Pazifik Trance

Seit fast sechs Wochen sind wir jetzt auf See. Seit fast sechs Wochen haben wir kein Land mehr gesehen, nur Wasser, Himmel, ab und zu ein paar Wolken, Sonne und Mond. Das letzte Schiff ist etwa vier Wochen her. Ob es da draußen irgendwo wirklich noch etwas anderes gibt: Land, Inseln, andere Menschen? So genau wissen wir das nicht.

antenne

Nach Pitcairn sind wir nicht gekommen. Wir halten Kurs auf die Marquesas, wo die anderen Muktuks, unsere Freunde und früheren Besitzer unserer Muktuk, schon auf uns warten. Wenn es einen Preis gäbe für die phantasievollste Streckenführung und künstlerisch wertvollste Schlangenlinie, wir hätten gute Chancen, diesen zu gewinnen. Immer dem bisschen Wind hinterher. Bei einer Regatta würde man das vornehm „taktische Wetternavigation“ nennen.

route

Bis nach Hiva Oa, unserer geplanten Ankunftsinsel auf den Marquesas, sind es noch 650 sm, anderthalb Wochen vielleicht. Wollen wir ankommen? Ja und nein. Natürlich freuen wir uns sehr auf die anderen Muktuks. Andererseits ist die Ankunft so schwer vorstellbar, so irreal nach so langer Zeit auf See, dass es auch einfach so weiter gehen könnte. Siehe oben: vielleicht ist das mit dem Land und den Inseln ja nur ein Hirngespinst und in Wirklichkeit gibt es sowieso nur noch Wasser.

naht

vollzeug

Andererseits: mal wieder frisches Obst und Gemüse wäre schon was Feines. Viel haben wir nicht mehr an Bord, gerade mal noch Kürbis, Kartoffeln, Zwiebeln und rote Bete. So langsam müssen wir uns an Konserven gewöhnen. Und frisches Wasser wäre auch nicht schlecht. Während der ganzen Reise hat es ein einziges Mal für eine halbe Stunde geregnet. Nur fünf Liter Wasser konnten wir vor Wochen auffangen, das hat gerade mal fürs Bodenwischen gereicht. Wir hoffen immer noch auf einen richtigen Guss, der uns ein oder zwei unserer 20-Liter Eimer füllt, damit wir mal Wäsche waschen können, ohne unsere kostbaren Wassertanks dafür anzapfen zu müssen.

Man sieht: nach sechs Wochen auf See werden die Wünsche bescheiden. Unsere passen schon in zwei 20-Liter Eimer.

winkt

POS 12°19’S 128°04’W

Windsteuerung (2/2)

Zweiter Teil unserer Serie über die Windsteueranlage. Wie schon im ersten Teil angedeutet, kann diese nur dann das Schiff auf Kurs halten, wenn es schon im Wesentlichen von alleine in die richtige Richtung geradeaus fährt. Das nennt man: der Trimm muss stimmen. Diesen Trimm beeinflusst man zum einen durch ausgeglichene Segelflächen und -stellungen vorn und achtern, aber auf den meisten Kursen ist ein Segelboot luvgierig, d.h. es tendiert dazu, seine Nase in den Wind zu drehen. Um dem entgegen zu wirken, legt man mit dem Hauptruder etwas Gegenruder. Wenn man das Hauptruder in dieser Lage nun fixiert und die Windsteuerung einkuppelt, kann das Spiel beginnen.

Leider gibt es dabei zwei Probleme. Das erste Problem liegt an unserer hydraulischen Steuerung des Hauptruders. Es ist nämlich gar nicht so leicht, das Hauptruder in der gewünschten Stellung zu fixieren, denn jedes hydraulische System hat über die Zeit einen gewissen Schlupf. Der Ruderdruck überträgt sich zwar nicht aufs Steuerrad zurück (man muss es also nicht festbinden), dennoch bewirkt der ständige Druck auf die Ruderflächen auf Dauer ein Nachgeben des Ruders, so dass aus fünf Grad Ruderlage nach einer Stunde vier Grad werden, dann drei usw., bis das Ruder am Ende des Tages gerade steht. Dann ist der Trimm natürlich beim Teufel, und die Windsteueranlage kann nicht mehr arbeiten. Wir haben vorletztes Jahr bei der Atlantik-Überquerung uns damit beholfen, die Pinne festzubinden, denn diese ist (ohne Hydraulik) direkt mechanisch mit dem Ruderblatt verbunden. Das hat funktioniert, aber ideal ist diese Lösung auch nicht, denn wenn man Trimm oder Kurs verändern will (z.B. um einem anderen Schiff auszuweichen), muss man immer erst aufs Achterdeck, um die Pinne loszubinden.

