen – gefüllt mit Arbeiten rund ums Schiff sowie mit Versorgungsaufgaben.

Die Ankerwinsch hat mal wieder gesponnen und musste ausgebaut, zerlegt, repariert und wieder eingebaut werden (fast ein Tag Arbeit), eine Fahrt mit der Fähre ins gegenüberliegende Cancun, weil wir länger als fünf Tage in Mexiko bleiben und somit ein „Temporary Import Permit“ fürs Schiff brauchen, ein vergeblicher Versuch, die Gasflaschen zu tauschen, Bevorratung für die nächste Überfahrt, usw. usf.

Aber man kennt ja den Spruch: Langfahrtsegeln heisst, sein Schiff an den schönsten Orten der Welt zu reparieren. Da wollen wir uns also keinesfalls beschweren. Der Höhepunkt an karibischer Lebensfreude und Naturerleben war aber heute Vormittag.

MuktukVogel

Genau genommen fing es ja schon gestern Abend an. Die großen schwarzen Fregattvögel, die so majestätisch am Himmel stehen, über Stunden hinweg ohne einen Flügelschlag, müssen am Abend auch einmal schlafen gehen. Auf dem Wasser landen können sie nicht (d.h. vielleicht schon, aber hoch kämen sie nicht mehr), daher hat es schon ein paar Mal einer versucht, auf einem unserer Masten zu landen. Bisher hat das allerdings nie geklappt.

AufDerStange

Gestern Abend aber schon. Und wo einer sitzt, ist doch bestimmt Platz für ein paar mehr. Prompt hatten wir fünf von den Viechern auf unserem Genickstag sitzen (das ist das Stahlkabel, das die beiden Mastspitzen verbindet). Sie liessen sich auch nicht durch Anleuchten mit der Taschenlampe vertreiben.

Schon am Abend hörten wir vereinzelte Aufplatsch-Geräusche, heute morgen sahen wir die Bescherung: das ganze Deck mit Vogelkot übersät, das Cockpitdach nicht länger weiss, sondern grau-braun besprenkelt, die Cockpitpersenning versaut, das Fischbrett besudelt, durch die offen stehenden Luken Dreck in der Küche und in der Achterkoje (immerhin unser Schlafzimmer!). Die beiden großen Eimer mit Süsswasser, die am Achterdeck stehen, um sich nach dem Baden ein wenig abpülen zu können, hat es auch erwischt. Aber vielleicht haben die Homöopathen ja recht und Vogelkot in D4-Verdünnung hilft gegen den Dreck?

Dreck

Na ja, jedenfalls waren wir dann von neun bis zwei damit beschäftigt, den Dreck mit Bürsten, Lappen und unzähligen Eimern Seewasser wegzuputzen und eine Angelsehne über dem Genickstag zu spannen, damit sich das Theater heute Abend nicht wiederholt. Dass sämtliche Maststufen und die Salinge auch komplett versifft und glitschig waren, hat den Aufstieg und die Arbeit auf den Mast-Toppen auch nicht unbedingt sicherer und angenehmer gemacht. Brrrrrrr….

Jedenfalls: wenn sich die Biester heute Abend trotz unserer Abwehr-Konstruktion wieder da oben niederlassen, packen wir die Gummischlinge und Papier-Krampen aus und blasen zur Fregattvogeljagd. In diesem Sinne: Halali.

Vogel

Isla de Mujeres

Zwei Tage brauchen wir für die Strecke von Kubas Westspitze bis zur mexikanischen Isla de Mujeres. Die 120 Seemeilen hätten wir eigentlich in einem Tag schaffen können, wir hatten stetigen Wind aus guter Richtung, und durchs Wasser machten wir schätzungsweise nie unter fünf, meist sechs Knoten Fahrt.

