Coromandel Halbinsel

Und auf einmal ist der Sommer da, ein sonniger Tag folgt auf den anderen! Vergessen sind Regen und ungemütliche Kälte der vergangenen Monate.

Die Halbinsel Coromandel ragt wie ein Zeigefinger raus ins Meer, grüne Berge, schroffe Felsenküste und dazwischen schöne Sandstrände. Hier können wir den Sommer ausgiebig genießen, fahren von einer Bucht zur nächsten, vorbei an Muschelfarmen, schlängeln uns durch die vielen Inseln und Felsbrocken vor Coromandel Town, angeln, graben nach Muscheln, fotografieren Sonnenuntergänge. Bekommen lieben Besuch an Bord, treffen Segler wieder, die wir auf den Marquesas und Tonga kennen gelernt haben, sitzen gemütlich viele Stunden mit ihnen zusammen und erzählen von unseren Erlebnissen und besprechen technische Probleme der jeweiligen Boote.

Der Dezember verfliegt im Nu – und um ihn nicht ganz zu vergessen, hier ein paar Impressionen.

Die kleinste Bibliothek der Welt

Meine kleinste Bibliothek der Welt befindet sich in Port Fitzroy auf der Insel Great Barrier.

Die Geschichte dieser öffentlichen Bibliothek ist schnell erzählt, erst war es nur ein Bücherbord in einem Schuppen am Hafen bei der Bootsrampe, wo auch die eingehende Post sortiert wurde. Der „National Library Service“ unterstützte diese kleine Sammlung und versorgte sie kontinuierlich mit neuen Büchern.

1978 wurde der Schuppen am Hafen abgerissen und ein neuer gebaut. Die Bücher zogen um, ein paar hundert Meter weiter die Straße hoch neben das „nursing house“, die Praxis der Krankenschwestern. In dem Holzschuppen, wo zuvor ein Generator stand, wurden ein paar Regale aufgebaut, die Bibliothek um Biographien und Nachschlagewerke sowie Kinderbücher und Puzzle erweitert. Anfangs musste die Bibliothek sich den Raum mit einigen Mäusen und Spinnen teilen, bis ein wasserdichtes Dach und ein neuer Anstrich angebracht wurden und damit die Mitbewohner in die freie Natur entlassen werden konnten.

Die Bibliothekarin wünschte sich 1986 nichts sehnlicher als ein neues Gebäude, das den alten Generatorschuppen ersetzen sollte, aber der Gemeinderat lehnte den Antrag erst einmal ab. Während einer feuchtfröhlichen Party kam die Idee auf, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und im Schutz der Dunkelheit mit einem Neubau zu beginnen. Das war dann doch nicht nötig, denn der Gemeinderat ließ sich umstimmen. Zwei Tanzbälle als Spendengala brachten das nötige Geld zusammen, eine Holzfirma lieferte Baumaterial zu günstigen Preisen, mit der Fähre kamen wetterfeste Fenster aus zweiter Hand vom Festland, auch diese als Geschenk. Viel ehrenamtliche Arbeit wurde von den Insulanern geleistet und schließlich konnte die Einweihungsparty mit viel Champagner begangen werden. Opo Ngawata, der örtliche „kaumatua“ (Stammesältester der Maoris), segnete die Bibliothek.

Die North Great Barrier Library Association (Verein der Bibliothek von Nord-Great Barrier) kümmert sich um die Belange der Bibliothek, die Bibliothekarinnen arbeiten ehrenamtlich!

Ein kleiner Jahresbeitrag der Bibliotheksbenutzer sichert den Ankauf und die Pflege der Bücher und angesichts des doch begrenzten Platzes müssen ständig Exemplare ausgesondert werden. Darum steht ein Bananenkarton draußen auf der überdachten Terrasse, aus dem man sich für 2 Dollar ein Buch mitnehmen kann.

Die kleinste Bibliothek der Welt?

Zwei Wochen später, auf der anderen Seite der Insel spazieren wir durch das Örtchen Tryphena und stehen auf einmal wieder vor einer Bibliothek – noch kleiner? Sieht so aus! Ich habe die Bücher nicht nachgezählt und den Raum nicht ausgemessen. Aber kommt es bei Bibliotheken immer auf die Größe an?

