Wir erreichten die große und weitläufige Bucht Unalaska und die gleichnamige Insel erst spät am Abend. Licht hatten wir zwar noch, aber es reichte gerade so, um einen geschützten Ankerplatz vor dem Dorf zu suchen. Die gut betonnte aber auch sehr enge Fahrrinne zum Hafen wollten wir lieber bei Tageslicht passieren. Also funkten wir den Hafenmeister an, meldeten ihm unsere Ankunft und baten ihn, den Immigration Officer, den Beamten der Einwanderungsbehörde, zu informieren.
Am nächsten Morgen bei schönstem Sonnenschein tuckerten wir rein, an großen Fischerbooten vorbei, der Fischfabrik, auf deren Dach mindestens zehn Weißkopfadler saßen, auf einem der Seezeichen hatte ein Adler sich sogar einen Horst eingerichtet. Und bei Tageslicht sah auch alles ganz einfach aus. Der lange Steg des „Small Boat Harbor“ war dicht besetzt mit Segelbooten, einige schon im Päckchen und so suchten auch wir uns ein Boot aus, bei dem wir längsseits gehen könnten, fragten, ob es gestattet sei. Ja, sicher!
Der Immigration Officer wartete schon am Steg auf uns und nach nur 10 min waren alle Papiere ausgefüllt. Später kam er mit den gestempelten Pässen zurück, dem „cruising permit“, der Segelerlaubnis für ein ganzes Jahr und einem Stadtplan von Dutch Harbor. Alles ganz unkompliziert und einfach.
Dutch Harbor ist der östlichste Hafen und zugleich einer der größten Fischereihäfen von Alaska, wo die Fischerboote ankommen und ihren Fang abliefern, Lachs und Heilbutt im Sommer, Königskrabben im Winter. Canneries, Fisch verarbeitende Fabriken, stehen gleich hinter dem Hafen, daneben Wohnblocks für die vielen Saison- bzw. Gastarbeiter, die die Fische und Krabben verarbeiten und für den Versand fertig machen.
Nachdem uns unsere Bootsnachbarn, eine sehr nette Familie mit drei Kindern aus Kanada, mit allen möglichen nützlichen Informationen über den Ort versorgt hatten, stiefelten wir gleich los. Wir brauchten Proviant, frische Sachen für die nächsten Wochen und vor allem: Gas.
Gleich sieben Segelboote lagen beisammen am Steg, vier davon kamen – uns eingeschlossen – direkt aus Japan. Eine einmalige Gelegenheit, so dass für den Abend ein Potluck mit Grillen organisiert wurde. Neben unseren Nachbarn gab es noch ein weiteres Boot mit vier Kindern, sie kannten sich alle noch von Neuseeland und freuten sich über das Wiedersehen hier. An diesem Abend wurde viel erzählt und auch gesungen, einer der Segler hatte eine Ukulele dabei und ganz viele Liederhefte. Und da es im Juli immer noch fast bis Mitternacht hell ist, standen wir noch lange beisammen.
Am nächsten Vormittag landete unsere Freundin Astrid aus Berlin in Dutch Harbor. Mit ihr liefen wir noch ein paar Runden durch den Ort: das große Kaufhaus „Alaska Ship Supply“ hatte an diesem Samstag für den ganzen Ort freies Mittagessen bereit. Nachdem wir aus diesem Laden zum zweiten Mal das Handwägelchen voller Proviant gefüllt hatten, stellten auch wir uns für einen Burger an.
Danach besuchten wir das Museum der Aleuten (Museum of the Aleutians) und kamen gerade rechtzeitig zu ein Vortrag von Archäologen und Biologen, die von einem russisch-amerikanisches Ausgrabungsprojekt auf den umliegenden Inseln berichteten. Es war spannend zu hören, mit welchen Methoden die Erdschichten analysiert werden können und welche Rückschlüsse man aus den einzelnen Funden schließen kann über die Besiedlung der Inseln in den vergangenen Jahrhunderten, den Bestand an Vögeln und Tieren usw. Das Museum selbst ist nicht besonders groß, hat aber eine Fülle an Exponaten und Geschichten über die Aleuten und ihre Ureinwohner zu bieten.
Später wanderten wir noch zum alten Ortsteil hinüber, die eigentliche Wohnsiedlung, die auch Unalaska (Wikipedia Unalaska) heißt, wo eine schöne alte orthodoxe Kirche mit einem alten Friedhof steht, hier befindet sich auch die Bibliothek, die Grundschule sowie die High School. Abends gingen wir noch in die Kneipe am Hafen auf Fish & Chips und ein Bier – einmal noch Stadtluft schnuppern, denn am nächsten Tag wollten wir los, mit Astrid viele neue Ankerbuchten erkunden.
Schaut man sich die Landkarte an, bilden die Inseln der Aleuten (Wikipedia) eine langgezogen Kette, die durch die Kamchatka-Halbinsel mit Japan verbunden ist. Geologisch gesehen gehören sie zum großen Pazifischen Feuerring und bei gutem Wetter kann man von Adak schon mal einen der wunderschönen schneebedeckten Vulkanberge deutlich erkennen.
Es war einer der wenigen sonnigen Tage auf den Aleuten – den wir allerdings teilweise damit verbrachten, die Bilgen nun komplett vom Salzwasser zu befreien und mit Süßwasser nachzuspülen. Zwischendurch aber konnten wir in der Sonne an Deck sitzen und mit unseren Nachbarn gemütlich Kaffee trinken.
Auf Adak befand sich bis etwa 1995 eine große Siedlung des US-Militärs mit oberirdischen Wohnblocks und Reihenhäusern, einem Krankenhaus, Grundschule und Highschool und weitläufigen unterirdischen Anlagen. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde alles aufgelassen und die Militärs mit ihren Familien abgezogen. In den Häusern sind die Möbel noch alle da, Autos stehen in den Einfahrten und verrosten, alles verrottet und verfällt nur sehr langsam.
Ein paar Menschen leben schon noch da, vorwiegend Aleuten oder Unangan/Unangas, wie sie sich selbst nennen. (Aleuten_Wikipedia) Hier und auf einigen anderen Inseln der Aleuten lebten sie viele Jahrhunderte lang ungestört und hatten sich auf bewundernswerte Weise an diese unwirtliche Umgebung angepasst. Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts Pelzjäger aus Russland feststellten, dass auf den Inseln ein Vermögen gemacht werden konnte mit der Jagd auf Seerobben und Seeottern. Dass es den Einheimischen dabei nicht gut erging, zeigt die Geschichte jedes Mal wieder… Und als die USA in den Zweiten Weltkrieg eintraten und eine Invasion Japans befürchteten, beschlossen sie, die kleinen Dörfer mit teilweise nur um die 100 und weniger Einwohnern zu evakuieren. Sie wurden zwangsumgesiedelt, die Dörfer samt ihren Kirchen dem Erdboden gleich gemacht, um den Japanern nichts als verbrannte Erde zu hinterlassen. Eine heute für uns nicht mehr ganz nachvollziehbare Handlung. Nach dem Ende des Krieges wurden nur noch wenige der Dörfer wieder aufgebaut.
Zwei Tage blieben wir in Adak, füllten Diesel und Wasser wieder auf und nutzen das gute Wetter, um mit den beiden Booten ostwärts von Bucht zu Bucht zu ziehen, eine schöner und malerischer als die andere. Diese Gegend nahm uns sofort für sich ein, war es die Einsamkeit, das auf den ersten Blick Karge und Wilde? Die explodierende Natur im Sommer, wo die Tage ewig lang sind und alles in einer rasenden Geschwindigkeit wächst? Der Fischreichtum, die vielen wilden Tiere, die wir täglich beobachten konnten? Neblige Tage wechselten sich ab mit weniger nebligen, für die Ausflüge an Land brauchten wir Regenhose und Gummistiefel, an unserem ersten Grillplatz hatten wir Mühe, das nasse Holz zum Brennen zu bringen, nur ab und zu hatten wir Sonne und trotzdem fanden wir es schön! Ab und zu begegneten wir einem Fischerboot und noch seltener einem der anderen Segelboote, die auch in dieser Saison den Weg von Japan hierher gefunden hatten.
