Landausflug

03. – 07. Mai 2019

Go in Okayama

Nach den vielen kleinen Inseln haben wir mal wieder Lust, eine große Stadt anzuschauen und planen einen dreitägigen Abstecher nach Okayama. Wir ankern in einem großen Hafenbecken, das Teil des Industriehafens ist. Der liegt zwar etwas abseits vom Zentrum, aber die Bushaltestelle ist nicht weit und zum Proviantieren sind ein paar große Supermärkte ganz in der Nähe.

Es ist das letzte Wochenende der „Golden Week“, der allgemeinen Urlaubswoche. Aber anders als in Deutschland sind in Japan die Läden auch an Feiertagen geöffnet und gerade weil alle Leute unterwegs sind, gibt es in den Einkaufsmeilen noch mal richtig viele Aktionen. So auch in Okayama: in der überdachten Fußgängerzone sind mitten drin viele Stände aufgebaut, die Kunsthandwerk verkaufen oder Essen anbieten und auch die Geschäfte haben zusätzliche Verkaufsflächen mit Kleidern, Geschirr usw. aufgestellt. In dem ganzen Trubel hätten wir den Go-Club fast übersehen, der ebenfalls einen Tisch nach Draußen gestellt hat. Wir bleiben stehen und Andreas wird sogleich eingeladen, eine Partie zu spielen, was er sehr gerne annimmt.


Leckere frisch ausgerollte Soba-Nudeln aus Buchweizen

Okayama hat einen der ältesten Gärten von Japan und den wollen wir uns auch ansehen. An diesem Tag sind wir aber nicht alleine da, es ist richtig voll. Wir teilen uns den schönen Garten mit vielen fröhlichen Menschen, die die Koi-Karpfen füttern, fotografieren oder im Biergarten Schlange stehen.

Die fliegenden Fische als Drachen werden in Japan überall an diesem Tag aufgehängt, denn es ist der Tag der Kinder!

Tommeln in Kurashiki

Am nächsten Tag, am Sonntag, fahren wir mit einem Regionalzug nach Kurashiki, einer kleineren Stadt, die noch einen gut erhaltenen historischen Stadtkern hat, mit einem malerischen Flussabschnitt, jetzt im Frühling blüht es überall und die Trauerweiden leuchten im hellen Grün. Kurashiki war und ist immer noch für seine Papierproduktion berühmt, auch das blaue Indigotuch wurde hier gefärbt und verarbeitet, die Vorläufer der Jeans, wenn man es so sehen will. Entsprechend viele hübsche kleine und größere Läden gibt es, in denen man stundenlang stöbern und einkaufen könnte. Und wieder haben wir Glück, es ist der letzte Tag, an dem noch viel Programm geboten wird, u.a. treten zwei Trommelgruppen auf. Die erste ist mittags dran, die Sonne scheint und die drei Trommler, zwei junge Frauen und ein junger Mann bearbeiten mit einer ungeheuren Energie und Begeisterung ihre Instrumente, während der Meister mit der Fahne ernst daneben steht. Es ist eine Freude, ihnen zuzusehen und sich von den Rhythmen mittragen zu lassen, sie zu bewundern, für die Kraft und Ausdauer, die sie dafür benötigen.

Als wir zum Fluss kommen, sehen wir dort eine Gruppe von Männern in einem Boot, die kleinere Trommeln bearbeiten, einer spielt Flöte dazu und ein weiterer Mann steht am Ruder. Der ganze Fluss ist voll gesäumt mit Menschen in Urlaubslaune.

Viele junge Frauen haben sich in Schale geworfen, sprich: sie tragen Kimonos, die man sich für einen Tag lang ausleihen kann. Bunte exotische Tupfer in der Menge.

Am späten Nachmittag tritt dann die zweite Gruppe der Trommler auf, der Platz ist inzwischen mit Zuschauern brechend voll. Auch sie spielen mit viel Kraft und Präzision ihre Stücke und werden entsprechend von der Menge bejubelt.

Bizen Keramik in Imbe

Wir beschließen, noch einen Ausflug zu unternehmen, dieses Mal nach Imbe wegen der berühmten Bizen Keramik. Tags zuvor hatten wir in Kurashiki eine schöne Ausstellung von sechs Keramikern aus der Imbe-Gegend bewundert und auch eine kleine Vase erstanden. Und nun wollen wir sozusagen zur Quelle fahren.

Es ist Montag und der letzte Feiertag, aber die Leute sind inzwischen alle auf dem Heimweg, so dass wir den Keramikort fast ganz für uns alleine haben.

Am Bahnhof holen wir uns noch einen Ortsplan von Imbe, auf dem die Keramikwerkstätten und -läden eingezeichnet sind und ziehen los. In diesem überschaubaren Ort konzentriert sich alles auf 2-3 Straßenzüge.

Die Bizen-Keramik kann man sehr leicht an den erdfarbenen Tönen erkennen, von Beige über Orange, überwiegend Braun mit etwas Grau und Schwarz. Die Oberfläche ist eher rau, denn die Objekte werden nicht glasiert, die Farben entstehen durch den langen reduzierten Brand und die Muster durch das Zusammenspiel der einzelnen Töpferwaren im Ofen. Manchmal sieht man Streifen auf den Schalen und Tellern, die stammen von Reisstroh, das dazwischen gelegt wurde.

In einem Laden spricht uns der Keramiker an, ob wir interessiert seien, einen Ofen anzuschauen? Die Nachbarwerkstatt gegenüber hat einen traditionellen Ofen, in dem gerade die Töpferwaren gebrannt werden. Sehr gerne nehmen wir das Angebot an und werden durch den Laden in den Hinterhof geleitet. Dort treffen wir auf eine junge Japanerin, Lehrling im 4. Jahr und eine Keramikerin aus Lausanne, die ganz glücklich ist, dass sie für zwei Monate bei einer Werkstatt mitmachen kann. Die beiden sprechen gut Englisch und können uns viel erklären. Der Ofen ist in mehrere Abschnitte unterteilt und leicht abschüssig gebaut, so dass man unterschiedliche Temperaturen und Zugbahnen der Luft damit erreichen kann. Er wird nur einmal im Jahr in Betrieb genommen, und ist mit rund 2.500 Stücken gefüllt, der Jahresproduktion der Werkstatt. Insgesamt brennt er 7-8 Tage lang und muss rund um die Uhr bewacht und mit Holzscheiten gefüttert werden. In einem ausliegenden Heft wird Logbuch geführt über die Temperaturen und die Menge der Holzbündel und Scheite, die verfeuert wurden. Ab und zu schaut der Meister vorbei und gibt weitere Anweisungen. Es ist eine Wissenschaft für sich, und es braucht jahrzehntelange Erfahrung, um diese besonderen Muster und Färbungen der Bizen Keramik zu erzielen.

In einem anderen Laden zeigt uns eine junge Frau einen sehr schön gemachten dicken Ausstellungskatalog über Bizen-Keramik. Es ist eine aktuelle Wanderausstellung in zehn Museen Japans, u.a. in Tokyo und Kyoto in der ihr Mann, ihr Schwiegervater und ihr Onkel jeweils mit ihren Keramik-Kunstwerken darin vertreten sind. Die Keramik, ob Vasen, Teller oder Tassen, die im Katalog abgebildet ist, und auch die die wir im Laden sehen können, kann man wirklich als Kunstwerke bezeichnen, so schön und einzigartig sind sie.

Am Ende finden wir noch eine kleine Vase, die zu jener passt, die wir tags zuvor erstanden haben. Sicher hätten wir noch viel mehr einpacken wollen, aber das hätte ein zu großes Loch in unseren Geldbeutel gerissen, denn die Bizen-Keramik wird nicht unter ihrem Wert verkauft.

Tempelfest auf Shiraishi

25.-27. April 2019

Über fünf Ecken haben wir von Amy und Paul gehört, die auf der Insel Shiraishi wohnen. Sie freuen sich über Segler, die bei ihnen vorbei schauen, denn sie segeln selbst sehr gerne und haben ein Boot im Hafen liegen. Die beiden leben schon seit vielen Jahren in Japan, Amy spricht fließend japanisch, ist Schriftstellerin und Journalistin. Hier ihre Webseite.

Im neuen Fischereihafen von Shiraishi machen wir längsseits an Pauls Boot fest. Amy erwartet uns bereits und bei einem Kaffee an Bord lernen wir uns nun auch richtig kennen. Danach gehen wir gemeinsam zu Fuß zum Tempelfest. Unterwegs erzählt sie uns schon viel über die Insel und die Projekte, die sie mit den Bewohnern gestartet haben, um für Touristen attraktiv zu sein und um die Abwanderung etwas aufzuhalten.

Beim Tempel angekommen, müssen wir erst einmal die Reinigungszeremonie durchlaufen. Amy macht es vor: mit der rechten Hand nimmt man mit der Schöpfkelle Wasser und schüttet es über die linke Hand, dann schöpft man mit der linken Hand Wasser und schüttet es über die rechte Hand. Danach muss noch der Mund ausgespült werden und das verbliebene Wasser wird über beide Hände verteilt indem man die Schöpfkelle etwas senkrecht hält. Eigentlich alles ganz einfach.

