Schwimmendes Krankenhaus

Nein, es ist nicht das Opernschiff aus Wien. Das legt ja bekanntlich nur am Südpol an (wer es nicht kennen sollte: Heidenreich/Buchholz, „Am Südpol, denkt man, ist es heiß“, unbedingt lesen!). Es ist das Hospitalschiff aus China. Genauer gesagt die „Daishan Dao“ oder auch „Peace Ark“ aus Zhoushan im Osten Chinas, die hier in Port Vila gerade vor Anker liegt.

Es gehört zur Marine der Chinesischen Volksarmee, ist aber in Friedenszeiten auf den Weltmeeren unterwegs, um etwa nach Tsunamis oder Wirbelstürmen Hilfe zu leisten oder eben in Ermangelung von Naturkatastrophen medizinische Versorgung in Gebieten zu ermöglichen, die dies aus eigener Kraft nur unzureichend leisten können.

In Vanuatu war die Peace Arc das letzte Mal 2014, damals wurden in fünf Tagen über 5000 Patienten behandelt. Ärzte gab es genug, aber die zentrale Aufnahme war wohl etwas überfordert. Daher hilft diesmal die kleine Gruppe chinesischer Einwanderer auf Vanuatu mit, die Massen an Behandlungswilligen zu betreuen. Ausgesandte Ärzteteams besuchen zudem die kleineren Nachbarinseln und behandeln dort ambulant. An der Pier in Port Vila stehen jeden Morgen ewig lange Schlangen von Patienten, die mit Beibooten zum großen Hospitalschiff transportiert werden. Bis zum Nachmittag ist die Schlange abgearbeitet, die Konsultationen laufen den ganzen Tag, die OPs werden im Wesentlichen nachts durchgeführt.

Seit zehn Jahren ist die die Peace Ark im humanitären Einsatz. Mit 300 Betten, 8 OP-Sälen, 130-köpfigem medizinischen Personal ist das schwimmende Krankenhaus besser als manche Klinik an Land ausgestattet. Medizintechnik von feinsten, Röntgengeräte, MRT, CT,… alles dabei. Außer Organtransplantationen und Herz-OPs ist alles machbar, allerdings werden einsatzbedingt z.B. keine Maßnahmen durchgeführt, bei denen ein längerer Krankenhausaufenthalt nötig ist. Man muss schließlich weiter. Nach Fiji und Vanuatu stehen noch Papua Neuguinea, Kolumbien, Venezuela, Grenada, Dominikanische Republik und Ecuador auf dem Törnplan.

Ebenso wie das US-amerikanische Hospitalschiff „USNS Mercy“ ist der Einsatz der Peace Ark ein Zwischending aus humanitärer Hilfe, ein wenig Propaganda und subtiler politischer Einflussnahme. So wie die USNS Mercy nur Staaten besucht, die sich nicht gerade allzu heftig gegen die Politik der USA aussprechen, macht auch die derzeitige Mission der Peace Ark feine Unterschiede. Fiji, Vanuatu und PNG werden angelaufen, die ebenfalls auf dem Weg liegenden Solomonen aber nicht, obwohl deren medizinische Infrastruktur noch schlechter als die der Nachbarstaaten ist. Die Solomonen sind eins der weltweit 18 Länder, die Taiwan formell als eigenständigen Staat anerkennen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt…

Vanuatu, Port Vila

26.-31. Juli 2018

Hätte man mich vor zwei Jahren gefragt, wo Vanuatu liegt, hätte ich erst einmal den Schulatlas aus dem Regal holen und nachschauen müssen, ob das eine Insel, ein Land oder eine Ortschaft ist, und schon gar nicht hätte ich die Hauptstadt hersagen können. Aber nun erschließt sich uns nach und nach die Geographie der Südsee, die Entfernungen werden in Seemeilen und zu segelnden Tagen gemessen. In Muktuk-Geschwindigkeit ist Fidschi von Neuseeland 16 Tage weit entfernt, wiederum Vanuatu von Fidschi sieben Tage auseinander: so lange brauchen wir von Savusavu auf Fidschi bis nach Port Vila auf der Insel Efate, Vanuatu. Und ja, das ist die Hauptstadt dieses Inselstaates. Vanuatu umfasst etwas mehr als 80 Inseln, elf größere und sehr viele kleine, zusammen ergeben sie gerade mal 12.000 qm Land, verteilt auf 860.000 qm auf dem Ozean. Auf diesen Inseln leben rund 281.500 Menschen, etwas mehr als in Karlsruhe…