Nach diesen wundervollen Tagen war für uns klar, dass wir versuchen wollen, in der nächsten Saison noch einmal diese Inseln von Unalaska über Umnak, Atka und Adak zu besuchen.
Irgendwann mussten wir aber doch wieder in die Zivilisation zurück, zumindest für ein paar Tage und das war Dutch Harbor, wo wir uns offiziell im Lande anmelden wollen.
Japan hat uns dann doch nicht so schnell losgelassen…
Eigentlich wollten wir von Wakayama am Ausgang der großen Bucht von Osaka nach Alaska starten, doch wie so oft änderte sich die Wettervorhersage: Ein Tief, das mehr Wind mit sich brachte, als ursprünglich angekündigt und Wellen von bis zu 4m. Das wollten wir uns für die ersten Tage auf See nicht unbedingt zumuten. Also beschlossen wir, erst einmal die Küste entlang Richtung Norden zu fahren, das Tief in einer sicheren Bucht vorbei ziehen zu lassen und auf ein besseres Wetterfenster zu warten. Unsere Segelfreunde von der Rally versorgten uns noch mit vielen guten Tipps für Marinas und Häfen entlang der Küste bis zur Bucht von Tokyo.
Zwei Tage später erreichten wir am frühen Morgen Shimoda. Beim empfohlenen Steg an der Flussmündung war die Wassertiefe für die Muktuk nicht ausreichend, so dass wir zum gegenüberliegenden Fischereihafen fuhren. Während wir dort anlegten, halfen uns zwei Männer mit den Leinen. Der eine ein Fischer vom Boot nebenan und der andere, Sato San, der Vorsitzende der Fischereigenossenschaft, er kam gerade mit dem Auto zur Arbeit angefahren. Auf unsere vorsichtige Frage, ob wir ein paar Tage hier bleiben könnten, nickte er begeistert. Ja, sicher! Und der Fischer ebenfalls und zeigte uns unaufgefordert, wo der große Wasserschlauch sei. Und für Diesel würden sie die Tankstelle für uns anrufen und den Tankwagen bestellen, alles kein Problem! Sato San bat uns, mit ihm einen Grüntee im gegenüberliegenden Lokal der Fischereigenossenschaft zu trinken. Ob wir denn japanisches Essen und ob wir rohen Fisch mögen würden? Und lud uns für später zum Mittagessen ein, zu einem kleinen Sushi-Restaurant im Ort. Selbst nach mehr als drei Monaten in Japan waren wir immer noch und auch dieses Mal überwältigt von der Gastfreundschaft und der Fürsorge der Menschen. Da kommt so ein fremdes Boot, belegt Liegeplatz im Fischereihafen und wird dafür so fürstlich begrüßt und willkommen geheißen!
Shimoda ist ein gemütlicher Ort, mit einem schönen historischen Ortskern, hier wurde ein wichtiges Kapitel der japanischen Geschichte geschrieben: Commodore Matthew Perry kam mit vier Schiffen aus den USA und erzwang im Jahr 1854 die Öffnung des Hafens von Shimoda und damit auch die Öffnung Japans nach seiner 200jährigen Isolation. Die vier „schwarzen Schiffe“ sind heute in Skulpturen und in den schmiedeeisernen Verzierungen der Brücken verewigt und in der Bucht fährt ein Nachbau eines dieser Schiffe Touristen spazieren. Auch wird jährlich eine Woche lang das Fest der amerikanisch-japanischen Freundschaft gefeiert.
Nach ein paar Tagen sieht das Wetter wieder besser aus. Die Beamten vom Zoll kommen zu uns an Bord für die nötigen Papiere, und unsere Muktuk wird zollrechtlich wieder in den Status eines ausländischen Bootes versetzt. Die Einwanderungsbehörde befindet sich allerdings in Shizuoka, gut drei Stunden mit dem Zug entfernt und da müssen wir persönlich hinfahren, um den nötigen Ausreisestempel in den Pass zu bekommen. So fühlen wir uns noch einmal wie Touristen, die Zugstrecke ist landschaftlich sehr schön, sie führt erst an der Küste entlang und später auch am berühmten Berg Fuji. Der ist aber an diesem Tag komplett in den Wolken versteckt. Wir setzen ihn daher einfach auf unsere Liste der Gründe, weshalb wir unbedingt noch einmal nach Japan zurück wollen…
Dieser Abschied in Raten fällt uns nicht leicht: ein letztes Mal essen gehen; noch einmal in den Onsen; ein letztes Mal im Supermarkt einkaufen und überlegen, ob wir wirklich genügend Thunfischflocken, getrocknete Algen, Miso und Sojasauce an Bord haben. Aber nun steht die Abreise fest, wir müssen und wir wollen los.
Überfahrt 12. Juni – 4. Juli 2019
Den ersten Tag und die erste Nacht auf See müssen wir noch sorgfältig Ausguck gehen, denn auch hier an diesem Küstenabschnitt Japans herrscht dichter Schiffsverkehr. Wir erreichen den Kushiro-Strom, der uns ein Stück weit nordöstlich mit schiebt. Wärme haben wir durch ihn auch noch eine ganze Weile. Dann kommt das erste Tief, das uns wie in einer Waschmaschine mehr als zwei Tage lang gut durchschüttelt. Wir wollen erst einmal soweit es geht östlich segeln, um noch länger im Warmen zu bleiben, aber das zweite Tief schiebt uns doch mehr nach Norden hoch. Die ersten Albatrosse tauchen auf. Wir schauen in unserem Buch über Meeresvögel nach und wirklich, es gibt im Nordpazifik ebenfalls ein paar Arten dieser schönen elegant über die Wellen streichenden Vögel: der Laysan- und der Schwarzfußalbatross sowie der sehr seltene Kurzschwanzalbatross. Allerdings sind sie auch sehr gefräßig und wenn endlich mal ein Fisch an der Angel hängt, muss Andreas diesen schnell einholen, bevor die Albatrosse mit ihren scharfen Schnäbeln auf ihn einhacken.
Nach und nach wird die Wassertemperatur kälter, nach zwei Wochen sind es nur noch 6 Grad Celsius und auch im Boot sinken trotz guter Isolierung die Temperaturen, wir fangen an zu frieren. Erst holen wir die Wollsocken und dicken Pullover hervor, nehmen zum Schlafen eine zusätzliche Decke, um uns aufzuwärmen. Und auch tagsüber sitzen wir dick eingepackt in der Messe und fragen uns, warum wir eigentlich in diese unwirtliche Gegend wollten, wo doch der Sommer in Japan so angenehm warm war. Leider funktioniert unsere Webasto (Heißluft-Heizung) nicht mehr. Nur wenn der Wind weg ist und wir unter Motor fahren, wird es mit der Motorheizung im Schiff kuschelig warm.
Kondenswasser bildet sich an den Fensterscheiben, so dass wir jetzt schon die Doppelverglasung einbauen: dünne Plexiglasscheiben, die wir noch in Neuseeland passend zugeschnitten besorgt hatten, bekleben wir mit Schaumstoffstreifen an den Rändern und setzen sie ein.
