D’Urville Island

Sieht man sich das Buchtengewirr der Marlborough Sounds genauer an, entdeckt man an der oberen westlichen Seite eine große Insel, die nur durch einen schmalen Pass vom Festland getrennt ist. Wir wollen, sofern das Wetter mitmacht, diese Insel einmal umrunden. Dafür suchen wir uns einen ruhigen Tag und Stillwasser aus, um diese Meerenge, French Pass genannt, durchfahren zu können. Es klappt ganz gut, allerdings sehen die Wirbel im Wasser schon etwas wild aus!

Auf D’Urville leben ungefähr noch 80 Leute, Schafweiden gibt es auch noch, nur lohnt es sich wohl kaum noch, die Tiere zu halten, denn ihr Transport aufs Festland ist ziemlich teuer geworden. Dafür scheint die Muschelzucht lukrativ zu sein, die erste große Bucht, die wir anlaufen, ist voller schwarzer und roter Schwimmbojen, an denen die großen Grünlipp-Muscheln wachsen.

Die anderen Buchten aber sind recht einsam, ab und zu sehen wir ein Segelboot oder ein Motorboot mit Freizeitanglern.

Die Manuka-Sträucher blühen schon lange nicht mehr, dafür entdecken wir auf einem Spaziergang einen anderen Strauch, der unglaublich würzig duftet. Beim Manuka sind es die Blätter, die bei Sonnenschein ihren süßen harzigen Geruch verströmen, bei diesem Strauch sind es die Blüten. Wie er heißt, wissen wir allerdings nicht…

Und auch hier in den Buchten von D’Urville Island gibt es viel Fisch im Wasser, an den felsigen Vorsprüngen ist der Blue Cod zu finden und nicht nur einmal fangen wir direkt vom Schiff aus einen Knurrhahn mit seinen schönen orange-blauen Flossen, die wie Schmetterlingsflügel aussehen. Als wir eines morgens den Hummerkorb aus dem Wasser ziehen, haben es sich zwei Teppich-Haie darin gemütlich gemacht. Der kleinere schlängelt sich noch beim Hochziehen durch das Fluchtloch ins Wasser, der größere Hai ist einfach zu dick dafür, dem müssen wir zur Freiheit verhelfen. Und nein, Langusten haben wir immer noch keine darin gefangen!

Alles ist erleuchtet

Die Bucht erreichen wir bereits an unserem ersten Tag in den Marlborough Sounds. Onapua Bay heißt sie, dreimal müssen wir um die Ecke fahren, bis wir diesen sehr geschützten Ankerplatz erreichen. Schon in der ersten Nacht bemerken wir Meeresleuchten ums Boot herum, in der zweiten, fast windstillen und fast mondlosen Nacht ist es noch stärker geworden.

Zunächst stehen wir spät abends an der Bordwand, wühlen mit Paddel und Besenstiel im Wasser herum und freuen uns an den leuchtend grünen Schleifspuren im Wasser. Doch dann bemerken wir den Lichterschein an dem kleinen Kiesstrand knapp zweihundert Meter hinter uns. Die leichten Wellen, die auf die Bucht laufen, leuchten in hellem Grün. Das muss ich mir ansehen und fahre mit dem Kanu zum Strand. Je näher ich dem Ufer komme, desto intensiver wird das Meeresleuchten. Begeistert kehre ich zum Boot zurück, und wir rudern alle gemeinsam mit dem Dinghi hin, um das Spektakel zu bewundern.

Die Paddel produzieren bei jedem Eintauche einen hellen leuchtenden Fleck, die Bugwelle des Dinghis läuft als leuchtender Streifen davon. Weil wir ohne Außenborder unterwegs sind, bemerken Fische erst spät unsere Annäherung. Als schnurgerade leuchtende Linien schießen sie vor dem Boot davon, wie Elementarteilchen in einer Nebelkammer.