Wir ankern direkt vor dem Zentrum von Port Vila, haben schon unsere gelbe Quarantäne-Flagge gehisst, melden uns per Funk an für die Einklarierungsformalitäten und werden auf zwei, halb drei Uhr nachmittags vertröstet, jetzt sei Mittagspause. Als um halb vier immer noch niemand von den Behörden auftaucht, rufen wir erneut per Funk an. Der Skipper solle doch einfach zum „Customs“-Büro fahren, mit allen Schiffspapieren, die Crew müsse nicht mit. So einfach und so entspannt ist alles hier. Am nächsten Tag gehen wir noch zu „Immigration“, der Visastelle, und erhalten dort einen Stempel im Pass, mit dem wir drei Monate in Vanuatu bleiben dürfen. Noch eine kleine Gebühr bezahlt und somit sind wir offiziell eingereist und können nun die Stadt erkunden.

Wir laufen die Hauptstraße entlang, hier und in den Querstraßen könnte man stundenlang bummeln, Kleidung für jeden Geschmack und Geldbeutel, Kunsthandwerk in der Maison Française, Haushaltsgeräte, Werkzeuge. Dazwischen ein paar Restaurants, Behörden, die Stadtbibliothek. Viele Läden werben mit zollfreiem Einkauf, die damit vor allem die Touristen von den Kreuzfahrtschiffen im Blick haben.

Natürlich werfen wir in jeden dieser Läden einen Blick rein, vor allem in jene, die sich „Hardwarestore“ (Baumarkt) nennen. Es könnte ja etwas Nützliches fürs Boot zu finden sein!

Und auch der große Markt zieht uns magisch an, er ist eine Augenweide! So viel frisches Gemüse und Obst in unglaublichen Mengen, und alles so bunt und hübsch anzuschauen. In der zweiten Halle beim Markt sind Tische und Bänke in Reihen aufgestellt, dazwischen kleine Kochnischen eingebaut, in denen von mittags bis abends gekocht wird. Leckere Gerichte werden angeboten und sind zudem so günstig, dass sich das Kochen auf dem Boot fast nicht lohnt. Gleich am ersten Tag setzt sich eine der Köchinnen zu uns an den Tisch, sie erzählt von den Inseln, von ihrer Familie und will auch von uns genau wissen, was uns hierher gebracht hat.

Zur Begrüßung hier schüttelt man die Hand und stellt sich mit Vornamen vor, und sogleich werden wir gefragt, woher wir kommen. Oh ja, wirklich aus Deutschland! Daraufhin werden wir sofort mit einem strahlenden Lächeln angeschaut, worauf dann sogleich erwähnt wird, dass alle Leute so verrückt nach Fußball sind, und die deutsche Nationalmannschaft eine große Fangemeinde haben soll. Tatsächlich entpuppt sich der Zöllner, der auf unser Boot kommt, um zollfrei eingekauften Wein in den Kartons zu versiegeln, als ein begeisterter Fan. Er hat sowieso Dienstschluss und bleibt noch eine ganze Weile gemütlich bei einer Cola auf der Muktuk, so dass wir uns länger mit ihm unterhalten können. Es gibt sogar richtige Vereine, Fangemeinschaften für die jeweiligen Nationalmannschaften und es fand sogar eine Parade zu Beginn der Spiele statt, wo die Fangruppen mit den Nationalflaggen ihrer Mannschaften durch die Stadt zogen. Allerdings war unser Zöllner sehr traurig, als die deutsche Mannschaft ausgeschieden ist und ging tags darauf nicht in die Arbeit, auch, um sich die Bemerkungen der Arbeitskollegen nicht anhören zu müssen.