Gibt es eigentlich Überfahrten ohne irgend eine Reparatur? Eigentlich nicht! Am ersten Tag riecht es so komisch nach verbranntem Öl aus dem Motorraum, die Dichtung am Ventildeckel hat ein Leck. Wie gut, dass wir eine Ersatzdichtung haben. Viel mehr Sorgen macht uns allerdings die Wellendichtung. Sie war sowieso schon stark gespannt und ist nun vermutlich durch die Kälte spröder geworden, jedenfalls lässt sie bei starkem Wellengang immer wieder einen Schwall Seewasser durch. Und Wasser im Schiff will man nun wirklich nicht haben. Andreas denkt sich eine kompliziert aussehende, aber sehr wirkungsvolle Seilkonstruktion aus Gummizügen aus, mit der der Wassereintritt erst einmal gestoppt ist. Durch die Schaukelei hat sich aber das Wasser aus den Motorbilgen auf alle anderen verteilt, also müssen wir mit dem Staubsauger ran. Bilgen ausräumen, Bierflaschen, Plastikdosen und Kanister abwaschen, aussaugen. Und das alles in einem schaukelnden Boot.
Die Liste wird täglich länger: die Zahnräder aus Plastik an der Steuerung des Autopiloten sind schon wieder abgerieben und das nach gerade mal drei Monaten, am Arduino ist ein Sensorblock ausgefallen, die Ruderanlage braucht Nachschub an Hydrauliköl und so weiter.
Der von allen Seglern so gefürchtete Nebel bei den Aleuten begleitet auch uns ein paar Tage lang. Manchmal sehen wir die Sonne von oben, geradeaus aber dichte Nebelbänke. Immer wieder lassen wir das Radar laufen, über AIS sind wir für die großen Containerschiffe auch sichtbar. Aber wir sind so weit abseits der gängige Schiffsrouten, dass wir auch schon mal eine Woche lang kein einziges Schiff sehen.
Das dritte Tief gibt uns den letzten Schub Richtung Norden und nun zählen wir die Meilen runter, rechnen aus, an welchem Tag wir ankommen könnten. Nun müssen wir nur noch den Pass der Kagalaska Strait bei der Insel Adak rechtzeitig bei Stillwasser erreichen. Der Motor schiebt mit, wir schaffen es.
Langsam schält sich am Morgen die Insel Adak aus dem Nebel heraus. Grün! Haben wir jemals so ein tiefsattes Grün gesehen? Oder kommt es uns so intensiv vor, weil wir so viele Tage lang nur blaugraue Töne vor Augen hatten? Nasse dunkle Felsen, tief hängende Wolken und dazu diese grünbedeckten Hügel! Eine wilde Landschaft, gänzlich ohne Bäume und Sträucher, wir können uns nicht sattsehen daran.
Nachdem wir durch den Pass mit einer Rekordgeschwindigkeit von stellenweise bis zu 11 kn gesaust sind, hängen wir uns ans Funkgerät: „Muktuk, Muktuk, hier ist Muktuk!“ Wie lange haben wir auf diesen Funkspruch gewartet!
Unsere Freunde von der anderen Muktuk liegen schon seit ein paar Tagen im Small Boat Harbor und nehmen am Nachmittag unsere Leinen an. Wir machen längsseits bei ihnen fest und sind glücklich, die Überfahrt nach 24 Tagen auf See geschafft zu haben, vor der wir so großen Respekt hatten und die wir dann doch so gut überstanden haben. Und vor allem sind wir überglücklich, unsere Freunde nach drei Jahren endlich wieder zu sehen! Nachdem Rasmus, die Muktuk und wir alle einen Schluck Whisky auf die gute und sichere Ankunft bekommen haben, wechseln wir auf die andere Muktuk über, wo wir mit einer Flasche Sekt und einem köstlichen Gulasch verwöhnt werden. Zu unserer großen Überraschung gibt es dazu einen grünen Salat mit Kräutern und Blumen von der Wiese nebenan, herrlich! Wir haben uns so viel zu erzählen und freuen uns sehr darauf, dass wir noch ein paar Tage miteinander in dieser Gegend segeln werden.
Am Tag nach der Rally tuckern wir los in Richtung Osten, wir folgen der Einladung unserer Mitsegler vom Katamaran „March“, sie in ihrem Yachtclub zu besuchen und dort die letzten Vorbereitungen für die Abfahrt nach Alaska zu erledigen.
Wir melden uns per Funk, als wir in der Nähe sind und schon kommt uns das Dinghi des Clubs entgegen, um uns hinein zu geleiten. Die Muktuk ist für diesen Hafen eigentlich etwas zu groß, daher müssen wir mit dem Heck zum Land anlegen und vorne den Anker als weitere Sicherung rauswerfen. Ein kniffliges Manöver, denn die Muktuk fährt rückwärts wie sie will, mal so mal andersrum.
Wir sind in einem privaten Yachtclub mit etwa 50 Mitgliedern, die Boote liegen alle in einer Reihe an dem Schwimmsteg. Die Anlage mit Küche, Gemeinschaftsräumen, Werkstatt, Duschen und die Stege – alles ist in Eigenarbeit liebevoll aufgebaut worden. Und es hängt uns zu Ehren eine funkelnagelneue deutsche Flagge aus! Aber das ist noch nicht alles: wir dürfen die Waschmaschine nutzen, die Fahrräder für die Fahrten zum Supermarkt in die Stadt nehmen und am Samstag wird eine „welcome party“ für uns organisiert! Wir sind überwältigt und sprachlos von so viel herzlichem Willkommen!
Wir werden gleich am ersten Abend auf Georgettes Boot eingeladen, und wieder sitzen wir in vertrauter Runde zusammen, mit unseren Mitseglern von der Rally. Am übernächsten Tag lädt uns Shitsukawa-San zu einem Lokal ein, das traditionelles Kushikatsu anbietet, allerlei Leckereien paniert und in heißem Öl ausgebacken.
Georgette fährt uns am Samstag mit ihrem Auto zu den Supermärkten, damit wir die schweren und voluminösen Sachen für die nächsten drei Monate einkaufen können. Vorher haben wir schon lange Listen geschrieben und in den Supermärkten geschaut, was es wo zu kaufen gibt. So sind wir auch in knapp zwei Stunden fertig und das Auto bis oben hin voll mit Kartoffeln, Möhren, Klopapier, Reis, Mehl, Zucker, Sake, Bier und Vieles mehr. Im Club angekommen lassen die Segler alles stehen und liegen und packen mit an: innerhalb von zehn Minuten ist das Auto ausgeräumt und die Sachen alle an Deck!
Am frühen Abend startet dann die Party: Jun-San, die mit ihrem Mann an zwei Wochenenden der Rally auch mit dabei war, hat ein paar Boxen mit vielen verschiedenen kleinen Häppchen vorbereitet. Es sind Holzschalen, die man übereinander stapelt und in einem schönen Tuch transportiert. Wenn an Neujahr die Familien zusammen kommen, bringt jeder solche Boxen mit. Jun-San wollte uns sehr gerne dieses traditionelle Essen präsentieren. Schön sieht es aus und köstlich ist es noch dazu! Es wird gegrillt, Steak, Gemüse, Teigtaschen und Okonomiyaki. Wir sitzen an den Tischen draußen und genießen die Abendsonne, die langsam über dem Berg bei Kobe untergeht! Andreas probiert die Gitarre aus, die wir dem Club geschenkt haben, zum Dank für überwältigende Gastfreundschaft. Und zu später Stunde wird noch die Karaoke-Maschine angeworfen und weiter gesungen.
Jun und ihr Mann
Commodore und Vize-Commodore am Grill
Georgette und Ryuji
Vor unserer Abreise faltet der Commodore des Clubs die deutsche Flagge zusammen und schenkt sie uns mit der Bemerkung, dass unsere ja doch schon sehr in die Jahre gekommen sei. Zum Abschied sind alle noch einmal frühmorgens da und helfen uns beim Ablegen und das Abschiednehmen fällt uns wieder sehr schwer!
Domo arigato gozaimashita! Vielen Dank! Danke schön!
