In der Bucht von Murozumi

12. – 18. Dezember 2023

Die Bucht von Murozumi gefällt uns sehr, sie ist durch eine lange schmale Landspitze gut geschützt und bietet viel Platz zum Ankern. In den nächsten Tagen soll es regnen und stürmen, hier können wir beruhigt liegen bleiben.

Am ersten Tag drehen wir eine Runde durch den Ort. In der Hauptstraße befinden sich ein paar kleine Läden, zwei Restaurants, ein Café und die Post. Im Haus einer ehemaligen Sake Brauerei ist das Ortsmuseum eingerichtet worden.

Murozumi profitierte davon, lange Zeit eine Art Handelsknotenpunkt zu sein. In der geschützten Bucht konnten Handelsschiffe ankern, ihre Waren hier ausladen, die dann auf dem Landweg nach Hiroshima transportiert wurden. Von dem alten Glanz und Wohlstand ist im Stadtbild noch ein bisschen was erhalten geblieben.

Mit dieser Mühle werden die grünen Teeblätter zu Matcha-Pulver zerrieben.

Als Touristenattraktion gilt die großzügige Tempelanlage gleich in der Nähe des Hafens. Durch dieses Tor kommt man auf das Gelände, auf dem sich ein Hauptgebäude und viele kleine Nebengebäude befinden und ein Wassergraben, mit Schildkröten, die sich in der Wintersonne aufwärmen.

Am dritten Tag unseres Aufenthaltes kommen zwei Männer in einem Motorboot vom Angeln zurück, halten bei unserem Boot an und fragen, woher wir kommen, wie lange wir bleiben und wohin es weiter geht. Einer von ihnen zeigt auf ein großes Haus am Ufer. Er würde uns gerne zu sich einladen und fragt, ob wir eine warme Dusche bräuchten. Wir nehmen die Einladung sehr gerne an und verabreden uns für den späten Nachmittag. Das große Haus ist eine Art Pension, die er gemeinsam mit seiner Frau betreibt. Er zeigt uns das Kapitänszimmer, wo er ein altes Steuerrad aus Holz am Fenster eingebaut hat. Dort steht auch ein Teleskop, mit dem er alle Schiffsbewegungen in der Bucht beobachten kann.

Im Speisesaal stehen bereits Platten mit Essen auf dem Tisch, paniertes Hühnchen, gedünstetes Gemüse, frischer Fisch als Sashimi und kleine Törtchen von der örtlichen Konditorei. Von allem ist so viel da, es könnten locker zehn Leute verköstigt werden. Wir sitzen zu fünft am Tisch, eine junge Frau ist noch dabei, die als Krankenschwester in der benachbarten Grundschule arbeitet und in der Pension wohnt. Wir sprechen immer noch kein Japanisch und unsere Gastgeber kaum Englisch, aber mit der Übersetzungs-App auf dem Handy klappt es schon einigermaßen. Sogar Witze und lustige Geschichten lassen sich mit Gesten und ein paar Brocken Japanisch und Englisch erzählen. Inzwischen können wir das recht gut. Reich beschenkt und mit den Resten des Abendessens versorgt, verabschieden wir uns von ihnen.

Oben auf dem Berg gibt es ein Hotel mit einem Onsen, den auch Gäste von außerhalb nutzen können. An diesem Vormittag unter der Woche ist nicht viel los, ich bin alleine in der Frauen-Abteilung des Onsens und nutze die Gelegenheit, ein paar Fotos zu machen. Aus dem 5. Stock hat man eine schöne Aussicht auf die ganze Bucht!

Auf dem Rückweg vom Onsen spricht uns ein älterer Herr an und fragt, woher wir kommen. Als er Deutschland hört, leuchten seine Augen: Er habe vor 50 Jahren Deutsch gelernt, sagt er. Angestrengt runzelt er die Stirn und sucht nach den Anfangszeilen eines Gedichtes. Nach kurzem Nachdenken beginnt er zu rezitieren: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut…“ und kann das komplette Gedicht von Goethe auswendig aufsagen! Wir sind beeindruckt!

Dann erzählt er, dass er ein paar Mal in Deutschland war. Im Auftrag einer japanischen Firma habe er in deren Niederlassungen in München und Düsseldorf die Bücher geprüft. Und dann möchte er uns noch ein Lied vorsingen und stimmt „Am Brunnen vor dem Tore“ an. Wir singen mit und sind erneut hin und weg, dass er alle drei Strophen kennt – wir können gerade mal den Text der ersten Strophe. Wir gehen ein Stück des Weges zusammen, während er uns erzählt, dass er gerade das Grab seines besten Freundes besucht habe, der auf den Tag genau vor 9 Monaten gestorben sei und den er schmerzlich vermisse. Er hat ihm auf dem Friedhof auf der Mundharmonika ein paar Lieder vorgespielt. Was für eine unerwartete und wunderbare Begegnung!

Direkt am Ufer stehen große Fässer, in denen jeweils eine Sauna eingebaut ist, darin Platz für vier Personen und einen kleinen Ofen. Neben jeder Sauna steht ein großer Bottich, in den kaltes Meerwasser fließt. Ein großes Holzdeck mit Liegen und Sesseln lädt zum Ausruhen ein, alles mit Blick auf die Bucht und unsere Muktuk.

Der Besitzer der Anlage spricht uns an, als wir vorbei gehen und lädt uns auf einen Kaffee ein. Er erzählt, dass er eine eigene Kaffeeplantage in Laos hat, den Kaffee nach Japan importiert und hier mit Meersalz aus der Inlandsee röstet. Der Espresso ist gut und stark, wir sitzen mit ihm zusammen und er erzählt weiter, dass er mit seiner Tochter vor einigen Jahren in Deutschland und Italien unterwegs war und zwar auf einer Motorradtour. Eine Weile hat er wohl auch Motorräder aus Europa nach Japan importiert. Zum Abschied bekommen wir eine Packung Kaffee und Meersalz von der Seto Inlandsee geschenkt!

