Christmas Winds

Christmas Winds, so heißen die regelmäßig im Dezember vor Panama auftretenden verstärkten Passatwinde, die gerne 6-7 Windstärken erreichen können (was wir hiermit als Augenzeugen bestätigen). Für uns heißen sie Christmas Winds, weil wir mit ihrer Hilfe wohl (toi toi toi) rechtzeitig zu Weihnachten auf den San Blas Inseln ankommen werden.

Das ist uns auch ganz recht, denn auch der zweite Teil der Überfahrt erweist sich als recht anstrengend. Auch wenn wir fast mit Halbwind unter gerefften Segeln mit 5, 6 oder 7 Knoten dahinsausen, der Seegang hier ist schon recht ordentlich, und immer mal wieder rauschen wir in eine dieser großen Wellenberge hinein und bekommen ein paar Hektoliter Wasser übers Deck gespült.

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Vorgestern Nacht (das passiert natürlich immer nur nachts, und zwar mit Vorliebe, wenn ich gerade eingeschlafen bin) hat sich eines unserer beiden Solarpaneele, das zwischen den Achterstagen befestigt war, losgerissen. Die Befestigungshölzer waren morsch und haben entweder dem Wind oder der Schiffsbewegung nicht mehr standgehalten.

Also rein in den Lifebelt, Deckslicht an, beidrehen und versuchen, das Ding zu bergen. Die anderthalb Quadratmeter große Platte bei Wind und Seegang erfolgreich unter Deck zu manövrieren, war gar nicht so einfach. Es passte gerade so eben durch den Niedergang. Werkzeug holen, Befestigungsbügel von den Stagen abmontieren… Spannendes Programm für die sonst so langweiligen Nachtstunden.

Leider hat das umherfliegende Paneel auch noch zwei Propellerflügel unseres Windgenerators abgebrochen, so dass wir nun mit Strom etwas haushalten müssen. Zwar können wir mit der Maschine die Batterien laden, aber bei der Lage, die wir auf unserem Kurs schieben, sollte der Motor nicht laufen, so dass wir zum Laden beidrehen müssen. Kein großes Problem, aber unseren Hauptverbraucher, den Kühlschrank, haben wir stillgelegt. Gibts es eben kein kaltes Bier, wenn wir ankommen. Aber die Navigationselektrik und der Bordrechner sind dann doch wichtiger.

Windgenerator

Auch unter Deck sieht es etwas mitgenommen aus. Obwohl selbst bei tropischem Starkregen die Muktuk im Wesentlichen dicht ist: dem Wasserdruck der großen Platscher sind einige unserer Lukendichtungen nicht gewachsen, es kommt also immer mal wieder ein Schub Salzwasser herein. Oder mit perfektem Timing öffnen wir gerade dann das Niedergangsluk, um Ausguck zu gehen, wenn es die Muktuk gerade in einen Wellenberg haut – die nächsten paar Liter Salzwasser im Schiff.

Und da an Lüften seit drei Tagen nicht im Traum zu denken ist, haben wir unter Deck bei 30 Grad eine Luftfeuchtigkeit von 100%. Tropfsteinhöhle vom Feinsten. Man schwitzt einfach ständig, ob man etwas tut oder nur dasitzt oder schläft. Eine Seefahrt die ist lustig usw.

Wir haben ja wirklich viele Handtücher an Bord, aber keines ist mehr trocken. Alle sind oder waren im Einsatz, um die Messepolster und Matratzen zu schonen, Salzwasser aufzuwischen, oder unseren Schweiss abzutrocknen. A propos Matratzen: bei der Lage auf Steuerbordbug gibt es sowieso nur zwei mögliche Schlafplätze, und in einem davon (der Mittelkoje) liegt nun als ungeplanter Gast unser Solarpaneel. Alle Matratzen haben entweder Salzwasserflecken oder sind vom Schweiss durchnässt.

Handtuecher

Die durchschnittliche Halbwertszeit eines trockenen T-Shirts oder einer Hose beträgt 30 Minuten. Dann ist es tropfnass – entweder durch einen Salzwasserplatscher oder durchgeschwitzt. Wir werden eine Menge Süßwasser brauchen, wenn wir angekommen sind. Und unsere ohnehin schon beachtliche Arbeitsliste ist durch die Überfahrt noch ein wenig länger geworden.

Und natürlich Akrobatik ohne Ende. Ob beim Spülen, Kochen oder Essen: man befindet sich nicht länger in einem Inertialsystem und muss jederzeit damit rechnen, dass sich normalerweile friedliebende Gegenstände spontan und mit bisweilen böswilligem Timing selbständig in Bewegung setzen. Birgit hat schon einen blauen Fleck von einer fliegenden Teekanne. Fliegende Untertassen haben wir nicht an Bord.

Aber das mit dem rechtzeitig ankommen sieht gut aus. Chirstmas Winds eben. Wir stehen 105sm vor dem Ziel, das sollte in einem Tag zu schaffen sein.