Die zweite Möglichkeit, aus dem Trimm zu laufen ist die Änderung der Windstärke. Die oben erwähnte Luvgierigkeit nimmt nämlich mit der Stärke des Windes zu. Wenn etwa bei 3 Bft eine Ruderlage von 3 Grad ausreicht, um die Luvgierigkeit zu neutralisieren, müssen es bei 5 Bft vielleicht schon 6 Grad sein. Das heißt, in einer Böe schießt das Boot in den Wind, und die Windsteueranlage schafft es nicht länger, den Kurs zu korrigieren. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie oft ich nachts bei der Atlantikpassage geweckt wurde, um beim Aufbrisen des Windes nach achtern zu gehen, die Pinne loszubinden, am Steuerrad den Trimm neu einzustellen, und die Pinne wieder festzubinden. Natürlich hat man beim Nachlassen des Windes das gleiche Spielchen, nur umgekehrt, denn jetzt hat man zu viel Ruderlage, das Boot fällt also zu stark ab.

Wenn das Boot aus dem Trimm läuft (egal ob wegen des hydraulischen Schupfs oder wegen der Änderung der Windstärke), merkt man das immer daran, dass die Windsteuerung auf Anschlag Gegenruder gibt, aber selbst damit nicht gegen die (falsche) Grundtendenz des Bootes ankommt. Und weil mir die Windsteuerung so leid tat, wie sie da mit zusammengebissenen Zähnen und voller Ruderlage vergeblich am Kurs zerrte, kam mir die Idee, mit Hilfe einer kleinen Schaltung und dem Motor des Autopiloten eine Selbst-Trimm Automatik zu bauen. Und zwar so:

Am Schaft des Hilfsruders habe ich zwei berührungslose Schalter (Reed-Kontakte) montiert, die einen elektrischen Kontakt schließen, wenn das Ruder auf der einen oder anderen Seite Vollausschlag hat. Diese Schalter kosten ein paar Cent, sie sind u.a. bei Alarmanlagen verbaut, um das Öffnen von Türen oder Fenstern zu melden.

schalter

Diese Information über die Hartruderlage der Windsteuerung wird in einem kleinen programmierbaren Microcontroller verarbeitet. Dieser „Arduino“ ist eine open source Lizenz, d.h. jeder darf ihn nachbauen, und deshalb ist er ein Massenprodukt geworden, das z.B. in der Robotik Anwendung findet. Das Gute daran: auch er kostet nur ein paar Euro. Die Programmlogik geht nun so: wenn innerhalb einer bestimmten Zeitspanne (z.B. 30 Sekunden) das Hilfsruder mehr als die Hälfte der Zeit auf Anschlag ist, ist der Trimm wohl nicht mehr in Ordnung. In diesem Fall wird ein kurzer Steuerimpuls (800 Millisekunden) auf den Motor des Autopiloten gegeben, der damit das Steuerrad um etwa eine halbe Speiche dreht und damit den Trimm in die gewünschte Richtung korrigiert. Kurz vorher wird noch die elektromagnetische Kupplung des Autopilot-Motors eingeschaltet. Und sollte eine halbe Speiche nicht ausreichen, kommt nach weiteren 30 Sekunden der nächste Steuerimpuls.

arduino

Da der Arduino nur Lasten von maximal 50 mA schalten kann, der Motor aber 5A zieht, sind Relais dazwischengeschaltet (drei Stück: eines für die Kupplung, eines für Drehen nach links, eines für Drehen nach rechts). Und das war’s auch schon. Die ganze Schaltung verbraucht 25 mA, kann also ohne Probleme durchgehend laufen. Der Motor des Autopiloten wird nur im Fall der Trimm-Korrektur kurz angesprochen, was je nach Bedingungen ein paar Mal pro Tag bis ein paar Mal pro Stunde nötig ist. Alle anderen Komponenten des Autopiloten (Kompass, Computer etc.) bleiben ohnehin dauernd aus. Alle Teile der Schaltung zusammen kosten weniger als 40 Euro.

Ihr glaubt gar nicht, wie schön das ist. Egal, ob die Hydraulik nachlässt, ob der Wind auffrischt, ob man andere Segel setzt, ob man den Kurs ändert (d.h. den Sollwinkel zum Wind): nie muss man sich um den Trimm Gedanken machen, denn der Arduino findet automatisch nach maximal ein paar Minuten die richtige Hauptruderlage, damit die Windsteuerung ihren Job machen kann. Weder Pinne noch Steuerrad müssen fixiert werden, so dass man jederzeit – etwa für ein Ausweichmanöver – von Hand den Kurs ändern kann. Am Ende steuert man einfach wieder grob in die gewünschte Richtung und überlässt die Feinjustierung wieder dem Arduino. Ziemlich cool!

wolken

Ach ja: POS 14°00’S 112°26’W, immer noch Richtung Pitcairn

Windsteuerung (1/2)

Als in den 60er Jahre Elga und Ernst-Jürgen Koch als erstes Weltumsegler-Paar unterwegs waren, musste immer einer der beiden am Ruder stehen. Hut ab, wir können uns heute nicht vorstellen, welche Strapazen das für die beiden bedeutet hat.