Bisher hatten wir noch nie an einer Rally teilgenommen, aber für Japan schien die Idee sehr verlockend. Wir stellten uns vor, dass wir in diesem Rahmen einfacher mit japanischen Seglern in Kontakt kommen könnten und mehr über das Land und die Menschen erfahren würden. In diesem Jahr waren wir die einzigen Ausländer waren, die sich dazu angemeldet hatten. Alle anderen Boote kamen aus Japan mit japanischer Besatzung. http://cruisingjapan.org/wp1/setouchirally2019guide
Yuge – 1. Wochenende der Rally
Um 15.00h gibt es das erste informelle Treffen aller Teilnehmer in Yuge. KC Ohno, der Vorsitzende vom Japan Ocean Cruising Club und wundervoller Organisator der Rally, schrieb im Vorfeld, er erwarte eine Vorstellung der jeweiligen Crews in Japanisch und Englisch. Dieses bereitete mir ein paar schlaflose Stunden, bis mir aufging, dass das vielleicht nur für die japanischen Teilnehmer gelten würde? Denn unser Japanisch beschränkt sich nach den zwei Monaten im Lande leider immer noch nur auf ein paar Sätze für den täglichen Umgang, vorwiegend zum Begrüßen und Bedanken. Doch dann ist alles halb so wild: manche sprechen hervorragend Englisch, andere wiederum begnügen sich mit ein paar Sätzen und erzählen weiter auf Japanisch ausführlich über sich und ihr Boot, was wiederum KC Ohno zusammenfassend für uns übersetzt. Es ist jetzt schon abzusehen, dass es eine sehr nette und lustige Truppe sein wird. Die ersten Witze und Lacher fliegen schon – meist auf Japanisch – hin und her.
Und es dominieren die Herren – mit Georgette und mir sind erst einmal nur zwei Frauen mit dabei. Das hatten wir schon öfters gehört und gelesen, dass in Japan das Segeln erstens ein sehr exklusiver Sport ist und zweitens, dass es kaum Frauen gibt, die dem Hobby ihrer Männer etwas abgewinnen können. Georgette ist als junge Frau nach Japan gekommen und hat Französisch an der Uni unterrichtet und wir verstehen uns auf Anhieb sehr gut.
Abends gib es in der Gemeindehalle einen offiziellen Empfang. Dort erwarten uns junge Studenten vom Technischen College in Yuge mit Sushi-Platten und kühlen Getränken. Erst gibt es aber ein Gruppenbild mit allen, danach begrüßt uns der Bürgermeister von Yuge sowie der Rektor des Colleges und anschließend müssen wir Segler alle noch einmal nach vorne und ein paar Sätze über uns erzählen. Dieses Ritual wird uns von nun an bei fast allen Veranstaltungen begleiten.
Die Studenten stellen sich gemeinsam mit uns um die Tische herum und sobald jeder ein Getränk in der Hand wird gemeinsam „Kampai!“ gerufen und angestoßen. Die jungen Studenten sind alles andere als schüchtern und haben schon ein paar Fragen für uns überlegt – auf Englisch. Und wir lernen auch schon die drei jungen Mädchen kennen, die mit uns am nächsten Tag raus fahren werden.
Am nächsten Morgen schon vor 9.00h sind alle Studenten und ein paar ihrer Lehrer am Pier versammelt. Wir nehmen unsere Studentinnen an Bord: Nanaho, Mai und Ayidi, alle im 2. Jahr ihres IT-Studiums. Mit ihnen fahren wir für zwei Stunden in die Bucht raus. Wir erklären ihnen das Boot, es gibt ein Picknick an Deck mit selbstgebackenem Brot, Kaffee und Keksen und vielen Fotos – alle drei genießen es offensichtlich sehr, und wir auch.
Nachdem alle Boote wieder am Steg fest liegen, gehen wir einmal quer über die Insel zu einer kleinen Bucht mit weißem Sand und einer Strandpromenade mit Kiefernwäldchen dahinter. Dort haben Studenten des Colleges Zelte aufgestellt und den Grill vorbereitet. Wir gruppieren uns um die Tische, wiederum jedes Boot mit „seinen“ Studenten, die uns immer wieder Schalen mit Gegrillten Würstchen und Fleisch und Gemüse an den Tisch bringen, das wir in eine dieser leckeren japanischen Saucen tunken. Da es kein anderes Besteck gibt, esse ich das erste Mal Würstchen eben mit Stäbchen – geht auch ganz gut. Bier und Sake wird reichlich zugesprochen und die Stimmung steigt entsprechend. Nachdem wir alles bis auf den letzten Krümel vertilgt haben, auch die drei Brote, die ich in der Früh gebacken hatte, wird aufgeräumt. Beeindruckend, wie schnell und effizient die Studenten sind.
Am Abend gehen wir Segler noch alle zusammen in ein Restaurant gegenüber. Nach und nach lernen wir die einzelnen Teilnehmer der Rally kennen und es ergeben sich interessante Gespräche.
Sonntagmorgen stehen Fahrräder bereit, wir bekommen zwei andere Studenten zugeteilt und einen jungen Physik-Lehrer. In kleinen Gruppen fahren wir los, über die große Brücke zur nächsten Insel und wieder zurück. Wir schauen uns Tempel an, fahren durch kleine enge Gassen, und überall gibt es gute Fotomotive. Am Hafen stehen schon in Stapeln die Lunchboxen bereit, die Studenten für uns zum Mittagessen zusammen gestellt haben. Solcherart gestärkt fahren wir die Uferstraße weiter zu einem Schwimmbad mit Meereswasser. Dort erwartet uns eine Überraschung – in einem kleineren Becken schwimmen Rosen auf der Wasseroberfläche und wie herrlich sie duften! Ob das jeden Sonntag so ist, oder nur an diesem, weil zufällig gerade Muttertag ist?
Die Studentinnen vom Vortag kommen vorbei und bringen uns Briefchen mit sorgfältig auf Englisch geschriebenem Dankeschön und es gibt noch mal ein gemeinsames Foto. Wir laden kurzerhand alle noch einmal aufs Boot ein. Auch die Jungs vom Nautischen Zweig kommen dazu und sehen sich interessiert im Boot um, wollen unbedingt den Motor und den Schwenkkiel sehen und fragen, ob sie vielleicht eine Runde mit dem Dinghi drehen dürfen. Ein Wochenende voller neuer Eindrücke – und eine wunderbare Idee, die Segler mit den Studenten zusammen zu bringen!
Toyoshima
Ab Montag haben wir fünf Tage lang freies Segeln, die Boote fahren alle in verschiedene Richtungen los. Wir wollen gar nicht so weit weg, nur einmal um die Ecke zu einer kleinen (fast) unbewohnten Inseln namens Toyoshima. Hier gefällt es uns auf Anhieb so gut, dass wir einfach mal drei Tage bleiben. Das Wasser ist klar, am Strand finden wir riesige Felsenaustern und an den großen Steinen wachsen in den Rillen Entenmuscheln zu Tausenden. Vom Steg in der Bucht geht es ein kurzes Stück hoch zu einem schönen blau angemalten Holzhaus in einem gepflegten Garten, fast wähnt man sich in Schweden. Rote Beeren wachsen im Wald und statt Pilzen gibt es frische Bambussprossen zum Ausgraben.
In dem Kubus ein Kunstwerk von Gerhard Richter: „14 Panes of Glass for Toyoshima, dedicated to futility“ (14 Glassscheiben für Toyoshima, der Vergeblichkeit gewidmet).
Bei Niedrigwasser machen wir uns an einem Morgen auf den Weg und wollen versuchen, die Insel am Ufer entlang zu umrunden. Es ist gar nicht so einfach, denn es gibt zwar kleine sandige Buchten, aber überwiegend müssen wir über Stock und Stein bzw. über viele große und kleine Felsen hinweg klettern. Es ist gut, sich zu bewegen und es gibt so viel zu entdecken. Muscheln, Algen, kleine Krebse und jede Menge Felsenasseln, die nach allen Seiten davon rennen, sobald unser Schatten auf sie fällt.
