Zu früh gefreut

Palmen, tropische Wärme, Sandalen statt Halbschuhe, Socken ade, das waren unsere Vorstellungen, als wir vor ein paar Tagen im Flieger saßen. Nur noch kurz von Havelock nach Opua raufsegeln, einkaufen, ausklarieren und ab in den Norden…
Im Moment sieht es noch ein bisschen anders aus. Die Wettervorhersage wirft einen Sturm nach dem anderen aus dem Südpazifik auf Neuseeland, Wellenhöhen von acht Metern an der Westlüste, sechs Meter an der Ostküste, da wollen wir sicher nicht freiwillig raus. Bis zum Ende des Vorhersagezeitraums in acht Tagen keine Besserung in Sicht. Seebeine haben wir ja auch keine mehr, nach über drei Monaten flachem Wasser bzw. Münchener Festland.

Also heißt es warten auf besseres Wetter. Mal sehen, ob das im beginnenden neuseeländischen Winter irgendwann mal kommt. Aber langweilig wird uns nicht, denn Muktuk hat uns mit einer kleinen Überraschung empfangen. Einer der backbordseitigen Wassertanks hat ein kleines Leck bekommen, und so schwappten in den letzten Wochen rund sechzig Liter Wasser in der Bilge herum. Da ist dann das große Programm angesagt: halbe Küche demontieren, drei Wassertanks ausbauen, das Leck abdichten, die Bilgen trockenlegen, den Siff aus Rost, Fett und Wasser wegkratzen, neu fetten, Wassertanks von außen mit drei Lagen Epoxy entlang aller Schweißnähte lackieren, in der Hoffnung damit alle bestehenden und kommenden Löcher abzudichten, Tanks nach Prüfung der Dichtigkeit wieder einbauen, Küche wieder montieren und einräumen…

Eine Menge Arbeit, die gar nicht auf unseren Arbeitslisten stand. Aber vielleicht sieht das Wetter ja besser aus, wenn die Tanks wieder drin sind.

Wellington – ein Rückblick

16. – 23. Januar 2018

Frühmorgens passieren wir Cape Palliser und erreichen damit offiziell die berühmt-berüchtigte Cook Strait. Aufgeregt sind wir schon ein bisschen, aber das Wetter spielt mit, die See ist ruhig und nach zwei Mal rechts abbiegen sehen wir schon die Skyline von Wellington.

Wellington liegt gut geschützt in einer Bucht, ein Teil des Ufers wird Oriental Bay genannt und ist ein Strand: eine Hauptstadt mit Sandstrand! An einem sonnigen Tag wie diesem mitten in den Sommerferien geht es lebhaft und laut zu. Familien sitzen im Sand, Kinder hüpfen ins Wasser oder holen sich ein Eis in einem der vielen Cafés an der Uferstraße. Kein Wunder, dass es hier so entspannt zugeht. Im Prinzip könnte man einfach mal in der Mittagspause baden gehen… Auch soll sich von Wellington aus die wunderbare Kaffee-Kultur in Neuseeland ausgebreitet haben. Wir fühlen uns sofortwohl in dieser Stadt.

Das Stadtzentrum ist nicht groß, alles ist fußläufig zu erreichen, wenn man die Uferpromenade entlang geht, die sich vom Sandstrand aus bis zum anderen Ende der Bucht mit dem Industriehafen erstreckt, kommt man erst an einem kleinen Hafen für Segelboote vorbei, dann stehen da ein paar Museen, Restaurants und Cafés mit Meeresblick. Parallel dazu verläuft die Einkaufsmeile, die sich durch das Zentrum schlängelt und dazwischen befindet sich das großzügig angelegte Civic Center, mit der Stadtbibliothek und der städtischer Galerie und über allem, oben am Berg liegt der Botanische Garten.

Die Architektur der Stadt ist die reinste Stilmischung: hübsche kleine Holzhäuser im viktorianischen Stil, die fast wie Puppenhäuser wirken, mit kleinen Vorgärten voller Blumen, in der Innenstadt dagegen stehen viele große Bauten im Art Decó Stil der Zwischenkriegszeit, als es Wellington wirtschaftlich gut ging, Banken, Versicherungen, Behörden wurden darin untergebracht, und viel später erst kamen die Hochhäuser hinzu, die seit den 1990er Jahren gebaut wurden.

