Amakusa-jima

Die Insel Amakusa ist weder in den Reiseführern beschrieben noch in den Blogs der Japan-Segler zu finden. Wir sind einfach durch Zufall darauf gestoßen, dass diese Insel für ihr weißes Porzellan berühmt ist. Von China über Korea kam das Wissen über diese Kunst nach Japan und nachdem man auf Amakusa auch die richtigen Zutaten in der Erde fand, entstanden hier bereits vor mehr als vierhundert Jahren mehrere Töpfereien.

Da wir beide uns sehr gerne schöne Keramik anschauen und diese Insel sowieso auf dem Weg liegt, wollen wir dort vorbei schauen. In zwei Tagesetappen sollten wir dort sein.
Am 24. März in der Früh machen wir die Leinen los vom Hotelsteg in unserem Fischerdörfchen, es ist ein sonniger und windstiller Tag, wir müssen die ganze Strecke bis zur nächsten Insel Kami Kochiki durch tuckern. Wir kommen gerade bei Niedrigwasser an und die Kaimauern im Hafen von Sato sehen unüberwindlich aus, 2-3 Meter kann ich unmöglich mit den Leinen hoch springen, Leitern gibt es auch keine, da wo man anlegen könnte. Also beschließen wir, im Hafenbecken zu ankern, es ist genug Platz da.

Am nächsten Tag gehen wir schon um 6.00h morgens Anker auf und tuckern weiter. Vier Stunden später geht unterwegs auf einmal der Motoralarm los, das Kühlwasser läuft nicht mehr richtig durch. Ein Blick in den Kielkasten zeigt: beim Zulauf schwimmt störrisches Seegras, das haben wir wohl in Teilen mit eingesaugt. Andreas bekommt mit Hilfe des Bootshakens einen Teil der Pflanzen raus, den Rest müssen wir von Innen mit einer Luftpumpe raus pusten. Zwei Mal lassen wir den Motor an, zwei Mal holen wir aus dem Filter weitere Pflanzenteile raus, bis das Kühlwasser endlich wieder in der gewünschten Geschwindigkeit durch fließen kann. Wie gut, dass es den Impeller dabei nicht zerlegt hat.

Trotz dieser Unterbrechung kommen wir schon gegen 15.00 Uhr auf der Insel Amakusa an und werfen den Anker in der Bucht vor dem Ort Takahama. In den kleinen Fischereihafen können wir leider nicht rein, er ist nicht tief genug für die Muktuk. Es regnet und ist recht unfreundlich, aber wir wollen trotzdem an Land. Gut eingepackt in Regenzeug stiefeln wir durch den Ort. Er hat auch bei diesem Wetter seinen eigenen Charme, viele schöne Holzhäuser, und schon die erste Brücke ist mit einer weiß-blauen Porzellanvase geschmückt.

In einer Seitenstraße entdecken wir einen Tempel, gehen die Treppen hoch und schauen durch die Fenster rein. Da kommt auch schon der Mönch und öffnet die Schiebetüren. Sichtlich erfreut über diesen seltenen Besuch bittet er uns, herein zu kommen, eine Einladung, die wir sehr gerne annehmen. Es ist ein schöner eindrucksvoller Raum mit Tatami-Matten ausgelegt, zwei Reihen mit niedrigen Bänken stehen vor dem großen Altar, eine reichlich verzierte Lampe hängt von der Decke. Mit Hilfe unseres Handys können wir uns ein bisschen verständigen und der Mönch führt uns zum Schluss noch ein Gebet vor mit Gesang, Klangschalen und Trommel. Wir sind sehr beeindruckt und berührt.

Am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne, wir stehen sehr früh auf und gehen noch einmal in den Ort, dieses Mal zur Töpferei Juhougama. Der Laden hat eine große Auswahl an Porzellanwaren – Teller, Tassen, Vasen, sogar Ingwer-Reiben. So viele schöne Stücke, am liebsten würde ich einen ganzen Korb voll füllen und mitnehmen. Das Museum nebenan hat zahlreiche alte Keramiken ausgestellt, viele mit dem traditionellen Motiv einer stilisierten Seegras-Blume versehen. Dieses Motiv wird neben anderen auch heute noch von dieser Töpferei verwendet.


Traditionelles Motiv


Teeschale mit Gebrauchsspuren im Museum


Der Garten des Museums


Vasen im Laden


Ingwer-Reiben

Eigentlich wollten wir an diesem Tag noch zu einen anderen Ort auf der Insel fahren und dort weitere Töpfereien besuchen, aber das Wetter spielt leider nicht mit, eine Winddrehung ist vorhergesagt. Wir beeilen uns, um rechtzeitig wieder an Bord zu kommen. Der Wind weht schon in die Bucht rein und die Muktuk tanzt schon ganz ordentlich in der Welle, wir schaffen es gerade noch so, an Bord zu gehen. Schnell holen wir das Dinghi an Deck und gehen Anker auf. Nächstes Ziel – Nagasaki!

Von Okinawa nach Kagoshima


14. – 24. März 2019

Das Wetter hält, was es verspricht und nach fast genau 36 Stunden sind wir von Okinawa mit nur einer Nachtfahrt auf der Insel Amami angekommen. Im Süden der Insel gibt es einen Kanal der die Hauptinsel von einer kleinen Inselgruppe trennt. Wir tuckern da durch, viele kleine Fischerboote sind unterwegs, Personenfähren kreuzen unseren Weg. Im Kanal pfeift der Wind ganz ordentlich und es regnet dazu noch. Wir biegen in eine der vielen kleinen Buchten ab und machen an einer Boje in einer ganz gut geschützten Ecke fest und auf einmal sind die Wolken und der Regen weg, die Sonne kommt heraus.

