Port Moresby, Papua Neuguinea

Seit einer Woche sind wir wieder auf der Muktuk, nachdem wir sie mehr als zwei Monate lang hier in Port Moresby in der Marina zurück gelassen haben. In der Zwischenzeit ist es noch sehr viel heißer geworden, die Temperaturen bewegen sich um die 35 Grad Celsius und die Luftfeuchtigkeit schätzen wir auf nahezu 100%. Und nachts kühlt es nicht wirklich ab. Willkommen zurück in den Tropen!
Arbeiten ist es eine echte Herausforderung: wir werden zu Frühaufstehern, um die wenigen noch einigermaßen erträglichen Morgenstunden auszunutzen. Wir kommen auch gut voran, vor allem klappt es wunderbar mit der Montage des neuen Vorstags. Die sperrigen Ersatzteile sind geliefert worden, andere wiederum hatten wir im Gepäck dabei. Nachmittags, an manchen Tagen bereits mittags, flüchten wir für eine Weile ins Restaurant bzw. die Lobby des Yachtklubs, wo die Klimaanlage uns solange abkühlt, bis wir anfangen zu frieren…

Ein Rückblick auf die ersten Wochen in Port Moresby vom 11. – 29. September

Am Ende pustet Rasmus noch mal ordentlich, als wir uns den Weg durch die beiden Riffe suchen, die der Bucht von Port Moresby vorgelagert sind. Muktuk muss sich mit Böen bis zu 40 Knoten herum schlagen und dabei noch gut Kurs halten. Schon von Weitem sehen wir Hochhäuser mit modernen Glasfassaden und beim Näherkommen zeichnet sich das begrünte Villenviertel auf einem Hügel ab, darunter am Strand ein großes Kongresszentrum! Es ist ein ungewohnter Anblick für uns.

Wir werden die letzten paar hundert Meter von einem Motorboot der Marina geleitet und werfen den Anker im engen Becken, es ist später Nachmittag und wir haben noch die gelbe Quarantäneflagge oben. Außerhalb der Marina wäre mehr Platz, aber da soll es nicht sicher sein, sagen uns die beiden jungen Männer, unsere Lotsen.
Die Marina samt umliegendem Park ist ziemlich gut bewacht, das sehen wir schon am ersten Abend. Polizei und Wachpersonal stehen da und schauen den abendlichen Spaziergängern und Joggern zu, die auf den umzäunten Grünanlagen des Schutzwalls um die Marina die letzten Sonnenstrahlen nutzen.

Die Vertreter der Behörden kommen am nächsten Vormittag an Bord, wir füllen wieder ein paar Formulare aus, beantworten Fragen und unterhalten uns mit freundlichen Beamten, die uns herzlich willkommen heißen in ihrem Land. Die Dame von der Quarantäne und ihr junger Lehrling schauen sich im Schiff um, begutachten die Lebensmittel, die sichtbar ausliegen, nehmen aber dann doch nichts mit. Der Zollbeamte, Ernest, unterhält sich länger mit uns und erzählt uns auf unsere Fragen schon einiges über die Lebensbedingungen in der Hauptstadt, die hohe Arbeitslosigkeit und bevorstehende Ereignisse um das APEC-Treffen. Papua Neuguinea ist in diesem Jahr Gastgeber für das Jahrestreffen der Wirtschaftsvereinigung der Pazifik-Anrainer-Staaten.

Wir hatten uns bereits einige Monate vorher angemeldet beim „Papua Royal Yacht Club“, viel im Internet über das Land gelesen und nun sind wir gespannt, wo wir angekommen sind. Einige langgezogene Stege, fast alle belegt, die Motoryachten überwiegen. Die Clubanlage ist groß, zweistöckig angelegt, mit Büroräumen, einem Café und Fitnessclub im Erdgeschoss und einem großen klimatisierten Restaurant mit Bar im ersten Stock, ein Balkon zieht sich über die gesamte Front entlang, von hier hat man einem schönen Blick auf die Boote und die Bucht, besonders wenn die Sonne untergeht.

Die Warnungen vor der Stadt da „Draußen“ setzen sich fort, alle Angestellten des Yachtclubs sagen uns, wir sollten tagsüber nicht unbegleitet raus gehen und bei Dunkelheit schon gar nicht, sie zeigen uns auf der Karte die Stadtteile in denen wir auch tagsüber auf keinen Fall auf der Straße sein sollten. Am besten sollten wir ein Taxi nehmen, wenn wir irgendwohin fahren wollen, aber auch da nur die hellblauen oder gelben, alle anderen seien nicht vertrauenswürdig. Und schon gar nicht mit den öffentlichen Kleinbussen, den PMVs, fahren. Denn man riskiere, als Weißer überfallen und ausgeraubt zu werden.

Außer vielleicht, der Weg zu dem Supermarkt bzw. zum Einkaufszentrum und den Restaurants bei den Bürogebäuden nach links und zu dem nach rechts jeweils fünf Minuten weit entfernt sei sicher – bei Tageslicht. Abends sitzen wir bei einem ersten Bier in der Bar des Yachtclubs und lernen ein paar Leute kennen, Neuseeländer, Briten, Australier, alle Angestellte ausländischer Firmen, die für ein paar Jahre in Papua Neuguinea leben, und die statt in einer bewachten Wohnanlage in der Stadt lieber auf einem Boot in der Marina leben, und meinen, hier sei es um einiges sicherer, und natürlich günstiger. Sie alle bestätigen im Wesentlichen das, was wir bereits im Internet über Port Moresby gelesen haben: jugendliche Banden ziehen nachts herum, manchmal auch tagsüber, die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch, nur 20% der Menschen in der Stadt haben eine Arbeit.
Als ich eine junge Frau vom Marinabüro nach einem Bauernmarkt frage, weil ich Obst und Gemüse nicht ständig aus dem Supermarkt kaufen will, schaut sie besorgt und bietet an, mich in den nächsten Tagen einmal in ihrer Mittagspause zu dem Markt in ihrem Stadtteil zu begleiten.

Der Eindruck, in einer glitzernden Blase zu leben, verfestigt sich immer mehr: der Königliche Yachtclub besitzt über 3.000 Mitglieder, manche ausländische Firmen schenken ihren Mitarbeitern eine Mitgliedskarte als zusätzlichen Bonus. Hier trifft man sich in zwangloser und sicherer aber auch exklusiver Umgebung und es gibt jede Woche irgendein Programm, vom Oktoberfest bis zur Kinderdisko am Wochenende.

Wir fühlen uns innerhalb des Geländes zwar sehr sicher, aber der Eindruck verfestigt sich immer mehr, dass wir hier ganz schön eingesperrt sind.

Gleich am ersten Abend sprach uns freundlich und höflich ein sehr feiner älterer Herr an, ob wir denn die neuen Segler aus Deutschland seien und stellte sich vor als einziger (ehemaliger) Langzeitsegler des Yachtclubs. Brian stammt aus Australien, hat früher lange Zeit für die australische Verwaltung von PNG gearbeitet und ist inzwischen offiziell Staatsbürger dieses Landes. Er kennt diese Ecke seit 60 Jahren und spricht nicht nur das „Tok Pisin“, das Pidgin-Englisch, sondern auch „Motu“, die Sprache der Küstenbewohner. Brian betreut die durchreisenden Segler im Namen des Yachtclubs, und wir nahmen sehr gerne seine Einladung zum Abendessen am übernächsten Tag an.