Auf dem Stadtplan sehen wir, dass es im Ort einen Fischladen gibt. Wir kaufen eine fangfrische Scholle und geräucherten Fisch. Der Inhaber fragt uns, ob wir die Deutschen von dem Boot wären, das in der Bucht ankert. Fremde, Ausländer, sind hier im Winter außerhalb der Saison und etwas abseits der Touristenzentren kaum anzutreffen, also sind wir leicht auszumachen. Nachdem wir bezahlt haben, packt uns seine Frau noch ein Päckchen mit fertigem Sushi mit in die Tüte, einfach so!

Die Menschen, denen wir hier begegnen, sind wieder so unglaublich herzlich und großzügig! Wir fühlen uns durch ihre freundliche Aufmerksamkeit und ihre Gaben reich beschenkt und auf die schönste Weise willkommen!

Am letzten Tag machen wir einen ausgedehnten Spaziergang um die Landzunge, die im Volksmund „Elefantenrüssel“ genannt wird. Hier der Blick raus auf die Inlandsee, wo es morgen weiter geht!

Kreuzweg zur Suppe

Tokuyama 08. – 10. Dezember 2023

Weiter auf dem Weg nach Osten in die Inlandsee machen wir für zwei Nächte Halt in Tokuyama.

Nachdem wir uns in einem öffentlichen Bad schön aufgewärmt haben, suchen wir ein Lokal, wo wir zu Abend essen können. Es ist Winter und in vielen Izakayas köchelt in einem großen Topf an der Theke Oden, die allseits beliebte Wintersuppe. So auch in diesem Lokal. Wir dürfen an der Theke sitzen, wo wir dem Wirt zusehen können, wie er allerlei Teller mit leckeren Sachen vorbereitet, kleine Fleischspieße brät und Bier zapft, alles mit einer jahrelang antrainierten Ruhe und Gelassenheit.

Wir bekommen die Speisekarte: alles ist auf Japanisch, es sind einfach kopierte Blätter ohne Bilder drauf. Mit der Übersetzungs-App ist es kein Problem, ich finde das Blatt für den Oden und kreuze einige der Zutaten auf der Liste an, die ich in der Suppe haben möchte, z.B. gebackenen Tofu, Spinat, eine Tomate, ein hart gekochtes Ei, Fischklößchen.

Wenig später bringt die Bedienung eine große Schale mit der Suppe, in der Pilze, Rettich und Nudeln schwimmen. Nach und nach werden mir weitere Zutaten in kleinen Schälchen gereicht. Aber es sind ganz andere und nicht die, die ich angekreuzt habe. Ich bekomme gegrillten Tofu, zweierlei Pilze, gekochtes Fleisch, Maisbällchen, und bin  zunehmend verwirrt. Irgendwann meint Andreas: „Kann es sein, dass du all das bekommst, was du NICHT angekreuzt hast?“ Ja, so sieht es aus!

Wir fangen beide an zu lachen… und beschließen sofort, dem netten Wirt, der an der Theke herum wirbelt und jedes Mal fragt, ob es uns schmeckt, nichts zu sagen. Erstens weil es viel zu kompliziert wäre, mein Missgeschick zu erklären. Zweitens, weil wir befürchten, dass er darauf bestehen würde, mir die angekreuzten Zutaten doch noch zu bringen. Ich schaffe es kaum, all das aufzuessen, was vor mir auf dem Tisch steht. Und drittens und letztens: auch diese Zutaten haben alle gut geschmeckt! Ich konnte also jedes Mal seinen fragenden Blick beantworten mit „hai, oishii desu!“

Wieder eine Lektion gelernt: ich hätte ein Häkchen setzen sollen, gleichbedeutend mit „Ja“. Ein Kreuz dagegen heißt in Japan ganz eindeutig „Nein“, möchte ich nicht.

Sento in Tokuyama

Dieses öffentliche Stadtteilbad, Sento genannt, weil hier das Wasser nicht aus einer natürlichen heißen Quelle kommt, ist noch im alten Stil gehalten, ganz ohne Duschköpfe, die normalerweise an der Wand angebracht sind. Bevor man in das einladende Becken mit heißem Wasser steigt, muss man sich gründlich waschen. Dazu holt man sich aus der Ecke (nicht auf dem Foto) einen Hocker und eine Schüssel. So wie früher füllt man die Schüssel immer wieder mit Wasser aus den beiden Wasserhähnen (heiß und kalt) und schüttet sich das Wasser über den Kopf und Körper. In allen Bädern gibt es diese Schüsseln, auch wenn Duschen vorhanden sind. Ich habe viele ältere Damen beobachtet, wie sie sich mit Genuss einen Schwall Wasser aus der Schüssel über den Kopf schütten. Auch werden die Waschlappen ausgiebig darin gewaschen und gespült.

Verständlich, dass man in den japanischen Bädern nicht fotografieren soll, selbst wenn man von dem heißen Wasserbecken aus den schönsten Ausblick hat. Denn in den nach Geschlechtern getrennten Bereichen läuft man gänzlich unbekleidet herum. Ab und zu aber bin ich ganz alleine im Bad, so dass ich dann doch das Handy nehme und schnell ein Foto mache.

Kitakyushu und die Kanmon Strait

04. – 06. Dezember 2023

Kitakyushu

Wir sind unterwegs zur Nordspitze von Kyushu, das Landschaftsbild ändert sich zunehmend. Die Dichte an Industrieanlangen, Werften und Containerhäfen nimmt deutlich zu. In Kitakyushu schließlich reiht sich in den zu Kanälen ausgebauten Buchten eine Anlage an die andere, nur unterbrochen von hoch aufgeschütteten Kohlebergen, Futter für die Hochöfen. Hier ist es nicht zu übersehen, dass Japan ein hochindustrialisiertes Land ist.

Der Kanal, in den wir hinein fahren ist sehr lang, wir brauchen über eine Stunde, bis wir unseren Ankerplatz erreichen. Zwar gibt es in Kitakyushu auch einen Yachthafen, der ist aber zu klein und zu eng für die Muktuk. Daher beschließen wir, dieses Mal wild zu ankern und suchen uns eine Stelle in der hintersten Ecke des Kanals, wo wir keinem Frachter im Weg liegen dürften. Das Beste an diesem Ankerplatz: gleich gegenüber befindet sich ein Onsen.