Mit einer Tasse Kaffee in der Hand sitzen wir in der Sonne an Deck, wenig später, um 17.00 erklingt aus den Lautsprechern vom Land her eine schöne Musik. So werden die Anlangen wohl täglich getestet, die im Ernstfall vor Erdbeben und Tsunamis warnen sollen. Aber auch morgens um sieben Uhr erklingt Musik und auch die eine oder andere Durchsage auf Japanisch hören wir tagsüber und wüssten gerne, was sie uns mitteilen möchten.

Vier Tage bleiben wir hier und warten auf das nächste Wetterfenster. Andreas repariert zum wiederholten Mal den Motor des Bugstrahlruders und versucht, ein paar Fische zu angeln. Vor uns liegt ein Dörfchen, mit einem schmalen Fluss und Fußgängerbrücken darüber. Auf den ersten Blick wirkt es wie ausgestorben, aber es leben doch einige Leute hier, viele haben kleine Gärten mit Zwiebeln, Kohl, Lauch und Möhren darin, dazu Obstgärten mit Orangen und Grapefruitbäumen. Und eine Wiese mit Ziegen, die ganz aufgeregt blöken, als wir vorbei kommen.

Wir spazieren auch mal bei Niedrigwasser am Ufer der Bucht entlang, über Felsen und Steine, ab und zu gibt es einen kleinen Sandstrand, und neben angeschwemmtem Holz finden wir hier auch viel anderes Strandgut, Plastik in allen Formen und Farben. Sogar noch mehr von den dicken großen Styropor-Fendern, wie wir einen aus dem Meer gefischt hatten.

Andreas tüftelt eine Route aus, bei der wir einen Bogen fahren und innerhalb von gut zwei Tagen zum Festland kommen können. Es klappt, der Wind hält sich in Geschwindigkeit und Richtung bis fast zuletzt an die Vorhersage und wir sausen bei 6-7 Bft und meist Halbwindkurs nur so dahin, es schüttelt uns nur am ersten Tag bei 3m Welle etwas durch.

Am 21. März nachmittags, erreichen wir endlich das Festland Japans und machen die Muktuk an einem Hotelsteg fest. In der südwestlichsten Ecke der Region von Kagoshima befindet sich in einem kleinen Fischerdorf namens Nomaike ein schönes modernes Hotel, das Kasasa Ebisu, das eben einen Steg für Segler bereit hält. Wir melden uns an der Rezeption an und freuen uns schon auf unseren ersten Besuch in einem Onsen, dem traditionellen japanischen Badehaus. (Dazu später mehr).

Danach feiern wir unsere Ankunft bei einem schönen Abendessen im Restaurant des Hotels mit einer großen Platte Sashimi, zu der es allerlei leckere Beilagen gibt, u.a. eine feine Misosuppe, eingelegtes Gemüse und alles wunderschön angerichtet. Wir bestellen dazu Shochu, eine Art Schnaps, der in dieser Gegend aus Süßkartoffeln gebraut wird. Wir lassen uns vom Kellner beraten, welche der vielen Sorten auf der Speisekarte am besten schmeckt und wie man ihn am besten trinkt: nämlich verdünnt mit heißem Wasser aus der Thermoskanne. Er freut sich sichtlich, dass wir alles so genießen und bringt uns zwischendurch ungefragt noch je ein Gläschen Sake und zuletzt noch ein Glas Bier. Wie gut, dass wir nach so viel Hochprozentigem nur einen kurzen „Heimweg“ haben.

Am nächsten Tag laufen wir durch den Ort, dessen Häuser sich im Wesentlichen um das große Hafenbecken entlang gruppieren. In einer Ecke werden große Wellenbrecher aus Beton in Formen gegossen, eine weitere Schutzmauer gegen die Wellen wird gerade gebaut um die Fisch- bzw. Muschelfarmen zu schützen. In einer Halle am Ufer stehen ein paar Fischer und unterhalten sich, gegenüber befindet sich der kleine Supermarkt. Wir gehen weiter, auch hier sind überall Frühlingsblumen zu sehen und viele kleine Gärten mit Gemüse. Wir sind auf der Suche nach einer Tankstelle, die es hier am Hafen irgendwo geben soll. Ein paar Tanks sehen wir, aber niemand ist da. Aber ein paar hundert Meter weiter, in dem Büro der Fischfarm, sitzen vier junge Männer. Wir klopfen an und fragen, ob einer von ihnen vielleicht Englisch spricht und wo man Diesel bekommen könnte. Mit Hilfe der Mobiltelefone bzw. der Übersetzungs-Apps können wir uns verständigen – einer der jungen Männer hängt sich ans Telefon und organisiert alles. Zwei Stunden später kommt ein kleiner Tankwagen zum Hotelsteg angefahren, einer der jungen Männer kommt mit dem Motorboot angesaust und beide helfen uns, Diesel in Kanistern zum Boot zu bringen.

Wir entschließen uns, am nächsten Tag doch nach Kagoshima Stadt zu fahren, auch wenn es mit dem Bus mit einmal Umsteigen drei Stunden lang dauert, nur die einfache Fahrt gerechnet. Auf der Strecke an der Küste entlang haben wir atemberaubende Aussichten auf Felsen und Meer, und auch die Hügel im Landesinneren mit den blühenden Pflaumenbäumen, feine weiße Tupfer im frühlingshaften Grün, sind schön anzusehen.

Vom zentralen Busbahnhof in Kagoshima erreicht man einen schönen Park am Fluss, wo man an Schautafeln und Skulpturen entlang gehen und über die Geschichte der Samurai und ihre Ausbildung in speziellen Schulen einiges lernen kann. Die berühmtesten Samurais werden auch heute noch verehrt. Wir kommen zum Museum der Meiji-Restauration und gerade rechtzeitig zu einer Multimedia-Show, die über die Kriegswirren ab der Mitte des 19. Jahrhunderts vom Ende der Edo-Zeit und Beginn der Meiji-Ära berichtet, als Japan sich nach 250jähriger Isolation wieder der Welt öffnete. Wir können die Handlung mit Kopfhörern zwar auf Englisch mit verfolgen, aber wir blicken trotzdem nicht ganz durch, denn die vielen Samurai, Fürsten und ihre Ratgeber, mal als Verbündete, dann wieder als Gegenspieler sind uns alle unbekannt. Wir bräuchten mehr Hintergrundwissen zur Geschichte Japans. Wir verstehen, dass es ziemlich kompliziert war und nicht einfach für die Befürworter der Vereinigung und Öffnung Japans sich gegen die Traditionalisten durchzusetzen.