Jetzt im Sommer ist viel los in der Stadt: zwei Wochen lang findet jeden Abend ein Konzert im Botanischen Garten statt, eine Lichtshow gibt es dazu, Bäume und Sträucher werden bunt und abwechslungsreich angestrahlt. Mit dem Cable-Car kann man von der Hauptstraße hoch zum Botanischen Garten fahren, zum Space Place, Museum und Planetarium in einem. Am Wochenende feiern sich die Einwanderer und Gastarbeiter der pazifischen Südseeinseln Tonga, Samoa, Fidschi uvm. mit einem eigenen Festival, dem Pasifiska. Eine große Musikbühne ist aufgebaut, dazu Essenstände, Sportwettbewerbe finden statt, überall beste Stimmung.

Das Te Papa Museum wirbt damit, Neuseelands größtes und bedeutendstes Museum zu sein: in einem Neubau mit sechs Stockwerken zeigt es die Geschichte und Natur Neuseelands und viel Kunst und Kunsthandwerk. Der größte Riesentintenfisch, der jemals aus dem Meer gefischt wurde, ist zu bewundern (10m lang und 495kg schwer war er), ebenso wie eine schöne Ausstellung über die Geschichte und Kunst der Maori aus der Gegend.

Ein paar hundert Meter weiter ist das viel kleinere Stadtmuseum, das die Geschichte Wellingtons chronologisch einprägsam präsentiert: Te Upoko o te Ika a Maui – Der Kopf von Mauis Fisch, so bezeichneten die Maori diese Bucht, als sie um 925 n. Chr. das erste Mal hier landeten. Später wurde eine Siedlung gegründet, Te Whanganui-a-Tara – der große Hafen von Tara, und das ist auch heute noch der Name Wellingtons in der Maori Sprache. Verschiedene Stämme lebten in diesem Gebiet in den folgenden Jahrhunderten, mal schlossen sie sich zusammen, dann wieder bekämpften sie sich, bis sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihr Land verloren und den europäischen Siedlern weichen mussten.

Die New Zealand Company brachte 1840 das erste Schiff mit Einwanderern hierher und gründete den Ort Wellington, nach dem ersten Duke of Wellington benannt. Schon 25 Jahre später, 1865 wurde die Hauptstadt von Auckland nach Wellington verlegt. Sie sollte geographisch in der Mitte liegen und die beiden Inseln miteinander verbinden, war das Argument damals wie heute.

Neuseeland gehört noch zum Commonwealth und nennt Queen Elisabeth II. ihr Oberhaupt, ist ansonsten aber ein eigenständiger Staat. Der Parlamentsbetrieb selber ist noch in vielen seiner Regeln an das Britische Unterhaus angelehnt, auch der Plenarsaal sieht dem britischen Vorbild sehr ähnlich, mit einem Unterschied, dass der „Speaker“ hier in Neuseeland seinen Sitz und Rückenlehne mit einem hellen Schaf-Fell ausgepolstert hat; und dass schon vor geraumer Zeit das Oberhaus abgeschafft wurde. Dafür wird in Neuseeland inzwischen genauso wie in Deutschland gewählt, mit Erst- und Zweitstimme, Verhältniswahlrecht, Überhangmandaten und 5%-Hürde.

Letzten Oktober gab es Wahlen, am gleichen Wochenende wie in Deutschland, die Regierung wurde sehr schnell gebildet, eine Koalition aus Labour, New Zealand First und Grünen. Just in der Woche, als wir in Wellington waren, erklärte die junge dynamische Premierministerin, dass sie schwanger sei und im Juli ihr Baby zur Welt kommen soll!
Alle freuten sich mit ihr!

Das Parlamentsgebäude mit Plenarsaal und Sitzungsräumen ist durch und durch viktorianisch und auch nach zwei Bränden genauso wieder aufgebaut worden, allerdings inzwischen auf ein erdbebensicheres Fundament gestellt worden. Im Eingangsfoyer steht die Büste von Kate Sheppard, die sich für das Frauenwahlrecht eingesetzt hatte, das 1893 eingeführt wurde. Neuseeland ist heute sehr stolz darauf, dass es das erste Land der Welt war, in dem Frauen ungehindert zur Wahl gehen konnten. Links neben dem Parlamentsgebäude wurde in den 80er Jahren ein runder Betonklotz gebaut, „Beehive“, Bienenkorb genannt: das Abgeordnetenhaus. Auf der anderen Seite befindet sich in einem eigenen Gebäude die Parlamentsbibliothek, auch sie schön, alt und ehrwürdig.