Aotea – Great Barrier Island

Es ist schon halb sieben Uhr abends und die Sonne steht immer noch hoch am Himmel. Der Blick auf den Kalender zeigt Anfang Dezember, ganz ungewohnt für uns, dass die Tage immer noch ein bisschen länger werden. Wir haben nun schon seit mehr als einer Woche ein festsitzendes Hoch über Neuseeland, das uns einen sonnigen Tag nach dem anderen beschert. Die ersten Tage haben wir noch brav Rost geklopft und das Deck gestrichen, nun machen wir eine Pause und es fühlt sich fast so an wie Urlaub. Von Bucht zu Bucht tuckern, mal hier, mal da länger bleiben, Fische fangen, Delfinen beim Jagen zuschauen, Wandern gehen.

Die Insel Great Barrier liegt gar nicht so weit von Auckland entfernt und doch ist man hier in einer ganz anderen Welt, so abgeschieden fühlt es sich an, hier zu leben. Alles ist langsamer, stiller, ruhiger. Früher, ohne die modernen Kommunikationsmittel, und ohne die Anbindung mit Flugzeug und Schnellfähren, war das Leben auf der Insel hart und entbehrungsreich.

So ziemlich alles hat es hier schon gegeben seit der Ankunft der europäischen Einwanderer: Gold- und Silbergräber in kleinen Minen, ein großes Sägewerk, das nicht nur den kompletten Kauri-Bestand der Insel verarbeitet hat, bis nichts mehr da war, sondern auch Holz vom Festland zerkleinerte. Und zuletzt gab es noch eine Walstation, wo bis vor ein paar Jahrzehnten Wale aus dem Meer heran gebracht und verarbeitet wurden.

Ende der 60er Jahre operierte ein Piratensender im Hauraki Golf: ein Radiosender ohne amtliche Genehmigung ging auf Sendung außerhalb der 5-Meilen-Zone. Ein paar Mal gerieten die Radiomacher bei schlechtem Wetter in Seenot und das erste Boot strandete an den Felsen im Südwesten der Insel. Die Insulaner zeigten sich solidarisch und halfen ihnen, wo sie nur konnten, beim Crewwechsel, Proviant laden, sie waren schon immer ein eigenes Völkchen.

Inzwischen wird Great Barrier Island von Auckland aus mit verwaltet und in vielen Bereichen finanziell und personell unterstützt, sei es beim Straßenbau, der Schule oder dem Krankenhaus, was die meisten Bewohner dankbar annehmen. Auch die Naturschutzbehörde DOC (Department of Conservation) ist hier aktiv und kauft immer weiter Land auf. Insulaner werden bei der Instandhaltung der gut ausgebauten Wanderwege beschäftigt, Kauri Bäume werden neu gepflanzt und brauchen einen besonderen Schutz, der nachhaltige Tourismus wird damit gefördert. Die Insel ist „pest-free“, also ohne Possum, Ratten und sonstige Nagetiere und möchte das gerne bleiben. Ein gutes Zeichen für einen sich erholenden Busch und Wald sind die vielen Pohutukawa Bäume, die jetzt langsam ihre rote Blütenpracht entfalten. Possums vergreifen sich nicht nur an Bodenbrütern, sie haben es auch auf junge Bäume abgesehen und knabbern wohl wirklich alle Triebe ab. Die Vögel hört man laut singen und auf unseren Wanderungen können wir sie nicht nur hören sondern auch ein paar der selteneren Exemplare sehen.


Pohutukawa Baum


Auf dem Weg zum Mount Hobson geht es über viele Brücken…

… und vor dem Gipfel hunderte von Treppen hinauf

Freitag abends ist der Boat Club in Port Fitzroy ein Treffpunkt für die Segler und Fischer in der Gegend, wir unterhalten uns mit einem Seglerpaar, das schon wochenlang hier mit seinem Boot ankert und diese Ecke am liebsten gar nicht mehr verlassen möchte.