Lange treiben wir ein paar Meter vor dem Strand, wo das Leuchten am stärksten ist. Wir fahren mit den Händen durchs Wasser und können uns an den Spuren nicht sattsehen. Mit der hohlen Hand schöpfen wir Wasser, und lassen leuchtend grünes Gold ins Meer zurückfließen. Pure Magie. Die beiden Arten von Meeresleuchten sind gut zu unterscheiden: ein diffuses, milchiges Leuchten des bewegten Wassers insgesamt, durchsetzt von einzeln aufblitzenden helleren Lichtpunkten wie Funken einer Wunderkerze.
Nur schwer können wir uns losreißen und rudern zum Boot zurück. Die Spur unserer Ruderschläge führt als langsam verblassende Reihe grüner Tupfen bis zum Strand zurück.

Wir haben uns schon oft gewundert, welchen biologischen Sinn das Meeresleuchten haben mag. Unsere heimischen Glühwürmchen locken Artgenossen des anderen Geschlechts, die neuseeländischen Glowworms Beutetiere an. Manche Meeresbewohner leuchten gerade so stark, dass sie sich von unten betrachtet nicht gegen die hellere Meeresoberfläche abheben. Aber all dies sind keine sinnvollen Gründe für die Dinoflagellaten, einzellige Algen, die überwiegend für das Meeresleuchten verantwortlich sind. Warum also leuchten die Dinger?
Das deutsche Wikipedia liefert keine Erklärung. Aber das englische hat gleich zwei spannende Theorien zu bieten. Die erste: die Fressfeinde der Leuchtalgen verursachen bei ihrer Jagd eine Leuchtspur im Wasser, die sie wiederum für ihre Fressfeinde sichtbar macht und damit im Bestand reduziert. Ziemlich raffiniert.

Die zweite Theorie ist aber noch pfiffiger: die Fressfeinde der Leuchtalgen, in erster Linie Quallen und kleine Tintenfische, sind relativ durchsichtig. Die Drohung der Algen: wenn ihr uns fresst, bekommt ihr einen derartig leuchtenden Magen, dass ihr hervorragend markiertes Futter für eure Fressfeinde abgebt. Diese Theorie wird dadurch unterstützt, dass in Gebieten starken Meeresleuchtens Tintenfische ihre Mägen mit einer schwarzen Membran auskleiden.

Die Erklärungen für dieses Phänomen sind also fast so faszinierend wie das Meeresleuchten selbst. Aber nur fast.

Queen Charlotte Sound

Nach sieben Tagen Stadturlaub (Bericht wird nachgereicht) locken die Marlborough Sounds mit einsamen Buchten und viel Natur. Von Wellington aus gilt es jedoch erst einmal, die Cook-Strait zu überqueren. Sowohl Wind als auch der Gezeitenstrom müssen sich durch diese enge Lücke zwischen Neuseelands Nord- und Südinsel quetschen, was den Wind in der Strait regelmäßig zwei Windstärken mehr blasen lässt und für Stromwirbel und unangenehm steile Wellen sorgt. Die Cook Strait gehört damit zu den gefürchtetsten Seegebieten Neuseelands, aber wir haben einen Tag mit passendem Wetter ausgesucht. Obwohl wir das Timing für die Gezeitenströme einigermaßen richtig erwischen, durchqueren wir ein Gebiet mit seltsam brechenden Wellen, und vor der Einfahrt liegt für einige Zeit eine dicke Nebelwand. Letztlich können wir aber ohne Probleme in den Tory Channel hineinfahren. Wir sind mal wieder auf der Südinsel. Ein bisschen erleichtert sind wir schon.


Eine Woche lang genießen wir den Queen Charlotte Sound bei schönstem Wetter, viel Sonne, meist angenehmen Wind, eine kleine Bucht schöner als die andere. Wir können am Strand Muscheln sammeln, Blue Cod angeln und mit unserem in Gisborne neu erworbenen Kajak herumfahren.
Wir werden für die kommenden Wochen ein temporäres Mitglied des „Waikawa Boating Club“. Damit haben wir die Erlaubnis, die fast 100 Mooringbojen des Clubs zu nutzen, die über die ganzen Marlborough Sounds verteilt sind. Das ist ganz praktisch, denn die großen Wassertiefen bis dicht vor dem Ufer machen das Ankern in manchen Buchten nicht ganz einfach.