POS 11°12’N 079°36’W

Gegenan

Sie hat zwar nur rund 660 Seemeilen, die Überfahrt von Roatan zu den San Blas Inseln, aber diese Meilen haben es in sich. Sagen wir mal so: diese Überfahrt hat unter den Kandidaten für unsere Lieblings-Überfahrt eher schlechte Chancen.

Das erste Problem sind die ersten knapp 200 Seemeilen, die gehen nämlich genau nach Osten. Und wo kommt der Wind zu dieser Jahreszeit verläßlich her? Richtig: genau aus Osten. Und statt der angesagten 10kn waren es auch noch gute 25kn, die uns gegenan bliesen, entsprechenden Seegang gab’s kostenlos dazu. Wir haben beides probiert: unter Maschine gegnan tuckern (sehr nervig) oder unter Segeln aufkreuzen. Bei 140 Grad effektivem Wendewinkel auch kein Vergnügen, pro gesegelter Meile macht man gerade mal eine Drittelmeile Richtung Ziel gut. Der Cosinus lässt da nicht mit sich reden.

Nicht umsonst heisst es ja: Der Gentleman kreuzt nicht. Der Gentleman wartet auf besseren Wind. Aber Mitte Dezember auf Wind zu warten, der nicht aus Osten kommt, na ja… das kann schnell Ostern werden. Also war’s diesmal nichts mit Gentleman.

Kaum haben wir die Strecke gegenan hinter uns und können wieder unseren Kurs aufs Ziel anliegen, prompt kämpfen wir mit anderen Widrigkeiten. Birgit und ich haben uns beide eine Art grippalen Infekt eingefangen, sie mit Husten und Gliederschmerzen, ich mit Halsweh und Matschbirne. Beide versehen wir nur notdürftig gedopt unsere Wachen (Birgit mit Ibuprofen, ich mit Aspirin) und können die eigentlich schöne Segelei gar nicht so recht geniessen.

Birgit ist sich sicher, wer daran Schuld ist: der Jüngling aus dem Büro des Hafenmeisters in Roatan, dem die Nase lief und der sich seinen Rotz erst auf die Finger und dann abwechselnd an seiner Hose und an unseren Reisepässen abwischte. Der war vielleicht eine Gestalt: zum Ausfüllen eines Word-Formulars von acht Zeilen brauchte er sage und schreibe eine Stunde. Sorgfältig jedes Wort erwägend, tippte er es nach fünf Minuten endlich ein, nur um es dann wieder wegzulöschen und nach weiteren fünf Minuten durch ein (anderes?) Wort zu ersetzen usw. usw. Am Ende kam sein Vorgesetzter noch mit ein paar Korrekturvorschlägen an (nochmal 15 Minuten Rotzwischen) und schliesslich hatten wir ein wunderbares Dokument in den Händen, dass die Ausreise von einem Herrn Andreas Manfred Deutsch nebst Crew bestätigt. Auf eine Verbesserung meines Namens habe ich dann doch lieber verzichtet, ich hoffe es wird auch so gelten. Wie sagt ein lieber Arbeitskollege so schön: Eignung für leichte Erdarbeiten unter Aufsicht.

POS 15°13’N 082°17’W

Noch knapp 400 Seemeilen bis San Blas. Noch sechs Tage bis Weihnachten. Drückt uns die Daumen.

ThreeLittleBirds

Land unter

Wir waren ja schon vorgewarnt, dass es eine Menge geregnet hat in Rio Dulce. Aber dass das Wasser glatt einen Meter höher steht als vor unserer Abreise, hat uns dann doch überrascht.

Gut dass Schiffe schwimmen, sonst wäre unser Deck schon unter Wasser. Im Ort ist denn auch einiges wirklich unter Wasser – Geschäfte, Restaurants, Straßen, alles wartet darauf, dass das Wasser endlich wieder sinkt, damit das normale Leben wieder weitergehen kann.

In etlichen Marinas sind auch die Stege schon unter Wasser, und weil die Fender ja aufschwimmen, ist es dort schwer, die Boote ordentlich fest zu machen. Der Strom auf den Stegen musste natürlich auch abgeschaltet werden. Wir in unserer Monkey Bay Marina haben Glück, denn die Stege sind recht hoch, so dass wir noch ca. 30cm Reserve bis zu nassen Füßen haben. Wenn ein vorbeifahrendes Boot starken Wellenschlag produziert, schwappt schon mal eine Welle über den Steg, aber normalerweise kommen wir trockenen Fußes an Land.

In zwei Tagen wollen wir in Richtung Roatan aufbrechen, dann werden wir nach sechs Monaten Süßwasser endlich wieder Seewasser unterm Kiel haben. Die Technik ist soweit geprüft und in Ordnung, die letzte Ladung Wäsche ist im Trockner, die letzten Einkäufe müssen wir noch erledigen.

Muktuk scharrt mit den Hufen.