Und es war Brian, der den Kopf schüttelte über die vielen Ratschläge, die wir in den ersten Tagen hörten. Wir ließen uns gerne von ihm überzeugen, dass wir tagsüber durchaus in der Stadt herum fahren und gehen können. Auf die richtige Körpersprache komme es an, meint er: freundlich und auf keinen Fall aggressiv sollten wir auftreten.
Das probieren wir dann auch gleich aus, denn schon am ersten Wochenende wird drei Tage lang gefeiert und getanzt, auch Papua Neuguinea begeht seinen Unabhängigkeitstag mit Paraden und Festen in allen Stadtteilen. Wir fahren erst mit dem Taxi zum neu angelegten Park mit Uferpromenade „Ela Beach“ neben dem neuen Kongresszentrum, wo unter Tausenden von fröhlichen Menschen vielleicht 20 Ausländer zu sehen sind. Es gibt viele Stände mit Essen und Kunsthandwerk und ein paar Bühnen. Traditionelle Tänze werden auf der einen aufgeführt, auf den anderen moderne Musik und ein lustiges Theaterstück, von dem wir leider nichts verstehen. Dafür sind die Tänze umso interessanter. Neben der Bühne bereiten sich weitere Gruppen vor, schminken sich fertig, üben noch schnell ein paar Schritte.
Die Zuschauer bilden ein buntes Meer in den Farben Schwarz-Rot-Gold, den Nationalfarben dieses noch jungen Staates, denn alle tragen entweder ein T-Shirt mit bunten Motiven oder haben zumindest eine selbst gehäkelt Mütze in diesen Farben auf dem Kopf. Eine junge Frau hat sich sogar ein Kleid in diesen Farben gehäkelt!
Überall lächeln uns die Leute an oder winken uns aus ihren Autos zu, wenn wir fotografieren, und wir freuen uns, dass wir uns raus gewagt haben. Für den Rückweg nehmen wir einen der öffentlichen Busse: 26 Sitze, ein Fahrer und ein Schaffner, der gleichzeitig auch der Ausrufer ist. Es gibt feste Buslinien, aber keinen Fahrplan. Ist auch nicht wirklich nötig, denn sobald ein Bus einigermaßen voll ist, fährt er los. Warten muss man selten länger als 10 Minuten. Das kennen wir schon von Guatemala, dieses System funktioniert wirklich hervorragend.
Neu ist hier für uns, dass wir wirklich die einzigen (weißen) Ausländer sind, die im Bus sitzen und dass wir von den Mitreisenden gefragt werden, wohin wir fahren möchten. Sie wollen sicher gehen, dass wir im richtigen Bus sitzen und an der richtigen Haltestelle aussteigen und auf keinen Fall verloren gehen und es ergibt sich meist ein nettes Gespräch daraus! Wir fühlen uns sofort gut aufgehoben.

Nun fahren wir – tagsüber – nur noch mit dem öffentlichen Bus in der Stadt herum zum
Baumarkt, Fischmarkt, Gemüsemarkt, sogar weiter raus zum Botanischen Garten. Und jedes Mal das gleiche, sobald wir einsteigen, fragt uns sofort jemand, wohin wir wollen, woher wir kommen, ob wir das erste Mal hier sind und wie es uns gefällt. Und wenn wir volle Rucksäcke dabei haben und Taschen, wird ganz selbstverständlich mit angepackt. Bei so viel Freundlichkeit und Fürsorge fällt uns die Antwort nicht schwer: wir sind sehr angetan von den Menschen hier!

Port Moresby ist eine Stadt der Gegensätze, einerseits die modernen Büro-Hochhäuser im Zentrum, dazu die eingezäunten Wohnanlagen mit Stacheldraht und Alarmanlagen für die Ausländer, während hinter dem nächsten Hügel eine Siedlung mit Wellblechhäusern auftaucht, wild durcheinander gewürfelt. Dazwischen ganze Straßenzüge mit Läden aller Art. Überall wird gebaut, Straßen, Häuser, Hafenanlage, die einheimischen Bauarbeiter werden von chinesischen Vorarbeitern in Tarnanzügen überwacht, die Baufirmen scheinen überwiegend aus China zu sein. Das bevorstehende APEC-Treffen im November hat wohl diesen Bauboom mit ausgelöst.

Sehenswürdigkeiten hat die Stadt kaum zu bieten: Das Nationalmuseum der Hauptstadt wird gerade renoviert und zeigt seine Ausstellung erst in einem Monat wieder, aber der Botanische Garten mit kleinem Tierpark wird beworben und ist wirklich sehr schön.
Für Touristen sind geführte Wanderungen im Busch bzw. dem Hochland interessant oder ein Flug zu den abgelegenen Inseln zu den Tauchparadiesen. Port Moresby mit seinem Wildwuchs ist bestimmt nicht repräsentativ für den Rest des Landes. Aber man muss wissen, dass vor gut 80 Jahren etliche Stämme im Landesinneren noch ganz isoliert lebten, das Land hat buchstäblich den Sprung aus der Steinzeit in die Moderne innerhalb weniger Jahrzehnte bewältigen müssen, Missionare und die beiden großen christlichen Religionen haben sicher einiges dazu beigetragen, den Kannibalismus zu beenden, wie viel dabei auch an anderen Traditionen verloren gingen, können und wollen wir nicht beurteilen.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag werden wir die Leinen los machen und die Küste in Richtung Osten entlang segeln, erst zu den Inseln der Milne Bay und dann weiter nordöstlich zu dem Teil von Papua Neuguinea, der 30 Jahre lang eine Deutsche Kolonie war, bis 1918. Wir sind schon sehr gespannt darauf!


Royal Papua Yacht Club


Kongresszentrum


Feiern zum Unabhängigkeitstag, Ela Beach

Botanischer Garten

Boroko-Markt

Humpeln nach Nordwest

Angesagt sind 3-4 Windstärken, doch der Passat weht selten unter 6, oft mit 7 Bft. Das Übliche. Die Richtung ist gut (raumschots, d.h. der Wind kommt von schräg hinten), die Welle nicht unbedingt angenehm, aber erträglich. 1300 Seemeilen liegen vor uns bis Papua Neuguinea, wir rechnen mit zwei Wochen. Unser Plan ist, die Inselwelt der Louisiaden für einige Zeit zu erkunden, bevor wir Port Moresby, Hauptstadt, sicherer Liegeplatz und Endstation dieses Reiseabschnitts anlaufen.

Aber wie das mit den Plänen so ist. Nach etwa einer Woche auf See, mitten drin also, knallt es zweimal kurz hintereinander und das Boot steht. Natürlich nachts. Natürlich während Birgits Wache. Ich werde mit den Worten geweckt: „Andreas, die Genua liegt im Wasser“. Es gibt angenehmere Arten, die Wache anzutreten.

Im Licht der Decksbeleuchtung und Stirnlampen stellt sich heraus, dass das Vorstag gebrochen ist. Das ist ein 13mm dicker Stahldraht, der vom vorderen Masttopp zum Bug verläuft. Zum einen ist daran die Genua, das größere unserer beiden Vorsegel, befestigt, zum anderen werden damit die Masten nach vorne abgespannt. Der zweite Knall war das Genuafall, das in Folge ebenfalls gerissen ist, und damit fielen Vorstag und Segel gemeinsam ins Wasser.

Das Vorstag ist aber nicht nur ein Drahtseil, sondern umgeben vom Profilstag, einem Alurohr, das zur Rollreffanlage gehört. Um dieses wird die Genua gewickelt, wenn man das Segel einrollt. Gebogen werden gehört nicht zu den Stärken dieses Rohrs. Unten war das ganze noch befestigt, oben im Mast nicht mehr, so dass vorne noch etwa 20 qm Segel flatterten, dann das Profilstag gebrochen war, und sich ab dort das Segel Richtung Wasser neigte. Und es wehten ja auch noch knapp 6 Windstärken.

Etwa eine Stunde brauchten wir, um das Segel aus dem gebrochenen Abschnitt herauszuziehen, damit den Druck aus dem Segel zu nehmen, den Riesenlappen aus dem Wasser zu fischen und provisorisch an der Reling festzubinden. Das Ganze im Dunkeln, angeleint im Lifebelt und bei gut zwei Meter Welle. Genug Programm für diese Nacht.

Bestandsaufnahme des Schadens am nächsten Morgen: der Bruch erfolgte am Übergang vom Stahldraht zu dem aufgepressten Terminal im Masttopp. Wahrscheinliche Ursache Materialermüdung, und innerhalb der Presshülse auch durch regelmäßige Inspektion nicht zu erkennen. Um das Segel richtig bergen zu können, müssen wir die Rollreffanlage und das Vorstag am Bug demontieren, nochmal ein ordentliches Arbeitsprogramm von zwei Stunden, denn die Befestigung ist so stark verbogen, dass wir Teile mit der Flex durchschneiden müssen.