Am 1. Februar ist das ruhige Sommerwetter erst einmal vorbei: der tropische Zyklon „Fehi“ zieht zur Westküste Neuseelands herunter, mit Sturm- und Starkwindwarnungen für halb Neuseeland. Im Inneren der Marlborough Sounds sind zwar nur 25 Knoten Wind vorhergesagt, aber mit Böen von bis zu 70 Knoten, und das ist eine Menge. Der große Vorteil hier ist, dass sich keine Welle aufbaut, während draußen vor der Küste sieben Meter vorhergesagt sind.

Im Club fragen wir nach, wo wir uns bei einem Sturm aus Nord am besten verkriechen können, und wir machen am Abend vorher an einer Mooring in der Bucht von Kumutoto fest. Hohe Bergwände schützen uns vor dem Gröbsten, aber selbst hier werfen Fallböen das Boot hin und her, so dass das Besteck vom Tisch rutscht. Obwohl das Spektakel erst am Morgen so richtig losgehen soll, bekommen wir schon in der Nacht nicht viel Schlaf. Aber die Mooring ist mit einem 5 Tonnen schweren Betonblock verankert, und wir sind zuversichtlich, den Sturm hier gut zu überstehen. Draußen auf See mag jetzt freilich keiner sein. Oder – wie es früher auf Anita immer hieß – die armen Leute an Land, wie da jetzt die Fensterläden klappern müssen!

Gisborne

Es wäre ungerecht, wenn wir von Gisborne nur über den Sturm und die knarzende Plattform erzählen würden, haben wir doch davon abgesehen eine wunderbare Zeit dort verbracht. Die Stadt hat ein paar schöne und gemütliche Ecken, berühmte Weingüter in der Umgebung und herrliche Sandstrände! Ein Strand liegt direkt vor dem Stadtpark an der Flussmündung, zum anderen muss man zehn Minuten mit dem Auto bis Wainui fahren. Und je nach Windrichtung hat man die Auswahl, mal sind hier die besten Surfwellen, mal dort. Weiter nördlich, Richtung East Cape (Ostkap) bei der Tolaga Bay gibt es noch mehr Strände, an denen sich hohe Wellen aufbauen und die Surfer ihre Campingbusse parken.



Auch wir haben es ausprobiert, nicht mit dem Surfbrett weit draußen, sondern näher am Ufer mit einem sogenannten „body board“. Das sind etwas größer geratene Styropor-Bretter, wie sie oft in den Schwimmbädern zu sehen sind. Auf die kann man sich bäuchlings drauf legen, sobald eine Welle kommt und mit etwas Glück mit der Schaumkrone im Rücken bis fast ans Ufer sausen. Ein Riesenspaß, sobald man den Dreh heraus hat!
Peter mit Surfbrett und Andreas mit body board

In Gisborne: Eine Einkaufsmeile mit vielen netten Läden, die einladen zum Bummeln und  Sommermode kaufen, eine große gut sortierte Buchhandlung mit einem schönen Café im ersten Stock. Weiter am Fluss hoch findet man das städtische Museum mit viel informativer Orts- und Regionalgeschichte, ein paar Räume mit Kunst aus Ton einer regionalen Künstlergruppe und sehr schönen Arbeiten aus Flachs, teils traditionelle Umhänge und Taschen, wie sie die Maori schon seit Jahrhunderten anfertigten neben Taschen und Röcken in modernem Design. Alles Abschlussarbeiten der Flechtklasse der örtlichen Flechtschule. Die Maori-Kultur wird hier weiter gepflegt bzw. in manchen Bereichen wieder stärker belebt, an diesem fruchtbaren Flussdelta und Umgebung lebten schon zur Zeit von Cooks mehrere Stämme. Neben dem Museum steht ein kleineres Haus, eine Gedenkstätte für die Gefallenen Maori der beiden Weltkriege. Sie bildeten eigene Regimenter und zeichneten sich durch besondere Tapferkeit aus, zahlten aber auch einen sehr hohen Blutzoll. Beeindruckend und traurig zugleich, die vielen Fotos der jungen Männer an den Wänden zu sehen.