Parlamentsgebäude, alt und neu


Parlamentsbibliothek

Woher ich das alles weiß? Es werden täglich Touren durch das Parlament angeboten, die sehr informativ und unterhaltsam sind. Unsere Führerin liebte definitiv ihren Job und hätte uns sicher noch eine weitere Stunde mit interessanten Geschichten fesseln können.

Auckland, die Millionenstadt, ist unbestritten das wirtschaftliche Zentrum des Landes, Wellington punktet dagegen mit seinem gemütlichen Flair, mit Kunst, Kultur und Lebensfreude. Und mit vielen sehr freundlichen Menschen! Sieben Tage hatten wir Zeit, und haben die Stadt sehr ins Herz geschlossen!

Care-Paket

Nach drei Wochen zivilisationsfreiem Segeln in den Sounds wurde der Kühlschrank langsam leer. Kein Fleisch mehr, kein Salat, die letzte Möhre gegessen, die letzte Tomate verschimmelt über Bord. Nein, wir waren nicht am Verhungern, Konserven gabs noch jede Menge, aber ein bisschen was Frisches wär‘ schon schön…

Im Revierführer, dessen neueste Ausgabe allerdings auch schon fünf Jahre her ist, heißt es über die kleine Siedlung Bulwer: das Guest House kann Fleisch und Eier besorgen, und in der nächsten Bucht gibt es einen kleinen Laden. Prima, denken wir uns.
Ein älterer Fischer, den wir am Anleger treffen, weiß nichts von derlei Einkaufsmöglichkeiten, aber wir sollen mal beim Haus oberhalb fragen. Zwischen den Häusern weiden Schafe, vor besagtem Haus liegen gemütlich zwei große Schweine herum. Wir rufen, werden durchs Gartentor gebeten.

Nach den üblichen Fragen woher und wohin dann die Info: nein, das Guest House hat zu, und der Laden hat schon vor Jahren dicht gemacht. Einkaufen – nur in der Stadt (gemeint ist Havelock, sechzig Kilometer weit weg).

Aber wie das so geht in Neuseeland: was bräuchten wir denn? Na ja, ein paar Eier, ein bisschen was Grünes, aber wir wollen natürlich nicht ihren Kühlschrank leerräumen… Nein nein, kein Problem, sie würde uns nur anbieten, was sie entbehren kann. Dankbar bekommen wir ein paar Eier, Gemüse, etwas Obst – ob wir sonst noch etwas brauchen? Na ja, drucksen wir, nach drei Wochen Fisch und Muscheln… wenn sie irgendwas mit Fleisch übrig hätten? Klar, wir bekommen eine Tüte voll eingefrorener Lammkoteletts, selbst geschossen und gesägt. Wir einigen uns auf den Preis und machen uns froh auf den Weg zurück zum Boot. Am Abend gibt es köstliches gebratenes Lamm, superlecker.

Am nächsten Tag gehen wir nochmal an Land, bedanken uns bei der netten Familie mit ein paar Lebkuchen. Am Anleger kommt uns eine andere Frau entgegen: sie waren diese Woche hier im Urlaub und fahren morgen zurück nach Christchurch, ob wir nicht ihre Restbestände an Lebensmitteln brauchen können? Ein großer Karton wartet auf uns vor ihrem Haus.

Das Leben in diesen abgelegenen Siedlungen scheint nicht viel anders als das Leben am Boot zu sein. Man ist Selbstversorger, autark was Wasser und Strom angeht, und man hilft einander ganz selbstverständlich. Großartig, dieses Neuseeland.

Gita

Eigentlich hatten wir das erst nächstes Jahr erwartet. Japan ist berüchtigt dafür, dass es keine Jahreszeit ganz ohne Taifune gibt, nur mehr oder weniger wahrscheinliche Monate. Doch Neuseeland ist ja nicht unbedingt für tropischen Wirbelstürme bekannt.
Aber Pustekuchen. Im letzten Herbst kam bereits ein Überbleibsel eines solchen Zyklons die Ostküste der Südinsel herunter, so dass wir an der Westküste noch den Wind gespürt hatten. Erst vor ein paar Wochen hat uns „Fehi“ hier die Böen um die Ohren gepfiffen (und in Auckland die Marina zerlegt).