Abendstimmung in Port Fitzroy

Auf der kleinen Insel Rangiahua, die zu Great Barrier gehört, ankern wir neben einem schönen alten Fischerboot und binden unser Dinghi an einem gut gebauten Steg fest. An Land sehen wir einen Mann in seinem großen Garten arbeiten. Wir fragen ihn, ob wir ein bisschen über die Insel spazieren gehen dürfen. Ja, natürlich gerne. Er ist einer der letzten Hummerfischer und lebt mit seiner Frau und einer Tochter hier, die anderen vier Kinder arbeiten in Australien und Auckland, und kommen mit den Enkeln nur noch in den Ferien zu Besuch. Als er hört, dass unser Hummerkorb immer leer war, meinte er: „Ach, hätte ich das gewusst, dann hätte ich die große Languste von gestern Abend in euren Korb gepackt, statt sie zurück ins Meer zu werfen.“ Und er fragt kenntnisreich, wie es nun in Deutschland mit der Regierungsbildung weiter geht. (Das passiert und immer wieder, dass wir hier in Neuseeland über das politische Weltgeschehen von Europa und anderen Kontinenten diskutieren können. Dabei sind wir jedes Mal beschämt, denn wir wussten bis vor einem Jahr fast bis gar nichts von den Ländern im Pazifischen Raum).


Blick vom Berg der Insel Rangiahua


Blühender Flachs

Im Dörfchen Whangaparapara treffen wir die neue Besitzerin der Great Barrier Lodge, in einer Woche kommen die ersten zahlenden Gäste, ein Café und Restaurant gibt es bei ihr und dazu noch einen kleinen Supermarkt. Die Handwerker hört man klopfen und viele Helfer wuseln herum und trotzdem nimmt sie sich Zeit für einen kleinen Plausch, erzählt, dass die mit ihrem Vater zurück auf die Insel gezogen ist, das Leben in Auckland war ihr einfach zu hektisch. Klaus, ein Deutscher, früher Ingenieur, dann Segler und jetzt Fischer, lebt nun schon seit etwa 30 Jahren in dieser Ecke von Neuseeland. Er erzählt von Zeiten, als es noch fast vierzig Fischerboote im Hafen gab, aber nun sind sie nur noch zu zweit. Aber nicht etwa, weil es weniger Fisch gäbe, meint er, sondern weil man einfach nicht mehr davon leben könne, nachdem die Preise für den Fisch in den Keller gegangen sind, nur noch ein Drittel des früheren Preises könnte man heute erwarten.

Ein anderer Bewohner, der fast jeden Tag mit der Angel am Hafen steht, unterhält sich auch länger mit uns. Sie mögen hier die Abgeschiedenheit und als im Ort Whangaparapara zwischenzeitlich um die 33 Einwohner ansässig waren, überlegten sie, ob es nun nötig sei an der einen und einzigen Kreuzung eine Ampel zu installieren…

Nun zieht es einerseits ruhebedürftige Großstädter hierher und viele junge Leute, die auf der Insel keine Arbeit finden, gehen weg. Freiwillig die einen, und weil es nicht anders geht, die anderen.

Wir haben uns von der Ruhe der Insel anstecken lassen und wollen am liebsten gar nicht mehr weg von dieser schönen Ecke mit den vielen freundlichen Menschen.


Manuka in voller Blüte

Champagner im Pool

„Champagne Pool“, das klingt doch nach Luxushotel und Wellness, möchte man im ersten Moment denken! Nein, nicht ganz… Warm ist es da schon, richtig heiß sogar, dafür aber stinkt es gewaltig nach Schwefel und man muss den Atem anhalten, wenn einem der Wind die Dampfschwaden ins Gesicht weht.

Es ist schon eine Weile her, als wir im Oktober auf der Nordinsel unterwegs waren, aber ich möchte gerne nachträglich davon erzählen.

Bei den beiden großen Seen Taupo und Rotorua befindet sich das vulkanische Plateau von Neuseeland: Thermalquellen, Geysire, blubbernde Schlammlöcher. Überall am Straßenrand sehen wir Werbetafeln, Hinweisschilder für Parks zum Besichtigen und für Hotels und Kuranlagen, wo man sich verwöhnen lassen kann.

Zuerst probierten wir die heißen Quellen aus, die in einem öffentlichen Park neben einem Fluss sprudeln. Sobald sich das kochend heiße Wasser mit dem kalten Flusswasser vermischt, hat es eine angenehme Badewannen-Temperatur und waren nicht die Einzigen mit einem Handtuch unterwegs.

Um ein paar Naturspektakel zu sehen, entschieden wir uns für das „Wai-o-Tapu“ Wonderland, ein Geothermal-Park mit Eintritt. Hier kann man auf gesicherten Wegen entlang spazieren und alle möglichen Formen und Schauspiele dieses Geothermalgebietes bewundern: neben einem Geysir und heißen Quellen gibt es Schlammlöcher, warme Seen und die wohl größten Sinterterrassen Neuseelands.