Und ich will nicht verschweigen, dass auch Gisborne einen Farmers Market, einen Samstagsmarkt, hat, wo man gemütlich an den Ständen entlang schlendern und Taschen und Rucksäcke randvoll füllen kann mit grünroten Sommeräpfeln, Gisborner Orangen, frischem Gemüse, um sich anschließend einen Kaffee zu holen, ein Croissant in der anderen Hand, der Musik zuzuhören und sich die anderen Marktbesucher anzuschauen. Obwohl es an dem Tag immer mal wieder Nieselregen gab, war die Stimmung auf dem Markt ungebrochen gut. Dann zieht man den kleinen Kindern eben schnell mal Gummistiefel an oder aber läuft unbeeindruckt durch die Pfützen mit den „jandals“, wie die Flip-Flops in Neuseeland heißen.

Ein letztes Mal noch eine Portion frische „fish’n chips“, ausgebackenen Fisch mit Pommes, geholt vom Fischladen gegenüber, dann heißt es Leinen los, weiter Richtung Süden nach Wellington!


Waka, Nachbau eines Maori-Bootes, mit denen sie über den Pazifik segeln konnten

Quietsch, Knarrrz

Normalerweise geht man ja in einen Hafen, um seine Ruhe zu haben. Um nicht auf See mit Wind und Wellen zu kämpfen, um nicht in der Bucht bangen zu müssen, ob der Anker hält und das Boot sich nicht selbständig macht. Eben um seine Ruhe zu haben.

In Gisborne hat das nicht ganz geklappt. Wir sind dort eingelaufen, um unsere lieben Freunde Silvi und Peter zu besuchen, und um einen vorbeiziehenden Sturm aus Nord abzuwettern. Die kleine Marina ist allerdings voll, im Becken des Vorhafens können wir auch nicht ankern, denn da werden fast täglich riesige Frachtschiffe manövriert, die Holzstämme aus Neuseeland nach Asien transportieren. Ein Anruf bei der Hafenverwaltung liefert auch keine gute Alternative. „sorry mate, you probably have to leave…“

Aber wie so oft in Neuseeland regelt sich dann doch alles. Der diensthabende Lotse ruft uns an, wir dürfen ausnahmsweise an einem großen Baggerschiff längsseits festmachen. Eine perfekte Lösung für uns, jedenfalls während des Nordsturms. Dann aber dreht der Wind auf Südsüdost, gar nicht mal so stark, aber das ist genau die Richtung, aus der die Dünung in den Hafen laufen kann. Der riesige Bagger fängt in der Nacht an zu tanzen, wir längsseits ebenfalls. Wir rucken in die Leinen, das Dinghi arbeitet sich in der Strömung hinter unserem Heck zwischen Muktuk und Bagger und versucht sich als Hilfsfender. Ein Riemen findet das nicht so lustig und bricht entzwei, zum Glück kommt das Dinghi selbst mit ein paar Flecken von abgeschabtem roten Lack davon, die am Rumpf der Muktuk nun fehlen. Ein großer Kugelfender ist am Morgen nicht mehr aufzufinden, hat sich wohl losgerissen.

Ein Arbeiter vom Baggerschiff warnt uns: das war erst das Vorspiel, denn das kommenden Hochwasser wird den Wellenbrecher überspülen, und dann rollt die Dünung ungebremst ins Hafenbecken. Wir sollten vielleicht besser weiter nach innen, da ist es vielleicht ruhiger. Also Leinen los, und wir machen an einer schwimmenden Plattform etwa 100 Meter weiter innen fest. In der Tat schaukelt es dort erst einmal weniger, aber die Plattform ist mit Metallsäulen fixiert, an denen sie mit der Tide auf- und abgleitet, und dabei im Takt der Wellen ein fürchterliches Gequietsche abgibt. Dazu das Knarzen unserer Leinen, wenn die Muktuk von der Dünung hin und hergeworfen wird. Eine Geräuschkulisse wie im Horrorfilm, in der folgenden Nacht machen wir kein Auge zu.