Aber der Kanal von Yucatan ist für seine heftige Strömung berüchtigt, und die sorgt dafür, dass wir über Grund nur mit zwei bis drei, über viele Stunden hinweg sogar eher anderthalb Knoten laufen. Und dann können auch 120 Meilen ganz schön lang werden.

Zum Glück lässt der Strom am Ende nach, so dass wir am zweiten Tag doch noch bei Tageslicht in der Ankerbucht ankommen. Einklarieren können wir zwar erst am nächsten Morgen, aber wir gönnen uns am Abend die ersten Tacos in der Marinabar.

Steg

Was für ein Unterschied zu Kuba! Nach gut sieben Wochen Einsamkeit und Versorgungsengpässen können wir die Eindrücke kaum verarbeiten. Eine Bar mit Livemusik, eine Speisekarte mit verschiedenen Gerichten darauf, die es auch wirklich gibt. Eine Toilette mit Spülung, Klopapier und sogar einem funktionierenden Waschbecken.

Laden

Am nächsten Tag der erste Gang durch den Ort. Geschäfte. Supermärkte mit vollen Regalen. Internet in fast jedem Cafe. Wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

Strasse

Das Prozedere des Einklarierens ist freilich nicht unbedingt einfacher als auf Kuba. Von allen Dokumenten benötigen wir sechs Kopien, zig Formulare wollen ausgefüllt, drei Behörden besucht und etliche Rechnungen bezahlt werden, bis wir uns schließlich legal in Mexiko aufhalten.

Jeden Morgen um halb neun hören wir das „Cruiser’s Network“ auf UKW Kanal 13, wo die Fahrtensegler aus den Marinas und vor Anker Informationen, Wetter und Veranstaltungshinweise austauschen.

Es tut uns jedenfalls gut, für ein paar Tage die Annehmlichkeiten der ersten Welt zu geniessen. Banal, aber wahr: man weiss sie erst zu schätzen, wenn man ein paar Wochen auf sie verzichtet hat. Wir bleiben gerne ein wenig länger an diesem wunderschönen Ort.

Seltsame Begegnung

Etwa auf halbem Weg zwischen Kuba und Mexiko, sechzig Meilen weg von Land in jede Richtung. Ich habe Wache und sehe von Deck aus etwas Seltsames im Wasser. Zu klein für ein Schiff, zu seltsam geformt für ein Seezeichen, dass es laut Karte hier auch nicht geben sollte. Auch mit dem Fernglas werde ich aus dem Ding nicht schlau. Ich wecke Birgit, die ja bessere Augen hat, aber auch sie rätselt.

weit

Wir ändern unseren Kurs ein wenig, um näher heranzukommen. Es ist ein kleines, mit einfachsten Mitteln zusammengebautes Bötchen. Zwei Rümpfe, bestehend aus einem Metallgitter, gefüllt mit Scheiben von Styropor, oben drauf eine Plattform, ein abgespannter Mast mit einer Art Rahsegel, schon recht zerfetzt.

Wir haben 5 Bft. Wind, Raumschot-Kurs, Vollzeug inklusive Fisherman gesetzt und können daher nicht schnell aufstoppen, sausen also mit sechs Knoten Fahrt an dem Gefährt vorbei, im Abstand von vielleicht 50 Metern. Erkennen können wir nicht viel, aber es scheinen keine Personen an Bord zu sein.

Aber sicher sind wir nicht. Nach ein paar Minuten bergen wir den Fisherman, wenden und segeln auf Amwindkurs zurück. Wieder in der Nähe, bergen wir die Segel und laufen die letzte viertel Meile unter Motor.

Ein großer Tanker hält allerdings genau auf das seltsame Gefährt zu. Ich funke ihn an, erkläre ihm die Situation und bitte ihn, uns etwas Raum zu geben. Er ändert nicht nur seinen Kurs, sondern stoppt sogar auf und wartet, was unsere Nachforschungen ergeben.