Ziemlich skeptisch blicke ich auf die hohen Kaimauern, die auf die Höhe von Containerschiffen angepasst sind, mit dem Dinghi an Land zu kommen, ist es eine echte Herausforderung. Irgendwie schaffen wir es doch und können uns im Onsen entspannen.

Am nächsten Tag fahren wir mit der S-Bahn ins historische Zentrum von Kitakyushu, nach Mojiko. Nach der Öffnung des Landes im 19. Jahrhundert schickte Japan viele junge Männer zum Studium nach Europa und in die Vereinigten Staaten. Sie kamen als ausgebildete Ärzte, Ingenieure und Architekten zurück und brachten viele neue Ideen zur Modernisierung des Landes mit. In Mojiko sind noch einige schön renovierte Gebäude im historisierenden Baustil  aus dieser Zeit erhalten geblieben.

Nicht nur Tokio hat diese diagonalen Zebrastreifen.

In einer altmodischen Einkaufsgasse sind nur noch eine Handvoll Geschäfte geöffnet. Alle anderen haben die Rollläden herunter gelassen.

Im Idemitsu Kunstmuseum ist eine Ausstellung mit schönen alten Graphiken auf Rollbildern und traditionellen Stellwänden aus Papier zu sehen. Hier leider nur ein Foto des Ausstellungsplakates, Fotografieren in der Ausstellung ist verboten.

Nach dem Mittagessen fahren wir mit dem Aufzug in den 31. Stock zur Aussichtsplattform dieses Hochhauses. Von hier aus haben wir einen tollen Rundumblick auf die Stadt, vor allem aber auf die große Brücke, die über die Kanmon-Strait gebaut wurde.

Da wollen wir am nächsten Tag durchfahren!

Eine historische Karte der Meerenge

Am Nachmittag besuchen wir noch die alte Schlossanlage von Kitakyushu, die von einem Wassergraben umgeben ist. Über eine Art Zugbrücke gelangen wir auf das Gelände, das viel größer ist, als es von außen den Anschein hat. Neben dem Schloss gibt es hier noch einen altehrwürdigen Tempel und einen schönen japanischen Garten mit Teehaus. Alles ist komplett von Hochhäusern umbaut. Alt und Neu wie selbstverständlich nebeneinander.

Später lesen wir, dass im August 1945 die zweite Atombombe auf Kitakyushu mit seinen Industrieanlangen abgeworfen werden sollte. Da aber eine der Anlagen in Brand geraten war und an jenem Tag Rauchwolken über der Stadt hingen, flog der Pilot weiter nach Nagasaki, wo er freie Sicht auf sein Ziel hatte. Auch heute noch ist es eine bedrückende Vorstellung, von welchen Zufällen es abhängt, wo Bomben abgeworfen werden und dabei so viele Zivilisten getötet werden.

Kanmon Strait

Am nächsten Tag ist es soweit, wir wollen in die Seto Inlandsee fahren und dort die nächsten Monate in den eher ruhigen Fahrwassern verbringen. Die drei Hauptinseln Japans, Kyushu, Honshu und Shikoku, liegen so eng beieinander, dass sie in ihrer Mitte eine Art Binnenmeer bilden. Ein bisschen kann man diese Region mit dem Mittelmeer vergleichen. Sie ist bei Weitem nicht so groß, hat aber ein ähnlich angenehm mildes Klima. Vor viereinhalb Jahren waren wir bereits in der Seto Inlandsee und freuen uns, dass wir dieses Mal viel mehr Zeit für die schönen Buchten und Inseln haben.

Auch das zweite Mal ist es aufregend, durch die Kanmon Strait, die Meerenge zwischen Kyushu und Honshu, zu fahren und auch dieses Mal müssen wir unseren Weg genau berechnen, um möglichst bei Stillwasser durch die engste Passage zu fahren. Nachdem wir vom Kanal auf den Schifffahrtsweg eingebogen sind, heißt es gut aufpassen, um den großen Containerschiffen nicht im Weg zu sein, die uns eines nach dem anderen sehr schnell überholen.

Es ist ein sonniger Tag mit guter Sicht und zwischendurch habe ich auch Zeit, das Ufer nach einem bestimmten Gebäude abzusuchen: der getreuen Nachbildung des Markusplatzes von Venedig. Hier kann man Räumlichkeiten mieten für Feste aller Art, vor allem für Hochzeiten.

Endlich kommt die Brücke in Sicht:

Geschafft, wir sind in der Seto Inlandsee, es ist alles gut gegangen.

Erleichtert tuckern wir zu unserm Ankerplatz ein paar Meilen weiter, wo wir über Nacht bleiben werden.

 

Besuch bei Freunden

1./2. Dezember 2023

Im Frühjahr letzten Jahres hatten wir Kosei im Süden von Kyushu kennengelernt, als er mit seinem Segelboot auf dem Weg Richtung Okinawa war. Nachdem wir im Sommer in seiner Heimatstadt Fukuoka angekommen waren, trafen wir ihn wieder und verbrachten mit ihm und seiner Frau Naoko einen schönen Abend auf der Muktuk.

Kosei, Naoko und Linda auf der Muktuk

Naoko und Kosei luden uns ein, sie bei nächster Gelegenheit in ihrem Wochenendhaus in der Nähe von Fukuoka zu besuchen. Mit der Muktuk in der Bucht vor ihrem Strandhaus zu ankern, gleich neben Koseis Segelboot, das dort an einer festen Mooring liegt und mit dem Dinghi zu ihnen rüber zu rudern. Das hatten wir uns so schön vorgestellt. Leider passten Wind und Wetter nicht. Muktuk blieb also in der sicheren kommunalen Marina in Karatsu und wir fuhren über Land zu ihnen.