Deshalb ist der heutige Blog-Eintrag dem Apparat an Bord gewidmet, der unseren Komfort ungemein steigert, weil er uns das Rudergehen abnimmt und tagein, nachtaus die Muktuk auf Kurs hält: unsere Windsteueranlage.

heck

Freilich: auch ohne Windsteueranlage müssten wir nicht selbst Ruder gehen, denn wir haben auch noch einen Autopiloten. Der Autopilot ist eine Kombination aus Computer, elektronischem Kompass und einem Elektromotor, der das Steuerrad bewegt, um einen vorgegebenen Kompasskurs einzuhalten. Das Ding funktioniert prächtig und wir benutzen es in Küstennähe, wenn wir sichergehen wollen, eine Einfahrt zu treffen oder einen Felsen zu vermeiden. Aber: der Autopilot macht Lärm (Elektromotor eben) und braucht eine Menge Strom.

Auf Langstrecke schalten wir ihn daher aus und nehmen die Windsteueranlage in Betrieb. Diese arbeitet rein mechanisch, lautlos und ohne Strom. Sie hält dabei keinen konstanten Kurs, sondern einen konstanten Winkel zum Wind. Das hat Vor- und Nachteile: wenn der Wind dreht, fährt man u.U. eine Zeitlang woanders hin als man denkt, aber die Segelstellung ist immer richtig und muss nicht bei jeder Winddrehung korrigiert werden. Und auf Langfahrt kommt es beim Kurs auf 10 oder 20 Grad hin oder her nicht so an, das kann man am nächsten Tag wieder ausgleichen.

Um zu erklären, wie diese geniale Erfindung funktioniert, muss ich allerdings etwas ausholen und gleich drei verschiedene Ruderblätter beschreiben.

Erstens gibt es da das Hauptruder. Mit dem wird das Schiff gesteuert, wenn man das Steuerrad bewegt. Die zugehörigen Ruderblätter (bei uns sind es zwei) sind relativ groß; die Übertragung der Lenkbewegung vom Steuerrad zum Ruderblatt erfolgt bei uns hydraulisch.

Zweitens gibt es das Hilfsruder der Windsteueranlage. Wenn das Schiff schon mal im Wesentlichen in die richtige Richtung steuert (das regelt man mit dem Hauptruder), nimmt dieses Hilfsruder die nötigen Kurskorrekturen vor, um den konstanten Winkel zum Wind einzuhalten. Dieses Hilfsruder ist kleiner als das Hauptruder, aber immer noch groß genug, um das ganze Schiff zu steuern.

Der Auslöser für die Kurskorrekturen ist die sogenannte Windfahne, ein dünnes, etwa skateboardgroßes Sperrholzbrett, klappbar befestigt und von einem Gegengewicht normalerweise senkrecht gehalten. Dieses Sperrholzbrett richtet man nun so aus, dass seine Stirnseite genau in die Windrichtung zeigt. Kommt der Wind also aus dieser Richtung, wirkt keine Kraft auf die Windfahne und sie wird durch ihr Gegengewicht senkrecht gehalten. Kommt der Wind mehr von rechts (z.B. weil das Schiff nach links vom Kurs abkommt), bläst der Wind auf die rechte Seite der Windfahne und das Brett klappt nach links um. Und natürlich umgekehrt: Kursabweichung nach rechts, Wind kommt mehr von links, Windfahne klappt nach rechts.

Soweit alles gut, man muss nur noch die Klappbewegung der Windfahne auf die Lenkbewegung des Hilfsruders übertragen. Doch dummerweise gibt es da ein Problem: Um das Hilfsruder zu bewegen, braucht man sehr viel mehr Kraft, als die Klappbewegung des Brettchens hergibt. Und da kommt jetzt die geniale Idee des Konstrukteurs ins Spiel: man verwendet die Fahrt des Schiffes durchs Wasser als mechanischen Kraftverstärker. Wie geht das?

Der Trick liegt in einem dritten Ruderblatt, dem Pendelruder. Das ist klein (schmal aber lang) und kann tatsächlich durch die Klappbewegung der Windfahne gedreht werden. Das Pendelruder steuert nun aber nicht etwa das Schiff, dazu ist es viel zu klein, sondern sein ganzer Schaft kann sich nach links oder rechts um ein zentrales Gelenk bewegen, eben „pendeln“. Und diese Pendelbewegung, die umso kräftiger ausfällt je schneller das Schiff durchs Wasser fährt, hat genügend Kraft, um nun wieder als Lenkbewegung aufs Hilfsruder zu wirken.

Also nun noch einmal komplett: kommt das Schiff z.B. nach rechts vom Kurs ab, bläst der Wind nicht mehr auf die Stirnseite der Windfahne, sondern mehr auf die linke Seite. Die Windfahne klappt nach rechts. Die Klappbewegung dreht das Pendelruder um seinen Schaft nach links. Durch die Fahrt durchs Wasser pendelt das Pendelruder kräftig nach rechts aus. Diese Pendelbewegung dreht das Hilfsruder nach links, das Schiff wird nach links gesteuert. Der Wind bläst nun wieder auf die Stirnseite der Windfahne, diese richtet sich auf (Gegengewicht), das Pendelruder wird wieder gerade gedreht, es pendelt wieder in die Senkrechte zurück und dreht das Hilfsruder wieder gerade. Ende der Kurskorrektur.

Klingt kompliziert, ist aber so. Und funktioniert prächtig, meistens jedenfalls. Warum es manchmal nicht ganz so einfach ist, und was wir dagegen getan haben, kommt im nächsten Blog-Eintrag.