Präsidiale Karrieren

litfass
Antiplakat mit den Logos der Parteien: „Vor dem Verzehr dieser Produkte wird gewarnt“

Guatemala hat gewählt und ein Außenseiter hat das Rennen gewonnen… ein Komiker wird Präsident
Aber schön der Reihe nach: von den Demonstrationen, die seit April in der Hauptstadt jeden Samstag stattfinden, hatten wir schon berichtet. Die Vizepräsidentin war zurückgetreten, weil sie sich etliche Millionen Dollar an Steuergeldern in die Tasche gewirtschaftet hatte.
Die internationale Untersuchungskommission fand dann Ende Juli noch weitere Akteure: Minister, Angestellte im Staatsapparat und siehe da, sogar den amtierenden Präsidenten Otto Perez Molina, verschlüsselt immer als Nr. 1 bezeichnet. Sie alle hatten bei diesem System mitgemacht und sich ordentlich bereichert.
Der Präsident stritt alles ab, aber die Proteste mehrten sich, je mehr Dokumente in der Tagespresse veröffentlicht wurden, die seine Mittäterschaft belegten.
Nun kamen sogar in den Provinzstädten spontan Menschen zusammen, mit witzigen selbst gemalten Plakaten und fast alle schwenkten die guatemaltekische blau-weiß Fahne dazu.
Die Demonstrationen fanden ihren Höhepunkt in der zweiten Augusthälfte, drei Tage lang gab es hintereinander Straßensperren, und Protestmärsche in vielen Städten, der größte am 26. August in Guatemala City, mit über 230.000 Menschen. Die Universitäten riefen geschlossen zur Demo auf, sogar Konzerne, ausländische Firmen wie McDonalds, gaben ihren Angestellten dafür frei.
Es herrschte eine fröhliche Aufbruchstimmung im Lande, eine Entwicklung, die vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar gewesen wäre. Friedlich demonstrieren zu können war so lange nicht möglich und nun geht es, ohne Angst vor Militär und Polizei haben zu müssen.

Selbst als in Coban etliche LKWs voller Campesinos (Landarbeiter, Mayas), vor dem Rathaus randalierten und es stürmen wollten, gab es zwar erst einmal seitens der Polizei Schüsse, zwei Verwundete und helle Aufregung, aber am gleichen Nachmittag schon fanden sich auch hier Studenten und Campesinos zusammen, um laut trötend und Parolen rufend zu demonstrieren. Die Mannschaftswagen der Polizei standen weiterhin in den Seitenstraßen, aber hielten sich im Hintergrund.
Der Kongress beugte sich dem Druck der Strasse und setzte eine Kommission ein, die die Empfehlung ausgab, dem Präsidenten die Immunität abzuerkennen. Einen Tag später kamen die Abgeordneten zusammen und ohne Gegenstimmen folgten sie der Empfehlung der Kommission und kurz darauf wurde der Präsident dann in Haft genommen.
Allerdings fehlten die Abgeordneten der Lider-Partei bei der Abstimmung. Deren Kandidat, Baldizon, war überall im Lande auf Plakaten allgegenwärtig, hatte viel mehr Geld ausgegeben für den Wahlkampf als offiziell erlaubt und man sprach öffentlich von Stimmenkauf und Drogengeldern, die im Wahlkampf gewaschen wurden.

All dies überschattete die heiße Phase des Wahlkampfes, denn der Wahltermin für den 5. September stand schon fest: für das Präsidenten-Amt, die Abgeordneten des Kongresses, der Kreisbezirke und der örtlichen Bürgermeister. Und nicht zuletzt für die Abgeordneten des Panamerikanischen Kongresses.
Keine Zeit also, das Wahlgesetz zu ändern oder gar neue, von Korruption freie Parteien zu gründen. So sprachen denn vor allem in den Städten viele von Wahlboykott, denn den Kandidaten der überregionalen Parteien wollte niemand trauen, alles korrupte Gesellen, hieß es.
Und so kam es, dass die Werte des zuvor hoch gehandelten Baldizon kontinuierlich sanken, in den grossen Städten kaum noch jemand für ihn stimmte.

Von den 14 Kandidaten blieben für die Stichwahl im Oktober Sandra Torres und Jimmy Morales übrig. Sandra Torres von einem eher sozialdemokratisch geprägten Bündnis war in den Augen viele Wähler eine mit allen Wassern gewaschene Politikerin, die sich von ihrem Ehemann pro Forma scheiden ließ, um als Kandidatin anzutreten.
Denn er war bereits einmal Präsident gewesen, und als seine Ehefrau durfte sie nicht kandidieren. Und Jimmy Morales, nun, er war früher Komedian, hatte jahrelang eine eigene Sendung im Fernsehen und ist inzwischen ein recht erfolgreicher Unternehmer.
Wer hinter seinem Wahlkampf stand, war nicht so klar, ab und zu konnte man sogar in der überregionalen Presse lesen, es seien die gleichen Kräfte, die auch den abgesetzten Präsidenten unterstützt hatten. Fakt war, Jimmy Morales warb auf allen Plakaten damit, „weder Dieb noch korrupt“ zu sein, und das reichte wohl aus, um sich von den altbekannten Gesichtern zu unterscheiden.
Die Stichwahl vom 25. Oktober gewann er haushoch, im Januar wird er dann eingesetzt, ebenso tritt dann der neue Kongress zusammen. Der allerdings ist in der Mehrheit von der Lider-Partei besetzt, es wird sich also so schnell doch nichts ändern.
Die Demonstrationen in der Hauptstadt gehen weiter, jeden Samstag, um gegen die hohen Gehälter der Richter und Beamten zu protestieren und vieles mehr.