Anfang Dezember war es inzwischen zu kalt, um draußen auf der Terrasse zu grillen. So saßen wir im großen hellen Wohnzimmer beisammen, während der kleine Schwedenofen vor sich hin bullerte und eine gemütliche Wärme verbreitete. Bei Kosei und Naoko war gerade ein Freund aus Tokio zu Besuch und wir freuten uns, ihn näher kennenzulernen, wir verbrachten den Nachmittag und Abend mit anregenden Gesprächen in fröhlicher Runde.

Kosei hatte Oden vorbereitet, den typischen japanischen Wintereintopf mit vielen verschiedenen Zutaten, wärmend und überaus köstlich!

Am nächsten Morgen schien die Sonne und tauchte den Strand vor dem Wochenendhaus in ein klares Licht. Zur großen Freude von Andreas gab es ein japanisches Frühstück mit aufgewärmter Oden-Suppe, Reis und Salat. Danach verabschiedeten wir uns von unseren Freunden und versprachen uns gegenseitig ein Wiedersehen in Japan und vielleicht sogar in Deutschland!

Angeln mit Haken

Kaum ein Nahrungsmittel ist so sehr mit der japanischen Kultur verbunden wie der Fisch. Im Durchschnitt isst jeder Japaner rund 70 kg Fisch pro Jahr (der weltweite Durchschnitt liegt bei 16 kg). Doch die Liebe zum Fisch hat ihre Schattenseiten, denn viele der hier beliebten Sorten (z.B. der Blauflossen-Thunfisch) sind bereits seit Jahren gefährdet.

Während im Nordwest-Pazifik insgesamt noch große Mengen an Fisch gefangen werden können, sind die japanischen Küstengewässer bereits stark überfischt. Wir an Bord der Muktuk haben es mittlerweile aufgegeben, in Japan selbst zu angeln. Weder an der Schleppleine, noch vor Anker oder vom Beiboot aus hatten wir Erfolg. Nun bin ich bestimmt kein besonders professioneller Angler, aber in anderen Seegebieten wie Neuseeland, Alaska oder Mexiko konnten wir immer relativ mühelos unser Abendessen fangen. Aber hier in Japan: Fehlanzeige!

Der Fisch jedenfalls, den es in großer Auswahl und relativ günstig in den Supermärkten zu kaufen gibt, ist in den meisten Fällen importiert. Lachs aus Chile, Garnelen aus Ecuador, Gelbflossen-Thunfisch aus Argentinien oder China. Seit wir beim Einkauf genauer hinschauen und nur Fisch aus hiesigen Fanggebieten (oder aus lokaler Fischzucht) kaufen, ist unsere Sortenvielfalt deutlich geringer geworden.

Auch die Fangflotte Japans ist in den letzten Jahrzehnten geschrumpft, aber umfasst immer noch über 120.000 Boote, die meisten davon kleine, mit ein bis zwei Mann besetzte Küstenfischer. Wenn wir unterwegs sind, muss immer einer von uns sorgfältig Ausguck gehen, um nicht nur den Booten, sondern auch den gesetzten Reusen und Netzen auszuweichen.

Was uns aber am meisten erstaunt, ist die Leidenschaft der Japaner fürs Freizeit-Angeln. Keine Hafenmauer ist unbesetzt, auch nicht bei Sturm oder Regen. Kein Felsen im Wasser ist zu klein, als dass nicht ein paar Angler darauf säßen. Sie werden morgens mit kleinen Booten hingebracht und am Abend – mit oder ohne Fang – wieder abgeholt.

Wir sehen ständig Angler. Was wir selten sehen, sind Fische, die an den Angeln hängen. Ab und an mal eine Sardine, aber größere Fänge sind sehr selten. Das tut freilich der Leidenschaft fürs Angeln keinen Abbruch.

Wie bei allen Freizeitaktivitäten sind Japaner auch beim Angeln absolut professionell ausgerüstet: ein halbes Dutzend Angelruten, einige davon vier bis fünf Meter lang. Kescher und Netze, um die Sardine auch sicher zu bergen. Falt-Hocker und Falt-Tischchen. Eine kleine Kühltruhe zur Aufbewahrung (der Fische oder Getränke?). Eine große Schale mit Köder-Paste, die in regelmäßigen Abständen mit einer speziellen Wurfschaufel portionsweise ins Wasser geworfen wird. Und natürlich eine große Auswahl an Haken, Ködern und Schwimmern. Von unserer Beobachtung ausgehend wird es kaum ein Angler schaffen, im Laufe seines Lebens so viel Fisch zu fangen, dass der Gegenwert der Ausrüstung wieder hereinkommt. Aber darum geht es ja wohl auch nicht.

Der Fangerfolg scheint jedenfalls weniger von der Ausrüstung und Anstrengung des Anglers abzuhängen als man denkt. Als wir die drei Wochen coronabedingt am Schwimmsteg von Takakushi lagen, hörten wir eines Abends ein typisches Klappern an Deck. Ich ging hoch und brachte einen Hering mit herein, der – wohl auf der Flucht vor Raubfischen – aus dem Wasser gesprungen und dummerweise auf der Muktuk gelandet war. Zwei Tage später kamen auf dieselbe Weise noch einmal fünf weitere dazu, die ich vom Deck und vom Steg aufsammeln und zu Rollmops verarbeiten konnte. War das nun „selbstgefangen“? Aus der Sicht der Fische vielleicht.

Auf der Werft

20. – 27. November 2023

Mit der Werft haben wir einen neuen Termin ausgemacht und nun ist es soweit: wir machen die Leinen los und verabschieden uns vom Dörfchen Takakushi, wo wir die letzten drei Wochen am Steg lagen.

Am Nachmittag legen wir am Steg der Werft an. Kurz darauf kommt der Chef, Herr Urata, mit einem seiner Mitarbeiter. Wir besprechen, wann und wie die Muktuk am nächsten Tag aus dem Wasser gehoben werden soll. Wenn wir das Vorstag mit der Genua los machen, passt die Muktuk gut in den Lift, meint er.

Am nächsten Vormittag fahren wir rüber zum Becken, über dem der Travel-Lift schon bereit steht und daneben Herr Urata mit der Fernsteuerung um den Hals. Die Schlaufen werden an die richtigen Stellen gesetzt, Herr Urata stimmt sich mit seinen Arbeitern dabei ab und hebt schließlich die Muktuk langsam aus dem Wasser.