Eigentlich könnten wir gleich weiter, aber wir bleiben noch ein paar Tage in Port Vila, denn am Montag, dem 30. Juli, wird der 38. Jahrestag seit der Unabhängigkeitstag gefeiert, mit Reden, Tänzen und einem Feuerwerk am Abend und das würde ich mir sehr gerne anschauen. Früher hießen die Inseln Neue Hebriden und waren von 1906 an unter einer gemeinschaftlichen Verwaltung von Frankreich und Großbritannien, Kondominium genannt. Alles gab es doppelt, Verwaltung, Polizei, Währung, Schulsystem. Die europäischen Einwanderer besaßen 30% des urbaren Landes und wollten noch mehr, um rentable Kokosplantagen und Viehweiden anzulegen. An diesen Expansionen zündete der Funke für die ersten Bestrebungen zur Unabhängigkeit in den 1960er Jahren, denn die Ni-Vanuatus, wie sich die Einwohnen der Inseln nennen, sehen Landbesitz traditionell als einen Schatz, den man  für die kommende Generation erhalten und pflegen muss.

Schon am Freitag und Samstag davor ist viel mehr Betrieb als sonst in der Stadt. Jeder will schnell noch was einkaufen, überall sieht man schon Flaggen, an den Autos, in den geflochtenen Haaren der Frauen.

Auf der Hauptstraße stauen sich die Minivans. Ein praktisches und sehr sinnvolles Beförderungssystem zwischen Bus und Taxi angesiedelt: man zahlt einen Einheitspreis an den Fahrer und nennt das Ziel. Kann sein, dass man ein paar Umwege in Kauf nehmen muss, weil erst die anderen Gäste abgeliefert werden müssen. Schade, dass sich so was nicht auch in einer Großstadt wie München durchsetzen kann oder in ländlichen Gebieten in Deutschland, wo die Busse so selten fahren…

Gut beschäftigt vor dem Unabhängigkeitstag sind auch die Frauen in der großen Halle an der Hauptstraße. In vielen kleinen Abteilen sitzen die „mamas“, wie sie genannt werden, jede an einer alten oder sehr alten Singer-Nähmaschine und nähen die schönsten Kleider und Hemden. Die fertigen hängen hoch an den Wänden, daneben Strandtücher in ebenso bunten Farben und Blumenmustern, viele der bedruckten Stoffe sind in Eigenarbeit entstanden, erzählen sie mit einigem Stolz. In dem Labyrinth aus Gängen und Kojen kann man sich schnell verirren und nachdem ich die Halle ein paar Mal abgeklappert habe, schwirrt mir der Kopf von den vielen Farben. Am liebsten würde ich mir auch eines der Kleider zulegen, begnüge mich dieses Mal aber mit einem Strohhut aus Hibiskus.

Am Unabhängigkeitstag selber ist die ganze Stadt auf den Beinen. Oben am Platz der Unabhängigkeit findet die Parade statt, am Rand sind rundherum Stände aufgebaut, die Essen anbieten. Nach dem offiziellen Teil wird viel fotografiert, um die Essensstände bilden sich Trauben von Menschen. Später verteilen sich die Menschen auf die Stadt, Großfamilien sitzen im Park an der Uferpromenade auf Picknickdecken zusammen, Kinder laufen herum, Festtagsstimmung überall!