campesinos
Campesinos

studenten
Studenten protestieren

wahlplakat
Wahlkampf-Wagen für einen Außenseiter

Wuff
„Wuff, wuff, schleich dich, Otto“, gesehen in Xela

zentrum
Demonstration in Coban

Flores und Tikal, Ende August 2015

6Pyramide
Jaguartempel, Vorderseite

Im Norden Guatemalas, in Richtung Mexiko, findet man im Tropischen Regenwald sehr viele alte Maya-Siedlungen. Die bei weitem größte und bedeutendste ist die Anlage Tikal. Um dorthin zu gelangen, fahren die meisten Touristen erst nach Flores: Eine kleine Insel im Petén-Itzál-See, wenige hundert Meter im Durchmesser, bis in die 50er Jahre nur mit dem Boot zu erreichen, heute führt ein Damm dorthin. Die um den See lebenden Mayas konnten den spanischen Eroberern fast ein ganzes Jahrhundert lang Widerstand leisten. Heute ist Flores sehr touristisch geprägt, aber mit einem gemütlichem Flair. Die Uferstraße ist gesäumt von Hotels und Restaurants, und wenn man zum Hauptplatz hochgeht, hat man einen wunderschönen Blick auf den See und die umliegenden Ortschaften.

Morgens wurden wir mit einem Bus abgeholt und fuhren zu dem gut 60 km weiter im Norden gelegenen Tikal. Mit einem englischsprechenden Führer, der spannend und kenntnisreich erzählen konnte, zog unsere Gruppe (zwei deutsche Lehrerinnen, ein junger amerikanischer Anwalt und wir) los. Auf 16 qkm gibt es etwa 3000 Gebäude und 121 Stelen! Davon sind allerdings ca 80% nicht ausgegraben sondern vom Regenwald überwachsen. Archäologen sprechen von der Entdeckung Tikals im 19. Jh., unser Führer aber meint, das Wissen um diese im Regenwald verschwundene Stadt sei unter den Mayas immer weiter gegeben worden. Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde mit den Ausgrabungen begonnen, die Universität von Pennsylvania war finanziell federführend dabei, und ohne die Eintrittsgelder und die Förderung als Unesco-Weltkulturerbe wäre es heute gar nicht möglich, die Anlage zu konservieren und die Infrastruktur für die Besucher bereit zu stellen.

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Jaguartempel, Rückseite

Schon 200 v.Chr. wurden die ersten Gebäude errichtet und bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts wuchs Tikal zu einem bedeutenden politischen und kulturellen Zentrum heran, zeitweilig lebten im ganzen Königreich bis zu einer halben Million Menschen und in Tikal selbst, so die Schätzungen, lebten 50.000 Menschen. Danach büßte Tikal seine Vormachtstellung in einem Eroberungskrieg ein, das benachbarte Königreich im heutigen Belize übernahm die Führungsrolle. Es ist erstaunlich, dass die Stadt an einem so wasserarmen Ort errichtet wurde und eine solche Blüte erleben konnte, es befindet sich nämlich kein Fluss in der Nähe und Wasser wurde lediglich in Lehmsenken gesammelt.

3Fussball
Marktplatz mit Akropolis an der Seite

Fünf riesige Tempel wurden ausgegraben, eine Akropolis, ein Marktplatz in der Mitte der Anlage, mit einem Fußballplatz daneben und einige Wohnhäuser können besichtigt werden. Auf zwei der Tempel kann man hinaufsteigen, teilweise über ein Gerüst, um die Steine zu schonen und dann hat man einen atemberaubenden Blick auf den Regenwald. Etwas gespenstisch mutet es an, wenn man von da oben die anderen Tempel aus dem Regenwald herausragen sieht.

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Steht man auf dem Marktplatz in der Mitte zwischen zwei Tempeln, kann man die besondere Akustik ausprobieren, ein Klatschen beispielsweise wird verstärkt und verdoppelt. Wie die Mayas diese Akustik wohl für ihre Versammlungen genutzt haben? Es ist einfach nur beeindruckend und für uns heute fast unerklärlich, wie diese riesigen Gebäude ohne Eisenwerkzeug und vor allem, ohne das Rad zu kennen, errichtet wurden.

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Ein Tag reicht gerade so, um die Stadt zu erwandern. Man müsste eigentlich noch einmal kommen, um sich einzelne Tempel und Gebäude genauer anzusehen, um die großartige Leistung der Mathematiker und Astronomen der Mayas besser zu verstehen. Einmal im Monat finden rituelle Veranstaltungen in Tikal statt und unser Führer schwärmte von dem riesigen Fest mit Tausenden von Besuchern im Jahr 2012, als der Jahrhunderte währende Maya-Kalender zu Ende ging und ein neuer begann. (Esoteriker nutzten diesen Kalender gerne für Weltuntergangsszenarien, aber darüber wird hierzulande nur milde gelächelt).