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nah2

Wir fahren ein paar Kreise um das Boot und können nun aus einem Abstand von ein paar Metern genaueres erkennen. Personen sind wirklich keine drauf, dafür aber einige – anscheinend leere – Wasserkanister, Säcke mit Vorräten (Lebensmittel?), eine Reisetasche, ein Koffer, ein paar Kleidungsstücke und Gummistiefel.

Es sieht eindeutig nach einem selbst zusammengezimmerten Flüchtlingsboot aus, ob aus Kuba oder aus Haiti können wir nur raten. Offensichtlich ist die Flucht aber wohl missglückt, denn warum sonst hätten der oder die Passagiere ihre Koffer und Taschen an Bord gelassen? Sind sie über Bord gespült worden? Wurde sie von der Küstenwache aufgebracht und zurückbefördert? Wir wissen es nicht.

Der Rest ist schnell erzählt. Dem wartenden Tanker geben wir Entwarnung, seine Hilfe wird nicht benötigt. Den Rest der Schifffahrt warnen wir mit einer Sicherheitsmeldung über UKW mit Position und geschätzter Driftgeschwindigkeit und –richtung. Aber Birgit und mir bleibt der trostlose Anblick des verlassenen Gefährts noch lange in Erinnerung.

mitTanker

Menschen in Kuba – Begegnungen

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Havanna Vieja

7Havana
Havanna, Vedado

4Vedado
Havanna, Vedado

Es gibt so viel zu erzählen über das Land an dessen Südküste wir acht Wochen lang unterwegs waren, dazu etliche Tage mit dem Bus an Land. Der Bericht darüber würde einen halben Reiseführer füllen und davon gibt es inzwischen genügend und sicher auch viele Infos im Internet. Darum, zum Abschluss unserer Zeit ein paar persönliche Eindrücke.

In Santiago de Cuba, ganz im Osten der Insel, bei einem kleinen Fest  als Dankeschön für die Rettungsaktion der Muktuk, als sie in der Bucht auf Wanderschaft ging: Die beiden jungen Marineros, die den Katamaran der Marina betreuen, haben viel Kontakt mit Seglern und dadurch nach und nach ihr Englisch verbessert. Sie würden sofort, wenn es möglich wäre, auswandern, um eine Weile im Ausland zu arbeiten, egal was. Sie ärgern sich, dass ihre Arbeit so gering bezahlt wird und sie davon nicht leben können, sie möchten das Internet nutzen, aber das ist nicht möglich, für private Haushalte nicht zugelassen… sie wollen reisen können, fragen uns aus nach den Ländern, die wir schon gesehen haben, wohin wir demnächst hin wollen, stellen Fragen zur Renovierung unseres Bootes, was es gekostet hat. Sie lachen hellauf und meinen, was sie für dieses Geld in Kuba alles hätten reparieren können. Selbst der anwesende Sicherheitsoffizier scheint sich nicht an ihren Reden zu stören, immerhin führen wir die Gespräche teilweise auch auf Spanisch.

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Fensterladen in Havanna

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Plattenbau unterwegs

Diese Offenheit erleben wir in den nächsten Tagen noch oft: in Camagüey im Artex-Laden des staatlichen Kunsthandwerksverbandes, wo es die schönsten Che T-Shirts gibt, komme ich mit den beiden Verkäuferinnen ins Gespräch. Wie so oft fragen sie erst nach, woher wir kommen und wieso wir als Deutsche so gut Spanisch sprechen, und so ergeben sich schnell weitere Gesprächsthemen. Auch sie sagen spontan, wie gerne sie reisen möchten und wie schwer das Leben hier sei. Wenn ich daraufhin antworte, dass ich zuversichtlich bin und hoffe, dass die bisherigen ersten Schritte in Richtung Privatisierung, einen Wandel zeigen, der „poco a poco“ nicht mehr zurückzudrehen sei, schauen sie mich sehr skeptisch an. Zu lange schon warten sie, Jahre um Jahre…

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Bicitaxis in Camagüey

In der Warteschlange vor der Wechselstube kommen wir mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der vier Jahre in Erfurt gearbeitet hat, noch zu DDR-Zeiten. Er fragt uns nach einer Weile, was denn ein Flug nach Deutschland kosten würde, schluckt, als er die Summe von 800,00 EUR hört – er hatte mit einem Viertel gerechnet – und erzählt, dass er einen Sohn in Deutschland habe, den er gerne einmal besuchen würde.