Uns bleibt noch Zeit, durch die Stadt zu laufen, in einem Nudellokal zu Mittag zu essen, in der Einkaufspassage in ein paar Schaufenster zu schauen und am Fluss in der Sonne einen Kaffee zu genießen, bevor wir den letzten Bus zurück zu unserem Fischerdörfchen nehmen. Und wir kommen rechtzeitig zurück, um uns noch einmal im Onsen des Hotels richtig aufzuwärmen.


Der aktive Vulkan Sakurajima gegenüber der Stadt

Semiotische Verwirrungen

Eines der Probleme für uns in Japan ist die hartnäckige Verwendung des Japanischen durch die heimische Bevölkerung. Und das gleich auf drei Ebenen.

Als erstes wäre da die gesprochene Sprache. Bisher haben wir wirklich kaum Japaner getroffen, die auch nur minimale Englischkenntnisse haben (oder zugeben würden). Wir mit unserer Handvoll Brocken auf Japanisch (hallo, bitte, danke, wo ist, gibt es, ich möchte, ja, nein, lecker, ich spreche kein Japanisch) kommen auch nur in sehr einfachen Gesprächssituationen klar, allerdings meist zur Erheiterung der Japaner. Was oft weiterhilft, ist der Google Übersetzer auf dem Smartphone, der einfache Unterhaltungen hin und her dolmetscht. Toll, diese Technik.

Als zweites die Schrift. Um die Sache möglichst unübersichtlich zu machen, verwenden die Japaner ja nicht nur ein unlesbares Alphabet, sondern gleich drei davon (Hiragana, Katakana und Kanji). Keines davon können wir auch nur ansatzweise entziffern, und so bleiben Busfahrpläne, Beschriftungen und Speisekarten meist unverständlich. Hier kommt uns ebenfalls die Technik im Smartphone zu Hilfe, denn Google übersetzt auch den mit der Kamera aufgenommenen japanischen Text. Bei handgeschriebenen Zeichen oder stylischen Schriftarten scheitert das Programm allerdings.

Im Falle der Speisekarten gibt es weitere Hilfsmittel. Zwar versucht man ja normalerweise aus kulinarischen Gründen Lokale zu vermeiden, die Fotos ihrer Gerichte auf den Speisekarten abdrucken, in Japan ist das aber nichts Ehrenrühriges und wir nehmen die Hilfestellung für Analphabeten gerne an. Es geht aber noch besser: Japan ist absoluter Weltmeister in der Disziplin Plastikessen. Es gibt hier Firmen, die Speisen derart täuschend echt in Kunststoff nachbilden können, dass man ihren Geruch schon vom Ansehen in der Nase hat. Diese Plastikversion der Gerichte wird im Schaufenster ausgestellt, und das durchaus nicht nur in billigen Touri-Fallen.

Es bleiben aber oft genug Restaurants übrig, wo es weder Bilder noch 3D-Drucke der Gerichte gibt und das Verhältnis von Bestellabsicht zu geliefertem Essen von Überraschungen geprägt ist. Macht auch nichts, wir lernen ja gerne Neues kennen.

Die dritte Ebene der mangelnden Orientierung ist etwas schwieriger zu beschreiben. Bewegt man sich in Deutschland durch eine Stadt, so kann man meist unmittelbar wahrnehmen, ob es sich bei einem Laden um einen Bäcker, einen Metzger oder ein Reisebüro handelt. Dafür muss man weder die Beschriftung des Geschäfts lesen noch den Inhalt des Schaufensters sehen. Allein die visuelle Signatur verrät einem: „so sieht ein Bäcker aus“. Dieser Referenzrahmen fehlt uns in Japan. Bäcker, Metzger und Reisebüros sehen hier so komplett anders aus, dass wir oft ein Geschäft erst betreten müssen, um festzustellen, worum es sich handelt (und selbst dann sind wir oft am Rätseln).

Es kommen freilich auch andere Interpretationsfehler dazu: Anfangs war ich überrascht, dass es so viele Schuster in Japan gibt. Irgendwann habe ich dann kapiert, dass die vielen Schuhe im Schaufenster nicht zum Verkauf stehen. Es kann z.B. ein Kindergarten oder ein Büro sein, wo man sich beim Betreten die Schuhe auszieht und diese in einem Regal abstellt. Eigentlich logisch.
Zum Abschluss noch ein kleines Quiz: Worum handelt es sich bei den folgenden Geschäften?

Auflösung (von oben nach unten): Friseur, Bekleidungsgeschäft, Tierklinik, Bäckerei

Der königliche Garten Shikina-En auf Okinawa

Zum Frühling in Okinawa gehören auch regnerische Tage mit viel Wind, an denen wir die Leinen verstärken müssen, Muktuk zieht und zerrt am Steg mit der Kraft ihrer 26t. Da blieben wir lieber im Boot und kümmerten uns um die Muktuk, hatten viel Zeit, um im Internet zu recherchieren, Bücher zu lesen und uns auszuruhen.

Doch mit dem ersten Sonnentag machten wir uns auf zu einem weiteren Ausflug mit den Fahrrädern. Dieses Mal zum Shikina-En Garten der Ryukyu-Könige, gegen Ende des 18. Jahrhunderts gebaut bzw. angelegt.