Danach führt uns Amy durch das Gelände des Tempels, zeigt uns die Statue von Kobo Daishi, dem berühmtesten Mönch und Pilger Japans. Überall, wo er Station gemacht hat, findet man eine Statue von ihm. In einem Gemeinderaum nebenan wird gerade noch traditionelle Musik gespielt, eine Gruppe von Frauen sitzt an elektrisch verstärkten Zithern. Wir bekommen zur Begrüßung einen intensiv schmeckenden Trank serviert, eine Art Milch aus Soja und Reis mit einem Schuss Sake darin.

Eine große Trommel wird auf den Platz vor dem Haupttempel gerollt und der Tanz beginnt. Zwei junge Mädchen, drei Jungen und zwei ältere Damen führen einen Reigen auf mit ganz kompliziert anmutenden Handbewegungen und Schrittfolgen. Der ältere Mann an der Trommel wird von einem weiteren Mann am Mikrofon begleitet, beide singen sie. Der Tanz ist mehrere Jahrhunderte alt und diente dazu, die Seelen der in einem Kampf gestorbenen Samurai zu besänftigen und ins Jenseits zu begleiten. Amy hofft, dass dieser Tanz auch an die nächsten Generationen weiter gegeben wird, dass noch genügend junge Menschen auf der Insel leben, die ihn tanzen werden.

Danach gibt es einen Imbiss im Gemeindehaus, zu dem auch wir als Gäste eingeladen werden, Reisbällchen, Salat und Grüntee. Wir fragen, ob wir zum Dank etwas spenden können. Ja, vielleicht, wir könnten Holzstäbchen kaufen, auf die wir unsere Wünsche drauf schreiben, die werden dann zusammen mit allen anderen ins Feuer geworfen.

Auf dem Platz vor dem kleineren Tempel steht schon ein quadratisch angerichteter Scheiterhaufen bereit. Eine lange Holzkette wird heraus gebracht, sie besteht aus vielen großen dunkelbraunen Holzkugeln mit abgegriffenen Inschriften darauf und sie reicht weit um den Holzhaufen herum. Wir stellen uns alle im Kreis auf und halten die Kette fest. Der Priester beginnt mit einem Gebet und die Kette wird im Kreis bewegt, indem jeder von uns sie weiter reicht. Die Feuermeister, alle ganz in Weiß gekleidet, lassen ihre Stöcke erst vom Priester kurz weihen, dann legen sie Feuer an den Scheiterhaufen. Der beginnt sehr schnell zu brennen und die teilweise noch frischen Kiefernzweige erzeugen einen dichten Rauch, der ziemlich in den Augen brennt. Als der Haufen fast ganz abgebrannt ist, werden noch die Holzstäbchen mit den Wünschen ins Feuer geworfen, auch unsere sind mit dabei! Dann beendet der Priester seinen Gebetsgesang, die Kette steht still und wird vorsichtig wieder eingeholt und zusammen gelegt.

Ein schönes und beeindruckendes Fest und wir sind sehr froh, dass wir daran teilnehmen konnten.
Am nächsten Tag machen wir noch eine Wanderung über die Insel – die Gemeinde hat einen langen und teilweise verzweigten Weg um die Insel herum ausgebaut, mit herrlichen Aussichtspunkten über das satte Grün der Insel und aufs weite Meer hinaus, mit Bänken und Tischen zum Ausruhen. Ab und zu kommt man an heiligen Steinen vorbei, die mit kleinen Buddha Statuen verziert sind. Shintoismus und Buddhismus werden auch hier wie überall in Japan oft nebeneinander praktiziert und viele Menschen fühlen sich beiden Religionen zugehörig.

Wir verbringen mit Amy und Paul zwei spannende und lustige Abende, auf der Muktuk und bei ihnen im Haus, erzählen von unserer bisherigen Erlebnissen und positiven Eindrücken von den Menschen hier und lernen von den beiden noch viel mehr über Japan. Amy gibt uns zum Abschied noch jede Menge Lektüre mit, u.a. ihren Benimm-Führer für Japan. Ein sehr gut und unterhaltsam geschriebenes Buch darüber, was man als Tourist in Japan beachten sollte, um nicht unangenehm aufzufallen. Viele der Regeln werden so auch in Europa und anderswo angewendet und viele andere Angewohnheiten und Bräuche könnte man gut und gerne übernehmen, denn sie gestalten auf sehr angenehme Weise einen höflichen und respektvollen Umgang miteinander.

Kyoto

18.-21. April 2019

Mit leichtem Handgepäck machen wir uns am frühen Morgen auf den Weg. Der Bus fährt über die vielen Brücken bis nach Fukuyama und dort steigen wir in den Shinkansen, den für seine Überpünktlichkeit bekannten Hochgeschwindigkeitszug, der uns innerhalb von eineinhalb Stunden nach Kyoto bringt. Eine angenehme Ruhe herrscht in den Waggons, Handys müssen auf stumm geschaltet werden und wer unbedingt telefonieren will, muss auf die Plattform zwischen den Waggons ausweichen. Der Schaffner verneigt sich, wenn er den Wagen betritt und bevor er zum nächsten weiter geht, dreht er sich noch einmal um und verbeugt sich abermals.

Der Bahnhof von Kyoto ist ein architektonisches Kunstwerk und alle Touristen, die das erste Mal hier ankommen, fahren die Rolltreppen hoch zur 5. Plattform, um Fotos zu machen.

Nach dem wir unsere Zimmer im Hotel bezogen haben, gehen wir erst einmal zur Einwanderungsbehörde, um unser Visum zu verlängern. Eine halbe Stunde später und 4.000 Yen pro Person leichter, erhalten wir den Stempel im Pass, der uns erlaubt, weitere drei Monate in Japan zu bleiben. Nun haben wir noch den ganzen Nachmittag Zeit, herum zu laufen und einen ersten Eindruck von der Stadt zu bekommen.

Kyoto gefällt uns auf Anhieb – diese Mischung aus mondäner Großstadt mit breiten Straßen und Shoppingzentren, großen Parks und Tempelanlagen und kleinen verwinkelten Gassen mit alten Holzhäusern ist etwas ganz Besonderes. In diesen historischen, größtenteils schön renovierten Häusern sind inzwischen viele Gästehäuser untergebracht: hochpreisige Ryokans, in denen man ganz traditionell wohnen kann und vom Personal rund um die Uhr umsorgt wird.


Einer der vielen Tempel im Nordosten der Stadt


Ein Tempel mitten in der Stadt

Unser (ganz normales) Hotel liegt gleich neben dem kaiserlichen Park, Kyoto war nämlich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts über viele Jahrhunderte hinweg Sitz des japanischen Kaisers. Von hier aus können wir fast alle Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen.


Die letzten Kirschblüten im Park, eine späte Sorte mit vielen Blütenblättern


In der U-Bahn stellt man sich auch in der Reihe auf

Die ersten beiden Tage verbringen wir abwechselnd in Kunsthandwerk-Museen bzw. laufen durch Einkaufsstraßen mit Läden voller Kunsthandwerk oder zwängen uns mit Hunderten anderer Touristen durch eine Straße voller Lebensmittelläden, neben der der Viktualienmarkt in München bescheiden aussieht.


Alles mit Grüntee


Der berühmteste Messerladen der Stadt


Überall französische Bäckereien mit Baguette, Croissant und Eclair!

Unterwegs entdecken wir häufig Interessantes, wie z.B. einen kleinen Handwerksbetrieb, der Soja-Sauce herstellt, wo wir in die großen Fässer reinschauen dürfen und von den ganz unterschiedlichen Saucen probieren.

Oder eine Ausstellung mit Kalligraphie, wo die jeweiligen Schöpfer der Rollen auch für die Gestaltung der Blumenvasen zuständig sind. Am Eingang liegt ein Besucherbuch aus, in das man sich eintragen kann, mit einem Pinsel seinen Namen zeichnen. Das versuchen wir auch!

Zurzeit findet gerade ein Fotografie-Festival statt, Kyotografie genannt: über die Stadt verteilt sind überall unterschiedliche Fotoausstellungen zu sehen. Von bekannten Namen wie Paolo Pellegrini von Magnum, der mit einer Fotoserie über die Antarktis vertreten ist, bis zu aufstrebenden jüngeren Fotokünstlern wie Weronika Gesicka aus Polen und japanischen Fotografen mit sozialkritischen Themen ist das Spektrum breit gestreut.

Im Raku-Museum sehen wir u.a. eine Sonderausstellung mit Keramik, die den Berg Fuji als Motto oder Motiv hat, Schönes bis Skurriles.