7Relief

8Stelen

Leider sind außer den ausgegrabenen Ruinen und der Sprache wenige kulturelle Zeugnisse aus der vorkolonialen Zeit übrig geblieben. Ein übereifriger Kardinal wütete Mitte des 16. Jahrhunderts derart erfolgreich, dass nur noch drei Schriftstücke der Mayas erhalten geblieben sind, die man als authentisch bezeichnen kann. Und diese drei Codices befinden sich gar nicht im Lande, einer in Madrid, der andere in Paris und der dritte, wohl bedeutendste und am besten erhaltendste in Dresden in der Sächsischen Landesbibliothek. Er ist neben der Gutenberg-Bibel das Schmuckstück der Sammlung im begehbaren Tresor. Wer mehr darüber lesen möchte, findet hier viele Infos darüber und man kann den Dresdener Maya-Codex auch in hoch aufgelöster digitalen Form im Internet anschauen.

http://www.slub-dresden.de/sammlungen/handschriften/maya-handschrift-codex-dresdensis/

Die eigentlichen Bewohner der Anlage sind heute die vielen Lebewesen des Regenwaldes: kleine und große Tukane, Brüllaffen, die sich beim Avocado-Schälen von uns nicht ablenken lassen, und etliche Familien von Nasenbären, die teilweise so zutraulich sind, dass sie die Touristen wegen Futter anbetteln.

9Affe

Rund Kap Horn

Nein, nein, keine Sorge: nicht wir, sondern Captain Irving Johnson, und auch nicht jetzt, sondern im Jahre 1929. Da ist Herr Johnson, damals noch nicht Captain, sondern 24-jähriger Seemann, auf der PEKING, also einem der berühmten P-Liner, ums Kap Horn gesegelt. Und hat dabei nicht nur einen selbst für Kap Horner Verhältnisse ungewöhnlichen Sturm abbekommen, sondern ist währenddessen auch noch die Masten hochgestiegen und hat mit einer Handkamera gefilmt.

Dieses unglaubliche Filmdokument, später dann von ihm selbst nachvertont, haben uns unsere amerikanischen Segelfreunde gezeigt, und so viele unserer Freunde waren interessiert daran, ihn auch zu sehen, dass wir ihn jetzt hier hochgeladen haben.

Ich hoffe, der Film ist alt genug, dass wir damit keine Urheberrechte verletzen. Für alle Fälle aber bitte: nur für private Zwecke ansehen, keine öffentliche Vorführung etc.

Hier also ist er: Around The Horn

Sayaxche und Aguateca 30./31. August

Auf dem Weg nach Norden liegen am Rio Pasión drei kleinere Maya-Stätten, die im Reiseführer beworben werden. Wir steigen in Sayaxche aus und finden gleich am Ufer des Flusses unser Hotel. Hier sind wir die einzigen Touristen weit und breit. Auf der Hotelterrasse haben wir den besten Ausblick auf den Fährverkehr über den Fluss. Es gibt keine Brücke, also müssen alle LKWs, PKWs und Motorräder auf die große Fähre mit zwei drehbaren Außenbordern. Die Außenbordmotoren sind mit jeweils einem Palmendach geschützt. Personen nehmen die kleinen schlanken Boote und fahren auf der anderen Seite mit den „collectivos“ weiter. Ein unterhaltsames Schauspiel, dieses Leben am Fluss.
1Fähre

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Auf der großen Hotelterrasse werden wir von dem Besitzer zum Bier eingeladen, mit seiner Familie und Freunden sitzen wir gemütlich beisammen und plaudern über Deutschland und Guatemala. Ich stelle ein paar Fragen zu den kilometerlangen Plantagen für Palmöl, an denen wir entlang gefahren sind und erhalte zunächst auch bereitwillig Auskunft: Wanderarbeiter sind da hauptsächlich angestellt, nur wenige Bewohner der umliegenden Ortschaften finden da Beschäftigung. Als ich dann aber nach den Umweltproblemen frage, kommt eine misstrauische Gegenfrage, ob ich denn von einer Organisation käme, der Hotelbesitzer wird recht einsilbig, wir wechseln das Thema.

Und dann erinnern wir uns, bereits davon gelesen zu haben, dass im Mai und Juni bei starken Regenfällen die Bassins mit Düngemitteln in der Palmöl-Plantage übergelaufen und in den Rio Pasión geflossen sind. Tausende Fische starben und die Flussfischer stehen nun ohne Einkommen da. Eine Bürgerinitiative versucht seither mit Beschwerden und Eingaben in der Hauptstadt die Betreiber der Plantage zur Zahlung von Entschädigungen zu verklagen. Allerdings gehört die Plantage der einflussreichen Molina-Familie und das bedeutet eigentlich ein Kampf gegen Windmühlen. Später, Mitte September, lesen wir in der Zeitung, dass ein Richter in Guatemala City angeordnet hat, die Plantage für 6 Monate zu schließen, eine Untersuchungskommission soll eingesetzt werden. Aufgebrachte Wanderarbeiter, die daraufhin ihre Jobs verloren, errichteten Straßenblockaden, nahmen drei Menschen als Geiseln und dann wurde auch noch der Sprecher der Bürgerinitiative, ein ortsansässiger Lehrer, auf offener Straße von einem Motorradfahrer erschossen.