Wo es aus der Erde heiß und dampfend heraus kocht, sieht es aus wie eine Mischung aus Wüste und Mondlandschaft. Hier ein Krater, der schwefelgelbe Ablagerungen an den Seiten hat und „Devils Hole“ (Teufelshöhle) Höllenloch genannt wird, und dort der Champagner-Pool, ein richtig heißer See, der in vielen verschiedenen Farben schillert, von rostrot über grün und blau, und die darüber ziehenden Dampfschwaden eine tolle geheimnisvolle Atmosphäre erzeugen.

Ein herrliches Farbenspektakel bieten auch die kleineren und größeren Kraterseen, unterschiedliche Chemikalien sorgen für eine milchgrüne oder weißgelbe Färbung und auch Algen sind daran beteiligt, eine spezielle Art, der es bei diesen heißen Temperaturen besonders gut gefällt.

Sogar eine Entenmutter hatte sich mit ihrem Nachwuchs der Umgebung angepasst und schwamm seelenruhig mit ihren Küken in einem milchig-grünen Teich. Eine Mutter-Kind-Kur der besonderen Art.

Smokehouse Bay

Endlich sind wir dem Stress des Werftaufenthalts und der Hektik des Landurlaubs entronnen und wieder auf dem Wasser. Unser Ziel, eine gute Tagesreise von Whangarei entfernt: Great Barrier Island. Die sechstgrößte Insel Neuseelands hat etliche schöne Ankerbuchten, wir können nur eine kleine Auswahl erkunden. Der verrückteste Platz hier: Smokehouse Bay.

Der mittlerweile verstorbene Eric Webster hat vor vielen Jahren hier ein Stück Land gekauft, einige ganz wunderbare Dinge installiert und das Ganze den vorbeikommenden Seglern und Anglern zur Verfügung gestellt. Als da sind: ein großer Räucherofen für Fisch, eine polierte Marmorplatte zum Ausnehmen und Filetieren. Eine Wasserleitung aus den Bergen, Waschbecken zum Wäschewaschen, Mangeln zum Auswringen der Wäsche, große Wäscheständer zum Trocknen. Eine Feuerstelle zum Grillen, Tische und Bänke. Eine komplette Ausstattung an Kochgeschirr. Das Beste aber: ein Badehaus mit Badewanne und einem Holzofen fürs heiße Wasser.

Warme Duschen sind ja schon ein Luxus, den es normalerweise nur ausnahmsweise an Land gibt; unterwegs ist ein Sprung ins Meer angesagt. Aber ein echtes heißes Wannenbad – wir wissen gar nicht wie viele Jahre wir das nicht mehr hatten. Das geht dann mit Holzsammeln am Strand los, kleinsägen kann man es mit einer Auswahl an Sägen aller Art, die ebenfalls dort hängen. Ofen einheizen, zwei oder drei Ladungen Holz braucht man, bis das Wasser schön heiß ist. Wenn man Glück hat, räuchern in der Zwischenzeit ein paar Angler ihren Fang und man kann sich die Wartezeit mit der Verkostung von frisch geräuchertem Snapper und Angeltipps vertreiben. Und dann eintauchen ins heiße Wasser. Wunderbar!

Kauri – der Riese des Waldes

Ein Kauri ist ein Dinosaurier unter den Bäumen, vor Jahrmillionen gab es ihn schon und seither hat er sich kaum verändert. Er wächst kerzengerade in die Höhe, ein langer Stamm ohne Astansätze, die Baumkrone beginnt weit oben und überragt alle anderen Bäume im Wald. Botaniker zählen den Kauri zu den immergrünen Araukarien, die im subtropischen Raum heimisch sind. Er ist ein langlebiges Gewächs, bis zu 2000 Jahre alt kann er werden. Sein einziger Nachteil ist, er wächst sehr langsam.

Bevor die europäischen Einwanderer in Scharen nach Neuseeland kamen, gab es undurchdringliche Wälder auf der Nordinsel voller Kauri. Die neuen Bewohner brauchten Holz für ihre Häuser, die Schiffsbauer waren begeistert von den geraden und sehr stabilen Stämmen und wollten dieses Holz auch haben. Außerdem produziert der Kauri ein Harz, das noch besser als das seiner Verwandten in Ozeanien ist und sich hervorragend für Lacke aller Art eignet.