Bestandsaufnahme unserer Situation: Wenn man schon einen Teil des Riggs verlieren will, ist das Vorstag gar keine so schlechte Wahl. Zum einen gibt es noch das kleinere Vorstag für die Fock, das ebenfalls die Masten nach vorne stützt. Zum anderen haben wir noch das Spi-Fall, das zwar nur Tauwerk und kein Draht ist, aber auch vom Masttopp nach vorne läuft. Außerdem wirken beim normalen Segeln die meisten Kräfte auf die Masten zur Seite und nach vorne ein, nur selten nach achtern. Wenn wir also vorsichtig sind, wenig Segel setzen und auf den Fischerman verzichten, sollten die Masten wohl stehen bleiben. Und dank des kräftigen Windes kommen wir auch mit der verbliebenen Fock ganz gut voran. Nur den Abstecher zu den Louisiaden geben wir auf und setzen direkt Kurs nach Port Moresby ab, um mehr Zeit für die Reparaturen zu haben.

Die stellen sich auch nicht gerade einfach dar. Der einzige Mechaniker vor Ort zuckt die Achseln und meint, das Material könne man in Papua Neuguinea nicht bekommen. Ein Schiffsausrüster in der Marina meint nur, wir sollten alles demontieren, nach Australien verschiffen, dort reparieren und wieder herschicken lassen. Dass das komplette Vorstag samt Rollreffeinrichtung 16 Meter lang ist und nicht gebogen oder gefaltet werden kann, hat er dabei nicht bedacht. Keiner der beiden hat Lust, auch nur einen Kostenvoranschlag abzugeben.

Da müssen wir also selber ran. Ich recherchiere zwei Wochen lang im Internet über Bezugsquellen, bestelle Teile aus Australien und Großbritannien, wir bringen einige Teile aus Deutschland mit, und wenn wir kurz vor Weihnachten wieder zurückfliegen, steht die Montage auf dem Programm. Am Ende muss ich ca. 30 kg Vorstag und Rollanlage irgendwie in den Mast hochziehen und dort befestigen. Wird bestimmt noch lustig. Aber vielleicht haben wir als Weihnachtsgeschenk dann wieder ein Vorstag samt Genua.

Eine Welt für sich

Die Lebensweise in den abgelegenen Dörfern und abgeschiedenen Inseln Vanuatus kann man sich als Europäer nur schwer vorstellen. Ein wenig hat die Moderne schon Einzug gehalten, auf den Bambushütten findet man manchmal Solarpaneele, die Baströckchen werden nur noch zu besonderen Anlässen angelegt und sind im Alltag normalen T-Shirts gewichen, aber vieles der alten Kultur und Tradition ist noch erhalten geblieben.

Father Levy aus der Lakona Bay hält morgens den Gottesdienst im vollen Ornat des anglikanischen Priesters, später sieht man ihn in Hemd und kurzer Hose, und am Nachmittag bringt er im Baströckchen bekleidet den Jungs des Dorfes Bogenschießen bei. Er sieht das nicht als Widerspruch, ganz im Gegenteil: „Wir stehen hier in Vanuatu auf drei Beinen – der Kirche, der Moderne und dem ‚Kastom‘ (der traditionellen Lebensweise)“. Eine beachtliche Entwicklung, wenn man bedenkt, dass sich noch vor weniger als hundert Jahren die Nachbardörfer und -stämme gegenseitig bekriegt und nicht selten aufgegessen haben.

Stammesangelegenheiten werden auch heute noch im traditionellen Versammlungshaus, dem Nakamal besprochen, zu dem Frauen oft keinen Zutritt haben. Zwei Steinfiguren vor dem Nakamal der Lakona Bay zeigen dies drastisch, denn die Frauenfigur ist tot (erkennbar an der heraushängenden Zunge), erschlagen vom alten Häuptling, weil sie das Nakamal betreten wollte. Im Inneren ist ein Bereich abgegrenzt, der nur vom Chief selbst betreten werden darf. Ein Eckstein im Inneren ist der „Wächter“, er sorgt für die Einhaltung der Regeln, auch wenn der Chief gerade nicht selbst aufpassen kann. Er ist – so sagt man uns – auch dafür zuständig, Hühner oder Schweine zu töten, die sich aus Versehen ins Nakamal hinein verirren. Der alte Chief des Dorfs zeigt uns einen weiteren Stein, sein „Radio“: der ist dafür zuständig, den Chief von besonderen Vorkommnissen im Dorf zu unterrichten, wenn er gerade im Nachbardorf oder auf einer anderen Insel unterwegs ist. Er erzählt uns völlig ernsthaft von Beispielen, bei denen er vom seinem Stein unterrichtet wurde und bei seiner Rückkehr schon Bescheid wusste, dass z.B. sein Neffe beim Tauchen ertrunken war.

Geld spielt eine untergeordnete Rolle im Leben der Dorfbewohner. Essen und Wohnen ist umsonst, das dafür nötige wächst in der Gegend. Für wichtige Ereignisse im Leben (Hochzeit, Erbschaft, neuer Chief etc.) muss man rechtzeitig vorsorgen, denn dazu müssen traditionell Schweine geschlachtet werden, und die muss man Jahre zuvor anfüttern. Während Hühner und im Wald erlegte Wildschweine normales Nahrungsmittel sind, werden die im Dorf gehaltenen Schweine ausschließlich zu zeremoniellen Anlässen geschlachtet.

Geld braucht man hauptsächlich für die Schulbildung der Kinder, verdient wird es durch Verkauf von Kopra, Kakao oder anderer Gartenfrüchte. In den Küstendörfern sind Segelboote mittlerweile regelmäßige Tauschpartner für die Dorfökonomie und gern gesehene Quelle für Kleidung oder Angelzubehör.

Auf Ureparapara, der letzten Insel die wir anlaufen, sind wir schon bei unserer Ankunft von einem Dutzend Kanus umringt. Man zeigt uns den besten Ankerplatz, der Chief stellt sich vor, und am nächsten Tag werden wir mit dem großen Kanu zur Dorfbesichtigung abgeholt. Dass wir eine unserer ausgemusterten großen Bordbatterien als Gastgeschenk mitbringen, sorgt für große Freude.

Ureparapara hat es zur Zeit besonders schwer. Das Versorgungsboot, das normalerweise einmal im Monat kommt, ist seit geraumer Zeit in der Werft zur Reparatur. Wann es das nächste Mal kommt, weiß niemand. Da sind die paar Segler, die sich hierher verirren, natürlich sehr willkommen. Nicht unbedingt für „Luxusgüter“ wie Mehl oder Reis, denn dafür gibt es ja auf der Insel genügend Alternativen. Dringend gebraucht werden dagegen Streichhölzer, Seife und Batterien für die Taschenlampen. Gerne teilen wir unsere Bordbestände und segeln am nächsten Morgen weiter. Weg von Vanuatu, das uns so unerwartet stark ans Herz gewachsen ist.

Lakona Bay, Gaua – Welkam, welkam!

25. – 29. August 2018

Die Insel Gaua liegt schon weiter oben im Norden von Vanuatu und gehört zur Banks Gruppe, von Malekula aus brauchen wir fast genau 24h, wir segeln einen Tag und eine Nacht durch. Kaum ist der Anker gefallen, kommen zwei Auslegerboote längsseits, der Sohn des Inselchiefs, der uns einlädt, das Dorf zu besuchen und Father William Levy, der örtliche anglikanische Pfarrer, dem wir unsere Teilnahme am Fest zusagen.

Wieder ein schwarzer Sandstrand mit spielenden Kindern, dahinter ein paar Häuser, in denen vier Familien leben, darunter auch die Großfamilie von John Star, dem Chief der ganzen Insel Gaua. Rechts, hoch am Berg klebt wie ein Schwalbennest ein Haus, da wohnt Christobal, der Chief der Dörfchen von Lakona Bay. Das eigentliche Dorf mit der anglikanischen Kirche und der Grundschule liegt linker Hand auf einer Anhöhe, von der aus man einen herrlich weiten Blick aufs Meer und auf die Bucht hat. Wir begrüßen die Dorfbewohner, werden herumgeführt, der jüngste Sohn des Chiefs, auch John genannt, trägt die meiste Zeit seinen kleinen Sohn auf dem Arm, zeigt uns die Stelle am Strand, wo eine Art unterirdische Quelle mit Süßwasser aus dem schwarzen Sand hervor kommt. Man muss nur ein bisschen graben, um eine Mulde zu bilden und schon kann man die Kanister füllen. Jedes Mal, wenn Andreas Wasser holt, sind die Kinder sofort da, um ihm zu helfen. Sie graben und tragen mit Begeisterung die schweren 10l Kanister zum Beiboot.