7Palmöl
Truck mit den Früchten der Ölpalme
8Palmöl1

Für den nächsten Tag sind wir mit Ernan verabredet. Mit seinem Boot fahren wir eine gute Stunde lang den Fluss aufwärts bis zur ehemaligen Mayastadt Aguateca. Sie wurde um 250 n.Chr. gegründet und knapp 500 Jahre später, zusammen mit dem ebenfalls am Fluss gelegenen Dos Pilas, zu einer Doppelhauptstadt ausgebaut, zeitweilig lebten mehrere tausend Menschen in dieser gut befestigten Stadt.

Unterwegs fliegen immer wieder Kormorane auf, hüpfen schwerfällig übers Wasser, bis sie endlich in der Luft sind.

6Reiher

Aguateca liegt auf einer Anhöhe an einer strategisch günstigen Stelle des Flusses. Wir laufen etwa 10 min den Berg hoch, überqueren einen Verteidigungswall bevor wir die ersten Gebäude sehen können. Wohnanlagen, Verwaltungsgebäude und ein Tempel können besichtigt werden, Stelen mit rätselhaften Verzierungen stehen davor. Zuletzt kommen wir auf einen schönen Platz, zwei fast identische Gebäude an der Stirnseite, eines davon mit einem Thron, von dem man einen eindrucksvollen Blick auf den Platz hat.

Ernan erzählt, dass er in den 90er Jahren bei den Ausgrabungen dabei war, Bäume gefällt und Büsche gerodet hat, wochen- und monatelang mit den Archäologen im Camp gelebt hat.

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Ruhig und friedlich ist es, wir sind wohl die einzigen Besucher an diesem Tag.

Lanquin und Semuc Champey, 25. – 29. August

1Berge

Lanquin, ein kleines Bergdorf im Hochland. Dort kommen wir spätnachts mit dem Mikrobus für Touristen an, werden mit anderen Gästen auf einen Pickup verladen und weiter geht es noch mal eine viertel Stunde lang über Stock und Stein steil bergauf und wieder bergab. Überall ist es dunkel, die paar Häuser am Wegrand kaum beleuchtet, Hunde rennen bellend hinter uns her.

Noch ein Bier, dann fallen wir müde ins Bett. Am nächsten morgen erwachen wir im Urwald, nein nicht ganz, es gibt auch Hühner und Truthähne, die uns morgens noch vor Tagesbeginn mit ihrem Gackern und Krähen aufwecken. Einfache Häuschen und Zimmer, kalte Duschen, so wollten wir es haben.

3Fluss1

4Schwimb

Nach dem Frühstück gehen wir los, die letzten 3 km bergab zu den Wasserfällen von Semuc Champey. Die umliegenden Maya-Dörfer haben sich zusammengeschlossen und betreiben den Naturpark inzwischen selbst, nachdem er jahrelang vom Bürgermeister in Lanquin vernachlässigt wurde. Es gibt Parkwächter die alles pflegen, Holzbohlenwege, steile Holztreppen zum Mirador, dem höchsten Aussichtspunkt. Dort kann man auf einer Plattform stehen, die über den steilen Felsen hängt und hat einen herrlichem Blick nach unten: eine von der Natur geschaffene Kalkbrücke, Naturschwimmbecken mit türkis leuchtendem Wasser. Der Rio Cahabon hat sich hier außerdem ein unterirdisches Höhlensystem geschaffen.

Nach dem Abstieg freuen wir uns über die Abkühlung in den Becken, um uns herum der dichte grüne Wald, aus dem wir die Zikaden rufen hören.

5Schwimmb1

Am anderen Tag fahren wir nach Lanquin mit Pickup und Tuk-Tuk weiter zu einem anderen Höhlensystem, etwas außerhalb des Ortes gelegen. Leider haben wir unsere Taschenlampen nicht mit, aber Pablo, unser Führer, hat für alle Fälle Kerzen dabei und mit denen wird es richtig romantisch und schaurig zugleich. Gleich in der ersten Höhle sehen wir den Fledermaus-Kindergarten, abends in der Dämmerung fliegen dann alle Fledermäuse zu Tausenden heraus zur nächtlichen Jagd. Pablo kennt die Tropfsteinhöhle so gut, er könne auch blind darin herumlaufen. Er zeigt uns alle wundersamen Gebilde, die sich im Laufe der Jahrtausende durch stetiges Tropfen gebildet haben. Mit viel Fantasie kann man hier einen Jaguarkopf sehen, dort einen Elefanten, dann eine Micky-Maus, eine Opernbühne mit imposanten Vorhängen. Pablo erzählt uns noch, dass seine Großmutter als junge Frau das unterirdische Höhlensystem genutzt hat, um bis nach Coban, der nächsten großen Stadt, zu gelangen. Eine mühsame Wanderung mit Fackeln, beladen mit den Waren für den Markt und trotzdem schneller als oberirdisch. Wie viel davon ist Wahrheit und wie viel Dichtung?

6Höhle

Wir sind beeindruckt und verlassen die Höhle nach gut zwei Stunden mit vielen Bildern im Kopf.