Wetterwechsel

Heute wollen, ja müssen wir an dieser Stelle einen Missstand ansprechen, den wir schon allzu lange Zeit stillschweigend hingenommen haben. Die Vorkommnisse auf den Überfahrten der letzten Wochen zwingen uns aber, die teilweise skandalösen Verhältnisse öffentlich anzusprechen. Es geht um die völlig unzuverlässige Belieferung mit Wind in den Tropen.
Diese blieb z.B. mehrfach ohne Begründung ersatzlos aus. Tagelang dümpelten wir in der Flaute und warteten vergeblich auf die bestellte Brise. Bei anderer Gelegenheit erhielten wir bis zu sieben oder acht Windstärken, obwohl wir überhaupt nichts bestellt hatten. Und wenn doch einmal die Stärke passte, wurde wiederholt Wind aus völlig unbrauchbaren Richtungen geliefert.
Wie Gespräche mit etlichen anderen Seglern beweisen, handelt es sich bei unseren Erfahrungen keineswegs um Einzelfälle. Es ist also durchaus angebracht, sich über einen Wechsel des Windanbieters Gedanken zu machen.
Freilich muss ein solcher Schritt gut überlegt sein. Gerade hier in den Tropen gibt es in den jeweiligen Sommermonaten verdächtig günstige Pauschaltarife, bei denen aber nach Presseberichten die Windstärken häufig unkontrolliert übers Ziel hinausschießen. Hurrikans, Taifune, Zyklone: steht natürlich alles nur im Kleingedruckten. Auf Anbieter, die ihre Windstärken nicht im Griff haben, wollen wir keineswegs hereinfallen. Außerdem wollen wir natürlich sicherstellen, dass wir wieder in die gesetzliche Windversorgung zurückkehren können, wenn wir die Tropen verlassen.
Wir stellen uns auch grundsätzlich die Frage, ob die Versorgung mit Wind und mit Welle unbedingt aus einer Hand erfolgen muss. Warum soll man z.B. Seegang in Kauf nehmen, der das Wohlbefinden an Bord ernsthaft beeinträchtigt, nur weil man kräftigen Wind für eine zügige Reise wünscht? Was soll das mit den Kreuzseen oder dem lästigen „Wind gegen Strom“? Jede Marktanalyse würde ergeben, dass die wenigsten Kunden so etwas wünschen. Aber auf Kundenzufriedenheit wird eben keine Rücksicht genommen. Warum? Nur weil es in hunderten von Jahren des Anbieter-Monopols immer so war?
Höchste Zeit, dass hier einmal frischer Wind einkehrt.

Lomo

Die Idee des Erdofens gibt es ja in vielen Kulturkreisen. Auf Fidschi nennt sich das „Lomo“, und wir durften bei einem solchen Gelage mitmachen. Das Ganze funktioniert so:

Etwa vier Stunden vorher hebt man eine Grube aus, schichtet lagenweise Holz und große Steine hinein und zündet das Feuer an. Wenn die Hölzer durchgebrannt sind, fallen die heißen Steine in die Grube.

Gleichzeitig bereitet man das Kochgut vor. Fische und ganze Hühner werden in Palmwedel eingeflochten. Empfindliche Stücke kann man vorher noch in Bananenblätter wickeln.

Ist das Feuer ganz heruntergebrannt, werden sorgfältig alle Kohlereste entfernt. Es soll nichts mehr brennen und qualmen, nur die heißen Steine sollen später die Kochhitze abgeben, sonst könnte das Essen anbrennen.

Auf das Steinbett wird eine Lage gespaltener Palmwedelstiele wie eine Art Lattenrost gelegt. Auf diese Plattform schichtet man nun das eingewickelte Fleisch und Fisch, stellt die Töpfe dazu, ein mit Kokosmilch gefüllter ganzer Kürbis etc.


Das Ganze wird nun mit etlichen Lagen Palmwedeln zugedeckt, dann kommen noch einige Bananenblätter, die alles abdichten. Normalerweise wird jetzt der ganze Berg mit Erde zugeschüttet. Weil aber heute so viele Ausländer (wir Segler) dabei sind, darf auch nicht der kleinste Krümel Erde ins Essen kommen, also gibt’s noch eine Zwischenschicht aus Säcken. Dann aber kommt die Erde drauf, und jetzt heißt es etwa anderthalb Stunden warten. Es soll kein Rauch aufsteigen, und die Oberfläche des Erdhaufens fühlt sich angenehm handwarm an.



Dann endlich ist es soweit, wir packen unser Abendessensgeschenk aus. Schon wenn die Säcke weggezogen sind und die weichgedämpften Bananenblätter zum Vorschein kommen, riecht das so unglaublich lecker…

Fawn Harbour und die Kauri-Schnecken

Eigentlich nur ein Zwischenstopp auf dem Weg von Savusavu zur Viani Bay, liegt Fawn Harbour gut geschützt hinter einem langgestreckten Riff, das bei Hochwasser überspült wird. Eine verwinkelte, aber breite und gut navigierbare Einfahrt führt hinein.