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wolken

Nix los

Dieser Ozean ist echt groß. Das merkt man schon daran, dass wir – egal wohin – noch nicht einmal die Hälfte geschafft haben, obwohl wir bereits seit fast drei Wochen unterwegs sind, Das letzte Schiff haben wir vor knapp zwei Wochen gesehen, seitdem sind wir ungestört. Wir können also die Musik so laut aufdrehen wie wir wollen, kein Nachbar beschwert sich..

bananen

Das eigentlich Berichtenswerte ist also, dass es kaum Berichtenswertes gibt. Nach der Äquatorüberquerung hatten wir ein paar Tage stärkeren Wind und Seegang und sind recht ungemütlich hin und her geschaukelt worden, aber nun ist es wieder friedlich und wir schaukeln ruhiger und langsamer. Wie es sich anfühlt, wenn es nicht schaukelt, haben wir mittlerweile vergessen.

Zehn Tage lang hatten wir nicht einmal einen Fisch an der Angel. Dann aber biss ein so großer Mahi-Mahi an, dass wir gleich drei Tage lang jeweils zwei Mahlzeiten davon zubereiten konnten, und den Rest hat Birgit in Gläsern eingemacht. Die fliegenden Fische, die wir morgens an Deck finden, zählen wir nicht mit. Außer der große von heute Abend, den wir gerade zappeln hörten, frisch ernten konnten und gleich als Vorspeise braten.

fisch

Bei durchschnittlich einem Segelmanöver alle zwei bis drei Tage (Groß reffen, Fock setzen, Schoner bergen, Schoner setzen, Groß ausreffen, …) überarbeiten wir uns seglerisch auch nicht gerade. Die Windsteueranlage hält brav den Kurs (dazu bald mehr), so dass wir nur Ausguck gehen müssen. Und da gibt es – siehe oben – zur Zeit wenig zu sehen. Die Bordroutine strukturiet den Tag: langes Frühstück, um nach dem unterbrochenen Schlaf der Nachtwachen zu sich zu kommen, Kübeldusche an Deck, Schiff putzen, kochen, essen, Mittagsschlaf, spülen, Sundowner, kochen. essen, über Funk Wetter und E-Mails abrufen. Zwischendurch immer wieder viel lesen, ich habe den Sextanten ausgepackt und poliere meine eingerosteten Kenntnisse in Astronavigation auf.

lesen

Apropos Navigation: den zwischendurch überlegten Abstecher auf die Osterinsel mussten wir streichen, denn da unten ist in den nächsten Tagen ein Sturmtief vorhergesagt, und in 5-6 Meter Welle fahren wir nicht freiwillig hinein. Unser geplantes Ziel ist Pitcairn, aber auch da ist noch ungewiss, ob uns Rasmus da hinsegeln lässt. Wir behalten die Wetterentwicklung im Auge und entscheiden in den nächsten Tagen, ob es möglich ist. Wenn ja, ist freilich noch nicht gesagt, dass wir bei den dann dort herrschenden Bedingungen auch vor der Insel ankern und an Land gehen können. Das ist immerhin noch drei Wochen hin, und so weit reicht keine Vorhersage. Wenn es dann zu rauh ist, können wir bloß einmal winken und weitersegeln, dann waren knapp 1000 Seemeilen Umweg vergeblich. Man versteht, warum so wenige Yachten diese Inseln anlaufen…

schiffchen1

schiffchen2

POS 10°23’S 105°20’W
Noch 1662 sm bis Pitcairn

Über die Linie

wolken

Vor zwei Tagen waren wir keine 50 Meilen mehr vom Äquator entfernt. Die Windvorhersage lautete SE, so dass wir bequem unserem Generalkurs SW folgen können sollten. Aber zu früh gefreut: Der Wind kam aus SSW, und so mussten wir jede Meile Süd, also Richtung Äquator, hart erkämpfen. Die vielen Stunden Flaute zwischendurch, in denen wir mit schlagenden Segeln auf jede nutzbare Brise warteten, halfen auch nicht gerade. Aber die See ist sehr ruhig, und selbst beim kleinsten Windhauch läuft Muktuk wie auf Schienen – wenn auch Richtung Westen.

Vor einem Tag waren wir keine 32 Meilen mehr vom Äquator entfernt. Wir sind noch im Einflussbereichs des Humboldt-Stroms, eine kalte Strömung, die die Küste Chiles heraufkommt. Das Wasser hat nur 22°C, entsprechend ist es zumindest nachts so kalt im Boot, dass wir uns für unsere Nachtwachen mit langen Hosen, Unterhemden und Socken einpacken. Sollte man am Äquator eigentlich nicht denken, oder? Trotz „Kälte“ und Feuchtigkeit sitze ich in der ersten Nachtwache an Deck und bewundere den Sternenhimmel mit seinen noch unvertrauten Sternbildern – das Kreuz des Südens, den Zentaurus, den Skorpion. Sobald der Mond untergegangen ist und alle Sterne und die Milchstrasse klar herauskommen, ein herrlicher Anblick. Um Mitternacht will ich noch gar nicht schlafen gehen, aber ich weiss wie müde ich in drei Stunden sein werde, wenn meine nächste Wache anfängt. Viel zu tun gibt es in den Wachen freilich nicht, das letzte Schiff haben wir vor etlichen Tagen gesehen.

