Fisch satt

Nachdem wir uns soviel über die schwierige Versorgungslage an Land beschwert haben, nun einmal ein dickes Lob über die Eiweissversorgung auf See.

kutter

Wann immer man in einer der sonst menschen- und yachtenleeren Buchten einem Fischer begegnet – für wenig Tauschwaren kann man mehr Fisch bekommen, als man selbst bei gutem Willen essen kann. Zweimal begegnen wir Krabbenkuttern, die Besatzung ist jeweils 40 Tage auf See und kann sich dann 20 Tage an Land erholen. Kann man ein wenig Spanisch, freuen sie sich über Besuch, plaudern und schenken einem einen halben Eimer Schrimps. Und das ist eine Menge, wir fühlen uns wie bei Forest Gump und probieren alle unsere Schrimps-Rezepte aus. Ein paar Gläser Konserven konnten wir auch noch einkochen.

snapper

Und dazu kommen unsere eigenen Fangerfolge. An der Schleppangel hatten wir ein paar Bisse, immer gut fürs Mittagessen. Am schönsten ist es aber an den Ankerplätzen hinterm Riff, wo wir – kaum ist der Anker gefallen – ins Beiboot steigen, mit der Harpune schnorcheln gehen und uns den Fischgang füs Abendessen aussuchen können. Papageienfisch oder soll’s heute lieber ein Red Snapper sein?

bond

treffer

Und am besten: seit ein paar Tagen haben wir auch den Blick für die Langusten entwickelt, die tagsüber mehr oder weniger gut versteckt in Felshöhlen oder unter Überhängen sitzen und hoffen, nicht entdeckt zu werden. Auch die werden ein Opfer der Harpune und landen in Topf oder Ofen.

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lobster

Aber natürlich gibt es auch viel nicht kulinarisches zu sehen: Schwärme bunter Fische wie im Aquarium, ein gepunkteter Adlerrochen von ca. 1,5m Spannweite zieht unter uns durch. Birgit entdeckt einen Ammenhai, der auf dem Sandboden liegt, Jonas später einen Riffhai – da war dann doch der geordnete Rückzug ins Beiboot angesagt. Im Fischbuch steht ‚potentially dangerous‘, was auch immer man damit anfangen soll. Ist aber wohl eine gute Idee, dann nicht gerade einen Fisch zu harpunieren, man will den Hai ja nicht auf dumme Gedanken bringen. Und die Rollenverteilung beim Thema fressen und gefressen werden ist ja nicht unwichtig.

blaufisch

blauschwarm

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Barracudas schwimmen auch immer recht viele herum, aber da hier Ciguatera-Gefahr besteht und die größeren Raubfische im Riff giftig sein könnten, lassen wir sie in Ruhe, und sie uns auch.

Dennoch sind Meereslebewesen als Eiweissquelle eindeutig die bessere Wahl. Auf einer der Inseln leben etwa dackelgroße, pelzige Wesen namens Jutias, sie sehen ähnlich wie Bisamratten aus, leben aber nicht am Wasser, sondern auf festem Boden. Wie haben sie zur Unterscheidung ‚Landratten‘ getauft, eine davon haben uns die netten Parkwächter (küchenfertig ausgenommen) geschenkt, und natürlich gab es dann mit großem Genuss am Wortspiel gebratene Landratte zum Abendessen. Der Genuss am Geschmack fiel aber deutlich gemäßigter aus…

landratte

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PS: gerade als ich dies schreibe, schlägt unsere Fischalarm-Handgranate an und ein größerer Barracuda hing am Haken. Wir haben das Tier befreit und wieder zurückgeworfen. Glück für den Barracuda, und wir haben ja noch zwei Stunden bis zum Mittagessen. Und Langustenschwänze von gestern sind auch noch im Kühlschrank.

keinfisch

First in first out

Schlange

Kuba – so viele Bilder, so wenig Internet…

Aus Deutschland kennt man ja Warteschlangen nur noch vom Mittleren Ring und vielleicht noch aus der Informatik. Hier in Kuba gehören sie zum Alltag.