Nio Marina – 2. Wochenende der Rally
Am Samstag im Laufe des Tage trudeln die Boote nach und nach in der Marina von Nio ein. Wir sind nun auf dem „Festland“, der südöstlich gelegenen großen Insel Shikoku, berühmt vor allem für die Pilgerwege, die insgesamt 88 Tempel miteinander verbinden.
Am frühen Abend versammeln wir uns im ersten Stock im Yachtclub und die Willkommensparty ist eine echte Überraschung! Es gibt ein opulentes Buffet und zur Unterhaltung werden von einer kleinen Gruppe von Frauen Hawaiianische Tänze dargeboten. Beim letzten Tanz werden wir aufgefordert mitzumachen und da ich schon vom Stehempfang ein Glas Sake intus habe, lasse ich mich zusammen mit einigen unserer Mitsegler dazu überreden. Japaner und Deutsche sind gleich hüftsteif und wir können mit den echten Tänzerinnen in Hawaii sowieso nicht mithalten. Es ist einfach nur ein großer Spaß.
Sonntagvormittag ist ein gemeinsamer Ausflug geplant zum Berg Shiude nicht weit weg. Mit dem Bus fahren wir hoch und die letzten Meter laufen wir den schön angelegten Park zum Aussichtspunkt hoch mit einem herrlichen Ausblick auf die Inseln, wo wir die letzten Tage verbracht haben.
Lunchbox
Auf dem Rückweg gehen wir alle noch gemeinsam Kaffee trinken
Schuhe aus!
Nun haben wir wieder frei, aber die meisten Boote bleiben noch einen Tag im Hafen liegen, denn draußen bläst es und Regen hat sich angesagt. Wir sind für den Abend eingeladen auf den Katamaran „March“, wo auch Georgette und ihr Mann als Crew mitfahren. Sie möchten uns eines ihrer Lieblingsessen zu Festtagen präsentieren: fein geschnittenes Fleisch, Tofu und allerlei Gemüse werden in einer großen Pfanne geköchelt und zwar in gesüßter Sojasauce. Der Spirituskocher steht in der Mitte des Tisches und jeder bedient sich aus der Pfanne, in die ständig Zutaten nachgelegt werden.
Wir unterhalten uns angeregt über Japan und Deutschland, denn der Skipper, Shitsukawa-San, hat für eine japanische Firma immer mal wieder einige Monate lang in Deutschland gearbeitet und kann lustige Geschichten aus den 80er Jahren erzählen, als er damals im Hessischen in einer Pension wohnte und sich mit den vielen deutschen Vorschriften und eigenartigen Gewohnheiten auseinandersetzen musste. Ein sehr schöner Abend, an dem wir viel diskutiert und viel gelacht haben.
Von Bella Vista nach Onomichi – 3. Wochenende der Rally
Das letzte Wochenende besteht im Wesentlichen aus Feiern, unterbrochen nur von zwei Ausflügen und einer kurzen Seestrecke. Am Donnerstag schon versammeln wir uns wieder in der Bella Vista Marina –Ein langer schön gedeckter Tisch erwartet uns im Restaurant der Marina, während wir uns beim Stehempfang erzählen, was wir die letzten Tage so erlebt haben. Eine Platte nach der anderen mit leckerem Essen wird aufgetischt, während wir die letzten Sonnenstrahlen genießen. Und wieder werden Reden geschwungen, dieses Mal jeweils mit bestem Dank and Kawasaki-San, dem Eigner der Motoryacht „Ocean Point“ und der Sponsor unseres Aufenthaltes hier. Bella Vista Marina ist nämlich sein Heimathafen.
Wir lernen ein weiteres Ritual kennen: alle klatschen auf ein Zeichen gemeinsam einmal in die Hände, dann ist die Party offiziell zu Ende. Der Abend aber noch nicht, denn es geht auf einer anderen Motoryacht im Hafen fröhlich weiter. Was wir inzwischen sicher wissen: die Förmlichkeit, für die Japan so bekannt ist, erstreckt sich aufs Berufsleben und den ersten Umgang miteinander. Wir haben aber in den letzten Wochen so viele gelöste, herzliche, fröhliche und witzige Menschen getroffen, sei es in großer oder kleiner Runde, dass wir diese Meinung längst revidiert haben.
Am Freitag gibt es wieder einen Ausflug, dieses Mal zu dem Shinshoji Zen-Tempel, der – gemessen an anderen mehrere Jahrhunderte alten Tempeln Japans – noch sehr jung ist. Er wurde erst in den 1960er Jahren gegründet. Einer der vier Mönche ist ein Deutscher, der für unsere Gruppe eine Meditationsübung abhält. Erst werden wir mit ein paar Grundregeln vertraut gemacht und dann sitzen wir ungefähr 15 Minuten still da. Es kommt uns beiden gar nicht so lang vor, vielleicht, weil Zeit auf dem Boot unterwegs während der Überfahrten eine andere Dimension bekommt. Aufs Meer schauen hat auch etwas meditatives…
Wir spazieren noch durch die große weitläufige Anlage und erleben zum Schluss noch eine etwas verkürzte Teezeremonie. Am liebsten würden wir noch den ganzen Nachmittag da bleiben und die Ruhe der Gärten genießen.
Abends versammeln wir uns alle wieder bei Ocean Point zu einer Party, bei der wir den schönen Sonnenuntergang in guter Stimmung genießen. Was für ein Glück wir mit dem Wetter haben!
Für den nächsten Morgen haben wir die Crew von „Yuimaru“ zu uns eingeladen: Shin-San war Lehrer und Rektor einer Grundschule, seine Studienfreundin Miharu-San ist ebenfalls Lehrerin und sein alter Schulfreund Shun-San arbeitet in der Verwaltung seiner Heimatpräfektur. Alle drei sind so überaus liebenswerte Menschen und wir freuen uns sehr, sie näher kennen zu lernen. Shin-San spielt ganz hervorragend Gitarre und so spielen und singen sie uns auch etwas vor. Wir schön! Und wir verabreden, dass wir uns unbedingt noch einmal zum Singen treffen müssen.
Danach tuckern wir alle weiter, gerade mal eine Stunde weit weg nach Onomichi, am Festland gelegen. Der kleine städtische Yachthafen liegt an einem Kanal, in dem immer eine sehr starke Strömung herrscht und es ist nicht gerade einfach, alle Boote da rein zu bekommen.
Oben an der Promenade sind schon Tische aufgestellt und wir werden mit Sekt empfangen! Abends sitzen wir unter freiem Himmel und werden wieder bestens verköstigt. Zur Unterhaltung wird ein Bingo-Spiel organisiert, eine gute Gelegenheit, japanische Zahlen zu lernen – Andreas ist richtig gut darin! So ziemlich jeder gewinnt etwas und als ich an der Reihe bin, suche ich mir den kleinen 24V Ventilator aus – sehr zur Belustigung aller, wo sie inzwischen alle wissen, dass wir ja weiter nach Alaska wollen und nicht in die Tropen.
Der letzte Tag der Rally beginnt mit einem Tempel-Spaziergang. Onomichi war ein bedeutender Umschlagplatz für den Handel innerhalb Japans zwischen Nord und Süd und die 33 großen Tempel zeugen vom Reichtum der Stadt bzw. ihrer Sponsoren. Alle 33 schaffen wir an diesem Vormittag nicht, aber doch einige. Danach fahren wir noch mit der Drahtseilbahn den Berg hoch zur Aussichtsplattform und laufen den Literaturpfad, der mit vielen schönen Steinen und kleinen Tempeln gesäumt ist, wieder runter.