Für das Festival in diesem Jahr hat außer uns nur noch ein weiteres Boot den Weg hierher gefunden: ein Katamaran mit Frances, einem Segler aus Australien, drauf. Daher fällt das Programm in diesem Jahr etwas kürzer aus, statt der vollen zwei Tage beginnt das Fest erst am Sonntagnachmittag und auch das angekündigte Lagerfeuer am Strand wird wegen der wolkenbruchartigen Regenfälle abgesagt, die ungewöhnlich sind für diese Jahreszeit, denn die Regenzeit beginnt eigentlich erst im November. Es ist schade für die Dorfgemeinschaft, weil sie sich für das Fest viel Arbeit machen und die Einnahmen der zahlenden Gäste, also der Segler, dringend für das Schulgeld der Kinder benötigen. Für uns aber wird es ein sehr schönes und ergreifendes Erlebnis, von Anfang an haben wir das Gefühl, in die Dorfgemeinschaft wie in eine große Familie aufgenommen zu werden. Es geht ganz gemütlich zu, keine Hektik, wir dürfen überall mitmachen, sollen nicht nur Zuschauer sein, manchmal wird auch improvisiert und das Programm etwas umgestellt, weil gerade ein Regenschauer nieder geht oder der jüngste Sohn des Chiefs noch nicht aus dem Garten zurück gekommen ist.

Zur Eröffnung des Festes wird es trotzdem ein bisschen feierlich: so stehen Frances, Andreas und ich zusammen mit dem alten Chief John Star in einer Reihe, bekommen eine Halskette mit roten Blüten umgehängt, vor uns steht ein kleiner Chor mit Gitarrenbegleitung, wir hören ein Willkommenslied auf Bislama, von Father Levy komponiert: „Welkam, welkam, welkam!“ geht der Refrain.

Danach werden wir in die Kochhütte der Chief-Familie gebeten, wo schon ein paar Brotfrüchte in den glühenden Kohlen liegen. Kokosnüsse werden ausgeschabt und wir dürfen ausprobieren, wie das früher gemacht wurde. Mit flachen scharfen Muschelschalen musste man schon sehr geschickt sein, um die Kokosnuss fein raspeln zu können. Danach werden die fein geraspelten Flocken ausgedrückt und die Milch in einem großen grünen Blatt beiseite gestellt. Eine feste grüne „Popo“, eine Papaya, wird erst mit den ausgedrückten Kokosflocken eingerieben, um eine ölige Schicht zu erzielen und dann mit einem Stock durchbohrt, so dass eine Art Nudelholz draus wird. Die Brotfrüchte sind nun außen ganz verkohlt und schwarz und werden von den Frauen aufgebrochen, das Innere herausgeholt und etwas geknetet. Die Brotfrucht hat wohl einen ähnlichen Kleber wie die Kartoffel, so dass John mit der Walk-Papaya aus den einzelnen Brei-Stücken einen großen Teig mit viel Kraft knetet. Dann folgt das nächste Schauspiel. Kleinere Steine, die im Feuer lagen, werden erst im Wasser kurz gewaschen, dann wird in eine Kokosnuss-Schale Kokosmilch gegossen, ein heißer Stein kommt dazu, die passende Hälfte der Schale wird darauf gesetzt und die Milch mit dem heißen Stein geschüttelt, dadurch wird die Milch warm und bekommt eine sahnige Konsistenz. Dies wird ein paar Mal wiederholt, bis der Teig von einer dickflüssigen Schicht an Kokosmilch bedeckt ist: fertig ist das Laplap aus Brotfrucht. In kleine quadratische Stücke geschnitten wird das Laplap verteilt. Es ist köstlich und sehr sättigend! Ein kleines Mädchen von vielleicht zwei Jahren nimmt vorsichtig ein Stück in die Hand – und schleckt erst einmal die Kokosmilch ab! Das Beste zuerst!

Wir sitzen noch eine Weile gemütlich zusammen und erzählen, bevor wir uns für diesen Tag verabschieden und zurück aufs Boot fahren.

Am nächsten Morgen pünktlich um 9.00h geht es weiter. Wir sehen, wie das Dach eines Hauses aus Palmwedeln hergestellt wird, wie verschiedene Körbe,Schalen und Armbänder kunstvoll geflochten werden, dann führt Chief John uns zu seinem „Nakamal“, einem ganz besonderen Versammlungshaus, das etwas versteckt hinter den Wohnhäusern liegt. Es hat zwei große Figuren aus einem schwarzen porösen Holz säulenartig vor dem Eingang und dazu zwei weitere Figuren aus Stein auf dem Boden. Eine davon stellt eine sterbende Frau dar, denn Frauen ist es bei Strafe verboten, diesen Nakamal zu betreten. Ich muss draußen bleiben, während Andreas mit Frances, den Chiefs und Father Levy den Nakamal von innen anschauen. Aber Father Levy versichert mir, dass sie mir danach alles ganz genau erzählen werden.


Nakamal


Father Levy, Herz und Seele des Festivals, eine beeindruckende Persönlichkeit!


Chief John Star, mit seiner ruhigen Ausstrahlung

Derweil sitze ich mit Susan, der Frau des Chiefs zusammen und lerne sie näher kennen: Sie ist eine sehr herzliche Person mit den oft anzutreffenden orangegelben Haaren, von der Sonne ausgebleicht und leicht angegraut, einem gewinnenden Lächeln, meistens mit ihrer jüngsten zweijährigen Enkelin auf dem Schoß. Sie spricht gut Englisch, wir erzählen von unseren Familien und so erfahre ich unter anderem, dass vier ihrer Söhne gerade in Neuseeland sind als Gastarbeiter, sieben Monate lang in der Nähe von Tauranga Kiwis pflücken. Und auch mit den anderen Frauen und Mädchen ist es spannend, zusammen zu sitzen und zu erzählen.


Susan mit Enkel

Sohn und Enkel von Chief John

Der Tag vergeht schnell mit Bogenschießen und Tauziehen an dem auch Andreas und Frances mitmachen, einem fröhlichen Tanz, bei dem die Männer und Jungen viele grüne Zweige in den Händen tragen und auf ein Kommando jubelnd hochspringen und das Grün in die Luft werfen, weiter tanzen, Zweige einsammeln und wieder in die Luft werfen. Auch ein Kanurennen mit den Auslegerkanus wird organisiert, in einem sitzt Frances mit einem jungen Mann aus dem Dorf, im anderen Andreas mit Father Levy, als Markierungsboje wird eine Kokosnuss ins Wasser geworfen und los geht es unter lautem Gejohle der Zuschauer. Am Ende gehen beide Kanus fast gleichzeitig durchs Ziel.


Damit werden Vögel geschossen

Ein besonderer Programmpunkt ist die Vorführung von „magic“, also Zauberei, die Chief Christobal beherrscht. Christobal kann einen toten Flughund (sieht eher wie eine kleine Fledermaus aus), der in einen Korb gelegt wird, wieder lebendig werden lassen. Und tatsächlich, nachdem mit ein paar grünen Zweigen um den Korb gewedelt wurde, fliegt das Tierchen schnell auf und davon. Christobal beherrscht noch ein paar mehr Zaubereien, wie uns die Dorfbewohner mit viel Bewunderung und Stolz erklären, die viel spektakulärer sind, so z.B. kann er sich selber wieder zum Leben erwecken oder aus einem Feuerring verschwinden und bei den Zuschauern wieder auftauchen.

Während es draußen mal wieder regnet, sitzen wir in der Hütte beisammen und führen längere Gespräche. Frances hat ein Fotobuch von seinen beiden Töchtern mitgebracht, das sehr interessiert angeschaut wird, wir bekommen viele Fragen zu unseren Familien, unserem Leben in Europa und dem Segeln gestellt und fragen auch unsererseits viel.