Noch eine Nacht später steigert sich das Spektakel. Die Dünung wird höher, zwei Stunden vor und nach Hochwasser haut es die Muktuk in die Leinen, dass es uns Angst und Bange wird. Eine Spring arbeitet sich los, daraufhin bricht eine der Achterleinen. Ein Fender platzt. Wir gehen die ganze Nacht Leinenwache. Am nächsten Tag lässt die Achterbahnfahrt langsam nach – es ist nur noch laut, aber das Einrucken in die Leinen lässt nach. Welche Erleichterung. Und in der dritten Nacht ist der ganze Spuk vorbei, wir können wieder durchschlafen. Ihr glaubt ja gar nicht, wie schön das sein kann!

Nacht, heilige

Mit gehöriger Verspätung, aber trotzdem von Herzen, wünschen wir allen unseren treuen Blog-Lesern nachträglich ein schönes Weihnachtsfest und ein guten neues Jahr!

Wir haben die Weihnachtsfeiertage dieses Jahr besonders genossen, denn Rebekka und Julian waren bei uns zu Besuch. Zwar mussten wir wegen der Sache mit der Nord- und Südhalbkugel auf klassische Zutaten wie Schneedecke, Tannenbäume und Elche verzichten, aber ein paar Konstanten gab es dann doch: Birgit hat es sich nicht nehmen lassen, Honigkekse zu backen, zu verzieren und über dem Messetisch aufzuhängen. Und das obligatorische Fischfondue gab es natürlich auch, mit neuseeländischen Fischsorten. Zwei von fünf Sorten immerhin waren selbst gefangen.

Für die Deko konnten wir die Lebkuchen mit sehr hübschen natürlichen Strohsternen ergänzen, wir wissen es nicht genau, es könnte eine Art von „tumbleweed“ sein, jedenfalls haben wir es am Strand von Mercury Island gefunden.

Coromandel Halbinsel

Und auf einmal ist der Sommer da, ein sonniger Tag folgt auf den anderen! Vergessen sind Regen und ungemütliche Kälte der vergangenen Monate.

Die Halbinsel Coromandel ragt wie ein Zeigefinger raus ins Meer, grüne Berge, schroffe Felsenküste und dazwischen schöne Sandstrände. Hier können wir den Sommer ausgiebig genießen, fahren von einer Bucht zur nächsten, vorbei an Muschelfarmen, schlängeln uns durch die vielen Inseln und Felsbrocken vor Coromandel Town, angeln, graben nach Muscheln, fotografieren Sonnenuntergänge. Bekommen lieben Besuch an Bord, treffen Segler wieder, die wir auf den Marquesas und Tonga kennen gelernt haben, sitzen gemütlich viele Stunden mit ihnen zusammen und erzählen von unseren Erlebnissen und besprechen technische Probleme der jeweiligen Boote.

Der Dezember verfliegt im Nu – und um ihn nicht ganz zu vergessen, hier ein paar Impressionen.

Die kleinste Bibliothek der Welt

Meine kleinste Bibliothek der Welt befindet sich in Port Fitzroy auf der Insel Great Barrier.

Die Geschichte dieser öffentlichen Bibliothek ist schnell erzählt, erst war es nur ein Bücherbord in einem Schuppen am Hafen bei der Bootsrampe, wo auch die eingehende Post sortiert wurde. Der „National Library Service“ unterstützte diese kleine Sammlung und versorgte sie kontinuierlich mit neuen Büchern.

1978 wurde der Schuppen am Hafen abgerissen und ein neuer gebaut. Die Bücher zogen um, ein paar hundert Meter weiter die Straße hoch neben das „nursing house“, die Praxis der Krankenschwestern. In dem Holzschuppen, wo zuvor ein Generator stand, wurden ein paar Regale aufgebaut, die Bibliothek um Biographien und Nachschlagewerke sowie Kinderbücher und Puzzle erweitert. Anfangs musste die Bibliothek sich den Raum mit einigen Mäusen und Spinnen teilen, bis ein wasserdichtes Dach und ein neuer Anstrich angebracht wurden und damit die Mitbewohner in die freie Natur entlassen werden konnten.