Wir staunen alle, was für einen dichten Algenpelz sich die Muktuk den Sommer über im Hafen zugelegt hat. Was man nicht sieht: unter den Algen verbergen sich hunderte kleiner Seepocken. Die Arbeiter stellen Muktuk auf Betonklötze und sichern sie seitlich mit Stützen ab. Jetzt muss alles schnell gehen. Zwei Arbeiter von der Werft helfen uns, den Bewuchs abzukratzen, denn sobald die Seepocken trocknen, lassen sie sich nicht mehr so einfach wegkriegen. Zuletzt holt einer der Arbeiter den Hochdruckreiniger und spritzt den feinen grünen Algenfilm ab, der sich unter den ganzen Bewuchs gelegt hat.

In den nächsten Tagen wird gestrichen: drei Lagen Antifouling für das Unterwasserschiff und zwei Lagen Lack oberhalb der Wasserlinie, damit die Muktuk wieder in ihrem schönen Rot leuchten kann. Auch die Schraube bekommt dieses Mal einen speziellen Anstrich.

Andreas ersetzt noch die Wellendichtung, die in den heißen Sommermonaten in Mexiko so spröde geworden war, dass sie nicht mehr richtig dicht hielt.
Wir haben Glück mit dem Wetter, es regnet nicht und nur an zwei Tagen bläst der Wind etwas heftiger, so dass ich aufpassen muss, dass mein Farbtopf nicht von einer heftigen Böe von der Leiter geweht wird und ich mit dazu.

Wir haben noch nie eine so ordentliche und saubere Werft gesehen. Da bekommen wir anfangs fast ein schlechtes Gewissen, dass wir den Betonboden ums Boot herum unweigerlich mit Farbkleksen verzieren. Aber bei genauerem Hinsehen entdecken wir bereits verblasste Spuren früherer Arbeiten…

Am letzten Tag auf der Werft müssen wir nur noch ein bisschen aufräumen. Die Sonne scheint und so beschließen wir, einen Spaziergang zu machen. Auf dem Weg kommen wir am Bauernmarkt vorbei, wo Obst, Gemüse, Reis und allerlei getrocknete und fermentierte Leckereien von Produzenten aus der Gegend angeboten werden. Und auch frischen Fisch, Krabben und Austern bekommt man, wenn man früh genug da ist.

Die meisten Bäume sind noch grün, dazwischen leuchten die rot gefärbten Blätter des Bergahorns mit den gelben Blättern der Ginkgo um die Wette.

Von Weitem sehen wir eine weiße Wolke hochsteigen. Ist es der Dampf einer heißen Quelle oder Rauch von verbranntem Holz? Als wir näher kommen, sehen wir einen Bauern, der das Reisstroh auf seinen Feldern kontrolliert abbrennen lässt.
Wir unterhalten uns ein bisschen mit ihm. Er führt uns zu seinem Auto, zeigt uns die Shiitake Pilze, die er aus dem Wald geholt hat und bedeutet uns, wir können gerne welche haben. Wir freuen uns sehr und packen eine Handvoll ein, nur mit Mühe können wir ihn davon abhalten, uns die ganze Tüte zu schenken!

Später zieht Andreas noch einmal los mit Kettensäge und Wägelchen, um Holz aus dem Wald zu holen. Anschließend hackt er die zugeschnittenen Hölzer in kleine Scheite, damit sie in unseren Ofen passen. Nachts wird es nun schon sehr kühl und wir brauchen Nachschub, um das Boot kuschelig warm zu halten.

Eingerahmt von zwei schicken Motorbooten wartet die Muktuk am Sonntag darauf, wieder ins Wasser zu kommen.

Am Montag in der Früh ist es dann soweit. Erst wird die Muktuk im Lift so hoch gehoben, dass wir ihren Schwenk-Kiel fast ganz herunter lassen können. Sie bleibt eine Weile so hängen, damit wir auch noch das letzte bisher unzugängliche Stück putzen und mit Antifouling streichen können.

Es ist jedes Mal wieder aufregend, wenn das Boot aus dem Wasser und wieder zurück gehoben wird, wenn die Schlaufen knarzen, sobald sie das gesamte Gewicht der 26 Tonnen tragen. Doch Herr Urata und seine Crew sind professionell und routiniert bei der Sache, alles klappt reibungslos und ohne Zwischenfälle.

An diesem Tag tuckern wir nur ein kurzes Stück weiter und werfen in der nächsten geschützten Bucht den Anker.

Quarantäne in Takakushi

01. – 20. November 2023

Drei volle Wochen liegen wir in Takakushi, sicher fest gemacht auf einer Seite des Schwimmstegs im Fischereihafen. Dieser Steg ist eigentlich für die Fischer gedacht, die schnell mal was ausladen wollen. Umso dankbarer sind wir, dass uns die Fischereigenossenschaft so lange hier bleiben lässt.

Wie überall auf der Welt ist ein Dorf ein Dorf und das bekommen wir in dieser Zeit auf sehr angenehme Weise zu spüren.

Gleich nachdem die beiden jungen Beamten vom Zoll weg sind, kommen zwei Männer vorbei: der stellvertretende Bürgermeister und der Vorsitzende des Nachbarschaftsvereins, wenn wir das richtig verstanden haben. Sie bringen uns eine prall gefüllte Tüte mit Obst und Gemüse und dazu zwei Portionen fertig gekochter Reis mit roten Bohnen und Kastanien.

Eine Woche später – wir sind immer noch in Quarantäne – schauen sie noch einmal bei uns vorbei und fragen, wie es uns geht und ob wir noch genügend zu Essen an Bord haben. Ich versichere ihnen, dass ich im Boot auch Brot backen könne und der Kühlschrank immer noch recht voll sei. Trotzdem kommt einer von ihnen am Nachmittag wieder und bringt uns Milch, Weißbrot, Mandarinen und Lutschbonbons.