Am Nachmittag kommt doch noch mal die Sonne raus und das nutzen die Frauen, um ihre berühmte Wassermusik vorzuführen, die hier auf der Insel Gaua von den Frauen erfunden wurde. Und das ist wirklich etwas ganz Besonderes: sie stehen in einer Reihe bis zur Hüfte im Wasser und klopfen mit der hohlen Hand aufs Wasser, platschen, klatschen und erzeugen damit einen mitreißenden Rhythmus. Aber nicht nur einen, viele unterschiedliche Rhythmen beherrschen sie und wir Zuschauen sind ganz hingerissen von ihrer Aufführung. (Video folgt!)

Abends versammeln wir uns alle noch einmal im Dorf und sehen zu, wie Kava hergestellt wird. Aus frischen Wurzeln wird ein Brei gestampft, eine kräftezehrende Angelegenheit. Danach wäscht Father Levy die Wurzeln aus und presst sie mehrfach hintereinander mit einem Tuch aus. In einer feierlichen Zeremonie bekommen wir drei Segler und Chief John als erste ein Glas voll Kava gereicht. Und dieses Mal traue auch ich mich, von diesem schlammig grauen Wasser zu trinken. Der Chor singt ein Abschiedslied, ein paar kurze bewegende Reden werden gehalten und dann sitzen wir noch eine Weile gemütlich unter dem Dach und lassen den Tag ausklingen.

Am nächsten Tag ist wieder schönster Sonnenschein, die Wäsche kann endlich trocknen und nachmittags machen wir noch einen letzten Spaziergang zum großen Dorf hoch. Ein junger Mann begleitet uns, zeigt uns das Haus des alten Steinmetzes, der sich noch an den Zweiten Weltkrieg erinnern kann, als amerikanische Soldaten auf der Insel waren. Er ist inzwischen erblindet, hat aber in seinem Enkel einen Nachfolger gefunden, dessen Kunstwerke uns so gut gefallen, dass wir ihm kurzerhand zwei in Stein gehauene Köpfe abkaufen.

Der Blick vom Strand aus auf die Bucht in der Abendsonne ist so schön, Chief John, Susan und andere Leute aus dem Dorf verabschieden sich noch einmal ganz herzlich von uns. Wie gerne würden wir noch länger hier bei diesen so überaus freundlichen Menschen bleiben.

Essen ohne Supermarkt


Typische Auswahl auf dem Dorfmarkt


Wo die Erdnüsse wachsen


Bananenchips selbst gemacht


Alle zwei Wochen gibt’s Rindfleisch. Zwei Preise: mit oder ohne Knochen


Superreife Papayas


Hier kauft man Hühnchen wirklich frisch


Nach 30 Seemeilen ist klar: der Hahn taugt nicht zum Matrosen


Da sieht das Fischbrett mal was Neues


Mangrovenkrebse – nachts gejagt


Mangrovenkrebse – mittags gegessen

Wo ist die Kokosnuss, wo ist die Kokosnuss?

Na ja, eigentlich fast überall in den Tropen. Was wir aber hier erzählen wollen: was man alles mit der Kokosnuss machen kann. Hierzulande, also eigentlich Dazulande, soll heißen in Deutschland kannte man ja bis vor kurzem nur die braunen hartschaligen, meist schon etwas älteren Nüsse, die man hin und wieder im Supermarkt findet und dann daheim mit Hammer und Schraubenzieher auf dem Balkon aufklopft und mit zwei bis drei abbrechenden Tafelmessern traktiert, um das weiße Fruchtfleisch herauszubekommen, auf dem man dann herum kauen kann. Das macht in den Tropen natürlich niemand, allein schon mangels Balkon.

Also fangen wir von vorne an: wenn die Palme noch jung ist, vielleicht 3-4 Meter hoch, und da wo sie wächst nicht gebraucht wird, kann man sie mit der Machete in Bodennähe abschlagen, und aus dem unterem halben Meter den inneren weißen und weichen Stammabschnitt herauslösen. Das sind Palmenherzen, schmecken köstlich roh als Salat oder kurz angebraten. Aber lassen wir die Palme weiter wachsen und Früchte tragen.

Die Kokosnüsse sind nicht nur von der braunen harten Schale umgeben, sondern nochmals in ein rund fünf Zentimeter dickes faseriges, sehr zähes Gewebe verpackt, damit sie den Aufprall nach ihrem planmäßigen Sturz zu Boden übersteht. Anfangs ist dieser Schutzhelm grün, und grüne Kokosnüsse fallen nur herunter, wenn es stürmt oder jemand raufklettert und sie runter wirft. Grüne Kokosnüsse sind zum trinken da. Sie werden mit der Machete geköpft (die harte braune Schale ist noch nicht so hart), so dass sie ein mundgerechtes Loch bekommt. Das Innere ist vollständig mit Flüssigkeit gefüllt, das junge Kokoswasser schmeckt frisch und leicht süß. Weißes Fruchtfleisch gibt es kaum.

Wird die Kokosnuss reif und die Umverpackung braun, fallen die Nüsse freiwillig herunter. Entfernt man nun die faserige Hülle, findet man die braune Kokosnuss wie im erwähnten Supermarkt. Die Flüssigkeit schmeckt nun anders, das weiße Fruchtfleisch ist jetzt das Hauptprodukt. Es wird aber nicht einfach gegessen. Man kann zweierlei damit machen:

Erstens Geld verdienen. Löst man das Fleisch heraus, trocknet es und füllt das dann schon leicht ranzig riechende Produkt in Säcke, nennt man das Kopra. Es dient zur Produktion von Kokosöl für Kosmetik, Lebensmittel und Industrieanwendungen. Kopra ist noch heute das Hauptexportgut vieler tropischer Inselstaaten. Leider unterliegt der Preis starken Schwankungen, das macht es vielen Menschen dort schwer, etwa das Schulgeld für ihre Kinder zu bezahlen. In manchen Jahren reicht es, in manchen nicht. Und es ist ein hartes Geschäft! Für die Kopraproduktion werden die Kokosnüsse samt Umverpackung mit der Axt gespalten und dann mit dem Messer ausgelöst. Ein Könner ist da natürlich schon geschickter als unser Heimwerker auf dem Balkon, aber bis ein 60kg Sack Kopra voll ist, braucht es rund 400 Kokosnüsse, und dafür gibt es umgerechnet 20-30 Euro.

Zweitens essen. Dazu wird die Kokosnuss ebenfalls halbiert (das geht auch ohne Axt mit einem Stein), dann wird das Fleisch als Brei herausgeschabt. Früher traditionell mit einer harten Muschelschale, heute meist mit einem kleinen Reibeisen, das am Ende der Sitzfläche eines kleinen Hockers befestigt ist. Da sitzt man drauf, schabt die halbe Kokosnuss auf und ab und fängt den Brei in einer darunter gestellten Schüssel auf. Auch wir haben uns an Bord so ein Ding gebastelt, geht viel schneller so.

Der Brei, vermengt mit dem Wasser der Kokosnuss, wird dann durch ein Tuch gepresst. Sollte man kein Tuch haben, hilft die Kokospalme weiter, denn um die jungen Stämme herum bildet sie eine Art Bast, der als faseriges Sieb fungiert und traditionell zum Filtern des Kokosbreis verwendet wird. Übrigens: auch zum Feuermachen dient dieser Bast, denn das Zeug brennt wie Zunder. Zurück zur Kokosnuss: die ausgepresste Flüssigkeit ist die Kokosmilch, die und nur die dient zur menschlichen Ernährung. Der im Tuch verbleibende Rückstand der Kokosflocken wird an Schweine und Hühner verfüttert. Aber die frische Kokosmilch hat es in sich. Man kann Fisch, Fleisch und Gemüse darin dünsten, oder sie mit stärkehaltigen Früchten wie gekochten Süßkartoffeln, Taro, Yams, Maniok oder gerösteten Brotfrüchten zu einem Brei vermengen.

OK, satt sind wir jetzt. Was machen wir mit den Schalen? Nichts, denn mit denen haben wir das Feuer zum Kochen gemacht. Oder das Feuer, mit dem in der Regenzeit das Trocknen des Kopras beschleunigt wurde. Wenn doch noch eine übrig ist, hat man ein prima Trinkgefäß (z.B. für Kava) oder eine Schale zum Kochen.