Die Abschiedsparty findet in einem großen Lokal statt, das an der langen Uferpromenade gelegen ist und von der Ausstattung ein bisschen an die Schrannenhalle in München erinnert. Die letzten Reden werden noch geschwungen, jeder erzählt, wie schön es war und wohin die Reise in den nächsten Wochen geht. Etwas Wehmut macht sich schon breit und nicht nur bei uns auch das Bedauern, dass die Sprachbarriere zwischen uns und dem einen oder anderen Mitsegler doch zu hoch war, denn wir hätten uns noch so gerne viel mehr erzählen und voneinander erfahren wollen. Wir vertiefen an diesem Wochenende Freundschaften und knüpfen noch ein paar neue – und die Zeit ist am Ende doch viel zu kurz gewesen.
Zum Schluss kommen noch die Crews von „March“, „Simoon“ und „Yuimaru“ zu uns aufs Boot, insgesamt sind 11 Leute bei uns versammelt. Shin-San nimmt die Gitarre und legt los. Er spielt Lieder, die alle, aber auch alle kennen und textsicher mitsingen können. Es sind Lieder aus ihrer Jugend, Songs von Liedermachern, Popsongs. Wir sind erstaunt, beeindruckt und so sehr berührt, dass wir es gar nicht in Worte fassen können! Auch wenn wir die Texte nicht verstehen, so geht uns die Musik unter die Haut und die Stimmung im Boot sowieso. So viel Freude und Lachen beim Singen sieht man in den Gesichtern. Wir werden aufgefordert, auch etwas Deutsches zu singen und bringen Shin-San die Noten von Reinhard May „Über den Wolken“. Die Melodie ist so eingängig, dass schon bei der zweiten Strophe alle mitsummen.
Ein größeres Abschiedsgeschenk als dieses gemeinsame Singen an Bord hätten sie uns gar nicht machen können!
Und hier noch ein paar Videos von der Rally, von Tanaka-San zusammengestellt:
Nach den vielen kleinen Inseln haben wir mal wieder Lust, eine große Stadt anzuschauen und planen einen dreitägigen Abstecher nach Okayama. Wir ankern in einem großen Hafenbecken, das Teil des Industriehafens ist. Der liegt zwar etwas abseits vom Zentrum, aber die Bushaltestelle ist nicht weit und zum Proviantieren sind ein paar große Supermärkte ganz in der Nähe.
Es ist das letzte Wochenende der „Golden Week“, der allgemeinen Urlaubswoche. Aber anders als in Deutschland sind in Japan die Läden auch an Feiertagen geöffnet und gerade weil alle Leute unterwegs sind, gibt es in den Einkaufsmeilen noch mal richtig viele Aktionen. So auch in Okayama: in der überdachten Fußgängerzone sind mitten drin viele Stände aufgebaut, die Kunsthandwerk verkaufen oder Essen anbieten und auch die Geschäfte haben zusätzliche Verkaufsflächen mit Kleidern, Geschirr usw. aufgestellt. In dem ganzen Trubel hätten wir den Go-Club fast übersehen, der ebenfalls einen Tisch nach Draußen gestellt hat. Wir bleiben stehen und Andreas wird sogleich eingeladen, eine Partie zu spielen, was er sehr gerne annimmt.
Leckere frisch ausgerollte Soba-Nudeln aus Buchweizen
Okayama hat einen der ältesten Gärten von Japan und den wollen wir uns auch ansehen. An diesem Tag sind wir aber nicht alleine da, es ist richtig voll. Wir teilen uns den schönen Garten mit vielen fröhlichen Menschen, die die Koi-Karpfen füttern, fotografieren oder im Biergarten Schlange stehen.
Die fliegenden Fische als Drachen werden in Japan überall an diesem Tag aufgehängt, denn es ist der Tag der Kinder!
Tommeln in Kurashiki
Am nächsten Tag, am Sonntag, fahren wir mit einem Regionalzug nach Kurashiki, einer kleineren Stadt, die noch einen gut erhaltenen historischen Stadtkern hat, mit einem malerischen Flussabschnitt, jetzt im Frühling blüht es überall und die Trauerweiden leuchten im hellen Grün. Kurashiki war und ist immer noch für seine Papierproduktion berühmt, auch das blaue Indigotuch wurde hier gefärbt und verarbeitet, die Vorläufer der Jeans, wenn man es so sehen will. Entsprechend viele hübsche kleine und größere Läden gibt es, in denen man stundenlang stöbern und einkaufen könnte. Und wieder haben wir Glück, es ist der letzte Tag, an dem noch viel Programm geboten wird, u.a. treten zwei Trommelgruppen auf. Die erste ist mittags dran, die Sonne scheint und die drei Trommler, zwei junge Frauen und ein junger Mann bearbeiten mit einer ungeheuren Energie und Begeisterung ihre Instrumente, während der Meister mit der Fahne ernst daneben steht. Es ist eine Freude, ihnen zuzusehen und sich von den Rhythmen mittragen zu lassen, sie zu bewundern, für die Kraft und Ausdauer, die sie dafür benötigen.
Als wir zum Fluss kommen, sehen wir dort eine Gruppe von Männern in einem Boot, die kleinere Trommeln bearbeiten, einer spielt Flöte dazu und ein weiterer Mann steht am Ruder. Der ganze Fluss ist voll gesäumt mit Menschen in Urlaubslaune.
Viele junge Frauen haben sich in Schale geworfen, sprich: sie tragen Kimonos, die man sich für einen Tag lang ausleihen kann. Bunte exotische Tupfer in der Menge.
Am späten Nachmittag tritt dann die zweite Gruppe der Trommler auf, der Platz ist inzwischen mit Zuschauern brechend voll. Auch sie spielen mit viel Kraft und Präzision ihre Stücke und werden entsprechend von der Menge bejubelt.
Bizen Keramik in Imbe
Wir beschließen, noch einen Ausflug zu unternehmen, dieses Mal nach Imbe wegen der berühmten Bizen Keramik. Tags zuvor hatten wir in Kurashiki eine schöne Ausstellung von sechs Keramikern aus der Imbe-Gegend bewundert und auch eine kleine Vase erstanden. Und nun wollen wir sozusagen zur Quelle fahren.
Es ist Montag und der letzte Feiertag, aber die Leute sind inzwischen alle auf dem Heimweg, so dass wir den Keramikort fast ganz für uns alleine haben.
Am Bahnhof holen wir uns noch einen Ortsplan von Imbe, auf dem die Keramikwerkstätten und -läden eingezeichnet sind und ziehen los. In diesem überschaubaren Ort konzentriert sich alles auf 2-3 Straßenzüge.
Die Bizen-Keramik kann man sehr leicht an den erdfarbenen Tönen erkennen, von Beige über Orange, überwiegend Braun mit etwas Grau und Schwarz. Die Oberfläche ist eher rau, denn die Objekte werden nicht glasiert, die Farben entstehen durch den langen reduzierten Brand und die Muster durch das Zusammenspiel der einzelnen Töpferwaren im Ofen. Manchmal sieht man Streifen auf den Schalen und Tellern, die stammen von Reisstroh, das dazwischen gelegt wurde.
In einem Laden spricht uns der Keramiker an, ob wir interessiert seien, einen Ofen anzuschauen? Die Nachbarwerkstatt gegenüber hat einen traditionellen Ofen, in dem gerade die Töpferwaren gebrannt werden. Sehr gerne nehmen wir das Angebot an und werden durch den Laden in den Hinterhof geleitet. Dort treffen wir auf eine junge Japanerin, Lehrling im 4. Jahr und eine Keramikerin aus Lausanne, die ganz glücklich ist, dass sie für zwei Monate bei einer Werkstatt mitmachen kann. Die beiden sprechen gut Englisch und können uns viel erklären. Der Ofen ist in mehrere Abschnitte unterteilt und leicht abschüssig gebaut, so dass man unterschiedliche Temperaturen und Zugbahnen der Luft damit erreichen kann. Er wird nur einmal im Jahr in Betrieb genommen, und ist mit rund 2.500 Stücken gefüllt, der Jahresproduktion der Werkstatt. Insgesamt brennt er 7-8 Tage lang und muss rund um die Uhr bewacht und mit Holzscheiten gefüttert werden. In einem ausliegenden Heft wird Logbuch geführt über die Temperaturen und die Menge der Holzbündel und Scheite, die verfeuert wurden. Ab und zu schaut der Meister vorbei und gibt weitere Anweisungen. Es ist eine Wissenschaft für sich, und es braucht jahrzehntelange Erfahrung, um diese besonderen Muster und Färbungen der Bizen Keramik zu erzielen.