In Santiago fahren wir mit dem Taxi in die Stadt, wollen für zwei Wochen frisches Obst und Gemüse vom Markt kaufen. Der Taxifahrer erwähnt, dass er in den nächsten Tagen seine Frau aus Venezuela zurück erwartet, sie hat dort zwei Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet. Seine Eltern halfen ihm, den 12 Jahre alten Sohn mit zu versorgen. Eigentlich hätte sie schon da sein sollen, aber sie musste erst nach und nach die vielen Pakete losschicken, mit all den Haushaltswaren und sonstigen lebensnotwendigen Dingen, die sie in Venezuela erstanden hat und die es in Kuba nicht gibt.

Als wir mit den Einkäufen zu ihm zurück kommen, stellt er uns einen jungen Mann vor, der uns in fließendem Deutsch mit leicht sächsischem Akzent begrüßt. Er ist Sohn einer Deutschen und eines Kubaners, noch vor der Wende in Kuba geboren, als Kleinkind mit den Eltern nach Merseburg gezogen und dort aufgewachsen. Nun ist er zurück gekommen, vertieft seit 9 Monaten seine Spanischkenntnisse und möchte hier bleiben, als Biochemiker, Techniker arbeiten. In Kuba sei das Leben so viel ruhiger, der Staat mische sich viel weniger ein als in Deutschland (sic!), erklärt er uns. Und dann gibt er unumwunden zu, dass er zwar mit einem guten finanziellen Polster hergekommen sei, sich aber genauso wie alle anderen an dem Schwarzhandel beteilige, der das Überleben überhaupt erst möglich mache. So z.B. wohnt er in bzw. neben einer Rumfabrik, wird von dort mit günstigen Rumflaschen versorgt, die er gewinnbringend weiter verkaufen kann.

Schnell lernen auch wir, dass wir ein bisschen herumfragen müssen, um beispielsweise Eier und Butter zu bekommen, denn in den Kaufhäusern der Stadt wurde ich nur milde belächelt, als ich danach fragte. Die Kellnerin im Restaurant oberhalb der Marina, oder die Köchin im Hotel nebenan, sie alle verdienen sich ein paar CUCs dazu, in dem sie uns einen Tag später eine Lage Eier bringen, ein Pfund Butter in der Tüte.

Zwei junge Männer am Flughafen in Havanna, sie haben ein privates Taxi, einen hübsch hergerichteten Oldtimer aus den USA, 50er Jahre – wir holen mit ihnen unseren nächsten Gast ab. Ein Flugzeug steigt in den Nachthimmel über unsere Köpfe hinweg auf, sie schauen beide sehnsüchtig hinterher: „Einmal möchte ich auch darin sitzen“, sagt der eine.

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Mangroven

An der Südküste der Insel ziehen wir von einer einsamen Ankerbucht zur nächsten – vor einem kleinen Dorf muss dann der örtliche Grenzsoldat seine Pflicht erfüllen und unseren „despacho“, das Reisedokument, abstempeln. Er wird von einem Fischer im Bötchen zu uns gerudert, beide sitzen in der Messe und auch sie fragen nach den Ländern, wo wir schon waren und wohin wir noch segeln möchten. Da erklärt der Grenzsoldat freimütig, dass er auch sehr gerne reisen wolle, aber nicht dürfe, könne. Und fragt uns im weiteren Gespräch, ob wir denn ein paar Fische als Geschenk haben wollten –s ehr gerne, natürlich. Dafür gibt es eine Tüte voller Geschenke im Tausch für seine Kinder und jene des Fischers.