Zum Beispiel beim Geldwechseln. Die Empfehlung lautete, Euro-Bargeld mitzubringen, weil man das ohne Gebühren in kubanische Pesos tauschen kann, während auf Kreditkartenabhebungen zusätzliche Kosten anfallen. Aber vor jeder Bank stehen leider immer ein paar Dutzend Menschen, die von einem Türsteher nur sequentiell und widerwillig Einlass gewährt bekommen. Es gibt allerdings keine klassische Warteschlange wie bei einer britischen Bushaltestelle. Stößt man dazu, muss man vielmehr laut ?El utlimo?? rufen (?der Letzte?), dann meldet sich einer, und hinter dem kommt man dann dran. Beim nächsten Mal ist man dann selber der ?ultimo?, und so regelt sich das Warten. Kaum ist eine halbe Stunde herum, schon darf man in die Bank hinein, um sich dort einer weiteren Schlange für die Kassenschalter hinzugesellen zu dürfen.

Oder eben Internet. Vor dem Eingang des Etecsa Gebäudes (die hiesige Telekom) ist es allerdings etwas komplizierter. Hier gibt es nicht eine Warteschlange, sondern je nach Zweck des Besuches gleich mehrere. ?El ultimo para navegar el Internet? muss man rufen, um sich korrekt für die Internetnutzung anzustellen. Es dauert eine dreiviertel Stunde, dann darf man in einen Raum, in dem vier etwas ältere PCs herumstehen. Hier wird eine Benutzerkennung und ein Passwort verlangt. Woher man das bekommt? Kubanische Mitbürger klären mich auf: dazu muss man eine ?tarjeta?, eine Guthabenkarte kaufen. Wo es die gibt? Tja, das ist die andere Warteschlange. OK, noch einmal eine halbe Stunde anstehen, dann kann man nach Vorzeigen seines Passes für 5 Euro eine Stunde Internet erwerben. Zurück in den Raum mit den PCs ist freilich der freie Platz weg, aber nach einiger Zeit kann ich endllich unsere Flüge nach Deutschland buchen. Ein USB-Port, um Bilder für den Blog hochzuladen? Natürlich Fehlanzeige.

Auswahl

Aber das waren jetzt Warteschlangen für Luxusprobleme. Leider gehört das Anstehen für Kubaner zum Alltag der normalen Lebenswirklichkeit. Ob es darum geht, eine der beiden landesweit verfügbaren Wurstsorten zu kaufen, ob es um die Eier auf dem Markt, um Essig (pro Person dürfen 1,5 Liter erworben werden) oder um Käse geht (maximal ein Pfund pro Person, ein Soldat überwacht die Einhaltung der Regel), eine halbe Stunde pro Einkaufsvorgang muss man schon einplanen. Wenn es denn überhaupt Eier gibt, was auch nicht jeden Tag der Fall ist. Kubaner sein ist eben nicht einfach…

eier

Schinken

Anstehen muss man auch vor Cafes, vor Restaurants (auch wenn sie nur halb bestetzt sind), oder vor Gemischtwarenläden. Auch wenn man angesichts des mageren Angebots dann fragt, wofür sich jetzt das Anstehen eigentlich gelohnt hat. Aber immerhin: herausgehen darf man spontan und ohne Warteschlange.

Offerta

Muktuk alleine unterwegs

DinghiZieht

Am späten Nachmittag brechen wir unseren Stadtausflug ab, weil der Nordwind zunimmt und eine Kaltfront immer näher kommt. Mit dem Taxi lassen wir uns zur Marina fahren und sehen Muktuk am Steg liegen, längsseits am Boot der Küstenwache festgemacht. Ach du Schreck! Ein britisches Seglerpaar berichtet, was geschehen ist. Drei Stunden zuvor ist erst bei dem neben uns ankernden Katamaran, dann auch bei uns der Anker geslippt, d.h. er hat in dem starken Wind nicht gehalten und die Boote sind in die Bucht hinausgetrieben. Der Katamaran war leicht: die zu Hilfe kommenden Marineros konnten von aussen die Maschine starten, den Anker einholen, zurück zum Ankerplatz fahren und das Boot dort neu verankern.