Und jetzt „Gita“. Dieser Zyklon ist angeblich der erste, der es geschafft hat, den vierzigsten Breitengrad zu erreichen, ohne seinen Status als tropischer Wirbelsturm der Kategorie 2 zu verlieren. Seit Tagen ist er auf den Wetterkarten zu sehen, seit Tagen verfolgen wir seine vorhergesagte Zugbahn. Mal soll sein Zentrum den Norden der Südinsel treffen, mal den Süden der Nordinsel. Wir hier in den Marlborough Sounds sind genau in der Mitte. Leider sind die Zugbahnen von Wirbelstürmen nicht so genau vorherzusagen. Wenn Gita südlich von uns aufschlägt, bekommen wir Sturm aus Nordwest, wenn er nördlich trifft, bläst es erst einmal aus Südost. Und solange man das nicht weiß, ist es schwer, eine geeignete Ankerbucht auszusuchen.

Zum Glück haben wir in den meisten Ecken hier Mobilfunkempfang und können somit aus dem Internet die neuesten Wetterkarten und Hochrechnungen herunterladen. Die beiden wesentlichen Wettermodelle, das amerikanische GFS und das europäische ECMWF sind sich im Detail nicht einig, aber es zeichnet sich ab, dass das Zentrum des Zyklons wohl genau auf uns zukommt. Das heißt erst Südost, dann Nordwest. Laut dem höher auflösenden ECMWF Modell sollen die Marlborough Sounds allerdings in einer Art Windtasche liegen, zumindest was die erste Hälfte, also den Südost angeht.

Wollen wir’s mal hoffen. Wir suchen uns einen Tag vorher eine Bucht, die sehr gut gegen Nordwest geschützt ist und wenigstens ein wenig Südost-Schutz bietet. Optimalen Schutz aus allen Richtungen gibt es nicht. Wir vertäuen uns mit drei dicken Leinen an einer starken Mooringboje, zurren an Deck alles fest. Nach „Fehi“ haben wir dazugelernt und nehmen auch alle unsere Flaggen herunter. Die neuseeländische Gastlandflagge mit ihren vier Sternen (die das Kreuz des Südens darstellen sollen) war ohnehin schon geflickt (drei Sterne) und hat nach Fehi nochmals Federn, nein: Sterne gelassen (anderthalb Sterne) und muss nun wirklich nicht mehr weiter zerblasen werden. Außerdem haben wir gehört, dass es in Neuseeland ein Gesetz geben soll, das die Benutzung einer beschädigten Nationalflagge unter Strafe stellt. Na ja, von unten gesehen fallen die fehlenden zweieinhalb Sterne eigentlich kaum auf…

Von Dienstag 16 Uhr bis Mittwoch 04 Uhr ist für unser Seegebiet Sturmwarnung ausgesprochen. Über UKW wird seit Montag eine Nachricht der Zivilschutzbehörde verbreitet. Alle Zelt- und Bootsurlauber sollen die Marlborough Sounds verlassen. Wir legen die Ohren an und warten.
Die angekündigten Starkregenfälle beginnen pünktlich in der Nacht davor. Am Dienstagmorgen sind alle unsere Kanister und vier große Eimer randvoll mit schönstem Regenwasser. Und es gießt weiter. Die Wartezeit ist zermürbend. Dienstag 16 Uhr kommt, aber kein Wind. Erst gegen 21 Uhr beginnen die ersten stärkeren Böen, und tatsächlich bleiben wir vom Südost völlig verschont. In der Cook-Strait, keine zwanzig Seemeilen von uns entfernt, bläst es in voller Sturmstärke mit sieben Meter See, und wir liegen in der vorhergesagten Windtasche, und Welle bekommen wir auch keine ab.


In der Nacht weht es dann kräftig aus Nordwest, und viel Schlaf bekommen wir nicht, aber Mooring und Leinen halten, alles bleibt an Deck und am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei. Wir sind mal wieder glimpflich davongekommen.

D’Urville Island

Sieht man sich das Buchtengewirr der Marlborough Sounds genauer an, entdeckt man an der oberen westlichen Seite eine große Insel, die nur durch einen schmalen Pass vom Festland getrennt ist. Wir wollen, sofern das Wetter mitmacht, diese Insel einmal umrunden. Dafür suchen wir uns einen ruhigen Tag und Stillwasser aus, um diese Meerenge, French Pass genannt, durchfahren zu können. Es klappt ganz gut, allerdings sehen die Wirbel im Wasser schon etwas wild aus!