Aber damit ist noch nicht das Ende der Palmenstange erreicht. Da gibt es ja noch die Palmwedel. Aus denen kann man auf einfache Weise Matten, Fächer, Tabletts oder Körbe flechten. Fast alles, was man auf dem Markt kauft, ist ein einem dieser Palmkörbchen, das Körbchen bekommt man kostenlos mit dazu als wiederverwendbare, kompostierbare Einkaufstasche. Je nach Anzahl Blattrippen und Flechttechnik entstehen verschiedene Standardgrößen und –Formen von Körben. Phantastisch.

Vom Markt geht’s zurück nach Hause. Für so ein Haus muss man hier in den Tropen aber nicht ein halbes Leben lang schuften. Eine einfache Hütte ist in einer Woche gebaut, mit Gerüst und Wänden aus Bambus und einem Dach aus… richtig: Kokospalmen. Dazu werden aus den Blattrippen die harte „Mittelgräte“ entfernt, die Blätter um ein Stück Bambusholz gefaltet und – jeweils ein halbes Blatt überlappend – mit der zuvor entfernten Mittelgräte durchstochen und fixiert. Die so entstandenen Reihen werden – nun von unten nach oben überlappend – am Dachgerüst befestigt, und fertig ist das Reetdach aus Kokospalme. So ein Dach kann fünf bis zehn Jahre halten, oder bis zum nächsten Taifun.

Bleibt noch der Stamm der Kokospalme. Den kann man – von Hand oder mit der Kettensäge(!) – in Bretter schneiden und als Bauholz verwenden. Wenn man gerade kein Bambus zur Hand hat.

Big Nambas in Malekula

22. August 2018

Auf der Insel Malekula leben zwei große Stämme, die Big Nambas und die Small Nambas, bzw. Große und Kleine Nambas, benannt nach den Penisköchern, die sie früher trugen. Die Big Nambas waren einst gefürchtete Krieger und schon ihr Ruf allein sorgte dafür, dass sie selten angegriffen wurden. Auch hatten und haben sie viele Rituale und Tänze, die sie auszeichnen. Um diese nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, hat sich der junge Dorf-Chief von Mae vor drei Jahren entschlossen, ein jährliches Festival zu organisieren. Eine größere Gruppe von Jungen und Alten üben das ganze Jahr über und tanzen auch schon mal zwischendurch für zahlende Touristen, aber das ganz große Fest findet nun jährlich in der zweiten Augusthälfte statt und dafür haben wir uns angemeldet. Vier Segler und drei an Land reisende Touristen sind dabei, die Tourismusbeauftragte ebenfalls, und auch das halbe Dorf schaut zu.

Auf einem von hohen Bäumen und Sträuchern umsäumten Platz mitten im Dorf ist alles vorbereitet, große Trommeln, ein paar Bänke mit Blumenschmuck am Rand und eine kleine Hütte. Wir, die Gäste von außerhalb, warten erst einmal unter den Bäumen, werden von einer trommelnden und singenden Gruppe begrüßt und bekommen von den Kindern ein Halsband mit Blümchen umgehängt. Danach werden auf den Platz gebeten. Dort ist alles noch wie vor zweihundert Jahren, kein Stück Stoff oder Schuhwerk oder Werkzeug aus der heutigen Zeit, von unseren Fotoapparaten, Smartphones und unserer Alltagskleidung mal abgesehen. Der junge Chief hält eine kurze Ansprache und erklärt uns, dass wir heute eine Reihe von Tänzen zu sehen bekommen, die zu verschiedenen Anlässen getanzt werden,  und dass zwischendurch ein paar Aktivitäten für uns vorbereitet worden sind, wie z.B. Feuermachen, Flechten und eine Kava-Zeremonie. Außerdem wird für mittags ein traditionelles Essen gekocht. Vor jedem Tanz beschreibt er uns kurz dessen Bedeutung – in seiner einnehmenden freundlichen Art.

Nach dem Willkommenstanz sehen wir Tänze, die für die Vorbereitung der Beschneidung junger Männer aufgeführt werden und solche, die nach der Rückkehr der Männer in die Dorfgemeinschaft getanzt werden. Um in der sozialen Hierarchie des Dorfes aufzusteigen, muss ein Mann ein Fest ausrichten und ein oder mehrere Schweine dafür hergeben, auch dafür gibt es ganz bestimmte Tänze. Einen so genannten Beschneidungstanz für Frauen bekommen wir zu sehen, auch wenn diese Tradition zu unser aller Erleichterung längst nicht mehr praktiziert wird. Kleine Kinder weinen ganz fürchterlich, als nacheinander drei teuflische Gestalten auf den Platz hüpfen, mit einer schwarzen Maske und einem Kostüm aus getrockneten Palmenblättern. Zum Schluss zeigen sie noch den Kriegstanz mit Bogenschießen bevor wir eine Zeremonie vorgeführt bekommen, die nur ganz selten tatsächlich praktiziert wird, nämlich dann wenn ein neuer Chief das Amt von seinem Vater übernimmt. Bei diesem Anlass werden sehr viele Schweine geschlachtet und das ganze Dorf tanzt mit, normalerweise die ganze Nacht hindurch, und dazu wird viel Kava getrunken – auch wir dürfen mittanzen, allerdings nicht ganz so lange und statt der Schweine müssen dieses Mal symbolisch ein paar Kokosnüsse herhalten.

Die Männer der Big Nambas tragen einen breiten Gürtel in dem frische grüne Zweige stecken, vorne haben sie rot gefärbten Pandanusblätter, die einen Penisköcher bedecken. Nur die Männer tragen diese roten Pandanusblätter, die Jungs begnügen sich mit grünen Zweigen. Auf dem Kopf tragen sie einen schönen Federschmuck, eine einzelne Feder oder ein ganzes Büschel von Hahnenfedern. An den Füßen haben sie rasselnde Nuss-Schalen umgebunden, die bei den Tänzen zusätzlich für Rhythmus sorgen. Das Besondere bei den Big Nambas ist wohl auch die unterschiedliche Bemalung der Körper zu den entsprechenden Tänzen, mit Kokosnuss-Öl und Asche eingerieben sehen sie gespenstisch grau aus, mit gelber Farbe (Gelbwurzel oder Lehm?) haben sie auf einmal eine ganz hellere Hautfarbe und beim Kriegstanz sind sie ganz schwarz.

Die Frauen wiederum haben fein geflochtene Matten aus rot gefärbtem Pandanus umgebunden, die verheirateten Frauen tragen zudem noch eine Art Matte aus dem gleichen Material auf dem Kopf, lange Fäden der Matten bedecken die Brüste.

Hier ein paar Impressionen dieses ganz besonderen Tages!


Begrüßung


Chief

 


Laplap, in Bananenblätter gebackener Brei und Fleisch, dazu frische Kokosmilch


Bunte Süßkartoffeln mit Tomaten, auch in Bananenblättern gebacken


Teufel


Verabschiedung!


Zaungäste

Dorfleben

Von der Insel Efate mit der Hauptstadt Port Vila segeln wir in Tagesetappen weiter nördlich, den steten Süd-Ost-Passat nutzend. Wir gönnen uns ein paar Tage Strandurlaub vor dem Inselchen Lelepa, machen einen Zwischenstopp auf der Insel Emae, und erreichen schließlich die Insel Epi. Hier ankern wir in der Revolieu Bucht, seitlich etwas geschützt durch ein breites Riff.

Ganz verdeckt von dichtem Grün und hohen Bäumen liegt das Dorf. Nur am Rauch, der gegen Abend hoch steigt, und an den vielen Kindern, die am Strand entlang laufen, ist zu erkennen, dass dahinter Menschen wohnen.