Es entstand der Beruf des „gum-diggers“, des Harz-Sammlers: große Klumpen von Kauri-Harz, das über Jahrhunderte in Sümpfen konserviert worden war, wurden ausgegraben. Als in den Sümpfen nicht mehr viel gefunden wurde, mussten die lebenden Bäume selbst herhalten. Die Rinde eines Kauri-Baumes wurde eingeritzt und nach einer Weile das tropfende Harz geerntet. Eine genauso harte und gefährliche Knochenarbeit wie das Graben in den Sümpfen. Und ähnlich wie beim Goldschürfen wurden die wenigsten Sammler davon reich…


Längsschnitt durch einen Kauri-Stamm

Das Abholzen der Kauri kommt aus heutiger Sicht einem Raubbau gleich – mit ungläubigem Staunen sind wir durch das Kauri-Museum in Matakohe von Raum zu Raum gegangen und haben uns die Exponate angeschaut. Wie viel Energie und Erfindungsgeist wurde investiert, um diese riesigen Bäume zu fällen, sie zu zersägen und dann die einzelnen Stücke durch das unwegsame bergige Land zu transportieren. Dämme wurden gebaut, um die Wasserkraft zu nutzen, ein einfaches aber gut funktionierendes System mit einer wiederverwendbaren Klappe, Ochsengespanne wurden eingesetzt, die die Stämme dann weiter zogen bis zu den neu angelegten Bahnlinien. In nur 100 Jahren schafften es die neuen Siedler fast allen Kauri im Norden der Nordinsel abzuholzen und den größten Teil der Wälder in Weideland umzuwandeln.

Erste Bemühungen gab es schon in den 1920er Jahren, Naturschutzgebiete für den Kauri und für den subtropischen Wald mit all seiner Vielfalt einzurichten, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnten ausreichend viele Waldgebiete in Reservate umgewandelt werden, so dass damit der Schutz des Kauri erst wirksam wurde.

Heute ist der Kauri wohl nicht mehr vom Aussterben bedroht, wird in den Schutzgebieten aufgeforstet, darf aber nicht mehr abgeholzt werden. Allenfalls altes Kauri-Holz aus Sümpfen kann zurzeit noch kunsthandwerklich verarbeitet werden, es ist ein schönes Holz, das in Form von Schalen oder Brettchen gut zur Geltung kommt.

Und nun gibt es ein neues Problem, eine aus Australien eingeschleppte Krankheit, die die Bäume verdorren lässt: „Kauri dieback“. Deshalb müssen alle Besucher der Nationalparks, bevor sie wandern wollen, am Eingang an einer Schleuse die Schuhsohlen abbürsten und die Schuhe mit einer speziellen Lösung besprühen, damit diese Krankheit nicht durch infizierte Erdkrümel unkontrolliert weiter verbreitet wird.

Für die Maori waren und sind einzelne große alte Kauri-Bäume heilig und sie spielen in der Mythologie eine große Rolle. So sind der größte noch lebendige Kauri-Baum, der „Gott der Wälder“, Tane Mahuta (Stammumfang 13,70m, 51m hoch und die Blätterkrone beginnt erst bei knapp 18m über dem Erdboden) und der nicht ganz so hohe, dafür aber dickere „Vater des Waldes“, Matua Ngahere (Stammumfang 16,41m und knapp 30m Höhe) nicht nur für die durchreisenden Touristen interessant.

Diese Bäume und noch ein paar mehr können in einem Waldstück nicht weit voneinander entfernt besichtigt werden. Wir sind beeindruckt von ihrer Schönheit und betrachten sie mit einer gewissen Ehrfurcht, wenn wir daran denken, dass sie schon da standen, bevor Captain Cook seinen Weg nach Neuseeland fand und sogar noch bevor die ersten Kanus der Maori anlandeten!

Milchstraße, unterirdisch…

Wer kennt sie nicht, die Glühwürmchen, die im Juni abends im Wald umherschweben, eigentlich sind das Leuchtkäfer. Aber es gibt tatsächlich auch richtige Glühwürmchen: sie leben auf der anderen Seite der Welt, tief unten in Höhlen, und kommen ganz ohne Tageslicht aus.

Die „Glowworm-Caves“ in Neuseeland sind eine große Touristenattraktion und die wollen wir auf keinen Fall verpassen. Also buchen wir eine Tour für dreieinhalb Stunden, eine kleine Gruppe von zehn Leuten, zwei Höhlen. Zuerst geht es mit dem Bus an Buschland und undurchdringlichem Regenwald vorbei, dann kommt wieder ein Stück sattgrünes Farmland mit Rindvieh drauf.