Eine richtig tolle Überraschung ist das Shibori Textilmuseum: Shibori ist eine ganz besondere Technik zur Bearbeitung von Seidenstoffen, bevor daraus die berühmten Kimonos genäht werden. Erst wird der Stoff mit vielen feinen Punkten bedruckt, dann wird der Stoff um den Punkt herum mehrmals ganz eng und fest mit einem Faden umgebunden, eine mühselige monatelange Kleinarbeit, für die man Jahre der Übung braucht, um die Perfektion zu erreichen, die einen Meister bzw. eine Meisterin ausmacht. Danach wird der Seidenstoff gefärbt und anschließend werden die Noppen wieder aufgetrennt. Dort, wo der Faden ganz dicht gewickelt war, ist der Stoff weiß geblieben, es ist das typische gepunktete Muster entstanden. Und solange die Stoffbahnen nicht gewaschen und gebügelt werden, behalten sie auch die unebene Struktur der Noppen. Zwar wurde auch eine Maschine entwickelt, die beim Knüpfen hilft und den Prozess etwas beschleunigt, aber da erscheint das Muster nicht ganz so fein. Ein Kimono aus diesem Stoff war und ist ein wertvolles Kunstwerk für sich und wird über Jahrzehnte sorgsam gepflegt. In der Kimono- und Geisha-Stadt Kyoto waren diese Stoffe früher sehr begehrt, heute aber gibt es nur noch etwa 40 Menschen, die das Handwerk beherrschen.

Abends sind wir so voller Eindrücke und so müde vom Herumlaufen, dass wir nach dem Abendessen nur noch die Beine hoch legen wollen. Erst am dritten Tag schaffen wir es, in das Vergnügungsviertel von Kyoto, wo sich eine Bar an die andere reiht. Wir haben bald genug von dem Trubel und gehen noch durch ein paar einsamere Straßen eines Wohnviertels, mit gedämpftem Licht herrscht hier eine ganz eigene Atmosphäre.


Um Missverständnisse von vornherein zu vermeiden. In diesem Restaurant gibt man mindestens 24,00 EUR aus

Am letzten Tag wollen wir früh raus zum großen monatlich stattfindenden Flohmarkt in einer Tempelanlage. Das Areal ist riesig und die Reihen schier unübersichtlich. Alte und neue Keramik, Holz- und Lackarbeiten, Stoffe und Kimonos, Haushaltswaren und Gemüse, alles kann man hier finden. Und an den Essenständen ist schon am frühen Morgen Hochbetrieb. Dazwischen wird gebetet, Mönche gehen in einer Prozession ein paar Mal durch die Reihen, den Weg wird ihnen von Polizisten frei geräumt.


Hier wird Okonomiyaki gebraten, in der Kyoto-Version: Pfannkuchenteig mit Kohl und Fisch oder Fleisch

Wir haben eine Einkaufsliste geschrieben und finden auch fast alles, was darauf steht: unter anderem einen Teekessel für die Muktuk, Keramik, Fächer und sogar einen Schalenkoffer für den Transport der Keramik nach Deutschland. Den allerdings musste Andreas einem Händler abschwatzen, denn der war eigentlich nicht zum Verkauf sondern zum Transport seiner eigenen Waren gedacht.

Schwer beladen machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof und zurück zur Muktuk und überlegen die ganze Zeit, wo wir eigentlich das sperrige Teil auf dem Boot unterbringen können.

Ohmishima

16. – 22. April 2019

Um festzustellen, ob das Schwert echt ist, das Andreas in Nagasaki beim Trödelhändler gekauft hatte, mussten wir unbedingt einen Stopp in Ohmishima einlegen. Denn da befindet sich ein Museum, das eine der umfangreichsten Sammlungen Japans mit Rüstungen und Schwertern der Samurai ausstellt.

Zuerst aber ist das leibliche Wohl dran: der große Onsen der Insel wird von heißen Quellen gespeist und hat eine Vielzahl an heißen Becken mit oder ohne sprudelndem Wasser. In der kleinen Straße unweit des Hafens finden wir noch ein Lokal, das abends auf hat und wo wir ausnahmsweise mal nicht typisch japanisch essen und anschließend probieren wir zwei Häuser weiter die Biere der kleinen örtlichen Brauerei aus. In beiden Lokalen sind wir die einzigen Gäste, abends ist hier nicht mehr viel los.

Dafür tagsüber umso mehr, wie wir feststellen: Ohmishima ist 2006 mit dem Festland und den umliegenden Inseln durch Brücken und einer Schnellstraße verbunden worden, vorher konnte man die Insel nur mit der Fähre erreichen. Eine schöne Fahrradstrecke wurde ausgebaut, die über alle Inseln und Brücken quer über die Seto Inland See führt und sehr beliebt ist bei in- und ausländischen Touristen. Aber auch der Oyamazumi Schrein zieht Busladungen von Besuchern an. Er gilt als Ruhestätte des Gottes Oyamazumi, der als der Beschützer der Berge und des Meeres in Japan gilt, aber auch als ein Kriegsgott verehrt wird. Hier im Hof des Tempels steht ein dicker alter Baum mit einer Kordel umgeben, der rund 2.600 Jahre alt sein soll. Er ist in der Shinto-Religion ein Baum, der nicht nur über andere Bäume wacht, sondern auch Kraft und Glück beschert, wenn man es schafft, mit angehaltenem Atem drei Mal um den Baum herum zu gehen.

Zum Schrein gehört auch das Samurai-Museum und es ist in der Tat beeindruckend: so viele schöne alte Rüstungen aus Leder- und Textilflechtwerk überwiegend 17. Jahrhundert, die ältesten werden um 950 n. Chr. datiert. Dazu Schwerter und Messer in allen Größen und Formen. Leider durften wir nicht fotografieren. Mit Hilfe eines Buches und mit großem Bedauern muss die Angestellte des Museums feststellen, dass das Schwert, das Andreas vorzeigte, leider nur eine gut gemachte Kopie eines Katana aus der Edo-Periode sei.

Nach so viel Kultur und Kunst, denn das Ohmishima Art Museum besuchen wir auch noch, haben wir Hunger. Mittags ist die Auswahl groß. Gleich neben dem Kunstmuseum befindet sich ein Lokal, vor dem viele Leute warten. Wir denken inzwischen wie die Japaner: wo eine Schlange ist, muss es gut sein. Also stellen wir uns an und werden darauf hingewiesen, dass ein Buch am Eingang ausliegt, wo wir uns eintragen können. Sobald ein Tisch frei wird, kommt die resolute Wirtin raus, schaut ins Buch und ruft mit lauter Stimme die nächsten Gäste aus. Als wir dran sind, muss sie sich nicht mit unseren fremd klingenden Namen plagen, sie zeigt einfach nur auf uns, denn wir sind die einzigen Ausländer. Drinnen geht es mit der Zeichensprache weiter, bis die Schale mit viel rohem Fisch auf Reis und die Misosuppe dazu auf dem Tisch stehen.


Bonsai-Gärtnerei. Die Bäumchen werden mit Klammern in Form gebracht

Als wir danach zum Supermarkt bzw. Gemüsemarkt gehen, quer über den Parkplatz, spricht mich ein Mann an, der gerade eine Kiste voller Orangen ins seinen Pickup lädt: die besten Orangen hier in der Gegend, sagt er voller Stolz und holt drei Stück heraus, um sie mir zu schenken! Protest ist zwecklos, und wäre auch unhöflich. Und ich bin wieder mal sprachlos, über diese spontane Großzügigkeit. Von diesen Orangen wollte ich sowieso auch welche kaufen, denn die Sorte ist wirklich besonders, sie hat eine leicht bittere Note in Richtung Grapefruit, wir lieben sie!

Für den Nachmittag haben wir uns nochmal zwei Museen vorgenommen, die ein paar Buchten weiter mitten in die grüne Landschaft gebaut wurden. Eines davon ist das Tokoro Kunstmuseum, in Terrassen an den Hang gebaut. Moderne Kunst ist zu sehen, nicht viel, denn der Platz ist knapp, aber doch ein paar spannende Stücke. Die unterste Ebene ist eine offene Terrasse, mit einem großartigen Blick aufs Meer und die benachbarten Inseln. Ein paar Stühle und ein Kaffeeautomat für die müden Besucher stehen bereit.

Etwa hundert Meter weiter befindet sich ein weiteres Museum, das von Toyo Ito gebaut wurde. Der Stararchitekt hat hier ein kleines aber sehr interessantes Gebäude hingestellt, ein paar Oktaeder über- und ineinander geschachtelt. Darin ist gerade eine Ausstellung zu sehen über Projekte und Initiativen von engagierten jungen Menschen auf Ohmishima, die versuchen, den ursprünglichen typischen Charakter der Insel zu bewahren, der durch die Anbindung an die „Außenwelt“ fast schon verloren gegangen ist.

Nebenan steht noch ein Gebäude von Toyo Ito, es ist so ähnlich gebaut wie sein privates Wohnhaus und sieht von außen eher aus wie ein etwas edleres Gewächshaus. Wir dürfen in Begleitung einer kundigen Museumsführerin hinein – eine Handbibliothek mit Literatur zu Architektur und über Toyo Ito, ein paar Architekturmodelle stehen in den Regalen. Das Schönste ist auch hier der Ausblick aufs Meer.