Shikina-En ist eine Art ganzjährliche Sommerresidenz der königlichen Familie gewesen, denn das Wetter in dieser subtropischen Gegend ist eigentlich immer sommerlich oder frühsommerlich warm. Ein zum Shuri-Palast vergleichsweise einfaches Haus ist umgeben von einem kunstvoll angelegten Garten von knapp 42.000 qm. Von der Hauptveranda des Hauses hat man einen wunderbaren Blick auf den Teich, über den zwei steinerne Brücken führen und einem kleinen Pavillon nebenbei. Eine grüne Lunge, die heute von Wohngebieten und Schnellstraßen eingefasst ist.

Der Garten diente früher zur Erholung der königlichen Familie, aber auch ausländische Gäste wurden gerne hierher eingeladen. Auf einer  Anhöhe am Rande des Parks steht ein kleiner Pavillon, der den Blick frei gibt auf die umliegenden Täler und Hügel. Ausnahmsweise ist kein Meer zu sehen. Zu diesem Aussichtspunkt wurden in den vergangenen Jahrhunderten bevorzugt Gäste aus China geführt, um ihnen zu zeigen, wie groß Okinawa sei, so weit das Auge reicht, nur Land und kein Meer!

Auch diese Anlage wurde während der Schlacht von Okinawa zerstört, konnte aber in den 1970er Jahren wieder aufgebaut werden. Heute gehört der Garten ebenfalls zum Weltkulturerbe.

Wir laufen den Garten ab, immer den Wegweisern nach, die uns damit auf einen schönen geschlängelten Rundgang führen. Wir dürfen im Haus alle Räume betreten, nachdem wir vorher die Schuhe an der Treppe ausgezogen haben und bewundern auch hier wieder die eigentümliche warme Ausstrahlung der Holzkonstruktion und die Schlichtheit und Schönheit der Innenräume.

Es ist eine Ruhe und Abgeschiedenheit in diesem Garten und im Haus, man fühlt sich ein bisschen wie aus dem Jahrhundert gefallen.

Doch auch damals wie heute muss man zwischendurch was essen, und so gehen wir anschließend zu einem kleinen Nudellokal, das wir unweit des Gartens entdeckt haben. Das Wetter ist zu schön, um drinnen zu sitzen.  Wir setzen uns raus an den Tisch, wo schon zwei Männer unter dem Sonnenschirm ihre Nudelsuppe löffeln. Sie lächeln uns freundlich zu und bevor sie gehen, will der Banknachbar von Andreas unbedingt noch ein Foto von mit ihm.


Ohaio! Eine Kindergartengruppe unterwegs, wir winkten uns begeistert zu!

Wir haben viele ähnliche Begegnungen mit freundlichen und neugierigen Menschen, trotz aller sprachlichen Hürden. So z.B. trafen wir an einem anderen Tag eine kleine zierliche ältere Dame, die uns spontan zu sich nach Hause auf einen Kaffee einlud, als sie hörte, dass wir noch nie Karaoke mitgemacht haben. (Für das Nachtleben in Yonabaru waren wir abends einfach zu müde!). Im Erdgeschoß ihres Hauses hat sie einen gemütlichen Raum eingerichtet, mit einer Bar, ein paar niedrigen Tischen und viel Krimskram vom Flohmarkt, das den heimeligen Eindruck nur noch verstärkt. Das modernste im Raum ist die Karaoke-Anlage, auf der sie uns ein paar japanische Schlager vorspielt und sie erzählt in recht gutem Englisch, (sie lebte 10 Jahre in den USA), dass sich meistens am Nachmittag eine Damengruppe hier trifft und viel Spaß am Singen hat.

Am übernächsten Tag in der Früh schauen wir uns, wie jeden Morgen, die Wettervorhersage an: dieses Mal scheint es tatsächlich ein kleines Wetterfenster von eineinhalb Tagen zu geben, wo wir ausnahmsweise keinen Nordwind zu erwarten haben. Also entscheiden wir uns, am nächsten Tag ganz in der Früh los zu segeln. Und so nutzen wir den letzten Tag in Okinawa, um noch einmal Wäsche zu waschen und Proviant einzukaufen, füllen den Kühlschrank und die Netze mit frischem Obst und Gemüse und gehen noch einmal ins Ricchu Café zum Mittagessen.


In diesem Häuschen befindet sich das Ricchu Café, ein kleines Wohnzimmer mit vier Tischen


Jeden Tag gibt es ein Menü, heute: Suppe, Huhn auf Salat, Gemüse und Reis, ein Algenpudding, Tomatenkompott mit Zimt und Zucker und als Nachtisch ein Kuchen mit einer Tasse Tee.

Am Nachmittag verabschieden uns ganz herzlich vom Hafenmeister und seinen Mitarbeitern. Viel zu früh oder viel zu spät ziehen wir los, je nachdem, wie man es sehen mag: ich habe schon wieder angefangen, Wurzeln zu schlagen. In jedem Gespräch mit Henry, dem Hafenmeister, sagte er mindestens einmal, wir sollten doch einfach die nächsten Monate hier bleiben, am besten ein Jahr lang, das Wetter und das Essen seien doch so gut und ich könnte Deutsch unterrichten, wenn ich wollte.

Zum Abschied sagt er uns noch „I will never forget you!“ – Ich werde mich immer an euch erinnern. Wir auch!

Auf dem Weg zum Königsgarten kamen wir auchStaatlichen Archiv vorbei, das eine schöne und informative Ausstellung zur Geschichte der Insel mit vielen interessanten Dokumenten präsentiert.