San Pedro Spanish School 10. – 21. August

gruppe

In Guatemala, so meinen wir, kann man sehr gut Spanisch lernen. Die Auswahl und Anzahl der Schulen ist gross, die Menschen sprechen hier sehr deutliches und klares Spanisch. Alle Schulen bieten einen erschwinglichen Einzelunterricht an, man kann in Familien wohnen, um auch außerhalb der Unterrichtsstunden Spanisch zu sprechen und man erhält einen Einblick in den Alltag der Menschen. Und mit der San Pedro Spanish School haben wir eine richtig gute Schule gefunden!

Balkonblick

Wir fühlen uns sofort wohl in unserer Familie, haben ein großes ruhiges Zimmer mit Blick auf den See. Conchita ist eine selbstbewusste junge Frau Ende Zwanzig und Mutter von zwei Mädchen: Jusita (9), die sich auch gerne mit uns unterhält und der kleine Wirbelwind Blanca (3). Ihr Mann arbeitet zurzeit legal in Kanada auf einer Gemüsefarm und kann immerhin zwei Monate pro Jahr auf Heimaturlaub kommen. Ein Jahr noch, dann ist er wieder endgültig in San Pedro und darauf freuen sich schon alle.

Conchita ist ein aktives Mitglied der Baptistengemeinde, auch die Kinder sind in abendlichen Veranstaltungen dort eingebunden. Ein bis zwei Mal pro Woche organisiert die Frauengruppe Besuche bei Familien, die in Not geraten sind, oder wo ein Kranker Hilfe und Zuspruch braucht – ungeachtet der Kirchenzugehörigkeit. Auch die Gemeinschaft der Großfamilie ist stark, die Hilfe untereinander selbstverständlich. Da Conchita lebhaft und ausführlich erzählen kann, erfahren wir bei den drei gemeinsamen Mahlzeiten Tag für Tag neue Geschichten aus dem Dorf und der Umgebung.

Die zwei Wochen in der Sprachschule vergehen viel zu schnell: mit Estela, meiner Lehrerin, ungefähr in meinem Alter, freunde ich mich schnell an und wir haben viele gemeinsame Gesprächsthemen. Sie war früher Grundschullehrerin und findet nun ihre Arbeit mit den Schülern aus allen Herren Länder viel spannender, auch wenn die Arbeitszeiten und die Bezahlung nach Schüleraufkommen schwankt und sie manchmal sehr genau rechnen muss, um mit ihren vier Kindern über die Runden zu kommen. Erst gibt es zwei Stunden lang Konversation und nach einer erholsamen Kaffeepause in dem gemütlichen Café der Schule noch mal ordentlich Grammatik.

Die Schule besitzt einen großen Garten, der zum See hin abfällt, viele verschlungene Pfade, Sträucher, Bäume, Blumen, alles wird von einem Gärtner liebevoll gepflegt. Und überall verstreut und versteckt kleine Pavillons, wo die Schüler mit ihrem jeweiligen Lehrer sitzen: ein kleiner Tisch, zwei Stühle, eine Tafel.

Am Nachmittag werden Konversationskurse angeboten, nach Sprachniveau aufgeteilt kann man, freiwillig natürlich, daran teilnehmen. Diese eine Stunde könnte ruhig länger gehen, so unterhaltsam und lustig geht es zuweilen zu und wir lernen nette Menschen kennen.

Zwei Mal pro Woche gibt es danach noch Landeskunde: z.B. ein Film über den 30jährigen Bürgerkrieg, der 1996 mit einem Waffenstillstand endete, am Tag darauf erzählt uns ein Überlebender des Militärterrors (der Anfang der 80er Jahre unter General Montt besonders gewütet hatte) von seinen Erfahrungen. Heute ist er Sportlehrer und hat seine grauenhaften Erlebnisse als Jugendlicher gut verarbeiten können. Auch der Vortrag über die Kultur der Maya macht neugierig auf mehr Informationen.

Die Schule unterstützt mit 10% der Gebühren eine Art Schülerhort nenbenan, die „Ninos del Lago“, sozial benachteiligte und arme Kinder werden dort mit einem Mittagessen versorgt und erhalten Hilfe bei den Hausaufgaben.

Es ist alles in allem eine sehr intensive Zeit, wir lernen schnell und viel Spanisch, hoffen, dass wir davon nicht allzu viel wieder vergessen und wir lernen vor allem eine Menge über das Land selber, die Geschichte, den Alltag, die bevorstehenden Wahlen.

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estela

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Volksfest in Solola, Tanz der Conquistadores

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Volksfest in Solola, Prozession

San Pedro Atitlan 9. – 22. August 2015

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baum

Noch in Antigua, als wir erzählten, dass wir anschließend nach San Pedro zu unserem Spanisch-Kurs weiterreisen werden, ernteten wir ein unverständliches Kopfschütteln, „wieso ausgerechnet dieses Hippie-Dorf? Antigua ist doch so viel schöner, um hier zu lernen?“. Wenn schon am Atitlansee, hieß es weiter, dann doch lieber das Dörfchen San Marcos…

Solcherart gewarnt verließen wir Antigua mit gemischten Gefühlen. Der Atitlansee erwartete uns nachmittags mit Wind und Regen, die Überfahrt von Panajachel mit einer kleinen Personenfähre, einer „loncha“, gestaltete sich nass und sehr schaukelnd.