Am Steg in Ohmishima, Miyaura

Nach einer Nacht vor Anker verlegen wir die Muktuk an den Steg von Miyaura. Fähren legen hier keine mehr an, dafür aber kann man als Segler für maximal eine Woche lang bleiben. Platz ist genug, an jeder Seite könnten mindestens fünf Muktuks liegen. Der Hafenmeister wollte von uns 5 Yen pro Tag, das sind umgerechnet 4 Cent. Dafür gab es sogar ein Quittung mit Stempel! Erst später erfuhren wir von anderen Seglern, dass sich die Liegegebühr nach dem Gewicht des Bootes richtet, also pro Tonne 1 Yen und wir hätten eigentlich 26 Yen pro Tag zahlen müssen, er hatte uns also einfach geschätzt.

So einen guten und sicheren Liegeplatz hatte die Muktuk schon lange nicht mehr. Also beschließen wir spontan, von hier aus unseren Landausflug nach Kyoto zu unternehmen.

Als wir vier Tage später wieder zurück kommen, liegt ein kleines Segelboot mit am langen Pier und wir begrüßen erfreut den Besitzer und laden ihn gleich auf ein Bier zu uns sein, denn bisher haben wir noch kaum Segler getroffen. Es ist Tana-San, ein ehemaliger Brückenbauingenieur im Ruhestand und mit seinen 72 Jahren segelt er immer noch jedes Jahr im Sommer in der Setouchi See. Obwohl wir ihn eingeladen haben, kommt er schwer bepackt mit Bier, Sake und Chips an.

Am nächsten Morgen legen auf der anderen Seite des Piers zwei dunkelgrau gestrichene Motorboote der japanischen Marine an, mit viel Trompetentrara aus dem Lautsprecher und der Mannschaft, die gerade nicht mit den Leinen zu tun hat, steht in Reih und Glied in Uniform zur Parade an Deck.

Als sie zwei Stunden später wieder ablegen, hören wir wieder Trompetenklänge und ich winke dem ersten Schiff zu, die Matrosen an Deck winken alle zurück und als ich mich auf japanische Art mit einer Verbeugung bedanke, klatschen sie auf einmal alle in die Hände. Auch dem zweiten Boot winke ich zu, aber keine Reaktion. Erst als aus dem Lautsprecher ein Offizier einen Befehl durchgibt, lüften alle Matrosen auf einmal ihre Mützen und winken damit. Nochmals ein Befehl und die Mützen sitzen wieder ordentlich auf den Köpfen. Herrlich, ich bin begeistert!

Tana-San hilft uns noch beim Ablegen, vorher aber machen wir noch ein paar Fotos zur Erinnerung.

Setouchi Inland See – Noshima bis Mitarei

13.-18. April 2019

Nun sind wir in der Seto Inland See und bewegen uns hier in Tagesetappen ostwärts von Insel zu Insel. Wind zum Segeln gibt es nur ganz selten, also tuckern wir die meiste Zeit. Nachts hier unterwegs zu sein ist nicht ratsam. Zwar würde man die Lichter der herumfahrenden Boote sehen, nicht aber die vielen Fischerfähnchen und Bojen, die überall überraschend auftauchen. Auch tagsüber muss immer einer von uns an Deck sein und Ausguck gehen, damit wir nicht aus Versehen ein Netz einfangen oder ein treibendes Fischerboot rammen.

Die erste Insel, die wir ansteuern, ist Noshima. Wir tuckern in den kleinen Hafen rein und finden einen Schwimmsteg, an dem wir anlegen können. Ein Mann werkelt an seinem Motorboot, eine Nacht da zu verbringen, sei wohl ok. Es ist noch früher Nachmittag und auf Mapsme sehen wir, dass es einen Wanderweg zum Leuchtturm gibt, den wir von See aus bewundert hatten. Wir gehen durch den kleinen Ort, am Tempel vorbei und den Berg hoch. Ein Bambuswald mit vielen dicken Stämmen verbreitet eine etwas düstere Atmosphäre, denn die Blätter lassen kaum Licht durch, obwohl sie so fein und zart sind.

Der Ort ist so ruhig, er wirkt fast wie ausgestorben. Hier, wie überall auf den Inseln und im ländlichen Raum Japans, ist das Problem der Überalterung der Gesellschaft schon bemerkbar. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die jungen Leute in die Großstädte ziehen, und immer mehr Häuser leer stehen. Die Elternhäuser werden nicht so schnell aufgegeben, viele sind noch gut gepflegt, mindestens einmal pro Jahr kommt jemand zurück und schaut nach, ob alles in Ordnung ist. Aber man sieht auch schon etliche verfallene Häuser von Pflanzen überwuchert. Da, wo noch Leute wohnen, sind die Gärten voller Gemüse, Zwiebeln, Kohl, Salat, Spinat, Tomaten und Bäume mit Orangen bzw. Kumquats.

Noshima hat einen sehr schönen Strand, wo wir einen besonders malerischen goldenen Sonnenuntergang sehen können. Auf dem Weg dorthin kommen wir noch an einem kleinen Friedhof vorbei, wo viele frische Blumen in den Vasen stecken und an der Statue eine lachenden Göttin, die einen Fisch unter dem Arm hält. Sie soll den Fischern viel Glück bringen!

Das Wetter ist überwiegend schön, die Temperaturen steigen langsam. Zwischendurch gibt es auch mal einen ungemütlichen Regentag, da passt es gut, wenn wir gerade vor einem Hotel mit einem großen Onsen liegen, um uns aufzuwärmen, wie zum Beispiel auf der Insel, Yashiro.

Umso mehr wirkt die Sonne am nächsten Tag und wir genießen den Ausblick auf die vielen großen und kleinen Inseln, an denen wir vorbei tuckern.

Auch Kurahashi ist eine ruhige verschlafene Insel mit einem großen Tempel und Schrein, allerdings wird hier am Ufer fleißig gearbeitet, drei Leute sind damit beschäftigt, Wellenbrecher zu gießen.

Am nächsten Tag tuckern wir zur Insel Mitarei, deren Ortsmitte ein Kleinod ist, denn fast alle Häuser sind noch im alten Stil erhalten. Die Stadt war eines der Handelszentren der Inlandsee, strategisch günstig gelegen mit einem geschützten Hafen. Ein Geisha-Haus befand sich hier und starke Shoguns wechselten sich beim Regieren ab.

Die Restaurants und Cafés haben noch alle geschlossen, Mitarei liegt im Dornröschenschlaf, aber bald beginnt die Urlaubssaison und da ist bestimmt viel mehr los. In diesem Ort finden wir so viele schöne Fotomotive, hier ein Auswahl davon.

Keramik in Karatsu

05.-08. April 2019

Am 4. April verabschieden wir uns von Mogi. Während wir die Südspitze der Halbinsel von Nagasaki umrunden, müssen wir ständig Ausguck gehen, so viel Verkehr ist da und wir sind froh, dass wir es bei Tageslicht tun. Die meisten Schiffe sieht man per AIS auf der Karte, aber es gibt immer mal wieder ein Containerschiff das inkognito fährt und die Fischerboote haben sowieso ganz selten ihr AIS eingeschaltet. Nachts ist immer noch große Aufmerksamkeit angesagt, auch wenn nicht mehr ganz so viele Schiffe unterwegs sind, unser Adrenalinspiegel ist entsprechend hoch, wir schlafen nicht viel.


Brücke bei Hierado

Am nächsten Tag am frühen Nachmittags machen wir die Leinen fest im Yachthafen von Karatsu. Allerdings können wir an dem langen Steg nicht liegen bleiben, denn der gehört der Stadt oder der Präfektur, so genau verstehen wir das nicht. Auch nicht, weshalb wir da nicht bleiben können. Die Marina hat leider nur kurze Stege, da passen wir mit der Muktuk beim besten Willen nicht hin. Die Marina-Leute telefonieren mehrmals vergeblich mit den Behörden, aber da will niemand die Zustimmung geben. Vom Fischereihafen gegenüber haben wir keine genauen Karten, so dass wir lieber das Hochwasser am nächsten Morgen abwarten wollen, um zu verlegen. Wir fragen, ob wir wenigstens die eine Nacht bleiben können. Der etwas Englisch sprechende Angestellte der Marina lächelt und sagt ja, „but I don’t care!“, damit hat er sich der Verantwortung entledigt und ist wieder guter Dinge.

Am nächsten Morgen finden wir im Fischereihafen tatsächlich einen unbenutzt aussehenden Schwimmsteg, wo wir die nächsten Tage liegen bleiben können.

Karatsu ist ein in Japan bekannter Ort für Keramik. Auch hier spricht man davon, dass im 16. Jahrhundert Keramikmeister von der koreanischen Halbinsel hierher kamen und sich hier ansiedelten. Unter dem Begriff Karatsu-Keramik versammeln sich viele verschiedene Formen und Farben, von dunkleren erdigen Tönen, schwarzen Schalen bis zu hellblauen oder hellgrauen Teetassen, Flaschen und Tassen für Saké und blauschwarzen Vasen ist alles zu finden. Das Spektrum ist groß und daher auch so interessant und abwechslungsreich. Mit einem Stadtplan in der Hand, auf dem die Töpfereien und Galerien verzeichnet sind, machen wir uns auf den Weg.