In einem anderen Laden zeigt uns eine junge Frau einen sehr schön gemachten dicken Ausstellungskatalog über Bizen-Keramik. Es ist eine aktuelle Wanderausstellung in zehn Museen Japans, u.a. in Tokyo und Kyoto in der ihr Mann, ihr Schwiegervater und ihr Onkel jeweils mit ihren Keramik-Kunstwerken darin vertreten sind. Die Keramik, ob Vasen, Teller oder Tassen, die im Katalog abgebildet ist, und auch die die wir im Laden sehen können, kann man wirklich als Kunstwerke bezeichnen, so schön und einzigartig sind sie.
Am Ende finden wir noch eine kleine Vase, die zu jener passt, die wir tags zuvor erstanden haben. Sicher hätten wir noch viel mehr einpacken wollen, aber das hätte ein zu großes Loch in unseren Geldbeutel gerissen, denn die Bizen-Keramik wird nicht unter ihrem Wert verkauft.
Über fünf Ecken haben wir von Amy und Paul gehört, die auf der Insel Shiraishi wohnen. Sie freuen sich über Segler, die bei ihnen vorbei schauen, denn sie segeln selbst sehr gerne und haben ein Boot im Hafen liegen. Die beiden leben schon seit vielen Jahren in Japan, Amy spricht fließend japanisch, ist Schriftstellerin und Journalistin. Hier ihre Webseite.
Im neuen Fischereihafen von Shiraishi machen wir längsseits an Pauls Boot fest. Amy erwartet uns bereits und bei einem Kaffee an Bord lernen wir uns nun auch richtig kennen. Danach gehen wir gemeinsam zu Fuß zum Tempelfest. Unterwegs erzählt sie uns schon viel über die Insel und die Projekte, die sie mit den Bewohnern gestartet haben, um für Touristen attraktiv zu sein und um die Abwanderung etwas aufzuhalten.
Beim Tempel angekommen, müssen wir erst einmal die Reinigungszeremonie durchlaufen. Amy macht es vor: mit der rechten Hand nimmt man mit der Schöpfkelle Wasser und schüttet es über die linke Hand, dann schöpft man mit der linken Hand Wasser und schüttet es über die rechte Hand. Danach muss noch der Mund ausgespült werden und das verbliebene Wasser wird über beide Hände verteilt indem man die Schöpfkelle etwas senkrecht hält. Eigentlich alles ganz einfach.
Danach führt uns Amy durch das Gelände des Tempels, zeigt uns die Statue von Kobo Daishi, dem berühmtesten Mönch und Pilger Japans. Überall, wo er Station gemacht hat, findet man eine Statue von ihm. In einem Gemeinderaum nebenan wird gerade noch traditionelle Musik gespielt, eine Gruppe von Frauen sitzt an elektrisch verstärkten Zithern. Wir bekommen zur Begrüßung einen intensiv schmeckenden Trank serviert, eine Art Milch aus Soja und Reis mit einem Schuss Sake darin.
Eine große Trommel wird auf den Platz vor dem Haupttempel gerollt und der Tanz beginnt. Zwei junge Mädchen, drei Jungen und zwei ältere Damen führen einen Reigen auf mit ganz kompliziert anmutenden Handbewegungen und Schrittfolgen. Der ältere Mann an der Trommel wird von einem weiteren Mann am Mikrofon begleitet, beide singen sie. Der Tanz ist mehrere Jahrhunderte alt und diente dazu, die Seelen der in einem Kampf gestorbenen Samurai zu besänftigen und ins Jenseits zu begleiten. Amy hofft, dass dieser Tanz auch an die nächsten Generationen weiter gegeben wird, dass noch genügend junge Menschen auf der Insel leben, die ihn tanzen werden.
Danach gibt es einen Imbiss im Gemeindehaus, zu dem auch wir als Gäste eingeladen werden, Reisbällchen, Salat und Grüntee. Wir fragen, ob wir zum Dank etwas spenden können. Ja, vielleicht, wir könnten Holzstäbchen kaufen, auf die wir unsere Wünsche drauf schreiben, die werden dann zusammen mit allen anderen ins Feuer geworfen.
Auf dem Platz vor dem kleineren Tempel steht schon ein quadratisch angerichteter Scheiterhaufen bereit. Eine lange Holzkette wird heraus gebracht, sie besteht aus vielen großen dunkelbraunen Holzkugeln mit abgegriffenen Inschriften darauf und sie reicht weit um den Holzhaufen herum. Wir stellen uns alle im Kreis auf und halten die Kette fest. Der Priester beginnt mit einem Gebet und die Kette wird im Kreis bewegt, indem jeder von uns sie weiter reicht. Die Feuermeister, alle ganz in Weiß gekleidet, lassen ihre Stöcke erst vom Priester kurz weihen, dann legen sie Feuer an den Scheiterhaufen. Der beginnt sehr schnell zu brennen und die teilweise noch frischen Kiefernzweige erzeugen einen dichten Rauch, der ziemlich in den Augen brennt. Als der Haufen fast ganz abgebrannt ist, werden noch die Holzstäbchen mit den Wünschen ins Feuer geworfen, auch unsere sind mit dabei! Dann beendet der Priester seinen Gebetsgesang, die Kette steht still und wird vorsichtig wieder eingeholt und zusammen gelegt.
Ein schönes und beeindruckendes Fest und wir sind sehr froh, dass wir daran teilnehmen konnten.
Am nächsten Tag machen wir noch eine Wanderung über die Insel – die Gemeinde hat einen langen und teilweise verzweigten Weg um die Insel herum ausgebaut, mit herrlichen Aussichtspunkten über das satte Grün der Insel und aufs weite Meer hinaus, mit Bänken und Tischen zum Ausruhen. Ab und zu kommt man an heiligen Steinen vorbei, die mit kleinen Buddha Statuen verziert sind. Shintoismus und Buddhismus werden auch hier wie überall in Japan oft nebeneinander praktiziert und viele Menschen fühlen sich beiden Religionen zugehörig.
Wir verbringen mit Amy und Paul zwei spannende und lustige Abende, auf der Muktuk und bei ihnen im Haus, erzählen von unserer bisherigen Erlebnissen und positiven Eindrücken von den Menschen hier und lernen von den beiden noch viel mehr über Japan. Amy gibt uns zum Abschied noch jede Menge Lektüre mit, u.a. ihren Benimm-Führer für Japan. Ein sehr gut und unterhaltsam geschriebenes Buch darüber, was man als Tourist in Japan beachten sollte, um nicht unangenehm aufzufallen. Viele der Regeln werden so auch in Europa und anderswo angewendet und viele andere Angewohnheiten und Bräuche könnte man gut und gerne übernehmen, denn sie gestalten auf sehr angenehme Weise einen höflichen und respektvollen Umgang miteinander.
Mit leichtem Handgepäck machen wir uns am frühen Morgen auf den Weg. Der Bus fährt über die vielen Brücken bis nach Fukuyama und dort steigen wir in den Shinkansen, den für seine Überpünktlichkeit bekannten Hochgeschwindigkeitszug, der uns innerhalb von eineinhalb Stunden nach Kyoto bringt. Eine angenehme Ruhe herrscht in den Waggons, Handys müssen auf stumm geschaltet werden und wer unbedingt telefonieren will, muss auf die Plattform zwischen den Waggons ausweichen. Der Schaffner verneigt sich, wenn er den Wagen betritt und bevor er zum nächsten weiter geht, dreht er sich noch einmal um und verbeugt sich abermals.