Die Bibliothekarin wünschte sich 1986 nichts sehnlicher als ein neues Gebäude, das den alten Generatorschuppen ersetzen sollte, aber der Gemeinderat lehnte den Antrag erst einmal ab. Während einer feuchtfröhlichen Party kam die Idee auf, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und im Schutz der Dunkelheit mit einem Neubau zu beginnen. Das war dann doch nicht nötig, denn der Gemeinderat ließ sich umstimmen. Zwei Tanzbälle als Spendengala brachten das nötige Geld zusammen, eine Holzfirma lieferte Baumaterial zu günstigen Preisen, mit der Fähre kamen wetterfeste Fenster aus zweiter Hand vom Festland, auch diese als Geschenk. Viel ehrenamtliche Arbeit wurde von den Insulanern geleistet und schließlich konnte die Einweihungsparty mit viel Champagner begangen werden. Opo Ngawata, der örtliche „kaumatua“ (Stammesältester der Maoris), segnete die Bibliothek.

Die North Great Barrier Library Association (Verein der Bibliothek von Nord-Great Barrier) kümmert sich um die Belange der Bibliothek, die Bibliothekarinnen arbeiten ehrenamtlich!

Ein kleiner Jahresbeitrag der Bibliotheksbenutzer sichert den Ankauf und die Pflege der Bücher und angesichts des doch begrenzten Platzes müssen ständig Exemplare ausgesondert werden. Darum steht ein Bananenkarton draußen auf der überdachten Terrasse, aus dem man sich für 2 Dollar ein Buch mitnehmen kann.

Die kleinste Bibliothek der Welt?

Zwei Wochen später, auf der anderen Seite der Insel spazieren wir durch das Örtchen Tryphena und stehen auf einmal wieder vor einer Bibliothek – noch kleiner? Sieht so aus! Ich habe die Bücher nicht nachgezählt und den Raum nicht ausgemessen. Aber kommt es bei Bibliotheken immer auf die Größe an?

Aotea – Great Barrier Island

Es ist schon halb sieben Uhr abends und die Sonne steht immer noch hoch am Himmel. Der Blick auf den Kalender zeigt Anfang Dezember, ganz ungewohnt für uns, dass die Tage immer noch ein bisschen länger werden. Wir haben nun schon seit mehr als einer Woche ein festsitzendes Hoch über Neuseeland, das uns einen sonnigen Tag nach dem anderen beschert. Die ersten Tage haben wir noch brav Rost geklopft und das Deck gestrichen, nun machen wir eine Pause und es fühlt sich fast so an wie Urlaub. Von Bucht zu Bucht tuckern, mal hier, mal da länger bleiben, Fische fangen, Delfinen beim Jagen zuschauen, Wandern gehen.

Die Insel Great Barrier liegt gar nicht so weit von Auckland entfernt und doch ist man hier in einer ganz anderen Welt, so abgeschieden fühlt es sich an, hier zu leben. Alles ist langsamer, stiller, ruhiger. Früher, ohne die modernen Kommunikationsmittel, und ohne die Anbindung mit Flugzeug und Schnellfähren, war das Leben auf der Insel hart und entbehrungsreich.

So ziemlich alles hat es hier schon gegeben seit der Ankunft der europäischen Einwanderer: Gold- und Silbergräber in kleinen Minen, ein großes Sägewerk, das nicht nur den kompletten Kauri-Bestand der Insel verarbeitet hat, bis nichts mehr da war, sondern auch Holz vom Festland zerkleinerte. Und zuletzt gab es noch eine Walstation, wo bis vor ein paar Jahrzehnten Wale aus dem Meer heran gebracht und verarbeitet wurden.