Ich mache das Beiboot klar und fahre an Land, um Sevusevu zu machen. Das ist die traditionelle Vorstellung beim Dorfältesten, das vorgeschriebene Päckchen Kava und ein paar Lebensmittel als Gastgeschenk dürfen natürlich nicht fehlen. „You are welcome“ – das Geschenk war also angemessen. Wir unterhalten uns eine Weile, und ich lade den Chief und seine Kinder zum Gegenbesuch aufs Boot ein.

Als sie uns am nächsten Morgen tatsächlich besuchen, sprechen wir übers Fischen, übers Leben in Deutschland und auf Fidschi, am Ende fragen wir, ob es hier am Strand auch Muscheln zu finden gibt. Wir meinen die kleinen „cockles“, die wir seit Neuseeland immer aus dem Sand ausgraben. Der Chief meint, es gäbe schon welche, das müssten sie uns aber zeigen. Wir sollen mitkommen. Wir fahren mit seinem kleinen Fischerbötchen zum Riff, es ist fast Niedrigwasser und wir laufen zwischen Korallen und Pfützen herum. So viel gibt es zu sehen, es ist wie schnorcheln ohne nass zu werden: Seesterne, kleine Seeaale, die von uns aufgescheucht davon flitzen, Krebse, Kammmuscheln, kleine Fische. Ohne die Kinder des Chiefs, die uns begleiten, hätten wir sie allerdings nicht entdeckt, die großen Muscheln und Kauri-Schnecken. Hat man aber erst einmal den Blick heraus, macht das Muschelsammeln so viel Spaß wie das Pilzesuchen in den heimischen Wäldern. Dort in einem Felsloch, hier unter einem kleinen Überhang, noch eine und noch eine. Bald haben wir ein Dutzend der handtellergroßen Schönheiten beisammen.


Kauri-Schecken (es sind wirklich keine Muscheln) waren lange Zeit in der Südsee Zahlungsmittel. Das chinesische Schriftzeichen für Geld ist eine stilisierte Kaurischnecke. Und weil ihr Gehäuse so schön durchscheinend und glänzend ist, wurde das Porzellan nach dem italienischen Name für die Kauri – „porcellana“ – benannt.

Warum sie so glänzt, haben wir nachts herausgefunden. Wir haben in den Eimer, in dem wir die Tierchen in Seewasser zwischengelagert haben, mit der Taschenlampe hineingeleuchtet. Die Kauri hat nicht nur einen klassisch schneckigen Saugfuß ausgefahren, sondern eine dünne Hautschicht über beide Seiten ihrer Schale hochgezogen, bis die beiden Hauthälften sich oben am Rücken wieder treffen. Das hält die Schale sauber und baut immer neue Kalkschichten auf. Kleine Tentakeln wachsen auch noch aus diesem Häutchen, eventuell zur Nahrungsaufnahme?

Bleibt nur noch das Problem, wie wir die Schalen schneckenfrei bekommen. Angeblich kann man sie für ein paar Wochen in Sand eingraben, dann werden sie wohl leergefressen. Mit einem Ameisenhaufen in der Nähe wird das wohl schneller gehen. Haben wir aber gerade keinen, und wir wollen bald Richtung Vanuatu aufbrechen. Unsere Lösung: wir haben sie gekocht, mit einem Draht so viel wie möglich Fleisch heraus gepuhlt, den Rest wecken wir ein, darin haben wir ja Übung. Und irgendwann werden wir schon einen Ameisenhaufen finden, dann machen wir die Gläser auf.

Fidschi: Bula – Vinaka!

„Bula!“ – ist das erste Wort, das wir in Fidschi lernen. So werden wir überall mit einem breiten Lächeln und Winken begrüßt und solcherart grüßen und lächeln wir zurück. Und „Vinaka“, Danke, lernen wir auch schnell.

Von Neuseeland bis Fidschi haben wir 16 Tage gebraucht, nun sind wir in den Tropen angekommen. Erste Station ist Vanua Levu, die kleinere der beiden Hauptinseln von Fidschi, hier klarieren wir im Örtchen Savusavu ein und liegen an einer Mooring-Boje der Copra Shed Marina. Tropisch warm ist es nur tagsüber und meistens weht von den hohen Bergen eine kühlende Brise herunter.