Ein paar Tage später ankern wir neben einer kleinen Flotte von Krabbenfischern, die sich von ihren nächtlichen Ausfahrten tagsüber dort ausruhen. Versorgungsboote kommen alle paar Tage, holen ihre Kisten mit Krabben ab. Wir fahren zu ihnen rüber. Einer aus der Mannschaft erzählt uns, dass er vor etlichen Jahren zu einer zweimonatigen Schulung in Galicien war, just auf der Isla de Arousa, wo wir ein Jahr lang an der Muktuk herum gewerkelt haben. Es hat ihm sehr gut gefallen dort, er zählt aus dem Stegreif alle Ortschaften der Ecke auf, die er damals besucht hat. Wir ziehen ab mit einem Eimer voller frischer Krabben plus zwei Langusten, bringen der Besatzung einen Schnaps aus Galicien und noch ein paar Kleinigkeiten als Gegengabe.

24Cienf
Cienfuegos

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Einfahrt in die Bucht von Cienfuegos

27Cienf
Markt in Cienfuegos

In Cienfuegos in der Nähe der Marina laufen wir in einer Seitenstraße an einem Garten vorbei, am Zaun ein Schild, mit Obst und Gemüse zum Verkauf, darunter ein Plakat mit der Castro-Familie anlässlich eines Jubiläums. Wir rufen, der Besitzer kommt und lässt uns rein, zeigt uns stolz sein Reich: Beete mit Minze, Tomaten, kleinen roten süßen Paprika, Salate, Schnittlauch. Dazwischen schattenspendende Bäume, Zitronen, Orangen, Avocados, zwei große Mangobäume, die reifen Früchte liegen auf dem Boden, hinten in der Ecke ist ein Hühnerstall. Wir bekommen Tüten in die Hand gedrückt und dürfen selber ernten, derweil der Gärtner auf unsere Fragen hin allerlei erzählt. Er verkauft nur an Privatleute, für sein Gemüse würde er auf dem Markt mit den staatlich festgelegten Preisen nicht genug einnehmen, um zu überleben. Und seine Sachen sind so viel besser, das können wir bestätigen. Es ist eine Freude, ihm zuzuhören, wie er mit Begeisterung und Liebe von seinem Garten spricht. Eine kleine Oase hat er da geschaffen. Bei unserem zweiten Besuch, wir brauchen wieder Proviant für die nächsten einsamen Ankerbuchten, sind wir schon gute „amigos“, werden von ihm und seiner Frau mit Küsschen begrüßt, er zeigt uns seine Garage, in der er ein provisorisches Lager aufgebaut hat, einen Kühlschrank voller Limettensaft, und wir bekommen  zum Abschied ein Plakat mit der Castro-Familie geschenkt. Anschließend fährt er uns das kurze Stück zur Marina zurück in seinem schönen alten Auto, 10.000 CUC hat es ihn gekostet, noch mit Originalmotor.

29CayoGuanoEste
Leuchtturm Cayo Guano de Este

31Mangro
Mangroven
Auf er Isla de Juventud treffen wir noch freundlichere und hilfsbereitere Menschen, so viele fröhliche und entspannte Gesichter sehen wir auf der Busfahrt zur Inselhauptstadt, wie sie einander begrüßen, miteinander umgehen. Auch wir werden oft angesprochen, werden gefragt, ob wir Hilfe bräuchten, bekommen bereitwillig und ausführlich Antwort auf unsere Fragen.