Ende der 60er Jahre operierte ein Piratensender im Hauraki Golf: ein Radiosender ohne amtliche Genehmigung ging auf Sendung außerhalb der 5-Meilen-Zone. Ein paar Mal gerieten die Radiomacher bei schlechtem Wetter in Seenot und das erste Boot strandete an den Felsen im Südwesten der Insel. Die Insulaner zeigten sich solidarisch und halfen ihnen, wo sie nur konnten, beim Crewwechsel, Proviant laden, sie waren schon immer ein eigenes Völkchen.

Inzwischen wird Great Barrier Island von Auckland aus mit verwaltet und in vielen Bereichen finanziell und personell unterstützt, sei es beim Straßenbau, der Schule oder dem Krankenhaus, was die meisten Bewohner dankbar annehmen. Auch die Naturschutzbehörde DOC (Department of Conservation) ist hier aktiv und kauft immer weiter Land auf. Insulaner werden bei der Instandhaltung der gut ausgebauten Wanderwege beschäftigt, Kauri Bäume werden neu gepflanzt und brauchen einen besonderen Schutz, der nachhaltige Tourismus wird damit gefördert. Die Insel ist „pest-free“, also ohne Possum, Ratten und sonstige Nagetiere und möchte das gerne bleiben. Ein gutes Zeichen für einen sich erholenden Busch und Wald sind die vielen Pohutukawa Bäume, die jetzt langsam ihre rote Blütenpracht entfalten. Possums vergreifen sich nicht nur an Bodenbrütern, sie haben es auch auf junge Bäume abgesehen und knabbern wohl wirklich alle Triebe ab. Die Vögel hört man laut singen und auf unseren Wanderungen können wir sie nicht nur hören sondern auch ein paar der selteneren Exemplare sehen.


Pohutukawa Baum


Auf dem Weg zum Mount Hobson geht es über viele Brücken…

… und vor dem Gipfel hunderte von Treppen hinauf

Freitag abends ist der Boat Club in Port Fitzroy ein Treffpunkt für die Segler und Fischer in der Gegend, wir unterhalten uns mit einem Seglerpaar, das schon wochenlang hier mit seinem Boot ankert und diese Ecke am liebsten gar nicht mehr verlassen möchte.


Abendstimmung in Port Fitzroy

Auf der kleinen Insel Rangiahua, die zu Great Barrier gehört, ankern wir neben einem schönen alten Fischerboot und binden unser Dinghi an einem gut gebauten Steg fest. An Land sehen wir einen Mann in seinem großen Garten arbeiten. Wir fragen ihn, ob wir ein bisschen über die Insel spazieren gehen dürfen. Ja, natürlich gerne. Er ist einer der letzten Hummerfischer und lebt mit seiner Frau und einer Tochter hier, die anderen vier Kinder arbeiten in Australien und Auckland, und kommen mit den Enkeln nur noch in den Ferien zu Besuch. Als er hört, dass unser Hummerkorb immer leer war, meinte er: „Ach, hätte ich das gewusst, dann hätte ich die große Languste von gestern Abend in euren Korb gepackt, statt sie zurück ins Meer zu werfen.“ Und er fragt kenntnisreich, wie es nun in Deutschland mit der Regierungsbildung weiter geht. (Das passiert und immer wieder, dass wir hier in Neuseeland über das politische Weltgeschehen von Europa und anderen Kontinenten diskutieren können. Dabei sind wir jedes Mal beschämt, denn wir wussten bis vor einem Jahr fast bis gar nichts von den Ländern im Pazifischen Raum).


Blick vom Berg der Insel Rangiahua


Blühender Flachs

Im Dörfchen Whangaparapara treffen wir die neue Besitzerin der Great Barrier Lodge, in einer Woche kommen die ersten zahlenden Gäste, ein Café und Restaurant gibt es bei ihr und dazu noch einen kleinen Supermarkt. Die Handwerker hört man klopfen und viele Helfer wuseln herum und trotzdem nimmt sie sich Zeit für einen kleinen Plausch, erzählt, dass die mit ihrem Vater zurück auf die Insel gezogen ist, das Leben in Auckland war ihr einfach zu hektisch. Klaus, ein Deutscher, früher Ingenieur, dann Segler und jetzt Fischer, lebt nun schon seit etwa 30 Jahren in dieser Ecke von Neuseeland. Er erzählt von Zeiten, als es noch fast vierzig Fischerboote im Hafen gab, aber nun sind sie nur noch zu zweit. Aber nicht etwa, weil es weniger Fisch gäbe, meint er, sondern weil man einfach nicht mehr davon leben könne, nachdem die Preise für den Fisch in den Keller gegangen sind, nur noch ein Drittel des früheren Preises könnte man heute erwarten.