Auf D’Urville leben ungefähr noch 80 Leute, Schafweiden gibt es auch noch, nur lohnt es sich wohl kaum noch, die Tiere zu halten, denn ihr Transport aufs Festland ist ziemlich teuer geworden. Dafür scheint die Muschelzucht lukrativ zu sein, die erste große Bucht, die wir anlaufen, ist voller schwarzer und roter Schwimmbojen, an denen die großen Grünlipp-Muscheln wachsen.

Die anderen Buchten aber sind recht einsam, ab und zu sehen wir ein Segelboot oder ein Motorboot mit Freizeitanglern.

Die Manuka-Sträucher blühen schon lange nicht mehr, dafür entdecken wir auf einem Spaziergang einen anderen Strauch, der unglaublich würzig duftet. Beim Manuka sind es die Blätter, die bei Sonnenschein ihren süßen harzigen Geruch verströmen, bei diesem Strauch sind es die Blüten. Wie er heißt, wissen wir allerdings nicht…

Und auch hier in den Buchten von D’Urville Island gibt es viel Fisch im Wasser, an den felsigen Vorsprüngen ist der Blue Cod zu finden und nicht nur einmal fangen wir direkt vom Schiff aus einen Knurrhahn mit seinen schönen orange-blauen Flossen, die wie Schmetterlingsflügel aussehen. Als wir eines morgens den Hummerkorb aus dem Wasser ziehen, haben es sich zwei Teppich-Haie darin gemütlich gemacht. Der kleinere schlängelt sich noch beim Hochziehen durch das Fluchtloch ins Wasser, der größere Hai ist einfach zu dick dafür, dem müssen wir zur Freiheit verhelfen. Und nein, Langusten haben wir immer noch keine darin gefangen!

Alles ist erleuchtet

Die Bucht erreichen wir bereits an unserem ersten Tag in den Marlborough Sounds. Onapua Bay heißt sie, dreimal müssen wir um die Ecke fahren, bis wir diesen sehr geschützten Ankerplatz erreichen. Schon in der ersten Nacht bemerken wir Meeresleuchten ums Boot herum, in der zweiten, fast windstillen und fast mondlosen Nacht ist es noch stärker geworden.

Zunächst stehen wir spät abends an der Bordwand, wühlen mit Paddel und Besenstiel im Wasser herum und freuen uns an den leuchtend grünen Schleifspuren im Wasser. Doch dann bemerken wir den Lichterschein an dem kleinen Kiesstrand knapp zweihundert Meter hinter uns. Die leichten Wellen, die auf die Bucht laufen, leuchten in hellem Grün. Das muss ich mir ansehen und fahre mit dem Kanu zum Strand. Je näher ich dem Ufer komme, desto intensiver wird das Meeresleuchten. Begeistert kehre ich zum Boot zurück, und wir rudern alle gemeinsam mit dem Dinghi hin, um das Spektakel zu bewundern.

Die Paddel produzieren bei jedem Eintauche einen hellen leuchtenden Fleck, die Bugwelle des Dinghis läuft als leuchtender Streifen davon. Weil wir ohne Außenborder unterwegs sind, bemerken Fische erst spät unsere Annäherung. Als schnurgerade leuchtende Linien schießen sie vor dem Boot davon, wie Elementarteilchen in einer Nebelkammer.

Lange treiben wir ein paar Meter vor dem Strand, wo das Leuchten am stärksten ist. Wir fahren mit den Händen durchs Wasser und können uns an den Spuren nicht sattsehen. Mit der hohlen Hand schöpfen wir Wasser, und lassen leuchtend grünes Gold ins Meer zurückfließen. Pure Magie. Die beiden Arten von Meeresleuchten sind gut zu unterscheiden: ein diffuses, milchiges Leuchten des bewegten Wassers insgesamt, durchsetzt von einzeln aufblitzenden helleren Lichtpunkten wie Funken einer Wunderkerze.
Nur schwer können wir uns losreißen und rudern zum Boot zurück. Die Spur unserer Ruderschläge führt als langsam verblassende Reihe grüner Tupfen bis zum Strand zurück.