Eine junge Frau kommt mit ihrer kleinen Tochter vorbei, sie ist gerade für eine Weile zu Besuch bei ihren Eltern und spricht fließend Englisch. Auch sie kommt später noch einmal und bringt uns ganz viele feine Bonbons, damit uns der Husten nicht mehr so plagen möge.

Als ich endlich nicht mehr positiv bin, kann ich einen ersten Spaziergang am Hafen entlang probieren. Ein Schild am Straßenrand bittet um Rücksicht auf die Älteren, die „silberne Generation“.

Ein anderes Schild am Hafen möchte die Kinder dazu anregen, keinen Müll zu hinterlassen aus Rücksicht auf die Fischer und das Meer.

Auf dem Rückweg winkt mir jemand zu – ich erkenne den stellvertretenden Bürgermeister, der uns so gut versorgt hatte. Er sitzt zusammen mit einem alten Ehepaar vor dessen Haus. Ich werde herzlich eingeladen, mit ihnen einen Grüntee zu trinken. So sitze ich eine Weile mit ihnen gemütlich in der Sonne und wir versuchen, mit meinem bisschen Japanisch und der Übersetzungs-App vom Mobiltelefon unsere jeweiligen Fragen zu beantworten. Und ich darf auch nicht heim gehen, ohne eine Tüte voll Mandarinen mitzunehmen, die es hier gerade in Hülle und Fülle gibt und die unglaublich gut schmecken, abgesehen davon, dass sie uns mit ganz viel Vitamin C versorgen.

Nach ein paar Tagen kann sich auch Andreas frei testen und wir nutzen das gute Wetter, um spazieren zu gehen, jeden Tag ein bisschen länger.

Das Dorf wirkt auf den ersten Blick sehr ruhig und verschlafen. Tagsüber sieht man fast nur ältere Leute, die in ihren Gärten arbeiten oder für kleinere Besorgungen mit einem Wägelchen unterwegs sind. Viele Häuser sind liebevoll gepflegt, daneben die Gemüsegärten mit Blumen, Rettichen und Kohl. Aber es gibt auch immer wieder Häuser, an denen sich das Grün bis zum Dach hochrankt und die zusehends verfallen. Überalterung und Stadtflucht machen sich auch hier bemerkbar.

Aber es passiert doch einiges: Eines Tages sehen wir ein Floß, das in der Nähe des Steges angebunden ist. Wenig später kommt ein LKW an, auf der offenen Tragefläche hat er eigenartige Bündel gestapelt. Es sind Schalen von Jakobsmuscheln, die aufgefädelt eine Art Zylinder bilden. Jeweils zwei solcher Zylinder sind zusammen gebunden. Der LKW wird entladen, teilweise werden die Muscheln auf andere, kleinere Fahrzeuge verladen, einige werden direkt an der Mole abgelegt. Nun sehen wir, wofür sie gebraucht werden: die Bündel werden am Floß mit Leinen angebunden, so dass sie in regelmäßigen Abständen im Wasser hängen. An ihnen sollen Austern wachsen, erklärt mir einer der Männer.

Gleich gegenüber an der Uferstraße befindet sich ein Laden mit Gebrauchtwaren, der sich über zwei Häuser erstreckt. Wenn man hinein geht, kann man sich leicht in dem Labyrinth aus Gängen und Räumen verirren, wäre da nicht der Inhaber, der mitkommt und den Weg weist. Zwischen den Kleidern, Büchern, Schirmen, Spielzeug, Geschirr und alten Elektrogeräten finden wir ein paar Sachen, die uns gefallen. Einen schönen alten Wasserkessel und kleine Keramikschalen.

Im oberen Stockwerk hat er ein paar Räume mit Antiquitäten eingerichtet, die Fotos über den schönen alten Möbeln sind Szenen aus japanischen Filmen der 1950er und 1960er Jahre.

Die Muktuk vom ersten Stock aus gesehen.

Auf einem unserer Spaziergänge entdecken wir ein Hinweisschild auf einen Wasserfall. Über eine Ader aus Basalt ergießt er sich in zwei Sturzbächen in ein Becken. Vor und neben dem Wasserfall sind viele unterschiedliche buddhistische Statuen aufgestellt. Die Legende erzählt davon, dass sich hier eine Prinzessin aus Kummer in die Tiefe gestürzt habe, weil ihr Mann in den Krieg gezogen war.

An einem anderen Tag begegnen wir einem Mann auf dem Fahrrad, der unterwegs zu seinen Feldern ist. Er steigt ab und fragt, ob wir die Leute von dem Boot im Hafen sind. Bevor er weiter fährt, greift er in seine Tasche und schenkt uns seine Mandarine, die er wohl zu seiner Jause mit dabei hatte. Später begegnen wir einer Frau, die uns fragt, ob wir nun wieder gesund sind. Ein paar Schritte weiter, am Hafen, sehen wir einen Fischer an den Salzwassertanks stehen, in denen Fische herum schwimmen. Wir unterhalten uns mit dem Mann, der sich sichtlich freut, sein Englisch an uns auszuprobieren. Und dann schenkt er uns einen Fisch, einfach so!

Wir gehen nun jeden zweiten Tag in den Onsen und genießen es, sauber geschrubbt in dem heißen Wasser zu liegen. Der Onsen ist sehr gut besucht und am Nachmittag treffe ich viele ältere Damen dort an, einige von ihnen jedes Mal wieder, sie scheinen den gleichen Rhythmus wie wir zu haben. Beim letzten Besuch verabschiede ich mich von einer der Damen – mit Händen und Füßen erkläre ich, dass wir am nächsten Tag weg fahren werden. Sie wünscht uns viel Glück und als wir gemeinsam raus gehen, läuft sie schnell zum Obststand im Onsen, kauft einen Beutel Mandarinen und drückt ihn uns in die Hand!