Die Unterschrift des Königs


Das Siegel von Ryukyu, auf einer Keramiktafel im Foyer

Naha City, Okinawa

Im Internet studieren wir lange die Bus-Pläne, was gar nicht so einfach ist mit den japanischen Webseiten. Morgens stehen wir an der Haltestelle, gespannt darauf, ob das auch alles so klappt mit unserem Ausflug nach Naha. Eine ältere Dame stellt sich dazu, studiert den Fahrplan und wendet sich wortreich an uns, bevor sie weiter geht. Wir erwidern ihr Lächeln, können ihr aber nicht antworten, denn wir haben kein einziges Wort verstanden. Meinte sie etwa, der Bus käme nicht?
Der aber kommt pünktlich und wir fahren los. Wo Yonabaru aufhört und wo ein anderer Ort anfängt, ist überhaupt nicht zu erkennen, die Ortschaften gehen ineinander über. 80% der Bevölkerung von Okinawa wohnt hier im Süden der Insel, im Ballungszentrum um Naha herum. Wir sehen viele zweckmäßige Wohnhäuser, Einkaufszentren, Autohäuser, Betriebe, alles neu und nach den Zerstörungen der letzten Kriegsmonate nach und nach aufgebaut.
Am zentralen Busbahnhof in Naha steigen wir aus und finden schon nach wenigen Schritten ein nach außen hin unscheinbares aber im Inneren äußerst luxuriösen Kaufhauses im Stil der Galerie Lafayette. In einer der oberen Etagen bei der Haushaltsabteilung bewundern wir die schöne Alltagskeramik und das Regal mit den Stäbchen. Und passend dazu, befindet sich auf dieser Etage auch eine Abteilung mit Ständen, an denen allerlei Köstlichkeiten angeboten werden: im Waffeleisen gebackene salzige und süße Teilchen, mit Ingwer eingelegte kleine Venusmuscheln, Algen aller Art, ein in Fässern über Jahre gereifter Pflaumenessig, der ähnlich wie ein guter alter Balsamico schmeckt und ein Vermögen kostet. Überall an allen Ständen darf man probieren, was wir, genauso wie die japanische Kundschaft, ausgiebig tun – und wir sind hin und weg von den vielen so unterschiedlichen Geschmackrichtungen!


Muji-Produkte!

Aber eigentlich wollten wir zur Kokusai-dori, dem touristischen Zentrum der Stadt, einer 1,6 km langen Straße mit Läden und Restaurants, im Wesentlichen für die 6,5 Mio Touristen gedacht, die jährlich nach Okinawa kommen. Hier kann man sich mit allen möglichen Mitbringseln eindecken, die für Okinawa typisch sind, Bittergurken als Saft oder getrocknet, schwere dunkle Keramikgefäße oder bunte Gläser, die Hunde mit Löwenkopf in allen Größen und Farben und sommerlich-bunte Hemden und Kleider. Schon nach ein paar hundert Metern sind wir völlig überfordert von dem Trubel und den vielen Läden mit ihrem fast identischen Angebot.

Plötzlich bleibe ich überrascht stehen und traue meinen Augen nicht: siebenbürgischer Baumstriezel wird da beworben! Der Laden führt den ungarisch klingenden Namen für Baumstriezel, die es in Ungarn ja auch gibt: „Kürtös Kalacs“, der Inhaber stammt aus Tschechien. Aber wie auch immer, da drinnen werden kleine Baumstriezel am laufenden Band gebacken und die Leute stehen Schlange dafür.
https://de.wikipedia.org/wiki/Baumstriezel

Nach einer Weile haben wir genug gesehen und biegen in eine Seitenstraße ab, die zum großen überdachten städtischen Markt, dem Daiichi Makishi, führt. Dort gibt es in der großen Halle so ziemlich jeden Fisch zu kaufen, den man aus dem umliegenden Meer ziehen kann, und unzählige kleine und große Muscheln und Schnecken. Auch die Metzger haben hier einen Stand am anderen, hauptsächlich Schwein, alles sehr schön und kunstvoll aufgebaut. Mit Obst und Gemüse, Tee und Heilkräutern und vielem mehr kann man sich in der Halle und in den Läden um den Komplex herum eindecken. Wir finden in einer der angrenzenden Straßen ein Fischlokal mit ein paar einfachen Bänken davor und während wir die Tafel mit der Speisekarte und den Bildern darauf studieren, fragen uns zwei junge Männer auf Englisch, ob sie uns vielleicht helfen können. Ja, natürlich gerne! Wir sind dankbar für Empfehlungen und folgen ihrer Einladung, uns zu ihnen an den Tisch zu setzen. Der eine ist der Bruder des Besitzers, hat eine Schürze um und hilft mit im Laden aus, der andere komponiert und textet Lieder für Musiker und möchte demnächst gerne ein Jahr lang in Berlin verbringen, die Stadt sei so spannend, habe er gehört. Wir essen Fisch-Carpaccio (roh) und ausgebackenem Fisch und Gemüse und bekommen darüber hinaus einen Teller mit kleinen Meeres-Schnecken zum Probieren.

So gut gestärkt gehen wir zurück zur Hauptstraße, erst zum Zentrum für Kunsthandwerk. Traditionelle, kunstvoll gewebte oder bedruckte Stoffe für Kimonos aus Seide oder Baumwolle sind dort zu bewundern, Lackarbeiten mit Intarsien und die schwere irdene Keramik, die für Osaka so typisch ist.


Werbetafel beim Tourismusbüro

Mit dem Stadtbus fahren wir danach zum Museum der Präfektur Osaka. Das riesige Gebäude aus Beton mit oben abgerundeten Ecken sieht innen sehr viel heller und freundlicher aus. In einem Trakt ist eine große kulturgeschichtliche Sammlung ausgestellt, während der andere für die moderne Kunst reserviert ist, ausschließlich Arbeiten von Künstlern aus Okinawa. Wir sehen uns die Sonderausstellung mit schwarz-weiß-Fotografien von Okinawa der letzten Jahrzehnte an, jeder der vier ausgestellten Fotografen hat seine eigene künstlerische Handschrift. Wir bekommen einen kleinen Einblick in die Zeit vor der großen Modernisierungswelle, die auch diese Inseln erfasst hat.