Wir haben uns schon oft gewundert, welchen biologischen Sinn das Meeresleuchten haben mag. Unsere heimischen Glühwürmchen locken Artgenossen des anderen Geschlechts, die neuseeländischen Glowworms Beutetiere an. Manche Meeresbewohner leuchten gerade so stark, dass sie sich von unten betrachtet nicht gegen die hellere Meeresoberfläche abheben. Aber all dies sind keine sinnvollen Gründe für die Dinoflagellaten, einzellige Algen, die überwiegend für das Meeresleuchten verantwortlich sind. Warum also leuchten die Dinger?
Das deutsche Wikipedia liefert keine Erklärung. Aber das englische hat gleich zwei spannende Theorien zu bieten. Die erste: die Fressfeinde der Leuchtalgen verursachen bei ihrer Jagd eine Leuchtspur im Wasser, die sie wiederum für ihre Fressfeinde sichtbar macht und damit im Bestand reduziert. Ziemlich raffiniert.

Die zweite Theorie ist aber noch pfiffiger: die Fressfeinde der Leuchtalgen, in erster Linie Quallen und kleine Tintenfische, sind relativ durchsichtig. Die Drohung der Algen: wenn ihr uns fresst, bekommt ihr einen derartig leuchtenden Magen, dass ihr hervorragend markiertes Futter für eure Fressfeinde abgebt. Diese Theorie wird dadurch unterstützt, dass in Gebieten starken Meeresleuchtens Tintenfische ihre Mägen mit einer schwarzen Membran auskleiden.

Die Erklärungen für dieses Phänomen sind also fast so faszinierend wie das Meeresleuchten selbst. Aber nur fast.

Queen Charlotte Sound

Nach sieben Tagen Stadturlaub (Bericht wird nachgereicht) locken die Marlborough Sounds mit einsamen Buchten und viel Natur. Von Wellington aus gilt es jedoch erst einmal, die Cook-Strait zu überqueren. Sowohl Wind als auch der Gezeitenstrom müssen sich durch diese enge Lücke zwischen Neuseelands Nord- und Südinsel quetschen, was den Wind in der Strait regelmäßig zwei Windstärken mehr blasen lässt und für Stromwirbel und unangenehm steile Wellen sorgt. Die Cook Strait gehört damit zu den gefürchtetsten Seegebieten Neuseelands, aber wir haben einen Tag mit passendem Wetter ausgesucht. Obwohl wir das Timing für die Gezeitenströme einigermaßen richtig erwischen, durchqueren wir ein Gebiet mit seltsam brechenden Wellen, und vor der Einfahrt liegt für einige Zeit eine dicke Nebelwand. Letztlich können wir aber ohne Probleme in den Tory Channel hineinfahren. Wir sind mal wieder auf der Südinsel. Ein bisschen erleichtert sind wir schon.


Eine Woche lang genießen wir den Queen Charlotte Sound bei schönstem Wetter, viel Sonne, meist angenehmen Wind, eine kleine Bucht schöner als die andere. Wir können am Strand Muscheln sammeln, Blue Cod angeln und mit unserem in Gisborne neu erworbenen Kajak herumfahren.
Wir werden für die kommenden Wochen ein temporäres Mitglied des „Waikawa Boating Club“. Damit haben wir die Erlaubnis, die fast 100 Mooringbojen des Clubs zu nutzen, die über die ganzen Marlborough Sounds verteilt sind. Das ist ganz praktisch, denn die großen Wassertiefen bis dicht vor dem Ufer machen das Ankern in manchen Buchten nicht ganz einfach.

Am 1. Februar ist das ruhige Sommerwetter erst einmal vorbei: der tropische Zyklon „Fehi“ zieht zur Westküste Neuseelands herunter, mit Sturm- und Starkwindwarnungen für halb Neuseeland. Im Inneren der Marlborough Sounds sind zwar nur 25 Knoten Wind vorhergesagt, aber mit Böen von bis zu 70 Knoten, und das ist eine Menge. Der große Vorteil hier ist, dass sich keine Welle aufbaut, während draußen vor der Küste sieben Meter vorhergesagt sind.

Im Club fragen wir nach, wo wir uns bei einem Sturm aus Nord am besten verkriechen können, und wir machen am Abend vorher an einer Mooring in der Bucht von Kumutoto fest. Hohe Bergwände schützen uns vor dem Gröbsten, aber selbst hier werfen Fallböen das Boot hin und her, so dass das Besteck vom Tisch rutscht. Obwohl das Spektakel erst am Morgen so richtig losgehen soll, bekommen wir schon in der Nacht nicht viel Schlaf. Aber die Mooring ist mit einem 5 Tonnen schweren Betonblock verankert, und wir sind zuversichtlich, den Sturm hier gut zu überstehen. Draußen auf See mag jetzt freilich keiner sein. Oder – wie es früher auf Anita immer hieß – die armen Leute an Land, wie da jetzt die Fensterläden klappern müssen!