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Der See kann aber auch malerisch schön und ruhig am Morgen da liegen, und ist nicht zu Unrecht eine weitere Touristenattraktion Guatemalas. Auch hier gibt es drei Vulkane, zwischen 3000 und 3500m hoch, Teil des vulkanischen Rückens, der das ganze Land durchzieht, die Hochebene hat ein wunderbar angenehmes Klima, ewiger Frühsommer. Für Alexander von Humboldt war er einer der schönsten, wenn nicht gar der schönste See der Welt. Allerdings wäre er über die heutige Wasserqualität entsetzt, trübe und voller Algen ist er, wenn die Temperaturen steigen…

Um den See herum leben zwei Maya-Gruppen, die Tzutujiles und die Cakchiqueles, deren Sprache so unterschiedlich sein soll, dass sie sich kaum untereinander verständigen können.

Fast alle Maya-Frauen tragen die traditionelle Tracht, ein gerader Rock, an den Seiten eingeschlagen und von einem breiten Gürtel festgehalten. Blusen mit luftigen Ärmeln dazu in vielerlei Farben und Ornamenten und für die kälteren Regionen eine ebenfalls aus festem Stoff gewebte Bluse, der „huipil“. Jeder Ort hat seine eigenen typischen Rock-Muster, aber vor allem die jungen Frauen nehmen es heute nicht mehr so genau und wechseln täglich die Farben und Muster. Traditionell wird an Weihnachten eine neue Tracht gekauft.

Kürzlich fand im Grassimuseum Leipzig eine Ausstellung über Maya-Textilien statt: hier der Ausstellungskatalog online:

http://www.mvl-grassimuseum.de/fileadmin/Redaktion/Leipzig/III-2015/Begleitheft_Gewebte_Zeit_letzte_Fassung-small.pdf

An den Vulkanhängen um den Atitlan-See wird ebenfalls Kaffee geerntet, eines der drei großen Anbaugebiete in Guatemala. Großgrundbesitzer und viele Kleinbauern gibt es hier, letztere, die davon mehr schlecht als recht leben müssen. Die Kleinbauern sind von der aktuell grassierenden Krankheit der Kaffeepflanzen am härtesten betroffen, Hilfsprogramme sind zwar angelaufen, um ihnen den Kauf von jungen und resistenten Pflanzen zu ermöglichen. Ob die Hilfe dann tatsächlich bei ihnen ankommt?

Mit den vielen Touristen kommt auch etwas Wohlstand in die Dörfer direkt am See. Wir hören immer wieder: „Uns geht es inzwischen gut hier, wir können drei Mal täglich essen, oben in den Bergen müssen sich viele Familien mit einer Mahlzeit am Tag begnügen“. Der Armutsreport des Landes spricht ja auch von einer erschreckend hohen Anzahl von Kindern mit Mangelernährung. Und auch hier gibt es in fast jeder Familie einen Bruder oder Onkel, der den gefährlichen und beschwerlichen Weg durch Mexiko genommen hat (entweder ein tagelanger Fußmarsch durch die Wüste oder die riskante Fahrt mit der „Bestia“, dem Güterzug). Und wer es über die inzwischen schwer bewachte Grenze in die USA geschafft hat, bleibt dort mindestens vier Jahre als illegaler Immigrant, arbeitet auf dem Bau, auf Feldern oder als Tellerwäscher im Restaurant. Viele Familien nehmen bei den Banken Kredite auf, um die Schlepper und vor allem die „Coyoten“ zu bezahlen, die die Schlupflöcher an der Mauer zur USA kennen. Mit 1,3 Mio Guatemalteken, die zurzeit in den Vereinigten Staaten leben und arbeiten, soll mal wieder ein Höchststand erreicht sein.

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San Pedro, wo wir zwei Wochen lang wohnen und lernen, macht tatsächlich auf den ersten Blick im Vergleich zu dem aufgeräumten Antigua einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Aber wir finden auch hier ein paar malerische Ecken. Der Ort zieht sich von der Anlegestelle weit den steilen Berg hoch. Die Straße parallel zum Ufer ist für Hotels, Restaurants und Cafés reserviert. Auffallend viele Rucksacktouristen sind unterwegs, viele junge Menschen aus Israel, in jedem zweiten Lokal wird „humus“ und „falafel“ angeboten, Speisekarten und Hotels werben in hebräischer Schrift. Der Ortskern mit katholischer Kirche, Park, Markt und Sportplatz befindet sich weiter oben und dorthin verirren sich kaum Touristen.

Läuft man die vielen Gassen ab, fallen nicht nur die allgegenwärtigen Wahlplakate ins Auge, überall hängen religiöse Spruchbänder, werben Wandmalereien für eine der vielen evangelikalen Kirchen: „Der Herr ist mein Weg“, „Jesus ist das Licht, mein Wegweiser“, usw.

Jesus