Gleich am Bahnhof befindet sich eine Verkaufsausstellung des Keramikerverbandes, in dem so ziemlich jede Töpferei mit Stücken vertreten ist und wo wir schon einmal einen ersten Eindruck von der Vielfalt bekommen, und auch von der großen Bandbreite der Preise (von umgerechnet 4 Euro bis zu 25.000 Euro!).

Ein paar Straßen weiter weg befindet sich ein historischer Brennofen mit vier Kammern, heute ganz mit Gras überwachsen, er gehörte zur Werkstatt von Nakazato Taroemon, der sich große Verdienste erworben hat, um die Marke Karatsu-Keramik bekannt zu machen und auch, die Kenntnis um traditionelle Techniken, Formen und Farben weiter zu geben. Sein Haus ist zu einer Galerie umfunktioniert worden, es ist ein schönes dunkles Holzhaus in einem traditionellen Garten mit Koi-Karpfen-Teich. Vasen und Schalen des Meisters sind hier ausgestellt, sehr schön anzusehen, jedes Stück für sich ein kleines Vermögen wert.

In der Fußgängerzone dann reiht sich ein Laden, eine Galerie an die andere, die Keramik ausstellen und anbieten. Schon in der ersten können wir uns nicht satt sehen und können auch nicht zwei kleinen Teetassen widerstehen, wir kaufen sie. Sie werden immer als Paar angeboten, in Größe und Muster ein bisschen anders, gleich und doch unterscheidbar. So langsam bekommen wir einen Blick für die einzelnen Formen und Stile, überall finden wir neue schöne Stücke, manche können wir leider nur anschauen und bewundern, denn sie sind einfach unerschwinglich.


Handgewebte Tücher mit ähnlichem Motiv

Mittags setzen wir uns in ein Lokal, in dem es ganz verführerisch nach Gegrilltem riecht. Es gibt Aal, der mit allerlei leckeren Beilagen serviert wird. Dazu wird, wie immer in Japan, Grüntee ausgeschenkt. Hier in wunderhübschen weißen Porzellanschälchen mit blassblauem Rand. Andreas fragt die Bedienung, wo diese denn her sind, aber er versteht uns leider nicht recht. Also versuchen wir es nach dem Mittagessen im großen Laden mit Gebrauchskeramik und Porzellan nebenan und zeigen ein Foto vor. Es ist Porzellan aus Arita, einem Ort nicht weit von Karatsu. Aber genau diese haben sie leider nicht. Etwas später, nachdem der große Ansturm der Gäste vorbei ist, gehen wir nochmal zu dem Lokal. Die Inhaberin spricht etwas Englisch und sagt uns, dass sie diese Teetassen bereits vor längerer Zeit direkt in Arita gekauft habe. Wir fragen vorsichtig an, ob wir ihr vielleicht zwei Tassen abkaufen dürften. Oh nein, das auf keinen Fall! Aber: sie will sie uns schenken, denn die Stücke seien schon so alt und hätten schon so viele Gebrauchsspuren. Und schon sind zwei Tässchen eingepackt! Wir sind überwältigt von ihrer Großzügigkeit und bedanken uns überschwänglich!


(Tags darauf bringen wir ihr ein kleines Dankeschön mit.)

Zum Marketing der Karatsu-Keramik gehört auch, dass viele Cafés und Restaurants Essen und Getränke in der einheimischen Keramik servieren. So auch das Café, wo wir einen starken Espresso aus Keramiktassen trinken, bevor wir am Nachmittag weitere Läden mit Keramik anschauen.

Als wir gegen Abend zum Hafen zurück kommen, steht am Nachbarsteg ein kleiner Tankwagen. Er wartet auf ein Fischerboot, das betankt werden soll. Wir fragen ihn ob er genügend Sprit habe, um auch uns welchen zu geben. Ja, gerne! Nachdem das Fischerboot betankt ist, kommt er auf unseren Steg gefahren und füllt 300 Liter Diesel in unseren Tank. Die einzige Schwierigkeit besteht darin, dass er nicht bar abrechnen kann. Deshalb geht der Sprit auf Kosten des Kontos des Fischerbootes und wir geben ihm das Geld. Alles nicht so einfach, aber mit ein bisschen Englisch und mit Hilfe des Handy-Übersetzers klappt die Kommunikation zur Zufriedenheit aller.

Am nächsten Tag ist Sonntag und viele Läden sind geschlossen, was zunächst sehr zur Schonung unseres Geldbeutels beiträgt. Wir gehen ins örtliche kleine Kunstmuseum, das ein paar sehr schöne Bildrollen ausstellt, natürlich auch Keramik, sowie Bilder des Künstlers Kawamura, der impressionistisch malte. Das Meisterwerk, ein Segelboot in der Abendsonne ist auch eines der schönsten Ausstellungsstücke des Museums. Zu unserer Überraschung entdecken wir einen ganzen Raum voller Bierkrüge – aus Deutschland! Die meisten von ihnen stammen aus dem 19. Jahrhundert. Wir können nur vermuten, dass es sich um einen passionierten Sammler handelt, der um die Wende vom 19. Zum 20. Jahrhundert eine Reise durch Deutschland unternommen hat, denn die Erklärungen sind nur auf Japanisch.

Vom ersten Stock des Museums können wir in den Nachbargarten hinunter schauen und in das kleine ebenerdige Holzhaus, wo die Schiebetüren offen stehen und zwei Frauen an einem Tisch Kaffee trinken. Es sieht so gemütlich aus, dass wir beschließen, dort eine Pause einzulegen.

Der Garten ist schon ein Schmuckstück für sich, eine Komposition aus Kiefern, Blumen und Steinen. Das Café erst – so liebevoll eingerichtet und ganz im Zeichen der Kirschblüte dekoriert. Wir haben das Gefühl, in einem Wohnzimmer bei Freunden zu sitzen. Als wir Grüntee bestellen, stellt uns die Inhaberin viele Tassen auf den Tisch, wir dürfen uns aussuchen, aus welcher wir den Matcha-Tee trinken wollen. Natürlich die mit den angedeuteten Kirschblüten! Wir dürfen auch fotografieren und die junge Inhaberin freut sich sehr, dass wir ihre Einrichtung und ihre Blumenarrangements bewundern.

Zwei Freundinnen von ihr kommen ins Café und nachdem sie ihnen Eiskaffee serviert hat, stellt sie uns einfach so auch zwei Gläser davon auf unseren Tisch. Kalter Kaffee mit Eiswürfeln wird mindestens so gerne und oft getrunken wie heißer. Wir kommen alle miteinander ins Gespräch und wie immer, wenn wir sagen, dass wir aus Deutschland kommen und mit dem Segelboot unterwegs sind, unsere Visitenkarte verschenken, wird vor Begeisterung in die Hände geklatscht. Zum Abschied dürfen wir uns noch aus einer Kiste mit hübschen Stäbchenbänkchen aus Keramik je eines als Geschenk aussuchen. Mal wieder reich beschenkt verabschieden wir uns fröhlich mit wiederholten gegenseitigen Verbeugungen.

Karatsu hat auch eines dieser Schlösser mit den geschwungenen Dächern, die wie eine Burg oben auf einem hohen Berg thront. Nur dass die japanischen Schlösser so viel zierlicher sind als die europäischen und auch so viel anfälliger für Feuer, da sie, außer den Fundamenten fast ganz aus Holz gebaut sind. Das Schloss von Karatsu wurde erstmals 1608 vom damaligen Fürsten gebaut und seither mehrfach renoviert und wieder aufgebaut. Darin gibt es auf mehreren Stockwerken Ausstellungen über die Geschichte der Clans und über das Kunsthandwerk der Region, die Papierherstellung und die Keramik. Wir bewundern u.a. ein paar schöne alte Schwerter, die die Samurai früher getragen haben.

Gerade stehen im Schlossgarten die Kirschbäume in der letzten Blüte und viele Familien und Gruppen von Freunden sind an diesem sonnigen Sonntag unterwegs, um ein letztes Mal in diesem Jahr Sakura zu feiern.

Anschließend schauen wir uns in einigen Galerien noch einmal die Vasen und Tassen an, die uns so gut gefallen haben und zuletzt stehen wir in dem großen Laden bei der Gebrauchskeramik vor den Regalen und suchen uns noch mehr schöne Stücke aus. Mit zwei Rucksäcken voller Keramik kehren wir zum Boot zurück. Nun brauchen wir wirklich einen stabilen Hartschalenkoffer, um alles heil im Flugzeug transportieren zu können.

Nagasaki

26. März – 04. April 2019

Obwohl die Stadt mit über vierhunderttausend Einwohnern sich auf ein paar enge Täler und die umliegenden Hügel verteilt, wirkt sie überhaupt nicht beengt und hektisch. Im Gegenteil, in den Bussen wird nicht gedrängelt, die kleinen Trams zuckeln in gemächlichem Tempo dahin und auch dort, wo sich die Touristen zu den Sehenswürdigkeiten einfinden, ist es nicht überfüllt.