An unserem letzten Vormittag in Takakushi gehe ich noch einmal am Haus des Ehepaares vorbei, wo ich beim Grüntee saß. Da niemand da ist, lege ich eine Tüte mit den Nürnberger Lebkuchen als Dankeschön für ihre Einladung in den Korb vor ihrer Tür. Zwei Stunden später kommt die alte Dame zum Steg und bringt uns eine große Tasche mit Mandarinen und Kaki Früchten vorbei. Da möchte ich mich noch einmal revanchieren und packe ein Tütchen mit selbst gebackenen Keksen ein, das sie nur mit viel Überredungskunst meinerseits annehmen will.

Wir sind jedes Mal überwältigt von der Freundlichkeit und Fürsorge der Menschen hier, die sie auf diese ganz besondere Art und Weise zeigen!

Zwangspause

29. Oktober – 10. November

Weil unser Unterwasserschiff so stark bewachsen ist, dass wir uns nur mit Mühe fortbewegen können, wird es höchste Zeit, Muktuk aus dem Wasser zu nehmen, zu putzen und zu streichen. Wir haben mit der Werft den 1. November als Termin vereinbart und machen uns zwei Tage vorher auf den Weg, um gemütlich in die Gegend der Werft zu tuckern. Doch so gut unsere Pläne auch sein mögen, Corona macht uns wortwörtlich einen Strich durch die Rechnung.

Bereits am Vorabend der Abfahrt aus Karatsu fühlt sich Birgit angeschlagen, ihr Hals kratzt, sie hat Glieder- und Kopfschmerzen. Noch wissen wir aber nicht, was es ist. Während der Fahrt verschlechtert sich ihr Zustand, sie bleibt die meiste Zeit in der Koje und bekommt Fieber und Schüttelfrost. Wir erreichen ein kleines Fischerdorf mit einem großen Hafen und machen am Schwimmsteg fest. Wir haben Corona-Schnelltests an Bord, Birgit testet sich und ist positiv.

Wir geben in der Werft Bescheid, dass sich unser Termin wohl etwas verschieben wird. Mir geht es am nächsten Morgen noch immer gut, ich habe keine Symptome und gehe am Vormittag (natürlich mit Maske) bei schönstem Wetter durch den Ort spazieren. Es gibt hier sogar einen Onsen, aber natürlich können wir den jetzt nicht besuchen. Während ich fort bin, kommen Zollmitarbeiter an unseren Liegeplatz. Birgit erklärt ihnen die Situation und wir dürfen vorerst hier liegenbleiben.

Am Abend geht es dann auch bei mir los, ich habe die gleichen Symptome wie Birgit, nur jeweils zwei Tage zeitversetzt. Weil wir für die Werft zuvor groß eingekauft haben, haben wir für mindestens eine Woche Proviant und können uns an Bord isolieren.

Es ist eine lausige Krankheit! Obwohl wir beide je viermal geimpft sind, erwischt es uns ordentlich. Zwar gilt es natürlich immer noch als „leichter Verlauf“, schließlich müssen wir weder beatmet noch hospitalisiert werden, aber Fieber, Glieder- und Hautschmerzen, Halsweh (bei Birgit), Übelkeit und Durchfall (bei mir), beide husten um die Wette – wir sind völlig kaputt.

Die erste Woche haben wir wunderbares sonniges und warmes Herbstwetter, das wir allerdings nur durch die Fenster bewundern können. Dann schlägt das Wetter um, es stürmt und schüttet zwei Tage lang. Zum Glück liegen wir gut und sicher, und bisher hat noch keiner versucht, uns von hier zu verscheuchen. Doch trotz des relativ geschützten Liegeplatzes brechen in einer Nacht gleich drei Festmacherleinen, so sehr wirft es das Boot umeinander.

Der Wind lässt schneller nach als unsere Symptome, es geht nur in ganz keinen Schritten voran. Bei mir bleibt ein hartnäckiger Husten und nahezu völliger Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn. An Werftarbeit ist auch nach über einer Woche nicht zu denken. Es dauert volle 14 Tage, bis der Test nicht mehr positiv anschlägt.

99 Inseln bei Sasebo

27./28. Oktober 2023

Als wir Fuminori im Juni auf Hirado trafen, erzählte er uns von der Schönheit des Nationalparks an der Küste von Sasebo und wollte uns diese Gegend unbedingt zeigen. Er ist dort aufgewachsen, hat später in Nagoya studiert und gearbeitet. Jetzt als Rentner lebt er nun wieder viele Wochen im Jahr in Sasebo, auf seinem Segelboot „Seeadler“.

Nun haben wir im Herbst endlich einen Termin für unseren Besuch gefunden. Wir lassen die Muktuk im sicheren Hafen von Karatsu und steigen früh morgens in den Bus nach Sasebo, wo uns Fuminori vom Busbahnhof abholt. Er hat ein umfangreiches Besuchsprogramm für uns zusammen gestellt. Erster Punkt auf der Liste ist das Marinemuseum. Sasebo war früher ein kleines Fischereidorf, bis die Kaiserliche Japanische Marine hier ihren größten Stützpunkt einrichtete. Die Vereinigten Staaten bombardierten im Zweiten Weltkrieg auch Sasebo, ein großer Teil der Stadt wurde zerstört. Die Hafenanlagen aber blieben verschont, denn die USA plante, den Hafen nach dem Krieg zu nutzen. Heute liegen hier die riesigen Kriegsschiffe der US-Marine und daneben, etwas kleiner, die der Japanischen Maritimen Selbstverteidigungsstreitkräfte.

Zuerst schauen wir uns einen Film über die vielfältigen Aufgaben der japanischen Marine an, bevor wir durch die Ausstellung gehen, die die Geschichte der japanischen Streitkräfte zur See präsentiert. Zuletzt setzt sich Andreas ans Ruder und steuert ein Kriegsschiff sicher aus dem Hafen von Sasebo hinaus aufs Meer – in einer Computersimulation. Mission erfüllt!

Danach fahren wir zur Pearl Sea Marina, dem Heimathafen von Fuminoris Boot. Dort sitzen wir an Deck, genießen die Sonne und essen lecker gebratenes Fleisch und Gemüse.