Unter all diesen Hügeln verbergen sich ein paar Geheimnisse. Das kalkhaltige Gestein in dieser Gegend wird vom Wasser ausgewaschen und bildet unterirdische Höhlen.

Unsere erste Station ist eine „Trockenhöhle“ mit geraden gesicherten Wegen. Ein schönes Lichtdesign setzt die vielen Stalagmiten und Stalaktiten wirkungsvoll in Szene. Wir kramen unser verschüttetes Wissen aus dem Erdkundeunterricht hervor, was war noch mal genau was? Ein paar Fossilien und sogar Knochen von dem inzwischen ausgestorbenen Moa-Vogel liegen herum. Ab und zu kommt auch ein bisschen Tageslicht rein: da ist die Decke der Höhle ausgewaschen und eingestürzt. Oberirdisch bilden sich kleine Krater in der Hügellandschaft, Dolinen genannt (danke Herr Philippi, Erdkunde!) Einsturzgefährdete Stellen werden von den Farmern vorsorglich eingezäunt, damit Rind und Schaf nicht versehentlich ein paar Meter tiefer landet.

Aber die Hauptrolle haben die Glühwürmer (Arachnocampa luminosa), von den Maori „Titiwai“ genannt. Ein paar von ihnen leben auch in dieser Trockenhöhle, wo Wasser an den Wänden entlang läuft und unser Guide nutzt die Gelegenheit, uns einiges über ihren Lebenszyklus zu erzählen. Wenn sie schlüpfen sind sie ungefähr 3-5mm lang, dünne braune Dinger. Je nach Nahrungsaufkommen leben sie 6-12 Monate und wachsen bis zu 30mm aus. In dieser Zeit kriechen sie an der feuchten Decke der Höhlen entlang und spinnen klebrige Fäden, die von der Decke herunterhängen. Mit ihrem fluoreszierenden Licht locken sie allerlei Fliegen und Motten an, die sich dann in den Fäden verfangen. Sobald die Beute am Faden klebt, ziehen die Glühwürmer den Faden hoch und verspeisen sie genüsslich.

Solcherart vertreiben sie ihre Zeit, bis sie sich verpuppen und nach einer Weile die Fliegen schlüpfen. Die fertigen Fliegen leben gerade mal 3-4 Tage lang. In dieser Zeit paaren sie sich, die Männchen sterben nach 3 Tagen, das Weibchen lebt einen Tag länger, es muss noch schnell die Eier legen, aus denen wiederum die Würmer schlüpfen… Und alles geht von vorne los.

Zurück in die Sonne, eine Pause mit Tee und Keksen, dann geht es weiter zur zweiten Höhle. Dieses Mal muss jeder einen Helm mit Stirnlampe aufsetzen, bevor wir an einem kleinen rauschenden Bach entlang in die Höhle hinein gehen.

Ein Stück weiter drinnen, steigen wir in ein großes Schlauchboot und knipsen unsere Lampen aus und auf einmal sind einige kleine Lichter an der Decke zu sehen. Langsam gewöhnen sich unsere Augen an die Dunkelheit ein paar weitere Lichter tauchen auf.

Unser Guide bittet uns, in die Hände zu klatschen, und noch mehr Pünktchen beginnen zu leuchten. Ganz schön eitel, diese Glühwürmer? Die Schallwellen bewegen die Fäden, die Würmer glauben, ihre Beute sei im Anflug und beginnen zu leuchten. Ein „Ah!“ und „Oh!“ geht durch die Höhle, dann wird es still, nur der kleine Wasserfall rauscht und wir schauen nur noch, es ist magisch schön! Unser Schlauchboot wird einige Meter auf dem Bach hin und her gezogen, wir fahren sozusagen unter der Höhlen-Milchstraße entlang. Einzig, unsere Fotos sind nichts geworden. Aber von den Organisatoren der Tour bekommen wir ein paar traumhaft schöne Bilder zugeschickt, die wir hiermit mit Dank an sie verwenden.