Gegen Ende des Nachmittags sind unsere Augen müde und brennen, wir können gar nichts mehr aufnehmen. Mit dem Bus fahren wir zurück nach Yonabaru und setzen uns zum Abendessen in eine winzige Kneipe, wo es die besten Yakitori (Fleisch am Spieß) geben soll. Der junge Mann am Grill begrüßt uns und alle anderen Gäste mit einer Freude und Herzlichkeit, als würde er Freunde willkommen heißen. Sozusagen im Fenster des Ladens steht ein Holzkohlegrill, wo Hühnerleber, -herzen und -mägen gebraten werden, ebenso wie Schweinefleisch, auch Eier oder Tomaten mit Schinken umwickelt gibt es am Spieß. Wir bestellen Bier und eine Variation von allem und futtern uns Spießchen um Spießchen entlang, unter den begeisterten Blicken des Personals und der Gäste, die sich freuen, dass es uns so gut schmeckt.

Zahnersatz

Weil wir auf der Überfahrt nach Japan praktisch durchgehend schönen Wind hatten, segelten wir mit der Windsteueranlage. Das war auch gut so, denn unser Autopilot hat zuletzt endgültig seinen Geist aufgegeben. Eine eigentlich sehr pfiffige Konstruktion überträgt die Drehung des Motors über vier Kunststoffzahnräder auf das Ritzel. Dieses Getriebe hat schon auf der Fahrt nach Guam fürchterlich geknirscht, denn die Zähnchen aus Plastik sind mit der Zeit abgeschliffen und drehen durch. Ich hatte bereits vor ein paar Jahren ein Ersatzgetriebe verbaut und versuchte noch aus acht kaputten Zahnrädern die vier besten einzubauen, aber das hat auch nicht mehr lange gehalten. Als also am Ende unserer Überfahrt der Wind einschlief und wir die Windsteuerung nicht mehr fahren konnten, musste einer von uns immer im Cockpit sitzen und entweder von Hand steuern oder zumindest dem Autopiloten beim Steuern helfen.

Jetzt haben wir aus Großbritannien ein sündhaft teures Ersatzgetriebe bestellt. Für die vier kleinen Plastikzahnrädchen waren umgerechnet 136 Euro fällig, das sind 34 Euro pro Zahnrad oder 1,30 Euro pro Zahn. Na ja, immer noch billiger als Zahnersatz sonst, und nun schnurrt unser Autopilot wieder.

Unser Respekt vor der früheren Seglergeneration, die ohne Autopilot oder Windsteuerung die Welt umsegelten, ist jedenfalls noch einmal ein Stück gewachsen.

Geld

In der Reihe „was alles anders ist in Japan“ geht es heute ums Geld. Das braucht man nämlich zum Einkaufen, und zwar in Form von Bargeld. Kreditkarten werden üblicherweise weder in Supermärkten oder anderen Geschäften noch in Restaurants akzeptiert. Selbst unsere Liegegebühr in der Marina müssen wir in bar bezahlen. Geldautomaten gibt es zwar viele, aber kaum einer akzeptiert nicht-japanische Kreditkarten. Wenn man aber einen passenden Automaten findet, kann man viel Geld auf einmal abheben.

Mit Bargeld zu bezahlen ist aber – typisch japanisch – eine hochautomatisierte Angelegenheit. Als ich am ersten Tag im Supermarkt dem freundlichen Herrn an der Kasse einen Geldschein entgegenreiche, schaut der etwas verlegen und hält mir auf Japanisch einen längeren Vortrag, bis ich es endlich kapiere: an der anderen Seite der Kasse ist der Automat zum Bezahlen. Dort gibt man Geldscheine und/oder Münzen hinein und bekommt automatisch das Wechselgeld wieder ausgespuckt.

Wenn man einmal sein Wechselgeld von einem Menschen erhält, wird es auf typisch japanische Weise präsentiert: mit beiden Händen, einer Verbeugung und vielfacher Dankesbezeugung: „Arigato gozaimashita“.

An jeder Straßenecke und in den kleinsten Dörfchen gibt es Verkaufsautomaten für Essen und Trinken. Im Nudelrestaurant steht am Eingangsbereich ein großer Automat, dort drückt man die Tasten mit den gewünschten Gerichten, wirft das Geld ein und erhält aus dem Automaten kleine Zettelchen, die man an der Theke zur Küche abgibt. Das Essen wird dann aber, wenn es fertig ist, ganz normal von Hand an den Tisch gebracht.

Im Bus zieht man beim Einsteigen ein Ticket mit einer Nummer darauf, die den Tarifbereich der Haltestelle angibt. Auf einem Monitor kann man verfolgen, wie der Fahrpreis zu dieser Tarifnummer während der Fahrt immer höher wird, je weiter man fährt. Beim Aussteigen wirft man das Ticket und den am Ende erreichten Fahrpreis in einen Automaten.

Man kann eben auch aus dem Bezahlen mit Bargeld eine Kunst machen.

Shuri – Königspalast der Ryukyu-Dynastie

Es ist Sonntagmorgen und wir entscheiden uns, an diesem schönen sonnigen Tag eine Fahrradtour zum alten Königspalast zu unternehmen.

Die Strecke ist in der elektronischen Karte im Mobiltelefon mit 45 min angegeben, wir rechnen noch etwas mehr Zeit dazu, denn es geht stetig bergauf, an stark befahrenen Straßen entlang und auf Wegen, die eigentlich für Fußgänger gedacht sind. Die Fahrräder haben eine einfache 3-Gang-Schaltung und uns geht öfters die Puste aus, so dass wir absteigen, und die Fahrräder schieben müssen. Aber dann haben wir es geschafft und stehen vor dem Park, der die dicke Ringmauer des Palastes umgibt.