ZollbootLaengs

AnkerAuf

Mit Muktuk war die Sache deutlich komplizierter, das Schiff war ja abgeschlossen, und weder Maschine noch Ankerwinsch liessen sich von aussen anwerfen. Erst ein, dann zwei Boote nahmen Muktuk längsseits, um sie wieder in die Marina zu schleppen. Bei 26 Tonnen und 40 Meter langer Ankerkette, die über den Grund schleift, ein fast aussichtsloses Unterfangen. Sie versuchten, Muktuk erneut zu verankern, der Anker hielt aber nicht. Schliesslich kamen ein paar Segler zu Hilfe, die die Ankerkette von Hand mit Hilfsleinen und der Winschen am Mast Meter für Meter einholten. Dann nahm uns das Boot der Küstenwache längsseits und schleppte uns zur Pier, wo wir es dann vorfanden.

Ankersalat

Mein Gott, hatten wir mal wieder Glück! Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie erleichtert wir sind, dass alles gutgegangen ist. Auslöser des Ganzen war wahrscheinlich, dass das elastische Bergseil, das die Ankerkette entlastet und das plötzliche Einrucken in die Kette verhindern soll, durch den Winddruck gebrochen ist. Dann haben die Ruckbewegungen den Anker aus dem Grund gebrochen. Bei seinem langen Schleifweg über Grund durch die halbe Bucht sammelte der Anker dann natürlich jede Menge Gemüse ein, so dass ein erneutes Verankern nicht mehr funktionierte.

NebenKat

Jetzt haben jedenfalls eine Menge Segler eine Menge Drinks bei uns gut, und für die kubanischen Helfer von der Marina und der Küstenwache müssen wir uns noch etwas passendes einfallen lassen. Normalerweise ist es ja streng verboten, Kubaner aufs Boot einzuladen, aber vielleicht können wir bei den Behörden eine Ausnahmegenehmigung erwirken.

Bienvenido a Cuba

StrassenStuhl

Trova

Verkaeufer

Am ersten Abend haben wir in der Bar der Marina ein paar Segler kennen gelernt und dazu Kubaner, die mit ihnen beim Bier zusammen saßen. Die beiden jungen Männer sowie der Vater des einen sprechen gut Englisch mit den kanadischen und britischen Seglern, haben ihr Studium (Lehrer, Sprachen) aber unterbrochen, um was zu verdienen. Sie versuchen, mit Taxifahrten und Wäschewaschen, Stadtführungen, Gemüseverkauf ihren Lebensunterhalt aufzubessern, irgendwie zu bestreiten.

Ein Lehrer verdient 20 CUC, ein Arzt 40 CUC im Monat, erzählen sie uns. Eine Seife oder eine Dose Bier kosten aber schon 1 CUC. Das steht einfach in keinem Verhältnis zueinander? Wir packen unser Spanisch aus, und bleiben noch eine Weile mit ihnen im Gespräch, einer der jungen Männer wird recht deutlich und äußert offen seine Kritik an den Lebensumständen im Lande.

Wir bekommen damit schon einen ersten kleinen Einblick. Zwar haben wir darüber in dem Reiseführer schon gelesen, auch über die beiden Währungen, den Peso, der fast gar nichts mehr gilt (1:25) und den Convertible, den CUC, der 1:1 an den Dollar gebunden ist. Es aber direkt von den Leuten zu hören, ist was anderes?

Am nächsten Tag fahren wir nach Santiago de Cuba mit dem Taxi, die Marina liegt einige km außerhalb. Der Taxifahrer erzählt uns, diese Strecke werde Touristenstraße genannt, weil sie auch zu der benachbarten Burganlage führt, ein Unesco-Kulturerbe. Ich frage auf spanisch, ob das eine ?broma? sei, ein Witz, denn der Moskowitch keucht eine Schotterstraße hoch, umfährt unzählige Schlaglöcher, an manchen Stellen ist nur Einbahnstraße möglich. Aber nein, das ist ganz ernst gemeint.