Ein bisschen Respekt hatte ich schon vor dem Besuch dieser Stadt – denn bei Nagasaki denkt man sofort unweigerlich an die Atombombe, die hier am Ende des Zweiten Weltkrieges abgeworfen wurde. Würde sie sich sehr von anderen Städten Japans unterscheiden? Aber von all dem menschlichen Leid und den Verwüstungen ist heute nichts mehr zu sehen, fast alles ist wieder aufgebaut worden und die Stadt besitzt eine ähnliche Mischung wie andere japanische Städte, mit alten und neuen Häusern und Tempelanlagen dazwischen. Wie es den Menschen geht, die diese Katastrophe überlebten und Stadt wieder aufbauten und auch den nachfolgenden Generationen, das können wir als kurzfristige Besucher nicht einschätzen.
Nur am „ground zero“, wo in einer Höhe von etwa 500m die Atombombe explodierte, ist eine schwarze Stele als Mahnmal aufgestellt und ein Friedenspark drum herum angelegt worden. Die Kirschbäume haben schon die ersten Blüten geöffnet. Alles wirkt so friedlich und ruhig.
Ein paar Schritte weiter den Berg hoch befindet sich das Atombomben-Museum. Fotos von der Zerstörung, Überreste aus den Trümmern sind ausgestellt, ein Modell der Stadt ist aufgebaut, wo die Explosion und der anschließende Feuersturm in einer Simulation vorgeführt werden. Die umliegenden Berge wirkten zwar dämpfend, die Wucht der Druckwelle kanalisierte sich in den dicht besiedelten Tälern umso mehr. Das Museum dokumentiert aber auch die Geschichte der Atombombe nach 1945 bis heute und ist ein einziges starkes Plädoyer für Abrüstung und die Vernichtung dieser Waffen.

Ein kleines Mädchen aus Hiroshima, das infolge der Strahlen der Atombombe an Leukämie erkrankt war, glaubte fest daran, wenn es 1000 Kraniche falten würde, könnte es wieder gesund werden. Papierkraniche, als Symbol des Friedens, werden inzwischen von Kindern aus Japan und aus der ganzen Welt gefaltet und nach Hiroshima und Nagasaki geschickt.

Nagasaki als Hafenstadt war schon immer traditionell allem Neuen gegenüber offen. Auch während der Edo-Zeit, als sich Japan komplett abschottete, gab es hier eine Handelsstation mit ganz eigenen Regeln, besser bekannt unter dem Namen Dejima. Es ist eine von einheimischen Kaufleuten aufgeschüttete Halbinsel in der Bucht von Nagasaki, wohin die in der Stadt verstreuten Ausländer, die „Nambanjin“, Missionare und Kaufleute zusammengeführt wurden und ab 1641/42 auch die Niederländische Handelsstation angesiedelt wurde, die vorher etwas weiter nordöstlich auf der Insel Hirado lag. Ausländer durften das Stadtgebiet in den Jahrhunderten der Isolation nicht betreten, sie durften sich nur auf dieser kleinen Insel auf recht engem Raum aufhalten. Durch dieses enge Nadelöhr gelangte trotz der vielen Einschränkungen viel von europäischen Gütern und auch Wissen nach Japan und umgekehrt wurde japanisches Kunsthandwerk und mehr nach Europa gebracht. Auch später, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sich Japan wieder öffnete, war Nagasaki die Stadt, von wo aus junge Männer zum Studium nach Europa aufbrachen.
Die ganze Anlage ist in den letzten Jahrzehnten liebevoll Haus um Haus neu aufgebaut worden, teilweise unter Anwendung traditioneller Materialien und sie ist inzwischen ein Publikumsmagnet nicht nur für ausländische Touristen. Wer mehr darüber wissen möchte, kann sich den Roman von David Mitchell: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet vornehmen, der am Ende des 18. Jahrhundert in Dejima spielt und ein recht gutes Bild der damaligen Zeit zeichnet.

Nagasaki ist auch die Stadt der Tempel. Der größte ist auch zugleich der älteste buddhistische Zen-Tempel der Stadt, Sofuku-ji von den chinesischen Einwanderern 1629 gebaut. Eine große Anlage ist es, mit Hauptgebäude, einem großen Vorplatz, Nebengebäude und Garten, die eine sehr schöne ruhige Atmosphäre ausstrahlt.

Von hier aus reiht sich die Straße hoch ein Tempel an den anderen und dahinter befinden sich große steinerne Friedhöfe. Ein starker Kontrast zu den modernen Wohnblocks in unmittelbarer Nachbarschaft.

Und Nagasaki ist auch eine Stadt der Brücken, über den schmalen Fluss spannen sich viele ganz unterschiedliche Steinbrücken, die schönste davon und auch die am meisten fotografierte ist die sogenannte „Brillenbrücke“.

Unweit davon kommt man zu dem Einkaufsviertel der Stadt – große überdachte Einkaufspassagen und enge Straßen mit Kopfsteinpflaster und vielen kleinen Boutiquen und Restaurants in einstöckigen Häuschen. Es gibt hier so viele schöne Sachen zu entdecken.

Vorher aber, direkt in der Straße am Ufer des Flusses, kommen wir an einem Laden vorbei, der wie ein permanenter Flohmarkt wirkt. Hauptsächlich Keramik stapelt sich übereinander, ein unglaubliches Durcheinander und Chaos herrscht hier und es besteht ständig die Gefahr, die Türme zum wackeln zu bringen, sobald man etwas tiefer nach Sachen sucht. Ein Gang ist so vollgestellt, dass man schon gar nicht mehr durch kann. Der Besitzer hat im hinteren Teil des Ladens eine Küche, sitzt dort auf dem Boden in eine große wattierte Decke gehüllt und lässt sich nicht stören, während er seine Schale mit Sushi isst. Irgendwann müssen wir ihn aber doch fragen, was die Sachen kosten, die uns so gut gefallen und die wir Stück für Stück zusammen tragen. Schwer beladen mit viel Gebrauchskeramik und einer alten Bildrolle geht es an diesem Tag zurück zum Boot. Doch das Samurai-Schwert geht Andreas nicht aus dem Kopf, am nächsten Tag gehen wir noch einmal dorthin und dieses Mal kauft Andreas es auch, muss es allerdings den ganzen Tag über durch die Stadt mit herum tragen und wird oft darauf angesprochen.

Da die Winde immer noch aus Nord blasen, können wir nicht weiter die Küste von Kyushu hoch und nutzen die Zeit für Wäsche waschen, Proviantieren. Und für tägliche Fahrten nach Nagasaki, mit dem Bus ist es so einfach und bequem. Andreas findet einen Go-Club, setzt sich einen Nachmittag lang zu den Herren und spielt sogar eine Partie Go mit einem 3-Dan-Spieler, der ihn, ich zitiere: „komplett vom Brett gefegt hat“.

Die Kirschblüte in dieser Region ist nun auf ihrem Höhepunkt angelangt und wir suchen uns einen Park etwas außerhalb von Nagasaki, in Nagayo, in dem über 1000 Bäume blühen. Dieses Mal sind wir schon mittags da, junge Mütter sind unterwegs, ältere Damen sitzen in Gruppen zusammen, die Firmenfeiern sind für den Abend reserviert. Es ist ein Traum in Weiß und Rosa! Wir können uns immer noch nicht satt sehen an diesem herrlichen Schauspiel.

Nach elf Tagen am Steg wird die Muktuk ungeduldig, und wir auch. Der Wind passt, wir werfen die Leinen los und verabschieden uns von Mogi und Nagasaki, diesen beiden Ortschaften, wo wir uns so wohl gefühlt haben.

Fischereihafen Mogi

26. März – 04. April 2019

Eigentlich wollten wir direkt ins Stadtzentrum von Nagasaki, in die Dejima Marina, aber die Muktuk passt mit ihren 15m Länge einfach nicht an die kleinen Stege.
Also suchten wir auf der Karte und fanden einen Platz im Fischereihafen von Mogi, der besser nicht sein konnte. Wir durften am Steg der Personenfähre fest machen, auf der gegenüberliegenden Seite und während der ganzen 11 Tage, die wir da blieben, fragte man uns weder nach Papieren noch nach Liegegebühren. Im Gegenteil, wir wurden täglich von der Besatzung der Fähre herzlich begrüßt und von den Passagieren und den Hobby-Anglern im Hafen neugierig beobachtet und befragt.

Mogi liegt nur 10km weit weg von Nagasaki und mit dem Bus ist man innerhalb von 15min im Zentrum der großen Stadt. Mogi hat einen typischen dörflichen Charakter und das, was in Reiseführern oft als verborgenen Charme bezeichnet wird. Um den zu entdecken, muss man eine Weile im Ort bleiben.
Ein kleiner Fluss trennt das Dorf in zwei Hälften, vom Tal aus ziehen die Häuser und Straßen den Hügel hoch. Neben der großen Durchfahrtsstraße gibt es viele kleine Sträßchen, wo man teilweise nur zu Fuß durchkommt und beim Vorbeigehen den Bewohnern fast schon in die Küche schauen kann.