Gisborne

Es wäre ungerecht, wenn wir von Gisborne nur über den Sturm und die knarzende Plattform erzählen würden, haben wir doch davon abgesehen eine wunderbare Zeit dort verbracht. Die Stadt hat ein paar schöne und gemütliche Ecken, berühmte Weingüter in der Umgebung und herrliche Sandstrände! Ein Strand liegt direkt vor dem Stadtpark an der Flussmündung, zum anderen muss man zehn Minuten mit dem Auto bis Wainui fahren. Und je nach Windrichtung hat man die Auswahl, mal sind hier die besten Surfwellen, mal dort. Weiter nördlich, Richtung East Cape (Ostkap) bei der Tolaga Bay gibt es noch mehr Strände, an denen sich hohe Wellen aufbauen und die Surfer ihre Campingbusse parken.



Auch wir haben es ausprobiert, nicht mit dem Surfbrett weit draußen, sondern näher am Ufer mit einem sogenannten „body board“. Das sind etwas größer geratene Styropor-Bretter, wie sie oft in den Schwimmbädern zu sehen sind. Auf die kann man sich bäuchlings drauf legen, sobald eine Welle kommt und mit etwas Glück mit der Schaumkrone im Rücken bis fast ans Ufer sausen. Ein Riesenspaß, sobald man den Dreh heraus hat!
Peter mit Surfbrett und Andreas mit body board

In Gisborne: Eine Einkaufsmeile mit vielen netten Läden, die einladen zum Bummeln und  Sommermode kaufen, eine große gut sortierte Buchhandlung mit einem schönen Café im ersten Stock. Weiter am Fluss hoch findet man das städtische Museum mit viel informativer Orts- und Regionalgeschichte, ein paar Räume mit Kunst aus Ton einer regionalen Künstlergruppe und sehr schönen Arbeiten aus Flachs, teils traditionelle Umhänge und Taschen, wie sie die Maori schon seit Jahrhunderten anfertigten neben Taschen und Röcken in modernem Design. Alles Abschlussarbeiten der Flechtklasse der örtlichen Flechtschule. Die Maori-Kultur wird hier weiter gepflegt bzw. in manchen Bereichen wieder stärker belebt, an diesem fruchtbaren Flussdelta und Umgebung lebten schon zur Zeit von Cooks mehrere Stämme. Neben dem Museum steht ein kleineres Haus, eine Gedenkstätte für die Gefallenen Maori der beiden Weltkriege. Sie bildeten eigene Regimenter und zeichneten sich durch besondere Tapferkeit aus, zahlten aber auch einen sehr hohen Blutzoll. Beeindruckend und traurig zugleich, die vielen Fotos der jungen Männer an den Wänden zu sehen.

Und ich will nicht verschweigen, dass auch Gisborne einen Farmers Market, einen Samstagsmarkt, hat, wo man gemütlich an den Ständen entlang schlendern und Taschen und Rucksäcke randvoll füllen kann mit grünroten Sommeräpfeln, Gisborner Orangen, frischem Gemüse, um sich anschließend einen Kaffee zu holen, ein Croissant in der anderen Hand, der Musik zuzuhören und sich die anderen Marktbesucher anzuschauen. Obwohl es an dem Tag immer mal wieder Nieselregen gab, war die Stimmung auf dem Markt ungebrochen gut. Dann zieht man den kleinen Kindern eben schnell mal Gummistiefel an oder aber läuft unbeeindruckt durch die Pfützen mit den „jandals“, wie die Flip-Flops in Neuseeland heißen.

Ein letztes Mal noch eine Portion frische „fish’n chips“, ausgebackenen Fisch mit Pommes, geholt vom Fischladen gegenüber, dann heißt es Leinen los, weiter Richtung Süden nach Wellington!


Waka, Nachbau eines Maori-Bootes, mit denen sie über den Pazifik segeln konnten

Quietsch, Knarrrz

Normalerweise geht man ja in einen Hafen, um seine Ruhe zu haben. Um nicht auf See mit Wind und Wellen zu kämpfen, um nicht in der Bucht bangen zu müssen, ob der Anker hält und das Boot sich nicht selbständig macht. Eben um seine Ruhe zu haben.