grapefruits

Heute mittag sind wir keine 13 Meilen mehr vom Äquator entfernt. Wir rechnen, ob wir die Linie heute noch, und wenn dann wann, erreichen. Der Morgen hat uns mit wolkenlosem Himmel empfangen (die letzten Tage war es viel bedeckt), so dass im Augenblick das Deck voller Matratzen, Kopfkissen, Laken und Handtüchern ist, um die Feuchtigkeit ein wenig herauszubekommen. Birgit sortiert wie jeden Tag die verdorbenen Zitrusfrüchte aus, Säcke voll mit Grapefruit, Orangen und Limetten brauchen eben Pflege. Ich erledige ein paar kleinere Reparaturen. Nach schon drei Tagen ohne Fisch an der Angel (wir sind einfach zu langsam) haben wir bald wieder richtig Lust auf Sushi. Aber noch haben wir reichlich Vorräte an Gemüse, Salat, Obst und Fleisch, dass wir nicht auf den Fangerfolg angewiesen sind.

Und schliesslich ist es soweit: um 19:50 Bordzeit (01:50 UTC) springt die Anzeige am GPS von N auf S, wir springen über die Linie und sind im Südpazifik.

linie

Lichtermeer

6. April 23h Bordzeit. Unsere zweite Nacht auf See. Noch haben wir unseren Wachrythmus, der die nächsten Monate unseren Tagesablauf bestimmen wird, nicht verinnerlicht. Noch sind wir nicht eingeschaukelt (durchgeschaukelt aber schon), aber dank des sehr rolligen Ankerplatzes in Panama City schon ein wenig an die Bewegungen gewöhnt.

Überhaupt Panama City. Ist das wirklich erst zwei Tage her? Die Hektik der Stadt, die Großeinkäufe in den Supermärkten, den Fleischhallen und Gemüsemärkten, die vergeblichen Versuche, unsere Gasflaschen füllen zu lassen (aus ?Sicherheitsgründen? mussten wir neue kaufen), die zig Dinghifahrten, um die Wasser- und Dieseltanks eimer- bzw. kanisterweise aufzufüllen? Säckeweise Grapefruits, Orangen und Limetten, eimerweise Gemüse, Halbjahresvorräte an Bier Klopapier etc. stellen selbst für die Staumöglichkeiten auf der Muktuk eine Herausforderung dar. Birgit kocht mehrere Dutzend Gläser mit Sugo, Rouladen und Gulasch aus diversen Vierbeinern ein, auch die finden noch ihr Stauplätzchen. Wir arbeiten bis zum Umfallen.

schweine

sack

Eigentlich wollten wir es ja etwas ruhiger angehen lassen, uns Zeit für Panama nehmen, den FAJOs als Linehandler durch den Kanal helfen und ein paar Tage auf den Las Perlas Inseln ausruhen, aber daraus wurde alles nichts, denn laut metbob.com, dem Wetterguru des Südpazifiks hat sich seit vorgestern ein Wetterfenster aufgetan, das uns angeblich bis zu den Galapagos-Inseln und vielleicht darüber hinaus segelbare Winde beschert ? vorausgesetzt man kommt Anfang der Woche los.

Nachdem wir bis zu den Passatwinden auf ca. 10°S nicht nur die „Intertropische Konvergenzzone“ (grob gesagt am Äquator), sondern auch noch die „Südpazifische Konvergenzzone“ durchqueren müssen, beide mit Flaute, unwetterartigen Regenfällen mit und ohne Gewitterböen, und dafür einige Tage Fahrt unter Maschine einplanen müssen (und nicht beliebig viel Diesel haben) , wollten wir dieses Wetterfenster natürlich nutzen. Deshalb die ganze Hektik. Warten wir mal ab, ob das Wetter denn auch so kommt wie bestellt.

Die zweite Nacht auf See also, sehr müde, denn die erste Nacht war mit 6 Windstärken etwas ungemütlich, und tags ist es zum Schlafen einfach zu heiß. Heute dümpeln wir in nahezuer Flaute, Muktuk rollt von einer auf die andere Seite in der Dünung, die Segel schlagen, aber wir wollen sie nicht bergen, denn wir brauchen jeden Windhauch. Soviel zum Wetterfenster?

Aber dafür gibt es heute Nacht ein ganz großartiges Geschenk. Wir haben ja schon ein paar Male Meeresleuchten erleben dürfen, und es ist jedesmal wunderschön, die Glühwürmchen im Wasser zu sehen, aber so ein Lichtermeer wir heute haben wir noch nie erlebt. Wir segeln wie durch eine Großstadt, ringsum uns herum ein Licht am anderen, jeder Wellenkamm ist mit einem hellgrünen Leuchtstreifen markiert. Da wir Neumond haben, konkurriert das Meeresleuchten nur mit dem Sternenhimmel, stellt diesen aber locker in den Schatten. Fotografieren kann man das leider nicht, aber vergessen werden wir diesen Anblick bestimmt nicht so schnell.