Es ist zu windig, um heute raus zu fahren, meint unser Gastgeber. Also werden wir am Nachmittag die Inseln erst einmal von oben bewundern. Mit seinem Auto fahren wir zum ersten Aussichtspunkt Tenkaiho. Gleich neben dem Parkplatz, noch bevor man den Berg hoch läuft, ist ein riesiges Blumenfeld angelegt, Tausende Cosmea blühen hier in allen Schattierungen von Rosa und Lila.

Oben auf der Aussichtsplattform ist es windig, aber die Sonne scheint und die Aussicht ist atemberaubend. Wir blicken auf das Archipel Kujukushima, was wörtlich übersetzt „99 Inseln“ heißt, aber eigentlich sind es mehr als doppelt so viele. Kujukushima ist Teil des Saikai-Nationalparks.

Und in diese kleine Inselgruppe können wir morgen mit dem Segelboot rein fahren.

Weiter geht es zum nächsten Aussichtspunkt namens Ishidake, wo wir einen etwas anderen Blickwinkel auf die Inseln und die Bucht von Sasebo haben. Im Gegenlicht sieht das Meer aus, als ob es versilbert worden wäre.

Zuletzt fahren wir einen dritten Berg hoch, zum Yumihari-no-Oka Hotel, das einen schönen Spa-Bereich hat. Frauen und Männer getrennt, genießen hier in ihrem jeweiligen Bereich ein heißes Bad mit Panoramablick.

Wir treffen uns auf der Terrasse des Hotels wieder. Auf der einen Seite kann man ganz gut den militärischen Bereich des Hafens erkennen.

Auf der anderen Seite erstreckt sich der Insel-Nationalpark und in der Ferne ist sogar schemenhaft die große Insel Hirado zu sehen, wo wir in diesem Sommer ein paar Tage verbracht hatten.

Wir bleiben auf der Terrasse, bis die Sonne untergegangen ist und machen gefühlt tausend Fotos.

Abends gehen wir in ein Fischlokal. Die Spezialität hier ist Sashimi von der frischen Jak-Makrele, die gerade noch im Bassin an der Theke herum geschwommen ist. Da wir nur einen Bruchteil der Gerichte auf der Speisekarte kennen, bestellt Fuminori für uns alle und so lernen wir an diesem Abend einige neue Speisen kennen.

Am nächsten Morgen machen wir nach dem Frühstück das Boot klar zum Auslaufen.

Fuminori kennt hier jeden Stein und jeden Felsen im Wasser. Als Jugendlicher, so erzählt er, hat er oft mit einem Freund ein Fischerboot gemietet und ist zum Angeln raus gefahren.

Der Wind passt und wir können eine Runde segeln, bevor wir uns in die Inselwelt hinein wagen. Wir tuckern durch einen engen Pass und biegen drei Mal um die Ecke, dann sind wir am Ziel. Wir machen das Boot an zwei Bojen längsseits fest und den Motor aus.

Ein idyllisches Plätzchen, eine himmlische Ruhe, die nur einmal ganz kurz unterbrochen wird, als das große Ausflugsschiff auftaucht.

Fuminori mit der Flagge der japanischen Marine, die er am Vortag im Museumsladen gekauft hat.

Andreas hatte im Boot ein Go Spiel entdeckt und war begeistert, als Fuminori sagte, er würde selbst regelmäßig spielen. So verabreden sich die beiden auf eine Partie am späten Vormittag.

Go spielen an einem der schönsten Ankerplätze der Welt!

Wir sind dankbar, dass uns Fuminori diese wunderbare Ecke seiner Heimat gezeigt hat! Und es war schön, zur Abwechslung auf einem Boot zu Gast zu sein und keine Verantwortung tragen zu müssen.

 

Holperiger Start

23. Oktober 2023

Am Montagmorgen geht es endlich los. Die Sonne scheint auf das spiegelglatte Hafenbecken, es ist windstill. Da Muktuks Bug zu Land hin zeigt, will ich mit dem Bugstrahlruder das Boot um knapp 180° drehen, um aus dem Becken heraus und zum Tanksteg fahren zu können. Sie beginnt sich auch brav zu drehen, aber als ich die Maschine einkupple, um Vorwärtsfahrt zu machen, passiert nichts. Mehr Gas – immer noch nichts! Was ist denn jetzt los?

Wir driften zurück an den Steg und machen erst einmal wieder fest. Getriebeschaden? Gebrochener Schaltzug? Es scheint aber alles in Ordnung zu sein: wenn ich einkupple, dreht sich die Welle, bei mehr Gas sehen wir Schraubenwasser am Heck – alles wie es sein soll. Hmm…

Zweiter Versuch. Unter Maschine bewegt sich Muktuk doch, allerdings nur ganz gemächlich. Auf dem Weg zum Tanksteg gebe ich Vollgas, dennoch erreichen wir mit Müh und Not eine Geschwindigkeit von einem Knoten. So wird das nichts mit der kurzen Strecke von 20 sm, die wir für heute vorhaben.

Die Erklärung: nachdem Muktuk fast vier Monate lang bewegungslos in warmem Wasser lag, haben sich so viele Muscheln am Propeller festgesetzt, dass wir damit zwar das Wasser hinterm Boot durchquirlen, aber praktisch keinen Vortrieb erzeugen. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als mit Kratzwerkzeug bewaffnet im Hafenbecken tauchen zu gehen, um den Propeller wenigstens grob vom Bewuchs zu befreien. Die Biester sind verdammt hart, und ich brauche etwa eine Stunde, bis die Propellerblätter auf ihrer Vorder- und Rückseite freiliegen. Danach bin ich sehr froh über die heiße Dusche in der Marina, um sowohl den Hafendreck als auch das Zittern loszuwerden.

(Kleiner Vorgriff: ein paar Wochen später machen wir auf der Werft dieses Bild, als die Muktuk aus dem Wasser gehoben wird. Kein Wunder also!)

Das Tauchen und Kratzen hat sich jedenfalls gelohnt. Zwar sind wir immer noch langsam, aber knapp vier Knoten schaffen wir jetzt unter Maschine, und damit können wir unseren Ankerplatz erreichen, wo wir uns ein paar Tage lang von der Hektik der Großstadt erholen wollen.