An dieser Stelle ist ein kurzer historischer Exkurs fällig: Okinawa liegt ja mehr als 500 km weit weg vom eigentlichen Japan und gehört noch gar nicht so lange dazu. Jahrhundertelang war das Inselarchipel in viele kleine Fürstentümer aufgeteilt, im Jahr 1429 schlossen sie sich unter dem Herrscher Sho Hashi zusammen und fortan bestand das Königreich Ryukyu. China war einer der wichtigsten Partner des Königreichs, Delegierte beider Reiche besuchten einander, jeder neue Herrscher von Ryukyu bat China formell um Anerkennung seiner Regentschaft. Auch in der Kunst und Kultur ist der Einfluss chinesischer Elemente sichtbar. Die ersten 250 Jahre gelten als das „Goldene Zeitalter“ von Ryukyu, wirtschaftlich ging es dem Inselreich gut, Waffen waren verboten, es waren friedliche und ruhige Jahre. Doch um 1609 wurde das Königreich Ryukyu von einem Clan aus Satsuma, dem heutigen Kagoshima in Japan, überfallen und musste die Kontrolle über seinen Handel mit China und Korea abgeben und hohe Tribute zahlen. Während der Meiji-Ära (in der sich Japan wieder der Welt öffnete) wurde das Königreich Ryukyu von Japan annektiert, 1879 das Inselreich zur Präfektur Okinawa umgewandelt. Die Einwohner von Okinawa galten lange Zeit als den Japanern kulturell unterlegen, in den Schulen wurde nur noch japanische Geschichte und die japanische Sprache gelehrt, so dass heute von der alten Sprache Ryukyus nur noch ein paar Reste in der Umgangssprache vorhanden sind.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges fand die „Schlacht von Okinawa“ statt, bei der beide Seiten, Japan und die USA, in einem von Anfang April bis Ende Juni 1945 dauernden Belagerungskrieg schrecklich hohe Verluste erlitten. Zudem starben während der Kämpfe um die 100.000 Zivilisten. Okinawa blieb bis 1952 unter US-Amerikanischer Besatzung und unter der Kontrolle des Militärs bis 1972. Danach wurde es offiziell an Japan zurück gegeben unter der Bedingung, dass die USA weiterhin eine Militärbasis in Okinawa betreiben dürfen. Rund 30.000 Militärs leben und arbeiten zurzeit hier, die Marine unterhält ein paar Kriegsschiffe und die Luftwaffe hat einen eigenen Flughafen, gleich neben dem normalen Flughafen in Naha, von dem aus täglich Kampfflugzeuge mit einem ohrenbetäubenden Lärm in den Himmel hoch steigen.

Der Königspalast mit seinen dicken Ringmauern wurde während der Schlacht um Okinawa fast vollständig zerstört und konnte erst in den 1990er Jahren wieder nach und nach aufgebaut werden, seit 2000 wurde er zu einem Weltkulturerbe erklärt und die Liste der UNESCO aufgenommen. Heute ist er eines der bekanntesten und beliebtesten Ausflugsziele von Okinawa.


Blick vom Park über die Stadt Naha

Auf dem Weg zum Palast gehen wir erst durch ein steinernes, dann durch hölzerne Tore, jedes von ihnen hat eine eigene Bedeutung, das erste Tor hat sogar die Funktion eines heiligen Schreines, bei dem man um Glück und gute Reise bitten kann. Ältere japanische Besucher stehen ehrfurchtsvoll davor und fotografieren.

Auch der Palast selber hat ein imposantes Tor mit einer großen Freitreppe davor. In traditionelle Gewänder gekleidetes Personal begrüßt die Besucher und prüft die Eintrittskarten, bevor man den großen quadratischen Innenhof betreten kann, der komplett von Gebäuden umringt ist. Das größte und beeindruckendste davon ist das „Seiden“, in dem die Könige  Hof hielten, mit einer in überwiegend roten und goldenen Farben gehaltenen Fassade, einem pagodenartigen Dach mit Drachen darauf, die alles bewachen. Sehr exotisch für unsere Augen!

Bevor wir den Palast mit all seinen Räumen besichtigen können, erhalten wir im Eingangsbereich eine Plastiktüte, in der wir unsere Schuhe verstauen können. Mit Socken oder barfuß geht es weiter. Die ersten Räume sind zu einem kleinen Museum umgewidmet worden. Eine Sonderausstellung zeigt ein paar wunderschöne alte Kimonos, dunkelbraun lackierte Holzgefäße mit Intarsien und Keramik, alle mit unterschiedlichen Blumen- und Pflanzenmustern, passend zum Frühlingsbeginn. Leider dürfen wir da nicht fotografieren!

Wir durchqueren die unterschiedlichen Bereiche, die Regierungsräume der Beamten, den Wohntrakt der Königsfamilie und der Bediensteten, die alle sehr spartanisch und klar aussehen. Helle Holzwände, Tatami-Matten auf dem Boden, Schiebetüren und Schiebefenster teilweise mit weißem durchscheinendem Papier ausgekleidet, vermitteln trotz der Kargheit einen warmen Eindruck. Einige der Räume dürfen wir auch betreten und stellen fest, wie angenehm man auf den Tatami-Matten gehen kann. Andreas setzt sich in eine Ecke des Raumes und genießt den Eindruck der Einfachheit und Klarheit. Immer mal wieder können wir einen Blick auf die wirklich sehr kleinen Gärten werfen, die zwischen den Wohnräumen und der Ringmauer angelegt sind.

Die Regierungs- und Repräsentationsräume mit dem Thron des Königs, in denen die wichtigen Zeremonien stattfanden und hochrangige Besucher empfangen wurden, sind alle in der Farbe Rot angestrichen, die Säulen mit Motiven bunt und golden angemalt, goldene Schriftzeichen zieren die Wand hinter dem Thron. Sie bilden einen starken farblichen Kontrast zu den anderen Räumen  und können auch heute noch die Besucher beeindrucken.


Modell des Innenhofes

Daher verwundert es nicht, dass der japanische Premierminister als Gastgeber des G8-Gpfels im Jahre 2000 die Regierungschefs zu einem Abendessen in diese Residenz eingeladen hat: Gerhard Schröder, Vladimir Putin, Tony Blair, Bill Clinton … saßen alle beisammen, entnehmen wir der Schautafel im Besucherzentrum.