Völlig unmöglich allerdings, bei diesem Spektakel Ausguck zu gehen. Die Positionslichter eines anderen Schiffes könnte man nie unter den vielen Lichtern ausmachen, die uns rundum umgeben. Das AIS zeigt aber auch keine Gegner in der Umgebung an, daher sind wir unbesorgt.

delfin

POS 6°31?N 080°46?W
Noch 3445 sm bis Pitcairn

Die Mär vom Veggie-Boot

MuktukHinterPalmen

Paradiesisch sind sie ja, die San-Blas Inseln. Weiße Strände, Palmen, Korallen, Sandbänke, geschützte Ankerplätze – ein Traumrevier. Nur einen kleinen Schönheitsfehler haben sie: man kann nirgends etwas einkaufen. Die meisten Inseln sind unbewohnt, und die Kokosnüsse soll man auch auf den unbewohnten Inseln nicht einfach nehmen, denn die gehören einem Kuna-Indianer, auch wenn er/sie nicht auf der Insel lebt. Die bewohnten Inseln haben manchmal einen Verkaufsraum in einer kleinen strohgedeckten Holzhütte, der sich stolz „Supermarkt“ nennt. Dort gibt es dann ein paar Regale voll Trockensortiment, aber davon haben wir genug an Bord. Was fehlt, sind nach mittlerweile knapp drei Wochen seit Roatan Obst und Gemüse. Das gibt es leider auf den Inseln nicht zu kaufen.

Azucar

Doch Segler sind abergläubische Menschen, und deswegen gibt es den Mythos vom „Veggie-Boot“, das angeblich auf dem Festland Obst und Gemüse einkauft und dann zu den Seglern an den Ankerplätzen fährt, um sie dort zu beliefern. Ganz Leichtgläubige sprechen davon, dass sich dieses Wunder zweimal pro Woche ereignet. In den allmorgendlichen Funkrunden wird viel über diesen Mythos spekuliert. Es melden sich Segler, die das Veggie-Boot mit eigenen Augen gesehen haben wollen. Aber in der Anonymität des Sprechfunks kann man natürlich viel behaupten. Da werden dann schon einmal ganz unverfroren Dinge behauptet wie, dass das Veggie-Boot auch Hühner oder Bier mitgebracht hätte.

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Aber wir haben schon persönlich Segler getroffen, die einen kennen, der von einem gehört hat, der das Veggie-Boot gesehen hat. Fast alle Segler hier glauben fest an das Veggie-Boot. Das ist wie mit Bielefeld – wenn genügend Leute seine Existenz behaupten, schwinden die Zweifel, die der gesunde Menschenverstand aufwerfen müsste.

Wir sind jetzt seit zwei Wochen auf den Inseln und haben uns auch schon von diesem Aberglauben anstecken lassen. Der Mythos erfüllt ja auch alle Phantasien des Langfahrt-Seglers: frisches Zeug, frei Haus an die Bordwand geliefert! Erst vorgestern, vor Anker vor einer kleinen bewohnten Insel, versprachen uns die Einwohner, das Veggie-Boot käme am nächsten Morgen um sechs Uhr früh. Wir haben sogar den Wecker gestellt, könnt ihr euch das vorstellen? Den ganzen Tag abwechselnd Veggie-Wache gegangen, dass wir nur ja das Boot nicht verpassen. Im Dorf hiess es dann am Nachmittag, es käme „mas tarde“ – also später. Pustekuchen – das neue Jahr fing natürlich ohne Veggie-Boot an.

Am Neujahrsmorgen dann über Funk die Durchsage: das Veggie-Boot sei auf dem Weg nach Green Island, einem Ankerplatz eine gute Stunde entfernt. Eine Aufregung, als wäre der Weihnachtsmann persönlich gesichtet worden. Keine zehn Minuten nach Empfang des Funkspruchs war unser Anker gelichtet und wir auf dem Weg nach Green Island (wo wir eigentlich gar nicht hinwollten), was tut man nicht alles in seiner Leichtgläubigkeit.

Und was glaubt ihr, was wir dort gesehen haben?

Veggie1

Veggieboot

Palme statt Tannenbaum

Palmenstrand2

Vollmond zu Weihnachten ist ja schon selten genug. Dazu noch einen ruhigen Ankerplatz, umgeben von Riffen, an denen sich malerisch die aus Nordost heranrollenden Wellen brechen. Und als Krönung eine kleine Insel, bestanden mit ein paar Dutzend Palmen, ein paar Hütten, in denen eine Kuna-Familie wohnt. Dort haben wir den Weihnachtsabend verbracht, zusammen mit unseren lieben Freunden von der FAJO und ein paar weiteren Seglern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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Ein paar Fische auf dem Grill, Beilagen und Salate – jeder bringt zum Potluck etwas mit, Bier und Wein sowieso. Auch wenn unser Weisswein, den wir voriges Jahr in Guadeloupe gekauft hatten, nicht einmal mehr zum Essig taugte – Tropen eben. Aber wunderschön war der Abend, am Ende saßen wir am Strand, mit besagtem Vollmond in den Palmengipfeln und haben noch lange erzählt.