Ein anderer Bewohner, der fast jeden Tag mit der Angel am Hafen steht, unterhält sich auch länger mit uns. Sie mögen hier die Abgeschiedenheit und als im Ort Whangaparapara zwischenzeitlich um die 33 Einwohner ansässig waren, überlegten sie, ob es nun nötig sei an der einen und einzigen Kreuzung eine Ampel zu installieren…

Nun zieht es einerseits ruhebedürftige Großstädter hierher und viele junge Leute, die auf der Insel keine Arbeit finden, gehen weg. Freiwillig die einen, und weil es nicht anders geht, die anderen.

Wir haben uns von der Ruhe der Insel anstecken lassen und wollen am liebsten gar nicht mehr weg von dieser schönen Ecke mit den vielen freundlichen Menschen.


Manuka in voller Blüte

Champagner im Pool

„Champagne Pool“, das klingt doch nach Luxushotel und Wellness, möchte man im ersten Moment denken! Nein, nicht ganz… Warm ist es da schon, richtig heiß sogar, dafür aber stinkt es gewaltig nach Schwefel und man muss den Atem anhalten, wenn einem der Wind die Dampfschwaden ins Gesicht weht.

Es ist schon eine Weile her, als wir im Oktober auf der Nordinsel unterwegs waren, aber ich möchte gerne nachträglich davon erzählen.

Bei den beiden großen Seen Taupo und Rotorua befindet sich das vulkanische Plateau von Neuseeland: Thermalquellen, Geysire, blubbernde Schlammlöcher. Überall am Straßenrand sehen wir Werbetafeln, Hinweisschilder für Parks zum Besichtigen und für Hotels und Kuranlagen, wo man sich verwöhnen lassen kann.

Zuerst probierten wir die heißen Quellen aus, die in einem öffentlichen Park neben einem Fluss sprudeln. Sobald sich das kochend heiße Wasser mit dem kalten Flusswasser vermischt, hat es eine angenehme Badewannen-Temperatur und waren nicht die Einzigen mit einem Handtuch unterwegs.

Um ein paar Naturspektakel zu sehen, entschieden wir uns für das „Wai-o-Tapu“ Wonderland, ein Geothermal-Park mit Eintritt. Hier kann man auf gesicherten Wegen entlang spazieren und alle möglichen Formen und Schauspiele dieses Geothermalgebietes bewundern: neben einem Geysir und heißen Quellen gibt es Schlammlöcher, warme Seen und die wohl größten Sinterterrassen Neuseelands.

Wo es aus der Erde heiß und dampfend heraus kocht, sieht es aus wie eine Mischung aus Wüste und Mondlandschaft. Hier ein Krater, der schwefelgelbe Ablagerungen an den Seiten hat und „Devils Hole“ (Teufelshöhle) Höllenloch genannt wird, und dort der Champagner-Pool, ein richtig heißer See, der in vielen verschiedenen Farben schillert, von rostrot über grün und blau, und die darüber ziehenden Dampfschwaden eine tolle geheimnisvolle Atmosphäre erzeugen.

Ein herrliches Farbenspektakel bieten auch die kleineren und größeren Kraterseen, unterschiedliche Chemikalien sorgen für eine milchgrüne oder weißgelbe Färbung und auch Algen sind daran beteiligt, eine spezielle Art, der es bei diesen heißen Temperaturen besonders gut gefällt.

Sogar eine Entenmutter hatte sich mit ihrem Nachwuchs der Umgebung angepasst und schwamm seelenruhig mit ihren Küken in einem milchig-grünen Teich. Eine Mutter-Kind-Kur der besonderen Art.