Ja, wir sind tatsächlich wieder in den Tropen, das Angebot  an Obst und Gemüse auf dem Markt ist exotisch, das Straßenbild ebenso. Wir laufen die ersten Tage mit großen Augen durch die Hauptstraße und würden am liebsten alles und jedes fotografieren.

Fidschi gehört schon zu Melanesien, die Menschen hier unterscheiden sich in Kultur, Sprache und Aussehen von den Einwohnern der Polynesischen Inseln, die wir vor zwei Jahren bereist haben. Hier in Fidschi lebt aber auch eine große Anzahl von Indern. Sie  wurden Ende des 19. Jahrhunderts von den Briten als Hilfsarbeiter für die Zuckerrohrplantagen angeworben, die meisten von ihnen holten ihre Familien nach und ließen sich auf Fidschi nieder. Da sie kein Land erwerben durften, höchstens pachten, haben sich viele Inder auf den Handel und das Transportwesen verlegt. Es ist also eine wirklich bunte Mischung: Fidschianerinnen in langen Röcken mit den geblümten Mustern der Südsee und dazwischen Inderinnen in traditionellen Saris, mit einem roten Punkt über der Nasenwurzel.

Jede der beiden Bevölkerungsgruppen spricht ihre eigene Sprache, Fidschi bzw. Fidschi-Hindi und alle können gut Englisch, so dass wir uns problemlos verständigen können.

Der große Markt ist jeden Tag geöffnet, aber  am Samstag ist es eine ganz besondere Schau!


Besen

Kava-Wurzeln

Wir klappern gleich am ersten Tag alle Läden in der Hauptstraße ab, Supermärkte, Baumärkte und Bekleidungsgeschäfte, und finden doch tatsächlich einen Satz von vier Bord-Batterien, die sogar ohne größere Umbauten in die Muktuk passen. Die alten Batterien sind noch gut, schwächelten nur ein bisschen in letzter Zeit und so haben wir sicher verstaut und hoffen, sie irgendwo auf einer abgelegenen Insel verschenken zu können.

So vertreiben wir uns die erste Zeit auf Fidschi, tagsüber mit nötigen und auch unnötigen Reparaturen an Bord und abends bei einem Bierchen in der Copra Shed Marina in sehr netter Gesellschaft von Seglern, die nach und nach hier eintrudeln. Einigen von ihnen haben wir bereits in Neuseeland kennen gelernt, andere wiederum erst hier.

Und irgendwann ist es genug mit Arbeiten: wir fahren in einem Mietwagen mit Seglern (jeweils ein Paar aus Großbritannien, den USA und Kanada, und wir dazu) gemeinsam einen Tag lang auf der Insel herum. Die Landschaft ist abwechslungsreich, kleine Dörfer mit Häusern auf Stelzen, Gärten mit Papaya-Bäumen drum herum, Zuckerrohr-Felder, Regenwald… Mittags sind wir in der Palmlea-Lodge angemeldet bei einem ehemaligen Seglerpaar, die sich auf Fidschi nieder gelassen haben und ein wunderschönes Haus mit Restaurant und Ferienwohnungen gebaut haben: mit Blick aufs Meer und das vorgelagerte Riff und mit einem eigenen Anleger am Meeresufer. Wir machen noch einen Abstecher nach Labasa, der Hauptstadt der Insel und da geht es in den Straßen richtig trubelig zu, weil gerade die Schüler alle nachmittags nach Hause gehen bzw. zum Busbahnhof, wo ein Polizist mit stoischer Ruhe versucht, einen Bus nach dem anderen auf den Weg zu bringen.