35Isla
Privater Markt auf der Isla de Juventud

38IslaSchiess
„Jeder Kubaner muss schiessen können und er muss gut schiessen können (Fidel)“

Im Hotel neben der Marina geht es ruhig zu, abgesehen von sporadischen Tauchurlaubern ist dort nicht viel los, dabei ist die Anlage ganz hübsch, mit Swimmingpool, ein paar Schritte weiter der Strand. In dem Laden des Hotels arbeitet eine Dame, die recht gut Deutsch spricht – und auch sie fragt sofort offen und herzlich, womit sie uns helfen kann. Fahrten zum Flughafen, um Besuch abzuholen, Obst und ein gutes Huhn aus ihrem Dorf organisiert sie spontan für uns. Und nach und nach erzählt auch sie, von ihren beiden Söhnen, der eine ist Ingenieur und arbeitet in Havanna, der andere studiert Medizin. Sie hofft auf ein Visum für Deutschland, will im Sommer dort auf Einladung einer Freundin drei Monate lang bleiben und unbedingt arbeiten. Mit dem Geld möchte sie ein Haus in Havanna kaufen, vielleicht eine Pension, ein Restaurant eröffnen, ihr Mann kann gut kochen. Sie sorgen sich um die Zukunft ihrer Söhne, wollen für die beiden etwas in der Hauptstadt aufbauen. Das beschauliche Landleben auf der Insel mit der Hektik der Großstadt zu tauschen, ist nicht einfach, aber nachdem vor einem Jahr die Löhne gekürzt wurden und sie nurmehr umgerechnet 11 CUC pro Monat verdient: „Was sollen wir machen, wir haben unser Leben schon hinter uns, aber unsere Söhne…“ Wir hoffen sehr, sie im Sommer in Deutschland wieder zu sehen.

Letzte Station, bevor wir Kuba verlassen, ist eine kleine Marina an der westlichsten Spitze der Insel, am Cabo San Antonio. Hier sind die Offiziellen überraschend entspannt, die Papiere, der Arztbesuch können an Land erledigt werden, nur der Hundeführer kommt mit seinem haarigen Pelzbündel an Bord. Er lässt seine Hündin laufen, schnüffeln, und fragt derweil interessiert nach den schönen Holzarbeiten im Boot, nach den aufgehängten Fotos. Nachdem die Hündin ausgiebig unsere Zehen abgeschleckt, eine deutsche Zeitung angeknabbert hat, schläft sie friedlich ein, und wir unterhalten uns immer noch mit dem freundlichen Gast. Er hat schon immer auf diesem einsamen Außenposten gearbeitet, 20 Tage in der Grenzstation, eine Woche daheim, mit drei Kindern ist das kein einfaches Leben. Aber in wenigen Jahren, mit Mitte Vierzig, kann er offiziell aus dem Militär ausscheiden und sich eine andere Beschäftigung suchen. Die desolate wirtschaftliche Lage Kubas schiebt er voll und ganz auf das US-Embargo und erzählt von den schweren Jahren der sogenannten Sonderperiode nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, als Kuba schlagartig von den Subventionen, dem Austausch der Arbeitskräfte und vor allem den günstigen Öllieferungen abgeschnitten wurde. Damals wurde buchstäblich der Gürtel enger geschnallt, die Lebensmittel rationiert, auf Pferde und Ochsenkarren umgestellt. „Aber wir haben überlebt“, sagt er stolz und streckt seine Arme hoch, die Hände zu Fäusten geballt. Kuba müsse seine Zukunft im Ausbau des Tourismus suchen, erklärt er dann noch, denn Kaffe, Rum und Zigarren, die früheren Exportschlager geben auf dem Weltmarkt nicht mehr viel her.

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Cayo San Felipe

Es sind einzelne Begegnungen mit Menschen, eine sehr subjektive Auswahl, und es sind Menschen, die überwiegend mit Touristen, Reisenden wie uns, zu tun haben. Wir hatten leider keine Zeit, um diese Bekanntschaften zu vertiefen und wir hatten auch kaum Gelegenheit, Menschen aus anderen Lebens- und Arbeitsbereichen des Landes kennen zu lernen. Wir sind trotzdem sehr gespannt darauf, wie es im Lande weiter geht, wie es in ein paar Jahren aussehen wird.