Das Straßenbild in der zweitgrößten Stadt von Kuba ist so unglaublich kontrastreich: koloniale Bauten, schöne Plätze, gepflegte Parks, manche Häuser liebevoll und zugleich farblich geschmackvoll renoviert, andere ?under construction? mit schweren Gerüsten aus massivem Holz umstellt. Auf den Straßen knattern uralte Motorräder und verpesten die Luft, alte Automarken aus dem Ostblock, oder amerikanische Schlitten aus den 50ern, schön gestrichen, manche auf den zweiten Blick aber nur noch vom Rost zusammengehalten, die Federungen der Sitze durchgesessen. Dann ehemalige Viehtransporter umgebaut zu Bussen, die Leute wie Sardinen darin zusammengepfercht. Bicitaxis (Rikschas), Pferdekutschen bringen die Leute von den städtischen Busbahnhöfen zum Bahnhof. Von einem der Hauptplätze geht eine lange Straße ab mit Galerien, Musikcafés, staatliche Angestellte im Künstlerhaus, vier davon auf einen kaffeetrinkenden Gast.

Viehtransport

Auto

In den Läden ist das Angebot überschaubar, zwei Packungen Buntstifte, drei Stapel Seifen in einer Vitrine, dahinter die Verkäuferinnen. Dann ein paar Klamotten an den Wänden, Schuhe, wenig Auswahl, hier sind die Preise hoch, überwiegend muss man für die Waren den gleichen Preis wie in Europa zahlen. Dann wieder gibt es Läden, die wie amerikanische Warenlager im mittleren Westen aussehen, könnten als Filmkulissen herhalten, mit handgeschriebenen Preistafeln, wo man die Grundnahrungsmittel bekommt: Mehl, Bohnen, Reis, in Fässern und Säcken, in Peso-Preisen, also erschwinglich, aber das war es dann schon. Plastiktüten, Behälter muss man mitbringen.

Mir (Birgit) kommt an diesem ersten Tag im Lande Vieles davon so bekannt vor: die Mangelwirtschaft, in der jedes noch so kleine Stück aus der westlichen Warenwelt duftet und glänzt und begehrt ist. Ob diese Produkte, wie in Rumänien, ebenfalls zum Tauschen verwendet werden, oder als Zahlungsmittel/Währung eingesetzt, kann ich nicht sagen, dazu wissen wir noch zu wenig. Private Initiativen sind in Maßen erlaubt, in kleinen Schritten vollzieht sich der Wandel, staatlich gelenkt und stark eingeschränkt durch das wirtschaftliche Embargo, parallel scheint die Schattenwirtschaft schon längst auf Hochtouren zu laufen.
AltesPaar

Strassenmusik

Und trotzdem ist nicht alles grau, sondern richtig bunt, laut und lebhaft fröhlich. Überall in der Stadt auf den Plätzen gibt es Musik, Buena Vista Social Club für die Touristen, einzelne Geiger, Trommler. Dazu gibt es Musik in den Cafés, in Kulturhäusern, wie der ?Casa de la Trova?, einem kleinen stimmungsvollen Raum voller Fotos und Ölgemälden berühmter Musiker und Sänger, eine kleine Bühne, ein paar Stühle davor, grosse offene Türen, schon am Vormittag sitzt da ein älteres Ehepaar, sie singt Romanzen, er spielt Gitarre, Auftritte bis in den Abend hinein. Wir sitzen auch am Nachmittag kurz da und kommen mit zwei älteren Damen ins Gespräch, die am nächsten Tag singen werden, einem jüngeren Rastafari, der uns zu seinem Konzert einlädt und vorher noch mit uns in seine Lieblingskneipe gegenüber auf einen Mojito gehen möchte.
Es ist eine gänzlich andere Welt und wir freuen uns, dass wir ein paar Wochen Zeit dafür haben, das Land und die Menschen besser kennen zu lernen.

Noch haben wir kein Internetcafé gefunden, die Bilder dazu liefern wir hoffentlich in den nächsten Tagen nach.

Santiago de Cuba

Tonne

Neun Tage dauerte die Überfahrt von Dominica nach Kuba, meist mit eher wenig Wind. Das fünf Meter lange Bambusrohr, das wir von der letzten Tour zum Indian River eingesammelt hatten, kam auch zum Einsatz, damit wir neben der Fock auch noch die Genua ausbaumen konnten, damit sie auch bei leichtem Wind stand und nicht zusammenfiel.