Grün

Neuseeland ist ja als die grüne Insel bekannt. Das können wir nun nach rund 4000 km Landstraße durchaus bestätigen. Damit es so grün bleibt, muss die Insel ständig gegossen werden – leider auch während unserer Reise. Aber zum Glück nicht als Dauerregen, sondern eher nach dem Muster unseres Aprilwetters – Regenschauer, Sonne, mal bedeckt mal heiter, warm wenn die Sonne scheint und kalt sonst.

Wir wollen uns nicht beklagen – meist haben wir genügend trockenes Holz für ein Lager- und Grillfeuer gefunden, und wenn es draußen zu ungemütlich war, haben wir uns ins Innere des Campervans gekuschelt und die Naturkulisse durch die Fensterscheiben betrachtet.

Gezäunt und gerädert

31 Millionen Schafe, 10 Millionen Rinder leben aktuell in Neuseeland. Das sind 7 Schafe und gut 2 Rinder pro Einwohner. Auf unserer Rundreise haben wir in drei Wochen definitiv mehr Schafe gesehen als in unserem ganzen bisherigen Leben.

Zwar sind die Viecher eigentlich überall, aber wegen der Sache mit dem Privateigentum muss natürlich immer ein Zaun darum herumgezogen werden. Das hat seine guten und schlechten Seiten. Zum einen hält es die Tiere überwiegend von der Straße fern, was das Autofahren deutlich erleichtert und den Schafen die Mühe erspart, sich mit den Verkehrsregeln vertraut zu machen.

Zum anderen hält es aber auch Campervans wie den unseren von den Freiflächen fern, denn eigentlich ist jedes Stück Land entweder Farm und damit bewohnt oder Weide und damit eingezäunt. Man fährt also durch die schönsten Gegenden und sucht am Abend ein Plätzchen, wo man den Bus abstellen kann. Aber wo man in Deutschland einen Feldweg oder eine Forststraße erwarten würde, trifft man in Neuseeland entweder Zaun oder Gatter. Die Suche nach einem Stellplatz kann also schon leicht mal ein Stündchen dauern.

Aber die Suche hat sich meist gelohnt: ein hübsches Plätzchen an der Lagune, ein Parkplatz auf den Klippen mit Blick auf die wilde Brandung, ein idyllisches Fleckchen am Bach, oder eben neben der Schafsweide.

Nur die vorletzte Nacht ging etwas daneben: da hatten wir ein hübsches Plätzchen direkt am Ufer unter einer stillgelegten Eisenbahnbrücke gefunden, nur dass sie sich dann doch als nicht ganz so stillgelegt herausstellte. Kurz vor Mitternacht rauschte ein Güterzug nach dem anderen über uns hinweg, bis zum frühen Morgen. Ihr glaubt gar nicht, wie laut ein Zug sein kann, wenn man sich etwa drei Meter darunter befindet.

Stadt Land Fluss

Es war schon erstmal eine Umstellung. Nach unserer geräumigen 20 qm Wohnung mit 3 Zimmern Küche Bad (unserer Muktuk) der Umzug auf 6 qm Campervan. Da wir für drei Wochen Fahrt doch einiges an Klamotten und Ausrüstung dabeihatten, war ständiges Umstauen an der Tagesordnung. Wollte man sich zum Essen hinsetzen, wanderte der ganze Haufen aus Jacken, Taschen, Rucksäcken etc. auf die Matratze. Brauchte man neue Küchenvorräte, wanderte der ganze Haufen wieder zurück, damit man die Matratze hochklappen und die Staufächer erreichen konnte. Brauchte man Kartoffeln, mussten zuerst die Wanderstiefel weg, dann die Regenjacken und -hosen, irgendwo darunter waren sie dann. Die ersten Tage konnte man echt die Krise kriegen.

Aber wie Segler wissen, ist der Mensch ja ein anpassungsfähiges Wesen. Am Ende ist uns der kleine Bus richtig ans Herz gewachsen (Danke, liebe ZigZags). Alles Nötige war in unserem Schneckenhäuschen dabei, das Kochen auf dem kleinen Gaskartuschenbrenner klappte auch, jeden dritten Tag konnten wir auch ein Lagerfeuer anzünden und grillen, und so konnten wir drei Wochen lang Weiden, Strände, Museen, Hügel, Kauri-Bäume, Höhlen, Blumenwiesen, Bäche, schneebedeckte Berge, blühende Parks, Vulkane und auch ein paar Städte anschauen und wissen nun aus erster Hand, dass es hinter der Küste tatsächlich ein ganzes Land gibt.