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Die Strapazen der Überfahrt sind schon vergessen, die Arbeitsliste wird auch schon kürzer, das Solarpaneel ist mit neuer Befestigung wieder montiert, das neue Windmessgerät dreht sich im Masttop. Unmengen Handtücher und Klamotten sind frisch gewaschen, denn unsere Weihnachtsinsel hat ein Wasserloch im Boden, und wir durften uns zum Wäschewaschen bedienen.

Wasserloch

Die Versorgungslage ist hier allerdings bescheiden bis nichtexistent. Gerüchte sprechen von einem Veggie-Boot, das ab und zu vorbeifährt und Gemüse oder auch mal ein Hühnchen verkaufen soll. Bisher haben wir es aber noch nicht gesehen. Auch auf die Fischer, die uns Fisch oder gar ein paar Langisten anbieten, warten wir bisher vergebens. Internet soll über Telefonkarten möglich sein, aber diese Karten haben wir bisher auch noch nicht gesehen. Fotos im Blog werden wir also wohl Anfang Februar nachreichen müssen. Auch die Pactor-Empfangsbedingungen für Mails und Text-Blogs sind sehr schwierig hier, so dass wir unsere Weihnachtspost erst am 26. absenden konnten. Na ja, das sind aber alles Kleinigkeiten, auf die man auch gut verzichten kann. Und wenn wir gar nichts frisches mehr zum Essen haben (also demnächst!), lichten wir den Anker und fahren ein paar Meilen weiter, wo wir vielleicht etwas einkaufen können. Weit sind die Strecken hier nicht, man muss sich nur gut zwischen den Untiefen hindurchschlängeln.

Mangrove

Mal sehen, wo wir zu Sylvester sind.

KleineInsel

POS 09°34,40N 078°51,33W

Christmas Winds

Christmas Winds, so heißen die regelmäßig im Dezember vor Panama auftretenden verstärkten Passatwinde, die gerne 6-7 Windstärken erreichen können (was wir hiermit als Augenzeugen bestätigen). Für uns heißen sie Christmas Winds, weil wir mit ihrer Hilfe wohl (toi toi toi) rechtzeitig zu Weihnachten auf den San Blas Inseln ankommen werden.

Das ist uns auch ganz recht, denn auch der zweite Teil der Überfahrt erweist sich als recht anstrengend. Auch wenn wir fast mit Halbwind unter gerefften Segeln mit 5, 6 oder 7 Knoten dahinsausen, der Seegang hier ist schon recht ordentlich, und immer mal wieder rauschen wir in eine dieser großen Wellenberge hinein und bekommen ein paar Hektoliter Wasser übers Deck gespült.

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Vorgestern Nacht (das passiert natürlich immer nur nachts, und zwar mit Vorliebe, wenn ich gerade eingeschlafen bin) hat sich eines unserer beiden Solarpaneele, das zwischen den Achterstagen befestigt war, losgerissen. Die Befestigungshölzer waren morsch und haben entweder dem Wind oder der Schiffsbewegung nicht mehr standgehalten.

Also rein in den Lifebelt, Deckslicht an, beidrehen und versuchen, das Ding zu bergen. Die anderthalb Quadratmeter große Platte bei Wind und Seegang erfolgreich unter Deck zu manövrieren, war gar nicht so einfach. Es passte gerade so eben durch den Niedergang. Werkzeug holen, Befestigungsbügel von den Stagen abmontieren… Spannendes Programm für die sonst so langweiligen Nachtstunden.

Leider hat das umherfliegende Paneel auch noch zwei Propellerflügel unseres Windgenerators abgebrochen, so dass wir nun mit Strom etwas haushalten müssen. Zwar können wir mit der Maschine die Batterien laden, aber bei der Lage, die wir auf unserem Kurs schieben, sollte der Motor nicht laufen, so dass wir zum Laden beidrehen müssen. Kein großes Problem, aber unseren Hauptverbraucher, den Kühlschrank, haben wir stillgelegt. Gibts es eben kein kaltes Bier, wenn wir ankommen. Aber die Navigationselektrik und der Bordrechner sind dann doch wichtiger.

Windgenerator

Auch unter Deck sieht es etwas mitgenommen aus. Obwohl selbst bei tropischem Starkregen die Muktuk im Wesentlichen dicht ist: dem Wasserdruck der großen Platscher sind einige unserer Lukendichtungen nicht gewachsen, es kommt also immer mal wieder ein Schub Salzwasser herein. Oder mit perfektem Timing öffnen wir gerade dann das Niedergangsluk, um Ausguck zu gehen, wenn es die Muktuk gerade in einen Wellenberg haut – die nächsten paar Liter Salzwasser im Schiff.

Und da an Lüften seit drei Tagen nicht im Traum zu denken ist, haben wir unter Deck bei 30 Grad eine Luftfeuchtigkeit von 100%. Tropfsteinhöhle vom Feinsten. Man schwitzt einfach ständig, ob man etwas tut oder nur dasitzt oder schläft. Eine Seefahrt die ist lustig usw.