Am nächsten Vormittag fahren wir mit dem Dinghi an Land, finden einen Fußweg durch das Dickicht und stehen schon nach wenigen Schritten vor der Wasserpumpe des Dorfes. Eine Frau weicht dort Wäsche ein, begrüßt uns ganz herzlich und stellt sich als Lily vor. Sie spricht gut Englisch und fragt uns gleich, ob wir ein paar Süßkartoffeln bräuchten und bittet uns, ihr zu ihrem Haus zu folgen. Wir überqueren einen breiten Weg aus Sand und Kies mit zwei tief eingefahrenen Radspuren, es ist die Hauptstraße der Insel, ein Rundweg, der die einzelnen Ortschaften an der Küste miteinander verbindet.

Kleinere und größere Häuser liegen inmitten von gepflegten Gärten, schmale Wege und manchmal auch ein Zaun aus Blumen und niedrigen Sträuchern trennen die Höfe voneinander. Die meisten Häuser haben Dächer aus Palmenwedel und schön geflochtene Seitenwände, manchmal auch ein Wellblech-Dach und ab und an sieht man ein gemauertes Gebäude. Überall Blumen, rosa und orange blühende Bougainvillea-Sträucher, auch Gemüse und viele Bäume mit Zitrusfrüchten dazwischen. Hühner laufen frei herum, kleine Kinder schauen uns neugierig nach, die Großen sind alle noch in der Schule. Lily besitzt ein Haus zum Kochen und Arbeiten und eines in dem die ganze Familie schläft, daneben ein gemauerter Ofen zum Backen.

An ihrem Haus rankt sich eine Pflanze hoch mit einer Frucht, die aussieht wie eine Mischung aus Zucchini und Bohne. Lily zupft sie für uns ab und erklärt uns, wie man die zubereitet.

Wir gehen mit ihr weiter durch das Dorf, begrüßen ihre Schwiegermutter, eine ehrwürdige weißhaarige Dame, kommen an der Kirche vorbei, ein einfaches Haus mit Strohdach und halb offenen Wänden. Daneben wird die neue Kirche gebaut, aus Betonziegeln, sie ist erst zur Hälfte fertig. Lily führt uns zum Fluss, der neben dem Dorf entlang fließt und weiter unten im Meer mündet, zu einer Stelle, wo Wasserkresse wächst, weil sie weiß, dass auch die Segler diese gerne als frischen Salat zu schätzen wissen. Und ja, sehr gerne dürfen wir uns Trinkwasser in unsere Kanister abfüllen und wie alle anderen im Dorf, im Fluss unsere Wäsche waschen…

Lily ist 36 Jahre alt, hat sechs Kinder, der älteste Sohn  ist schon verheiratet, die etwas jüngere Tochter auch, eines der Kinder, ein 7jähriger Junge ist adoptiert. Und ihr jüngstes Kind ist gerade mal 1 Monat alt! Am Nachmittag bringen wir ein paar Sachen für ihr Baby und bekommen zu den Süßkartoffeln noch einen dicken Bund Frühlingszwiebeln mit. Ihre Tochter ist gerade da, sie hat ein 3 Monate altes Mädchen. Und so sitzen Mutter und Tochter nebeneinander und stillen ihre Babies!

In diesem Dorf entdecken wir ein großes neues Gebäude aus stabilen Betonziegeln mit Dach, davor eine schön angelegte Grünanlage. Es ist ein Schutzhaus für die Bewohner der Ecke: sollte wieder ein Zyklon über die Inseln hinweg fegen, haben sie hier ein festes Dach über dem Kopf mit Behandlungsräumen und Sanitäranlagen dazu. 2016 hatte der Zyklon Pam in Vanuatu so ziemlich alle Häuser zerstört, Bäume umgeknickt und sehr viel Schaden angerichtet.

In diesem Haus haben wir ein Ehepaar kennen gelernt, die beiden teilen sich das Büro: Tousil ist Verwaltungsangestellte für den Bezirk und ihr Mann Basil arbeitet für die Entwicklungshilfe der UNO und andere Hilfsorganisationen, koordiniert den Bau von befestigten Brücken, Straßen, die Aufforstung der Küste, um der Erosion vorzubeugen uvm. Die beiden freuen sich über unseren Besuch und unsere vielen Fragen und können uns sehr viel über Land und Leute erzählen.

Am nächsten Tag wollen wir etwas herumlaufen, wandern bis zum nächsten Dorf, wo es eine Schule gibt und wir ein paar Hefte und Stifte abgeben können. Wir brauchen etwa eine halbe Stunde bis dorthin, für viele Kinder ist das der tägliche Schulweg. Mit Spielen und etwas Trödeln brauchen sie viel länger, erzählen uns ein paar Mütter.

Wir kommen an vereinzelten kleinen Siedlungen vorbei, wo man uns überall fröhlich zu winkt oder neugierig heran kommt, um uns zu begrüßen und zu fragen, woher wir kommen. Dazwischen liegen kleine Gärten mit Taro und Süßkartoffeln, Zitronen-, Orangen-, Mandarinen- und Pampelmusen-Bäumen und eine langgezogene Plantage mit Kokospalmen. Im Prinzip sind alle Selbstversorger und um das Schulgeld aufzubringen, müssen sie Kopra machen, also reife Kokosnüsse spalten, das Fleisch heraustrennen und trocknen. Nur ist der Preis für Kopra im letzten Jahr stark gefallen und viele bangen, ob sie das Schulgeld überhaupt aufbringen können.

In der Schule ist gerade Mittagspause und sofort sind wir von einer ganzen Kinderschar umringt, die kichern und sehr neugierig sind und sich erst kaum trauen, mit uns zu reden. Das legt sich aber schnell und irgendwie schaffen wir es, mit einer Mischung aus Englisch und Bislama und mit Händen und Füssen uns zu verständigen. Und haben viel Spaß dabei!

Am dritten Tag in dieser Bucht sind wir mit Tousil und Basil verabredet. Wir wollen eine unserer alten Bordbatterien der Krankenstation der Insel vermachen und sie organisieren einen Transport dafür. Es ist Freitag, und der Tag, an dem die staatlichen Angestellten alle zwei Wochen ihren Lohn ausgezahlt bekommen und diesen dann gleich für Einkäufe nutzen. Also sind auf der Insel überall kleinere oder größere Marktstände aufgestellt. Auch in unserem Dörfchen in der Bucht sitzen in der Früh schon drei Frauen in dem überdachten Stand und haben auf ihren Matten ihr Gemüse ausgebreitet. Mittags gibt es Lunchpakete zu kaufen und Krapfen und sogar Kaffee aus der Thermoskanne. Bei dieser Gelegenheit lernten wir auch den Dorf-Chef kennen, er war am Vormittag im „Nakamal“, dem traditionellen Versammlungshaus, mit einer Adoptions-Zeremonie beschäftigt.


Nakamal

Geld gibt es in einem Ort eine knappe Stunde mit dem Auto weit weg, in der einzigen Bank der Insel. Dort stellt sich Tousil bei der Bank an und wir schauen schon mal zum Markt nebenan. Hier gibt es alles in großen Gebinden, selbst geflochtene Körbe aus Palmenblättern voller Süßkartoffeln, Orangen oder Pampelmusen, große Stauden mit Kochbananen. Die Leute kaufen ein und beladen die Ladeflächen der Trucks, wir ebenfalls. Dann müssen wir auf Tousil warten, knabbern Erdnüsse und leckere Bananenchips, unterhalten uns mit ihrem Mann und schauen dem Treiben zu. Es dauert, denn von den zwei Bankbeamten darf nur einer Geld auszahlen, es wollen heute aber alle Lehrer und Angestellten ihr Gehalt haben! Auf dem Rückweg halten wir ein paar Mal an, um die Mitfahrer mit ihren Einkäufen abzuladen, dann bei einem Laden, wo gerade in der Früh ein Rind geschlachtet wurde und die Fleischstücke an der Luft hängen. Wir kaufen auch was davon (es schmeckt hervorragend gut, kein Wunder, die Rinder hier laufen frei herum und knabbern wahlweise an frischem Gras oder Kokosnüssen).

Am Ende des Tages sitzen wir noch mit unseren neuen Freunden Tousil und Basil am Strand und schauen der untergehenden Sonne zu und sind einfach nur glücklich und dankbar für all diese schönen Begegnungen.

Lukim yu! Auf Wiedersehen!