Alles Nötige und mehr gibt es in Mogi, mehrere kleine Supermärkte, drei Friseure, sogar eine französische Boulangerie mit leckerem Baguette und anderem süßen und salzigen Hefegebäck, für mittags mehrere kleine Restaurants, für abends nur eines, das aber bietet sehr guten und frischen Fisch in Form von Sushi und Sashimi an. Und ein Onsen, ein öffentliches Bad, das wir alle zwei Tage aufsuchen und fast schon wie Stammgäste behandelt werden.
Die örtliche Spezialität sind kleine Kuchen gefüllt mit einer Art Marmelade aus den Früchten der japanischen Wollmispel. Zu dem Verkaufsladen im Ort kommen die Touristen extra angereist. Die Bäume, auf denen diese Früchte wachsen, tragen Tüten – die Früchte sind so wertvoll, dass sie vor gefräßigen Vögeln geschützt werden müssen.

Eines Tages gehen wir am Hafen entlang und sehen ein paar Säcke mit Holzabfällen in einer Ecke stehen. Unsicher, ob wir sie einfach so mitnehmen können, fragen wir in dem gegenüberliegenden Laden nach. Es ist, was man von außen wie so oft nicht erkennen kann, ein winzig kleines Café, in dem es verführerisch nach frisch geröstetem und gemahlenem Kaffee duftet. Gerade mal zwei Tische passen rein. Wir setzen uns, bestellen einen Kaffee und unterhalten uns mit der Inhaberin und dem Gast am Nachbartisch, der recht passabel Englisch spricht. Sein Name ist Osami Nakamura und er lädt uns ein, am nächsten Tag den örtlichen Tempel zu besuchen, seinen Tempel, wie er meint. Der Tempel bzw. die Gemeinde gibt es seit dem Jahr 1626, aber da er aus Holz ist, muss er immer mal wieder neu gebaut werden – der aktuelle wurde vor gerade mal zwei Jahren eingeweiht. Nun ist das Eingangstor dran, es ist eingerüstet und es wird jeden Tag, auch am Sonntag, emsig daran geschraubt und gesägt. Das frische Holz riecht herrlich nach Zeder und einer anderen, uns leider nicht bekannten Art (die Säcke mit den Abfällen stammen von diesen Bauarbeiten und die nächsten Tage, als es draußen kalt geworden ist, riecht es auch auf der Muktuk genauso würzig).
Es stellt sich heraus, dass Osami-San einer der sieben Vorstände des Geyokutai-Tempels ist und bei der Planung des neuen Gebäudes intensiv mit gearbeitet hat. Vom alten Tempel sind nur noch die Holzskulpturen der Löwen an den Eckpfeilern übrig geblieben und das Bild an der Stirnseite. Alles andere ist modern und neu. Jeder der Räume, ob der große für Versammlungen der Gemeinde oder die kleineren für den Empfang von Gästen wie uns, hat seine eigene schlichte und schöne Ausführung.

Zwei kleine Gärten befinden sich mitten drin, einen davon hat Osami-San selbst gestaltet, die Steine und Pflanzen bilden das Schriftzeichen für „Herz“, erklärt er uns.
Wir werden nach der Führung in einen kleinen Raum gebeten, wo zum Grüntee eingeladen, den wir mit Blick auf den kleinen japanischen Garten trinken.

In den Raum mit dem Altar und den Klangschalen können wir heute nur durch die Scheiben rein schauen, denn es findet gerade eine Gedenkfeier statt zum einjährigen Todestag eines Verwandten.
Später kommt Osami-San zu uns an Bord zum Kaffeetrinken und bringt seinen Freund mit, ein Tierarzt im Ruhestand, der jetzt eine Farm betreibt und als Gastgeschenk aus seinem Garten Orangenmandarinen dabei hat, zusätzlich zu einem riesigen Laib Toastbrot von der französischen Bäckerei! Als er hört, dass wir noch nie frische Bambussprossen probiert haben, saust er noch einmal los, um welche zu holen. Die sind schon gekocht und müssen nur noch kurz angebraten werden, damit sie ihr köstlich nussiges Aroma entfalten.

Ein anderes Mal wartet ein Mann im Auto auf uns, als wir aus der Stadt zurück kommen. Er ist Hobbyfotograf und hat die Muktuk fotografiert, als wir in den Hafen reinfuhren. Er schenkt uns einen Abzug des Fotos im DINA4-Format und zeigt uns noch ein paar schöne Aufnahmen, die er z.B. von Raubvögeln im Flug gemacht hat.
Gleich gegenüber von unserem Fähranleger ist eine Halle in der nicht nur Fahrkarten verkauft werden, sondern auch frischer Fisch und zu Mittag auch Fischsuppe mit Nudeln und Beilagen. Und über die Straße hinweg steht drei Mal pro Woche ein Gemüsehändler mit seinem Wagen. Als ich dort am vorletzten Tag bereits am frühen Vormittag noch einmal einkaufen wollte, war er erst gerade dabei, die Waren auszupacken und Preisschilder zu schreiben. Der Wagen war aber schon umringt mit aufgeregt schwatzenden alten Damen, die schon eifrig Obst und Gemüse in Kartons und Taschen packten. Als ich mir auch einen Karton nahm, zeigte mir eine der Damen, dass es bereits eine Warteschlange gab, eine Reihe von Kartons, zu denen ich auch meinen legen konnte. Für diesen Hinweis war ich sehr dankbar, denn schnell kann man sich mit unbedachtem oder unbeabsichtigtem Vordrängeln als Ausländerin unbeliebt machen.
Es berührt uns sehr, wie freundlich wir doch immer wieder in diesem Land willkommen geheißen und wie zuvorkommend wir behandelt werden!

Amakusa-jima

Die Insel Amakusa ist weder in den Reiseführern beschrieben noch in den Blogs der Japan-Segler zu finden. Wir sind einfach durch Zufall darauf gestoßen, dass diese Insel für ihr weißes Porzellan berühmt ist. Von China über Korea kam das Wissen über diese Kunst nach Japan und nachdem man auf Amakusa auch die richtigen Zutaten in der Erde fand, entstanden hier bereits vor mehr als vierhundert Jahren mehrere Töpfereien.

Da wir beide uns sehr gerne schöne Keramik anschauen und diese Insel sowieso auf dem Weg liegt, wollen wir dort vorbei schauen. In zwei Tagesetappen sollten wir dort sein.
Am 24. März in der Früh machen wir die Leinen los vom Hotelsteg in unserem Fischerdörfchen, es ist ein sonniger und windstiller Tag, wir müssen die ganze Strecke bis zur nächsten Insel Kami Kochiki durch tuckern. Wir kommen gerade bei Niedrigwasser an und die Kaimauern im Hafen von Sato sehen unüberwindlich aus, 2-3 Meter kann ich unmöglich mit den Leinen hoch springen, Leitern gibt es auch keine, da wo man anlegen könnte. Also beschließen wir, im Hafenbecken zu ankern, es ist genug Platz da.

Am nächsten Tag gehen wir schon um 6.00h morgens Anker auf und tuckern weiter. Vier Stunden später geht unterwegs auf einmal der Motoralarm los, das Kühlwasser läuft nicht mehr richtig durch. Ein Blick in den Kielkasten zeigt: beim Zulauf schwimmt störrisches Seegras, das haben wir wohl in Teilen mit eingesaugt. Andreas bekommt mit Hilfe des Bootshakens einen Teil der Pflanzen raus, den Rest müssen wir von Innen mit einer Luftpumpe raus pusten. Zwei Mal lassen wir den Motor an, zwei Mal holen wir aus dem Filter weitere Pflanzenteile raus, bis das Kühlwasser endlich wieder in der gewünschten Geschwindigkeit durch fließen kann. Wie gut, dass es den Impeller dabei nicht zerlegt hat.

Trotz dieser Unterbrechung kommen wir schon gegen 15.00 Uhr auf der Insel Amakusa an und werfen den Anker in der Bucht vor dem Ort Takahama. In den kleinen Fischereihafen können wir leider nicht rein, er ist nicht tief genug für die Muktuk. Es regnet und ist recht unfreundlich, aber wir wollen trotzdem an Land. Gut eingepackt in Regenzeug stiefeln wir durch den Ort. Er hat auch bei diesem Wetter seinen eigenen Charme, viele schöne Holzhäuser, und schon die erste Brücke ist mit einer weiß-blauen Porzellanvase geschmückt.

In einer Seitenstraße entdecken wir einen Tempel, gehen die Treppen hoch und schauen durch die Fenster rein. Da kommt auch schon der Mönch und öffnet die Schiebetüren. Sichtlich erfreut über diesen seltenen Besuch bittet er uns, herein zu kommen, eine Einladung, die wir sehr gerne annehmen. Es ist ein schöner eindrucksvoller Raum mit Tatami-Matten ausgelegt, zwei Reihen mit niedrigen Bänken stehen vor dem großen Altar, eine reichlich verzierte Lampe hängt von der Decke. Mit Hilfe unseres Handys können wir uns ein bisschen verständigen und der Mönch führt uns zum Schluss noch ein Gebet vor mit Gesang, Klangschalen und Trommel. Wir sind sehr beeindruckt und berührt.