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Karibik in Kuba

 

Fisch satt

Nachdem wir uns soviel über die schwierige Versorgungslage an Land beschwert haben, nun einmal ein dickes Lob über die Eiweissversorgung auf See.

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Wann immer man in einer der sonst menschen- und yachtenleeren Buchten einem Fischer begegnet – für wenig Tauschwaren kann man mehr Fisch bekommen, als man selbst bei gutem Willen essen kann. Zweimal begegnen wir Krabbenkuttern, die Besatzung ist jeweils 40 Tage auf See und kann sich dann 20 Tage an Land erholen. Kann man ein wenig Spanisch, freuen sie sich über Besuch, plaudern und schenken einem einen halben Eimer Schrimps. Und das ist eine Menge, wir fühlen uns wie bei Forest Gump und probieren alle unsere Schrimps-Rezepte aus. Ein paar Gläser Konserven konnten wir auch noch einkochen.

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Und dazu kommen unsere eigenen Fangerfolge. An der Schleppangel hatten wir ein paar Bisse, immer gut fürs Mittagessen. Am schönsten ist es aber an den Ankerplätzen hinterm Riff, wo wir – kaum ist der Anker gefallen – ins Beiboot steigen, mit der Harpune schnorcheln gehen und uns den Fischgang füs Abendessen aussuchen können. Papageienfisch oder soll’s heute lieber ein Red Snapper sein?

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Und am besten: seit ein paar Tagen haben wir auch den Blick für die Langusten entwickelt, die tagsüber mehr oder weniger gut versteckt in Felshöhlen oder unter Überhängen sitzen und hoffen, nicht entdeckt zu werden. Auch die werden ein Opfer der Harpune und landen in Topf oder Ofen.

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Aber natürlich gibt es auch viel nicht kulinarisches zu sehen: Schwärme bunter Fische wie im Aquarium, ein gepunkteter Adlerrochen von ca. 1,5m Spannweite zieht unter uns durch. Birgit entdeckt einen Ammenhai, der auf dem Sandboden liegt, Jonas später einen Riffhai – da war dann doch der geordnete Rückzug ins Beiboot angesagt. Im Fischbuch steht ‚potentially dangerous‘, was auch immer man damit anfangen soll. Ist aber wohl eine gute Idee, dann nicht gerade einen Fisch zu harpunieren, man will den Hai ja nicht auf dumme Gedanken bringen. Und die Rollenverteilung beim Thema fressen und gefressen werden ist ja nicht unwichtig.

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Barracudas schwimmen auch immer recht viele herum, aber da hier Ciguatera-Gefahr besteht und die größeren Raubfische im Riff giftig sein könnten, lassen wir sie in Ruhe, und sie uns auch.

Dennoch sind Meereslebewesen als Eiweissquelle eindeutig die bessere Wahl. Auf einer der Inseln leben etwa dackelgroße, pelzige Wesen namens Jutias, sie sehen ähnlich wie Bisamratten aus, leben aber nicht am Wasser, sondern auf festem Boden. Wie haben sie zur Unterscheidung ‚Landratten‘ getauft, eine davon haben uns die netten Parkwächter (küchenfertig ausgenommen) geschenkt, und natürlich gab es dann mit großem Genuss am Wortspiel gebratene Landratte zum Abendessen. Der Genuss am Geschmack fiel aber deutlich gemäßigter aus…

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PS: gerade als ich dies schreibe, schlägt unsere Fischalarm-Handgranate an und ein größerer Barracuda hing am Haken. Wir haben das Tier befreit und wieder zurückgeworfen. Glück für den Barracuda, und wir haben ja noch zwei Stunden bis zum Mittagessen. Und Langustenschwänze von gestern sind auch noch im Kühlschrank.

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