In Gisborne hat das nicht ganz geklappt. Wir sind dort eingelaufen, um unsere lieben Freunde Silvi und Peter zu besuchen, und um einen vorbeiziehenden Sturm aus Nord abzuwettern. Die kleine Marina ist allerdings voll, im Becken des Vorhafens können wir auch nicht ankern, denn da werden fast täglich riesige Frachtschiffe manövriert, die Holzstämme aus Neuseeland nach Asien transportieren. Ein Anruf bei der Hafenverwaltung liefert auch keine gute Alternative. „sorry mate, you probably have to leave…“

Aber wie so oft in Neuseeland regelt sich dann doch alles. Der diensthabende Lotse ruft uns an, wir dürfen ausnahmsweise an einem großen Baggerschiff längsseits festmachen. Eine perfekte Lösung für uns, jedenfalls während des Nordsturms. Dann aber dreht der Wind auf Südsüdost, gar nicht mal so stark, aber das ist genau die Richtung, aus der die Dünung in den Hafen laufen kann. Der riesige Bagger fängt in der Nacht an zu tanzen, wir längsseits ebenfalls. Wir rucken in die Leinen, das Dinghi arbeitet sich in der Strömung hinter unserem Heck zwischen Muktuk und Bagger und versucht sich als Hilfsfender. Ein Riemen findet das nicht so lustig und bricht entzwei, zum Glück kommt das Dinghi selbst mit ein paar Flecken von abgeschabtem roten Lack davon, die am Rumpf der Muktuk nun fehlen. Ein großer Kugelfender ist am Morgen nicht mehr aufzufinden, hat sich wohl losgerissen.

Ein Arbeiter vom Baggerschiff warnt uns: das war erst das Vorspiel, denn das kommenden Hochwasser wird den Wellenbrecher überspülen, und dann rollt die Dünung ungebremst ins Hafenbecken. Wir sollten vielleicht besser weiter nach innen, da ist es vielleicht ruhiger. Also Leinen los, und wir machen an einer schwimmenden Plattform etwa 100 Meter weiter innen fest. In der Tat schaukelt es dort erst einmal weniger, aber die Plattform ist mit Metallsäulen fixiert, an denen sie mit der Tide auf- und abgleitet, und dabei im Takt der Wellen ein fürchterliches Gequietsche abgibt. Dazu das Knarzen unserer Leinen, wenn die Muktuk von der Dünung hin und hergeworfen wird. Eine Geräuschkulisse wie im Horrorfilm, in der folgenden Nacht machen wir kein Auge zu.

Noch eine Nacht später steigert sich das Spektakel. Die Dünung wird höher, zwei Stunden vor und nach Hochwasser haut es die Muktuk in die Leinen, dass es uns Angst und Bange wird. Eine Spring arbeitet sich los, daraufhin bricht eine der Achterleinen. Ein Fender platzt. Wir gehen die ganze Nacht Leinenwache. Am nächsten Tag lässt die Achterbahnfahrt langsam nach – es ist nur noch laut, aber das Einrucken in die Leinen lässt nach. Welche Erleichterung. Und in der dritten Nacht ist der ganze Spuk vorbei, wir können wieder durchschlafen. Ihr glaubt ja gar nicht, wie schön das sein kann!

Nacht, heilige

Mit gehöriger Verspätung, aber trotzdem von Herzen, wünschen wir allen unseren treuen Blog-Lesern nachträglich ein schönes Weihnachtsfest und ein guten neues Jahr!

Wir haben die Weihnachtsfeiertage dieses Jahr besonders genossen, denn Rebekka und Julian waren bei uns zu Besuch. Zwar mussten wir wegen der Sache mit der Nord- und Südhalbkugel auf klassische Zutaten wie Schneedecke, Tannenbäume und Elche verzichten, aber ein paar Konstanten gab es dann doch: Birgit hat es sich nicht nehmen lassen, Honigkekse zu backen, zu verzieren und über dem Messetisch aufzuhängen. Und das obligatorische Fischfondue gab es natürlich auch, mit neuseeländischen Fischsorten. Zwei von fünf Sorten immerhin waren selbst gefangen.

Für die Deko konnten wir die Lebkuchen mit sehr hübschen natürlichen Strohsternen ergänzen, wir wissen es nicht genau, es könnte eine Art von „tumbleweed“ sein, jedenfalls haben wir es am Strand von Mercury Island gefunden.