Weniger gibt mehr

Wir stellen uns vor: ein dunkelhäutiger Mann wandert durch ein kleines Dorf in Deutschland. Ein Einheimischer werkelt in seinem Garten und spricht ihn lächelnd an. Woher er komme? Oh, aus Melanesien – wie interessant! Von so weit her! Ob er Familie habe? Er selbst habe drei Söhne und zwei Töchter. Da kommen sie auch schon dahergelaufen, etwas scheu dem Fremden gegenüber, aber fröhlich und neugierig. „Hier sind ein paar Möhren und Kartoffeln aus meinem Garten. Die Zwetschgen sind leider noch nicht reif. Du kannst gerne überall herumlaufen und Dir alles anschauen. Das hier ist mein Haus, da drüben wohnen meine Nachbarn. Komm, Sohnemann, pflück‘ unserem Besucher schnell noch ein paar Äpfel! Und meine Tochter zeigt Dir den Weg durchs Dorf.“

Am Marktplatz kommt der Fremde mit ein paar Marktfrauen ins Gespräch. Sie unterhalten sich über das Leben in Deutschland und in Melanesien, über Schulgeld, Familie und Arbeit. Bald bieten ihm die Marktfrauen ein paar Päckchen ihrer Waren an. Was er dafür zahlen solle? „Nein, gar nichts! Du hast uns doch Deine Geschichten geschenkt.“

Ein Märchen? Ja schon, aber man muss nur die handelnden Personen vertauschen, schon wird es Wirklichkeit. Wenn Birgit und ich durch ein neues Dörfchen in Vanuatu gehen, kommen wir fast immer voll beladen heim. Ein paar Grapefruits, Papaya, ein paar Bananen, Kürbisse, was eben im Garten gerade so wächst. Auf dem Markt bekommen wir Tomaten, Bohnen und einen Bund Frühlingszwiebeln geschenkt. Mittlerweile sind wir vorgewarnt und haben immer ein paar Geschenke unsererseits dabei. Ein Tütchen Reis, eine Packung Wäscheklammern, ein abgelegtes T-Shirt – alles wird hier gebraucht und sorgt für Freude.

Wir haben auf unserer Reise ja schon viele sehr freundliche und hilfsbereite Menschen und Länder getroffen, aber Fröhlichkeit und Entgegenkommen der Menschen in Vanuatu sind einfach umwerfend. Schade, dass wir nur fünf Wochen hier verbringen werden. Wir sind uns einig: Vanuatu gehört auf die Liste der Orte, an die wir gerne noch einmal zurückkehren möchten.

Bislama

In Vanuatu werden um die 180 verschiedene Sprachen gesprochen. Selbst von Dorf zu Dorf kann der Unterschied so groß sein, dass man einander nicht versteht, wurde uns versichert. Aus Melanesien haben sich vor etlichen tausend Jahren in mehreren Wellen wagemutige Menschen auf den Weg gemacht und die Inseln besiedelt. Sie brachten bereits unterschiedliche Sprachen mit, im Laufe der Jahrhunderte lebten die Einwohner hier recht abgeschlossen in ihren Dorf- und Stammesstrukturen, was die Entwicklung von unterschiedlichen Sprachen noch mehr befördert.

Es waren die ersten europäischen Segelboote, die sich mit einer einfachen Sprache behalfen, um mit den Einwohnern zu kommunizieren. Später, während der Kolonialisierung der Südsee holten sich die Plantagen- und Minenbesitzer Arbeitskräfte von Papua Neuguinea, den Salomonen und von den Neuen Hebriden (Vanuatu) auf die Inseln und nach Australien, weniger mit Versprechungen als mit Gewalt. Und so entwickelte sich ziemlich schnell eine einfache Verkehrssprache, ein verballhorntes Englisch mit etwas französischem Einschlag. Auch die Missionare verwendeten diese Sprache und übersetzten Bibel und Gesangbücher für die Einheimischen in „Bislama“, wie es in Vanuatu heißt, oder „Tok Pisin“ bzw. „Pidgin English“ in Papua Neuguinea und „Pijin“ auf den Salomonen.

Der Wortschatz ist nicht besonders umfangreich, darum braucht man einiges Geschick, um verschiedene Sachverhalte auszudrücken, viele Wörter werden mit „blong“ zusammengesetzt, das Wort „long“ wird auch sehr häufig verwendet, um Richtungen, Beziehungen usw. anzugeben. Auf den ersten Blick erscheint es ganz einfach, auch gibt es nicht so komplizierte Verbformen und Konjugationen wie z.B. im Französischen oder Spanischen. Und trotzdem hat es seine Tücken, denn die Satzstruktur ist melanesischen Ursprungs und muss von uns erst verstanden werden. Langsam gesprochen und aufgeschrieben erschließt sich manches von selbst. Man muss es sich manchmal laut vorlesen, denn die Wörter, die aus dem Englischen stammen, werden genauso geschrieben, wie sie ausgesprochen werden und nicht in der gebräuchlichen englischen Orthographie.

Hier ein paar Beispiele: Das Cafe „Nambawan“ bedeutet „Number One“ = Nummer 1

Die öffentliche Bibliothek von Port Vila: „Pablik Laebri blong Port Vila“

Und hier das weltweit bekannteste Weihnachtslied: Stille Nacht, Heilige Nacht. Vom Deutschen ins Englische und vom Englischen in Bislama übersetzt, spricht der Text für sich. „Pikinini“ ist das Wort für Kind, und „Pikinini blong God“ ist Jesus, das Kind Gottes.

Hier die englische Fassung der ersten Strophe:

Silent night, holy night!
All is calm, all is bright
Round yon Virgin, Mother and Child
Holy Infant so tender and mild
Sleep in heavenly peace
Sleep in heavenly peace

Und hier die Fassung in Bislama:

Kwaet naet! Tabu naet
Taem is gud, skae is laet
Raonabout long yangfala pel
Wetem pikinini y blong hem
Pikinini blong God,
Slip long pis ya blong hem.

Aus dem Gesangbuch der Presbyterianischen Kirche „Ol sing blong niu laef“, Buk fo = Buch vier

Ein Band zum Tag des Kindes in Port Vila

Die Bitte um Sauberkeit in der öffentlichen Toilette an der Uferpromenade:

Heute spricht ein Ni-Vanuatu, so nennen sich die Einwohner von Vanuatu, mindestens zwei Sprachen, meistens sogar drei oder vier: nämlich erstens die Sprache seines Dorfes bzw. der Region, dann Bislama und schließlich Englisch oder Französisch, je nachdem ob er oder sie in einer englischen oder französischen Schule war. Beeindruckend!

Das fand bereits Georg Forster vor mehr als zweihundert Jahren, als er auf der „Resolution“ mit Kapitän James Cook unterwegs war und sie auf der Insel Malekula auf Einheimische trafen:

„Hier lernten wir sie als das verständigste und gescheuteste Volk kennen, das wir noch bis jetzt in der Süd-See angetroffen hatten. Sie begriffen unser Zeichen und Gebehrden so schnell und richtig, als ob sie schon wer weiß wie lange mit uns umgegangen wären; und in Zeit von etlichen Minuten lehrten auch sie uns eine Menge Wörter aus ihrer Sprache verstehen. […] Bey ihrer angebohrnen Neigung zum Plaudern, geriethen wir gleich ins Gespräch mit einander und ließen uns in ihrer Sprache Unterricht geben. Sie wunderten sich, daß wir die Wörter so schnell ins Gedächtniß faßten, und schienen eine Weile nachzudenken, wie es zugehen mögte, daß man den Klang der Worte durch Bleystift und Papier ausdrücken könne. So emsig sie einer Seits waren, uns ihre Sprache zu lehren; so neugierig waren sie anderer Seits auch, etwas von der unsrigen zu lernen, und sprachen alles was wir ihnen davon vorsagten, mit bewundrungswürdiger Fertigkeit ganz genau nach. Kaum hatten wir ihnen die Namen unsrer Zahlen vorgesagt, als sie solche sehr schnell an den Fingern wiederholten; kurz: was ihnen an cörperlichen Vorzügen abgieng, wurde durch ihren Scharfsinn reichlich ersetzt.“

(Zitat aus: Georg Forster: Reise um die Welt. Insel Taschenbuch 757. Frankfurt am Main, 1967. S. 683 bzw. S. 688)