Der Weg zurück geht nun bergab, wir müssen nur ab und zu aufpassen beim ungewohnten Linksverkehr, wenn wir zwischendurch auf der Straße und nicht auf dem Gehsteig radeln. In kürzester Zeit sind wir wieder daheim auf der Muktuk, voller neuer Eindrücke und einer guten Müdigkeit in den Knochen vom Fahrradfahren.

Im Land der Geschmäcker

Eine der Überraschungen Japans ist die unglaubliche geschmackliche Vielfalt und Intensität der hiesigen Lebensmittel und Gerichte. Wir haben in Fußreichweite der Marina einen großen Supermarkt und einen Lebensmittelmarkt, und wir können uns gar nicht sattkaufen. Das fängt bei den einfachsten Gemüsesorten an: seit Jahren hatten wir keine so intensiv schmeckenden Tomaten mehr, selbst im Supermarkt gibt es sechs Sorten herrlicher Pilze, die Süßkartoffeln sind aromatisch wie selten, Sprossen gibt es in allen Varianten. Dann die Besonderheiten: Okinawas Tofu ist selbst für japanische Verhältnisse etwas Besonderes, man kauft ihn am besten vormittags, wenn er von der Herstellung noch warm ist, er schmeckt herrlich nussig, und er dient uns zusammen mit den unglaublichen Tomaten als Mozzarella-Ersatz beim Frühstück.

Dann gibt es die exotischeren, aber noch erkennbaren Zutaten: Hunderte (!) von Würzpasten und -saucen, mehrere Regalmeter verschiedener Miso-Sorten, etliche Arten von Grünalgen, eingelegtes Gemüse, getrocknete oder fermentierte Fischchen und Krabben, Snacks für Unerschrockene mit Fleisch- und Fischgeschmack, etc. etc.

Und natürlich führen die Geschäfte Hunderte von Lebensmitteln, die wir weder kennen noch erkennen. Ohne Bild und ohne ein englisches Wort auf der Verpackung gibt lediglich die Umgebung im Regal Aufschluss darüber, ob es süß oder salzig, Nachspeise oder Nudelsauce oder überhaupt etwas zu essen sein könnte. Wir haben als Spielregel eingeführt, dass jeder von uns beiden bei jedem Einkauf (also täglich) je eine Sache in den Einkaufskorb legt, die wir nicht kennen. Sehr spannend, wenn man an Bord probiert, was man da gekauft hat…

Und auch das Essengehen ist kulinarisch reizvoll. Okinawa ist bekannt für seine Nudelsuppen mit Schwein in einer sehr intensiven Brühe. Überhaupt ist Schweinefleisch eine Spezialität der Insel, man sagt in Okinawa essen sie alles vom Schwein außer seinem Grunzen. Wir lassen uns inspirieren, lernen mit den hiesigen Zutaten zu kochen und freuen uns schon darauf, dass jede Region Japans auf ihre eigenen kulinarischen Spezialitäten stolz ist.

Yonabaru, Okinawa

Gleich nachdem wir die Papiere im Büro der Marina ausgefüllt haben und Henry Asano, der Hafenmeister, uns auf einem Stadtplan gezeigt hat, wo wir einen Geldautomaten finden und wo einen Supermarkt, machen wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Mit Schirm und Regenjacke, denn es regnet immer noch. Das macht uns nicht viel aus, wie freuen uns, dass wir endlich ein paar Schritte gehen können und sind ganz aufgeregt und gespannt, ist es doch der erste Landgang in Japan! (Die paar Schritte am Pier im Industriehafen in Naha zählen nicht wirklich.)

Auf den ersten Blick sieht alles sehr vertraut aus, eine ruhige Kleinstadt, die es in Deutschland so auch geben könnte, aufgeräumt, mit modernen mehrstöckigen Appartement-Blocks, Reihenhäusern, dazu Parks mit Spielplätzen, Schulen, Kindergärten, Handwerksbetrieben, ein Einkaufszentrum gleich gegenüber der Marina. Ein Fluss schlängelt sich durch den Ort, darüber ein paar schöne Brücken. Hier und da versteckt sich noch ein älteres Haus aus Holz, mit Schiebetüren und pagodenartigem Ziegeldach. Wir sind eindeutig wieder in einem westlich geprägten Land unterwegs. Und doch gibt es Unterschiede: angefangen von den japanischen Schriftzeichen, dem Linksverkehr auf den Straßen, dem Essen, der Kultur bis zu den Menschen, die uns auch hier freundlich zunicken, wenn wir vorbei gehen. Und so Vieles mehr, das wir in den nächsten Tagen und Wochen noch entdecken und bestaunen werden!

Mit den Fahrrädern, die wir von der Marina kostenlos ausleihen können, fahren wir in den nächsten Tagen die Sehenswürdigkeiten der Stadt ab, die in der englischsprachigen Informationsbroschüre aufgeführt sind. Dazwischen halten wir an und schauen uns kleinere Läden mit Kunsthandwerk an, fragen in einem Handyshop nach Sim-Karten und suchen uns zum Mittag- oder Abendessen eines der vielen Nudelrestaurants aus. Und natürlich gehen wir auch in den großen Baumarkt im Einkaufszentrum gleich bei der Marina und laufen die Regale sorgfältig ab, um zu sehen, was es alles gibt und was wir davon fürs Schiff gebrauchen könnten. In den nächsten Tagen haben wir Glück mit dem Wetter: die Sonne scheint, Yonabaru zeigt sich von seiner gemütlichen Seite, eine Stadt, die für sich wirbt mit dem Slogen: „Enjoy the retro feel and charm of Yonabaru“ – genieße den Retro-Gefühl und den Charme von Yonabaru. Ja wirklich, das tun wir!


Mit dem Fahrrad unterwegs, auch zur Wäscherei


Der „Farmers Market“, ein Supermarkt mit lokalen Produkten, Obst und Gemüse


Keramikladen


Kleine Löwen


Löwen bewachen fast jedes Haus