Die letzten 100 Meilen war dann komplette Flaute angesagt, wir mussten motoren. Zwei Stunden vor der kubanischen Küste fiel aber die Drehzahl immer weiter ab, nach ein paar Tests war klar: der Diesel-Feinfilter war verstopft und musste ausgetauscht werden. Dann schnurrte unser guter Perkins wieder und wir konnten in die Bahia de Santiago einlaufen.

Über Funk gab uns die Capitaneria präzise Koordinaten durch, wo wir ankern und auf den Besuch der Behörden warten sollten. Auf drei Dezimalstellen genau, das sind gerade mal 18 Meter. Na gut, die Ansteuerung vom Kartentisch aus mit GPS und Autopilot fühlte sich an wie ein Videospiel, schliesslich warfen wir an der vorgesehenen Stelle knapp ausserhalb des Fahrwassers den Anker auf knapp 10 Meter Tiefe und steckten 45 Meter Ankerkette. Innerhalb dieser 45 Meter steigt der Grund allerdings sehr plötzlich an, so dass wir schliesslich auf unserer behördlich angeordneten Position auf Grund liefen. Bei dem weichen, schlammigen Grund war das aber kein Problem.

Faehre

Nach ein paar Stunden kam dann erst der Arzt an Bord, sehr freundlich, zu Scherzen aufgelegt und mit zunehmenden Interesse, seine (nein, unsere) Plastiktüten mit verschiedenen Mitbringseln zu füllen. Nach Küchenrollen kamen ein paar Bier, Kekse, eine Dose Thunfisch, eine mit Sardinen, etwas zum Knabbern… Alles in allem verschmerzbare „Gastgeschenke“, bei der Frage nach Weinflaschen winkten wir dann aber doch ab.

Strom

Danach durften wir auf einen Ankerplatz vor der Marina verlegen, dort kamen dann weitere vier Behördenvertreter und ein Hund (Bella) an Bord, und es wurden noch ein paar mehr Formulare ausgefüllt. Die Herrschaften waren sehr freundlich und korrekt, nahmen nicht einmal das Angebot eines Bieres an (gut, vielleicht wussten sie, dass nach dem Besuch des Arztes kein kaltes Bier mehr übrig war). Nachdem auch der Hund nichts fand, was sein Interesse geweckt hätte, gingen alle von Bord (den Hund hätten wir ja gerne behalten), und wir waren einklariert. Wir sind in Kuba, auch wenn wir es noch nicht ganz glauben können.

Dominica

Die letzten Meilen hatten es noch einmal in sich. Eine Regenwolke jagte die andere, die Insel – nur noch wenige Meilen entfernt – verschwand immer wieder in der grauen Wolkenwand, Starkwindböen, Richtungswechsel von 180°, wir kamen mit den Segelmanövern kaum hinterher. Vom Regenguss patschnass, nach einer Viertelstunde Sonne fast wieder trocken, nächster Guss, wieder tropfte Hemd und Hose. Irgendwann macht Birgit uns eine Tasse heissen Kaffee, damit wir uns aufwärmen können. Karibik-Wetter?

Dann runden wir die Cabrits, nehmen die Segel weg und laufen in die Prince Rupert Bay ein. Wir suchen uns ein gut gelegenes Plätzchen und werfen den Anker. Angekommen. So richtig glauben können wir es noch gar nicht, dass es jetzt vorbei sein soll mit Schaukeln, Bordroutine, dem Alltag unserer letzten vier Wochen.

BretterBude

Der erste Trip an Land ein Kulturschock: Grün statt Blau, Menschen statt Einsamkeit auf See, laute karibische Musik, auf Schritt und Tritt werden wir angesprochen, ob wir etwas kaufen, etwas unternehemn wollen, wir wissen kaum wo uns der Kopf steht. Der erste Rum-Punsch am Strand mit Blick hinaus auf die Ankerbucht. Ist das alles wirklich?