Am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne, wir stehen sehr früh auf und gehen noch einmal in den Ort, dieses Mal zur Töpferei Juhougama. Der Laden hat eine große Auswahl an Porzellanwaren – Teller, Tassen, Vasen, sogar Ingwer-Reiben. So viele schöne Stücke, am liebsten würde ich einen ganzen Korb voll füllen und mitnehmen. Das Museum nebenan hat zahlreiche alte Keramiken ausgestellt, viele mit dem traditionellen Motiv einer stilisierten Seegras-Blume versehen. Dieses Motiv wird neben anderen auch heute noch von dieser Töpferei verwendet.


Traditionelles Motiv


Teeschale mit Gebrauchsspuren im Museum


Der Garten des Museums


Vasen im Laden


Ingwer-Reiben

Eigentlich wollten wir an diesem Tag noch zu einen anderen Ort auf der Insel fahren und dort weitere Töpfereien besuchen, aber das Wetter spielt leider nicht mit, eine Winddrehung ist vorhergesagt. Wir beeilen uns, um rechtzeitig wieder an Bord zu kommen. Der Wind weht schon in die Bucht rein und die Muktuk tanzt schon ganz ordentlich in der Welle, wir schaffen es gerade noch so, an Bord zu gehen. Schnell holen wir das Dinghi an Deck und gehen Anker auf. Nächstes Ziel – Nagasaki!

Von Okinawa nach Kagoshima


14. – 24. März 2019

Das Wetter hält, was es verspricht und nach fast genau 36 Stunden sind wir von Okinawa mit nur einer Nachtfahrt auf der Insel Amami angekommen. Im Süden der Insel gibt es einen Kanal der die Hauptinsel von einer kleinen Inselgruppe trennt. Wir tuckern da durch, viele kleine Fischerboote sind unterwegs, Personenfähren kreuzen unseren Weg. Im Kanal pfeift der Wind ganz ordentlich und es regnet dazu noch. Wir biegen in eine der vielen kleinen Buchten ab und machen an einer Boje in einer ganz gut geschützten Ecke fest und auf einmal sind die Wolken und der Regen weg, die Sonne kommt heraus.

Mit einer Tasse Kaffee in der Hand sitzen wir in der Sonne an Deck, wenig später, um 17.00 erklingt aus den Lautsprechern vom Land her eine schöne Musik. So werden die Anlangen wohl täglich getestet, die im Ernstfall vor Erdbeben und Tsunamis warnen sollen. Aber auch morgens um sieben Uhr erklingt Musik und auch die eine oder andere Durchsage auf Japanisch hören wir tagsüber und wüssten gerne, was sie uns mitteilen möchten.

Vier Tage bleiben wir hier und warten auf das nächste Wetterfenster. Andreas repariert zum wiederholten Mal den Motor des Bugstrahlruders und versucht, ein paar Fische zu angeln. Vor uns liegt ein Dörfchen, mit einem schmalen Fluss und Fußgängerbrücken darüber. Auf den ersten Blick wirkt es wie ausgestorben, aber es leben doch einige Leute hier, viele haben kleine Gärten mit Zwiebeln, Kohl, Lauch und Möhren darin, dazu Obstgärten mit Orangen und Grapefruitbäumen. Und eine Wiese mit Ziegen, die ganz aufgeregt blöken, als wir vorbei kommen.

Wir spazieren auch mal bei Niedrigwasser am Ufer der Bucht entlang, über Felsen und Steine, ab und zu gibt es einen kleinen Sandstrand, und neben angeschwemmtem Holz finden wir hier auch viel anderes Strandgut, Plastik in allen Formen und Farben. Sogar noch mehr von den dicken großen Styropor-Fendern, wie wir einen aus dem Meer gefischt hatten.

Andreas tüftelt eine Route aus, bei der wir einen Bogen fahren und innerhalb von gut zwei Tagen zum Festland kommen können. Es klappt, der Wind hält sich in Geschwindigkeit und Richtung bis fast zuletzt an die Vorhersage und wir sausen bei 6-7 Bft und meist Halbwindkurs nur so dahin, es schüttelt uns nur am ersten Tag bei 3m Welle etwas durch.

Am 21. März nachmittags, erreichen wir endlich das Festland Japans und machen die Muktuk an einem Hotelsteg fest. In der südwestlichsten Ecke der Region von Kagoshima befindet sich in einem kleinen Fischerdorf namens Nomaike ein schönes modernes Hotel, das Kasasa Ebisu, das eben einen Steg für Segler bereit hält. Wir melden uns an der Rezeption an und freuen uns schon auf unseren ersten Besuch in einem Onsen, dem traditionellen japanischen Badehaus. (Dazu später mehr).

Danach feiern wir unsere Ankunft bei einem schönen Abendessen im Restaurant des Hotels mit einer großen Platte Sashimi, zu der es allerlei leckere Beilagen gibt, u.a. eine feine Misosuppe, eingelegtes Gemüse und alles wunderschön angerichtet. Wir bestellen dazu Shochu, eine Art Schnaps, der in dieser Gegend aus Süßkartoffeln gebraut wird. Wir lassen uns vom Kellner beraten, welche der vielen Sorten auf der Speisekarte am besten schmeckt und wie man ihn am besten trinkt: nämlich verdünnt mit heißem Wasser aus der Thermoskanne. Er freut sich sichtlich, dass wir alles so genießen und bringt uns zwischendurch ungefragt noch je ein Gläschen Sake und zuletzt noch ein Glas Bier. Wie gut, dass wir nach so viel Hochprozentigem nur einen kurzen „Heimweg“ haben.

Am nächsten Tag laufen wir durch den Ort, dessen Häuser sich im Wesentlichen um das große Hafenbecken entlang gruppieren. In einer Ecke werden große Wellenbrecher aus Beton in Formen gegossen, eine weitere Schutzmauer gegen die Wellen wird gerade gebaut um die Fisch- bzw. Muschelfarmen zu schützen. In einer Halle am Ufer stehen ein paar Fischer und unterhalten sich, gegenüber befindet sich der kleine Supermarkt. Wir gehen weiter, auch hier sind überall Frühlingsblumen zu sehen und viele kleine Gärten mit Gemüse. Wir sind auf der Suche nach einer Tankstelle, die es hier am Hafen irgendwo geben soll. Ein paar Tanks sehen wir, aber niemand ist da. Aber ein paar hundert Meter weiter, in dem Büro der Fischfarm, sitzen vier junge Männer. Wir klopfen an und fragen, ob einer von ihnen vielleicht Englisch spricht und wo man Diesel bekommen könnte. Mit Hilfe der Mobiltelefone bzw. der Übersetzungs-Apps können wir uns verständigen – einer der jungen Männer hängt sich ans Telefon und organisiert alles. Zwei Stunden später kommt ein kleiner Tankwagen zum Hotelsteg angefahren, einer der jungen Männer kommt mit dem Motorboot angesaust und beide helfen uns, Diesel in Kanistern zum Boot zu bringen.

Wir entschließen uns, am nächsten Tag doch nach Kagoshima Stadt zu fahren, auch wenn es mit dem Bus mit einmal Umsteigen drei Stunden lang dauert, nur die einfache Fahrt gerechnet. Auf der Strecke an der Küste entlang haben wir atemberaubende Aussichten auf Felsen und Meer, und auch die Hügel im Landesinneren mit den blühenden Pflaumenbäumen, feine weiße Tupfer im frühlingshaften Grün, sind schön anzusehen.

Vom zentralen Busbahnhof in Kagoshima erreicht man einen schönen Park am Fluss, wo man an Schautafeln und Skulpturen entlang gehen und über die Geschichte der Samurai und ihre Ausbildung in speziellen Schulen einiges lernen kann. Die berühmtesten Samurais werden auch heute noch verehrt. Wir kommen zum Museum der Meiji-Restauration und gerade rechtzeitig zu einer Multimedia-Show, die über die Kriegswirren ab der Mitte des 19. Jahrhunderts vom Ende der Edo-Zeit und Beginn der Meiji-Ära berichtet, als Japan sich nach 250jähriger Isolation wieder der Welt öffnete. Wir können die Handlung mit Kopfhörern zwar auf Englisch mit verfolgen, aber wir blicken trotzdem nicht ganz durch, denn die vielen Samurai, Fürsten und ihre Ratgeber, mal als Verbündete, dann wieder als Gegenspieler sind uns alle unbekannt. Wir bräuchten mehr Hintergrundwissen zur Geschichte Japans. Wir verstehen, dass es ziemlich kompliziert war und nicht einfach für die Befürworter der Vereinigung und Öffnung Japans sich gegen die Traditionalisten durchzusetzen.

Uns bleibt noch Zeit, durch die Stadt zu laufen, in einem Nudellokal zu Mittag zu essen, in der Einkaufspassage in ein paar Schaufenster zu schauen und am Fluss in der Sonne einen Kaffee zu genießen, bevor wir den letzten Bus zurück zu unserem Fischerdörfchen nehmen. Und wir kommen rechtzeitig zurück, um uns noch einmal im Onsen des Hotels richtig aufzuwärmen.


Der aktive Vulkan Sakurajima gegenüber der Stadt