Wir haben ja wirklich viele Handtücher an Bord, aber keines ist mehr trocken. Alle sind oder waren im Einsatz, um die Messepolster und Matratzen zu schonen, Salzwasser aufzuwischen, oder unseren Schweiss abzutrocknen. A propos Matratzen: bei der Lage auf Steuerbordbug gibt es sowieso nur zwei mögliche Schlafplätze, und in einem davon (der Mittelkoje) liegt nun als ungeplanter Gast unser Solarpaneel. Alle Matratzen haben entweder Salzwasserflecken oder sind vom Schweiss durchnässt.

Handtuecher

Die durchschnittliche Halbwertszeit eines trockenen T-Shirts oder einer Hose beträgt 30 Minuten. Dann ist es tropfnass – entweder durch einen Salzwasserplatscher oder durchgeschwitzt. Wir werden eine Menge Süßwasser brauchen, wenn wir angekommen sind. Und unsere ohnehin schon beachtliche Arbeitsliste ist durch die Überfahrt noch ein wenig länger geworden.

Und natürlich Akrobatik ohne Ende. Ob beim Spülen, Kochen oder Essen: man befindet sich nicht länger in einem Inertialsystem und muss jederzeit damit rechnen, dass sich normalerweile friedliebende Gegenstände spontan und mit bisweilen böswilligem Timing selbständig in Bewegung setzen. Birgit hat schon einen blauen Fleck von einer fliegenden Teekanne. Fliegende Untertassen haben wir nicht an Bord.

Aber das mit dem rechtzeitig ankommen sieht gut aus. Chirstmas Winds eben. Wir stehen 105sm vor dem Ziel, das sollte in einem Tag zu schaffen sein.

POS 11°12’N 079°36’W

Gegenan

Sie hat zwar nur rund 660 Seemeilen, die Überfahrt von Roatan zu den San Blas Inseln, aber diese Meilen haben es in sich. Sagen wir mal so: diese Überfahrt hat unter den Kandidaten für unsere Lieblings-Überfahrt eher schlechte Chancen.

Das erste Problem sind die ersten knapp 200 Seemeilen, die gehen nämlich genau nach Osten. Und wo kommt der Wind zu dieser Jahreszeit verläßlich her? Richtig: genau aus Osten. Und statt der angesagten 10kn waren es auch noch gute 25kn, die uns gegenan bliesen, entsprechenden Seegang gab’s kostenlos dazu. Wir haben beides probiert: unter Maschine gegnan tuckern (sehr nervig) oder unter Segeln aufkreuzen. Bei 140 Grad effektivem Wendewinkel auch kein Vergnügen, pro gesegelter Meile macht man gerade mal eine Drittelmeile Richtung Ziel gut. Der Cosinus lässt da nicht mit sich reden.

Nicht umsonst heisst es ja: Der Gentleman kreuzt nicht. Der Gentleman wartet auf besseren Wind. Aber Mitte Dezember auf Wind zu warten, der nicht aus Osten kommt, na ja… das kann schnell Ostern werden. Also war’s diesmal nichts mit Gentleman.

Kaum haben wir die Strecke gegenan hinter uns und können wieder unseren Kurs aufs Ziel anliegen, prompt kämpfen wir mit anderen Widrigkeiten. Birgit und ich haben uns beide eine Art grippalen Infekt eingefangen, sie mit Husten und Gliederschmerzen, ich mit Halsweh und Matschbirne. Beide versehen wir nur notdürftig gedopt unsere Wachen (Birgit mit Ibuprofen, ich mit Aspirin) und können die eigentlich schöne Segelei gar nicht so recht geniessen.

Birgit ist sich sicher, wer daran Schuld ist: der Jüngling aus dem Büro des Hafenmeisters in Roatan, dem die Nase lief und der sich seinen Rotz erst auf die Finger und dann abwechselnd an seiner Hose und an unseren Reisepässen abwischte. Der war vielleicht eine Gestalt: zum Ausfüllen eines Word-Formulars von acht Zeilen brauchte er sage und schreibe eine Stunde. Sorgfältig jedes Wort erwägend, tippte er es nach fünf Minuten endlich ein, nur um es dann wieder wegzulöschen und nach weiteren fünf Minuten durch ein (anderes?) Wort zu ersetzen usw. usw. Am Ende kam sein Vorgesetzter noch mit ein paar Korrekturvorschlägen an (nochmal 15 Minuten Rotzwischen) und schliesslich hatten wir ein wunderbares Dokument in den Händen, dass die Ausreise von einem Herrn Andreas Manfred Deutsch nebst Crew bestätigt. Auf eine Verbesserung meines Namens habe ich dann doch lieber verzichtet, ich hoffe es wird auch so gelten. Wie sagt ein lieber Arbeitskollege so schön: Eignung für leichte Erdarbeiten unter Aufsicht.

POS 15°13’N 082°17’W

Noch knapp 400 Seemeilen bis San Blas. Noch sechs Tage bis Weihnachten. Drückt uns die Daumen.

ThreeLittleBirds