GelberLaster

Dominica ist eine der ärmeren karibischen Inseln, der Tourismus ist die Haupt-Einnahmequelle, aber es gibt kaum Infrastruktur. Hotelanlagen fehlen, Restaurants gibt es nur sehr einfache. Internet haben wir noch nicht gefunden, deshalb können wir noch nicht per Skype telefonieren.

Waesche

In den nächsten Tagen werden wir Weihnachtseinkäufe auf dem Markt machen, es uns an Bord gut gehen lassen und unsere lange Arbeitsliste abarbeiten. Nach Weihnachten dann wollen wir anfangen, die Insel zu erkunden und Touren ins Landesinnere unternehmen.

Leadership

Wir wünschen euch allen Frohe Weihnachten, geruhsame Feiertage und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!

Landfall

Am Ende geht dann doch alles recht schnell. Eben noch hungern wir uns bei Flaute Meile um mühevolle Meile dem Ziel entgegen. Die Tage fliessen ineinander, als gäbe es kein anderes Leben. Die Bordroutine – bei jedem wegen der unterschiedlichen Wachzeiten etwas anders – ist völlig eingespielt und hat viele gemeinsame Komponenten.

Sextant

Ein spätes Frühstück, wenn alle wieder wach sind. Ein paar Aufräumarbeiten oder kleinere Projekte, ab und zu eine Höhenmessung mit dem Sextanten, um in Übung zu bleiben, ab und zu ein paar Takte Gitarrenspiel. Dann die tägliche Kübeldusche hinten auf dem Fischbrett. Mittagessen, Mittagsschlaf. E-Mails und Wetter holen. Segelführung für die kommende Nacht vorbereiten. Sundowner an Deck, bis die Himmelsfarben von glühend rot sich zu violett abdunkeln. Dann Musik auflegen zum Abspülen. Wir spülen nur einmal am Tag, das spart Wasser, auch wenn je nach Seegang bisweilen 7-8 Arme nötig sind, um alles Geschirr gleichzeitig am davonrutschen zu hindern. Abendessen, aufräumen, ein Abendbierchen an
Deck. Dann übernimmt der Wachrythmus: Marianne bis Mitternacht, Birgit bis vier, Andreas bis acht. Da capo.

KuebelDusche

Tja, und statt ewig so weiterzugehen, springt der Meilenzähler heute beim Frühstück auf die Anzeige von Nachkommastellen um, denn vor dem Komma sind es nur noch zwei Ziffern. Jetzt bleiben noch 80sm, so dass wir in der Nacht damit rechnen können, Lichter der Inseln zu sehen. Aufregend.

FlaggeSetzen

Auch wenn ein bekanntes chinesisches Sprichwort besagt, dass selbst die längste Reise mit der letzten Meile endet, hier schon einmal eine vorläufige Bilanz bei 96,8%: knapp vier wunderschöne Wochen auf See, es hätte gerne so weitergehen können. Sechs stattliche Fische, ausreichend für 15 reichliche Fischmahlzeiten. Jetzt bleibt die Angel drin, denn wir freuen uns langsam auf gebratene tote Tiere mit Knochen statt Gräten. Zwei selbstgenähte Gastlandflaggen, selbst die komplizierte Flagge Dominicas ist fertiggenäht und -geklebt, nachdem wir per E-Mail herausbekommen haben, wie sie aussieht – Danke Kay. Außer ein paar durchgescheuerten Leinen keine Schäden, Muktuk hat sich vorzüglich bewährt und fühlt sich auf dem Atlantik sichtlich wohl. Wir auch.

Bonito

POS 16°22N 060°15W COG 225 SOG 4.8kn

there she blows

Montag Abend. Tagsüber waren wir recht ordentlich vorangekommen, der Meilenzähler war auf 420sm bis zum Ansteuerungspunkt im Norden Dominicas heruntergetackert. Schaffen wir die 400 noch vor Mitternacht? Mal sehen.

Doch dann ist der Wind mit einmal weg. Wir dümpeln am Abend, wir dümpeln in der Nacht. Die Segel bleiben gesetzt, weil wir auf den nächsten Hauch Wind warten, also schlagen die Segel und lassen uns nicht schlafen. Die Windsteuerung hat zu wenig Kraft, das Boot auf Kurs zu halten, die Segel stehen back. Der Autopilot wird eingeschaltet, aber auch der quirlt ohne Fahrt nur die Ruderblätter im Wasser herum. Das Schiff dreht Kreise.