Basilikum


Markt in Labasa

Tags darauf stehen wir ganz früh auf, um mit dem ersten Morgenlicht aus Savusavu raus zu tuckern, wir wollen endlich auch ein paar Ankerbuchten erkunden…


Viani Bay


Sportstunde in der Allgemeinschule in Viani Bay

Raststätte Minerva Nord

Nein, tanken kann man hier nicht. Auch Toiletten oder ein Restaurant wird man vergeblich suchen. Trotzdem ist das nördliche der beiden Minerva-Riffe ein beliebter Zwischenhalt, wo Segler, die von Neuseeland nach Tonga oder Fidschi unterwegs sind, Station machen können.
Mitten im Nirgendwo (genauer auf 23°37’S 178°55’W) liegen die beiden Atolle, das nördliche fast kreisrund mit zweieinhalb Meilen Durchmesser, wo man – so man erst einmal drin ist – geschützt vor den Wellen des Ozeans in ruhigem Wasser ankern, einen eventuellen Sturm abwettern oder sich einfach mal wieder ausschlafen kann. Und da sind wir jetzt, zusammen mit einer Handvoll anderer Segler.
Die Amerikaner haben im 2. Weltkrieg einen sicheren Platz für ihre Kriegsschiffe gesucht, und eine ca. 150 Meter breite Lücke in das Korallenriff gesprengt, deshalb können wir heute problemlos hineinfahren. Eine andere Ein- bzw. Ausfahrt gibt es nicht.
Wir haben zehn Tage bis hierher gebraucht, sind also wie immer langsam unterwegs. An Wetter hatten wir fast alles, von Rauschefahrt bis Dümpeln, von Schmetterling bis hart am Wind, von Flaute bis Windstärke acht. Zwei Nächte Erholung wollen wir uns hier gönnen; am Sonntag soll es nach Fidschi weitergehen.
Wir hoffen, morgen früh bei Niedrigwasser mit dem Beiboot aufs Riff hinausfahren zu können – angeblich gibt es hier reichlich Hummer einzusammeln. Mal sehen, ob wir Glück haben.

Abschied und Aufbruch

Anderthalb Jahre waren wir in Neuseeland. Es sind uns schon ein paar Wurzeln gewachsen, der Abschied fällt uns nicht leicht.

Aber das kleine Häuflein übriggebliebener Boote, also alle die den Absprung zu den tropischen Inseln im Norden noch nicht geschafft haben, scharren ungeduldig mit den Seehufen und warten auf das nächste passende Wetterfenster. Für die meisten, uns eingeschlossen, ist es morgen soweit. Ein Tief zieht heute noch durch, seine Rückseite gibt uns noch zwei Tage lang guten Wind, dann versuchen wir an der Ostseite eines großräumigen Hochs nach Norden zu kommen. Es sieht nach einer langsamen, schwachwindigen Überfahrt aus, zumindest in der ersten Woche. Mal sehen was danach kommt, mindestens zwei, eher drei Wochen werden wir wohl für die 1200 Meilen bis Fiji brauchen.

Die Einkäufe sind verstaut, die neuen Starterbatterien eingebaut, das letzte Holz verfeuert, der neue Windmesser ist im Masttop montiert und angeschlossen. Morgen nach dem Ausklarieren wollen wir noch zollfrei Diesel tanken, Wasser auffüllen und dann geht es los. Ziel: jeden Tag ein Grad wärmer.

Knapp daneben

Rund 540 sm sind es von Havelock nach Opua in der Bay of Islands, wo wir letzte Einkäufe und Reparaturen erledigen und am Schluss ausklarieren wollen. 540 sm jedenfalls, wenn man die kürzere Route nimmt: die Westküste der Nordinsel hinauf, ums Kap Reinga und das Nordkap herum und die Ostküste wieder ein Stück hinunter. Und so ähnlich haben wir es auch gemacht.

Es ging allerdings erst einmal damit los, dass es nicht losging. Die Starterbatterien sind tot und müssen in Opua ausgetauscht werden. Nur wenn man stattdessen die Bordbatterien auf den Anlasser schaltet, startet der Motor. Die Starterbatterien lassen sich aber auch nach langer Ladezeit nicht füllen. So müssen wir also sehr aufpassen, dass wir nicht zu viel Strom verbrauchen, denn sonst geht der Motor gar nicht mehr an (und die Bordbatterien können nicht wieder geladen werden).

Die Wetterprognose ist mittelprächtig: erst soll es zwei Tage Südwind geben – gut für uns beim Weg die Westküste nordwärts. Der übliche Sturm aus der Cook Strait beschert uns allerdings gleich mal drei Meter Welle bei Wind von hinten, und das heißt „Geige“: das Schiff rollt im fünf Sekunden Takt mal auf die eine, mal auf die andere Seite. Alles rollt weg, fällt um, rutscht runter. Uns eingeschlossen beim Versuch, ab und zu mal zu schlafen.