MuktukVomWasser

Dienstag früh 410sm. Dienstag mittag 406sm. Fahrt 1kn, wahrschinlich das meiste davon Strömung, die uns gemächlich nach Westen setzt. Die Sonne knallt vom Himmel, wir legen Handtücher und Laken über die Luken, damit es unter Deck erträglich bleibt. Morgens gehen wir baden. Die See wird so glatt, dass sich die Wölkchen darin spiegeln. Leichte Wellen sind noch da, aber kein Windgekräusel. Ententeich.

WalVonOben

Am Nachmittag dann der Besuch. Erst ein heller Reflex unter Wasser, 20 Meter an steuerbord voraus, dann taucht er auf: ein kleiner, etwa 4 Meter langer Wal begeitet uns. Schwimmt träge vor unserem Bug hin und her, meist ein paar Meter unter Wasser, ab und zu taucht er prustend auf. Oben dunkel, fast schwarz, Bauchseite weiss, eine kleine Rückenflosse und eine schöne Fluke – wir wissen leider nicht, was für eine Sorte es ist.

Die Gelegenheit ist fast zu schön um wahr zu sein: kaum Fahrt durchs Wasser, ruhige See, Begleitwal – also schnell die Flossen, Schnorchel und Unterwasserkamera gepackt, Badeleiter runtergeklappt, Sicherungsleine ausgebracht und ab ins Wasser. Erst ich, dann Birgit gehen auf Tuchfühlung mit dem Wal. Bis auf ein paar Meter können wir heranschwimmen, bestaunen seine lässige Eleganz, mit der er sich durchs Wasser bewegt. Horizontal, dann wieder fast senkrecht stehend, dreht sich um seine Achse, taucht zum Luftholen auf. Wir können uns kaum sattsehen. So nah sind wir einem Wal noch nie gekommen, noch dazu in seinem eigenen Element.

WalVonUnten

Die 400sm haben wir dann erst am Dienstag Abend geknackt, und heute mittag waren es auch noch nicht viel weniger. Aber jetzt kommen uns die Batterien zu Hilfe. Die wollen nämlich dringend mal wieder richtig vollgeladen werden, deswegen müssen wir den Motor anwerfen, und – na ja – da unterbrechen wir das Dümpeln gerne mal für ein paar Stunden und machen ein paar Meilen unter Maschine.

PS: Hier die Liste der Kalauer, die es trotz großer Verlockung nicht in diesen Blogeintrag geschafft haben: Trotz mangelnder Walpflicht lag die Walbeteiligung bei 100%. Und bevor Capt’n Blaubär wieder mit seinen Lügengeschichten kommt: das Tier blieb freiwillig bei uns, Walbeobachter bestätigen, dass weder Walbetrug noch Walfälschung vorkamen, alle Walversprechen wurden eingelöst. Dann schwamm er fort in Richtung seiner Walheimat, wo er nun zusammen mit der ganzen Walverwandschaft in seiner Walkabine von den alten Zeiten plaudert, von der Zeit der Walkämpfe und vom Großvater, der jetzt in seiner Walurne ruht. Waleluja!

POS 17°40N 055°24W COG 255 SOG 5.6kn unter Maschine

10 Grad Backbord

Von wegen Flaute. Angesagt waren eigentlich 5kn Wind, also so gut wie nichts. In Wirklichkeit haben wir eine Phase recht unbeständigen Wetters. Mal ist wirklich Flaute, dann kommt wieder eine Wolkenwand, in der es auf 15kn auffrischt, Winddrehungen einmal rund um die Kompassrose, mal stehen die Segel, mal stehen sie back, dann flappen sie uns wieder um die Ohren. Kurskorrekturen alle halbe Stunde. Ganz gut, dass wir aus der transatlantischen Lethargie geweckt werden, wo wir Kurs und Segelstellung einmal einstellen und dann für drei Tage vergessen können.