Dann fängt die Flaute an, wir müssen motoren, 48 Stunden Gebrumm, aber immerhin auf ebenem Kiel. Dummerweise erreichen wir die beiden Kaps im Norden zum ungünstigen Zeitpunkt der Tide: sechs Stunden lang strömt das Wasser im Gegenuhrzeigersinn um die Kaps, wir müssen – natürlich – im Uhrzeigersinn herum. Für die Strecke von 30 sm brauchen wir 14 Stunden.

Für die letzten 120 sm die Ostküste hinunter sind 5-6 Bft Nordost vorhergesagt. Das würde vom Kurs her genau passen, Halbwind bzw. Voll und Bei, wir rechnen mit einer Geschwindigkeit von 6 Knoten und könnten am Freitagabend beim letzten Büchsenlicht in Opua einlaufen. Nur leider hat Rasmus den Wetterbericht wohl nicht gelesen. Statt aus Nordost kommt der Wind aus Ostsüdost. Statt sechs Knoten schaffen wir eher zwei, egal ob wir unter Segeln kreuzen oder unter Maschine gegenan knüppeln. Dazu steht eine See, die eher zu 7 als zu 5-6 Bft passt. Schlafen kann da auch keiner (Bewegung diesmal auf und ab statt hin und her), und bis Opua bräuchten wir bei der Geschwindigkeit über zwei Tage. Außerdem steht für Samstag/Sonntag ein ordentlicher Sturm mit Wind bis 40 Knoten zu erwarten, den wir dann abbekommen würden.

Kurz und gut: Opua ist erstmal nicht zu erreichen, 60 sm vorher gibt es einen kleinen Ort namens Mangonui, und in dem sind wir nun wohlbehalten, aber recht erschöpft gelandet. Hier werden wir den Sturm abwarten und in ein paar Tagen dann hoffentlich nach Opua weiterfahren.

Havelock

Auf dem Herd köchelt eine Kartoffelsuppe, die Rindsuppe ist schon fertig, es ist der letzte Abend im Hafen von Havelock, morgen in der Früh legen wir bei Hochwasser ab und tuckern die 30 sm aus den Marlborough Sounds raus.

Havelock macht sich langsam für den Winterschlaf bereit, ein paar Restaurants haben schon zu gemacht, es sind kaum noch Touristen zu sehen, die sich mittags für eine Schale Muscheln gemütlich hinsetzen oder mit dem Pelorus Mail Boat ein paar Stunden lang durch die Sounds fahren. Auch ist an der Rampe an den Wochenenden nicht mehr viel Betrieb: nur noch vereinzelt fahren Einheimische mit ihren Motorbooten raus zum Angeln.

Und doch verstehen es die Menschen hier, sich die Zeit angenehm zu vertreiben: das Faltblatt mit den Veranstaltungen des Monats kündigt ein Treffen des örtlichen Wein-Clubs im Restaurant „Captains Daughter“ an, ein fünf-Gänge-Menü und fünf Weine eines Weingutes dazu. Reservierung erwünscht. Das Hinterland der Marlborough Sounds gilt als das weltweit bekannteste Weinanbaugebiet Neuseelands. Wir melden uns auch an und werden am Abend herzlich in der großen Runde aufgenommen. An mehreren langen festlich gedeckten Tischen sitzen wir und werden sogleich ausgefragt, nach dem Woher und Wohin. Man kommt immer wieder so leicht ins Gespräch mit den Menschen hier! Ein schöner Abend!

Es ist Spätherbst, die Luft ist wunderbar kalt und klar und heute haben wir in der Ferne die ersten schneebedeckten Berge gesehen. Zeit, also, los zu ziehen, auch wenn ich mir gut vorstellen könnte, in dieser ruhigen Ecke zu überwintern.

Aber nun ist ein gutes Wetterfenster da und wenn die Vorhersage so bleibt, können wir in fünf bis sechs Tagen die Westküste der Nordinsel hoch segeln zur Bay of Islands, bevor das nächste Tief heran rauscht.