Tja, und dann fing alles ganz harmlos an. Als Muktuk wieder einmal etwas anluvte, sagte Birgit – eher zum Spass – „dann fahren wir eben nach Dominica“. Marianne darauf „da war es auch wunderschön“. Und ich erinnerte mich auch, als ich vor 21 Jahren zum ersten und einzigen Mal in der Karibik war, dass mich die Natur Dominicas sehr beeindruckt hatte. Antigua, bisher als Ziel für den Landfall auserkoren, hatten wir ausgesucht, als wir noch keine klaren Vorstellungen von unserem Zeitplan und weiteren Vorhaben hatten. Mittlerweile wissen wir genaueres. Wenn wir uns genügend Zeit nehmen wollen, die Gegend ausgiebig geniessen zu können, können wir eigentlich nur zwei Inseln besuchen: die, zur der wir jetzt hinfahren und danach Guadeloupe, wo wir Anfang Februar Sigrid an Bord nehmen werden. Und wenn wir jetzt nach Antigua gehen, wird Dominica ausfallen müssen.

Nach ein paar Stunden Lektüre der Revierführer war unser Entschluss gefasst: wir ändern unseren Kurs 10 Grad nach Backbord und steuern die Nordspitze Dominicas an. Bye bye Antigua. Man soll ja flexibel bleiben. Einziger Wermutstropfen: vor Tagen schon habe ich mit viel Mühe und einigen Stunden Arbeit die Gastlandflagge Antiguas genäht. Das ist jetzt nicht nur umsonst, sondern ich muss für die Flagge Dominicas nocheinmal ran. Und die ist auch nicht einfach, mit mehrfarbigen Streifen, einem Wappen in der Mitte etc. Aber wenn das alles ist…

DominicaNaehen

FlaggeFertig

Letzte Neuigkeiten von der Fischereifront: wir wissen nicht, was das für ein Tier war, das gestern an der Angel hing. Sah irgendwie barschähnlich aus, war gerade eine reichliche Mahlzeit für drei und extrem wohlschmeckend. Jetzt hoffen wir auf Nachahmungstäter und haben den selben Köder wieder ausgelegt. Drückt uns die Daumen.

FischGebraten

POS 17°52N 053°43W COG 255 SOG 5.1kn

Badepause

Flaute

Gut 600 Seemeilen haben wir noch vor uns, aber die weren sich wohl noch etwas hinziehen. Die letzten Bananen gammeln vor sich hin, ein Fisch hat auch schon seit Tagen nicht mehr angebissen, und vor allem: der Wind ist so gut wie weg. Und wird die nächsten Tage laut Vorhersage auch nicht wiederkommen.

Die Etmale von 140sm sind definitiv vorbei, auch von 100sm pro Tag können wir erst einmal nur träumen. Wir sind froh, wenn genug Wind da ist, dass die Segel stehen und nicht flap-flap-flap uns um die Ohren schlagen. Wir nutzen die Flaute zum Auslüften des Bettzeugs, die Damen sonnenbaden an Deck, wir schauen uns gemeinsam die Sonnenuntergänge an, singen ein paar Lieder und planen die nächsten Mahlzeiten.

Heute haben wir die Segel für ein Stündchen ganz heruntergenommen und die Badesaison eröffnet. Schwimmen in einem der größten Swimmingpools der Welt, auf gut 5000 Meter Tiefe, da wo man nicht mehr stehen kann. Herrlich!

ImWasser

Da das bißchen Wind seit gestern querab einfällt, konnten wir endlich unser Lieblingssegel setzen, den Fisherman. Das ist ein trapezförmiges Segel, das zwischen den beiden Masten an zwei Fallen nach oben gezogen wird und einfach wunderschön aussieht. Erst mit dem Fisherman ist die Schonerbesegelung vollständig.

VorSonnenaufgang

Aber trotz der Flaute ist die Ankunft bis Wiehnachten vorläufig nicht gefährdet, und so werden wir auch die nächsten Tage versuchen, jeden Hauch einzufangen, zu lesen, zu warten und vom Wind zu träumen.

Pos 18°26N 051°02W COG 260 SOG 2.5kn