Der Bahnhof von Kyoto ist ein architektonisches Kunstwerk und alle Touristen, die das erste Mal hier ankommen, fahren die Rolltreppen hoch zur 5. Plattform, um Fotos zu machen.
Nach dem wir unsere Zimmer im Hotel bezogen haben, gehen wir erst einmal zur Einwanderungsbehörde, um unser Visum zu verlängern. Eine halbe Stunde später und 4.000 Yen pro Person leichter, erhalten wir den Stempel im Pass, der uns erlaubt, weitere drei Monate in Japan zu bleiben. Nun haben wir noch den ganzen Nachmittag Zeit, herum zu laufen und einen ersten Eindruck von der Stadt zu bekommen.
Kyoto gefällt uns auf Anhieb – diese Mischung aus mondäner Großstadt mit breiten Straßen und Shoppingzentren, großen Parks und Tempelanlagen und kleinen verwinkelten Gassen mit alten Holzhäusern ist etwas ganz Besonderes. In diesen historischen, größtenteils schön renovierten Häusern sind inzwischen viele Gästehäuser untergebracht: hochpreisige Ryokans, in denen man ganz traditionell wohnen kann und vom Personal rund um die Uhr umsorgt wird.
Einer der vielen Tempel im Nordosten der Stadt
Ein Tempel mitten in der Stadt
Unser (ganz normales) Hotel liegt gleich neben dem kaiserlichen Park, Kyoto war nämlich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts über viele Jahrhunderte hinweg Sitz des japanischen Kaisers. Von hier aus können wir fast alle Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen.
Die letzten Kirschblüten im Park, eine späte Sorte mit vielen Blütenblättern
In der U-Bahn stellt man sich auch in der Reihe auf
Die ersten beiden Tage verbringen wir abwechselnd in Kunsthandwerk-Museen bzw. laufen durch Einkaufsstraßen mit Läden voller Kunsthandwerk oder zwängen uns mit Hunderten anderer Touristen durch eine Straße voller Lebensmittelläden, neben der der Viktualienmarkt in München bescheiden aussieht.
Alles mit Grüntee
Der berühmteste Messerladen der Stadt
Überall französische Bäckereien mit Baguette, Croissant und Eclair!
Unterwegs entdecken wir häufig Interessantes, wie z.B. einen kleinen Handwerksbetrieb, der Soja-Sauce herstellt, wo wir in die großen Fässer reinschauen dürfen und von den ganz unterschiedlichen Saucen probieren.
Oder eine Ausstellung mit Kalligraphie, wo die jeweiligen Schöpfer der Rollen auch für die Gestaltung der Blumenvasen zuständig sind. Am Eingang liegt ein Besucherbuch aus, in das man sich eintragen kann, mit einem Pinsel seinen Namen zeichnen. Das versuchen wir auch!
Zurzeit findet gerade ein Fotografie-Festival statt, Kyotografie genannt: über die Stadt verteilt sind überall unterschiedliche Fotoausstellungen zu sehen. Von bekannten Namen wie Paolo Pellegrini von Magnum, der mit einer Fotoserie über die Antarktis vertreten ist, bis zu aufstrebenden jüngeren Fotokünstlern wie Weronika Gesicka aus Polen und japanischen Fotografen mit sozialkritischen Themen ist das Spektrum breit gestreut.
Im Raku-Museum sehen wir u.a. eine Sonderausstellung mit Keramik, die den Berg Fuji als Motto oder Motiv hat, Schönes bis Skurriles.
Eine richtig tolle Überraschung ist das Shibori Textilmuseum: Shibori ist eine ganz besondere Technik zur Bearbeitung von Seidenstoffen, bevor daraus die berühmten Kimonos genäht werden. Erst wird der Stoff mit vielen feinen Punkten bedruckt, dann wird der Stoff um den Punkt herum mehrmals ganz eng und fest mit einem Faden umgebunden, eine mühselige monatelange Kleinarbeit, für die man Jahre der Übung braucht, um die Perfektion zu erreichen, die einen Meister bzw. eine Meisterin ausmacht. Danach wird der Seidenstoff gefärbt und anschließend werden die Noppen wieder aufgetrennt. Dort, wo der Faden ganz dicht gewickelt war, ist der Stoff weiß geblieben, es ist das typische gepunktete Muster entstanden. Und solange die Stoffbahnen nicht gewaschen und gebügelt werden, behalten sie auch die unebene Struktur der Noppen. Zwar wurde auch eine Maschine entwickelt, die beim Knüpfen hilft und den Prozess etwas beschleunigt, aber da erscheint das Muster nicht ganz so fein. Ein Kimono aus diesem Stoff war und ist ein wertvolles Kunstwerk für sich und wird über Jahrzehnte sorgsam gepflegt. In der Kimono- und Geisha-Stadt Kyoto waren diese Stoffe früher sehr begehrt, heute aber gibt es nur noch etwa 40 Menschen, die das Handwerk beherrschen.
Abends sind wir so voller Eindrücke und so müde vom Herumlaufen, dass wir nach dem Abendessen nur noch die Beine hoch legen wollen. Erst am dritten Tag schaffen wir es, in das Vergnügungsviertel von Kyoto, wo sich eine Bar an die andere reiht. Wir haben bald genug von dem Trubel und gehen noch durch ein paar einsamere Straßen eines Wohnviertels, mit gedämpftem Licht herrscht hier eine ganz eigene Atmosphäre.
Um Missverständnisse von vornherein zu vermeiden. In diesem Restaurant gibt man mindestens 24,00 EUR aus
Am letzten Tag wollen wir früh raus zum großen monatlich stattfindenden Flohmarkt in einer Tempelanlage. Das Areal ist riesig und die Reihen schier unübersichtlich. Alte und neue Keramik, Holz- und Lackarbeiten, Stoffe und Kimonos, Haushaltswaren und Gemüse, alles kann man hier finden. Und an den Essenständen ist schon am frühen Morgen Hochbetrieb. Dazwischen wird gebetet, Mönche gehen in einer Prozession ein paar Mal durch die Reihen, den Weg wird ihnen von Polizisten frei geräumt.
Hier wird Okonomiyaki gebraten, in der Kyoto-Version: Pfannkuchenteig mit Kohl und Fisch oder Fleisch
Wir haben eine Einkaufsliste geschrieben und finden auch fast alles, was darauf steht: unter anderem einen Teekessel für die Muktuk, Keramik, Fächer und sogar einen Schalenkoffer für den Transport der Keramik nach Deutschland. Den allerdings musste Andreas einem Händler abschwatzen, denn der war eigentlich nicht zum Verkauf sondern zum Transport seiner eigenen Waren gedacht.
Schwer beladen machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof und zurück zur Muktuk und überlegen die ganze Zeit, wo wir eigentlich das sperrige Teil auf dem Boot unterbringen können.
Um festzustellen, ob das Schwert echt ist, das Andreas in Nagasaki beim Trödelhändler gekauft hatte, mussten wir unbedingt einen Stopp in Ohmishima einlegen. Denn da befindet sich ein Museum, das eine der umfangreichsten Sammlungen Japans mit Rüstungen und Schwertern der Samurai ausstellt.
Zuerst aber ist das leibliche Wohl dran: der große Onsen der Insel wird von heißen Quellen gespeist und hat eine Vielzahl an heißen Becken mit oder ohne sprudelndem Wasser. In der kleinen Straße unweit des Hafens finden wir noch ein Lokal, das abends auf hat und wo wir ausnahmsweise mal nicht typisch japanisch essen und anschließend probieren wir zwei Häuser weiter die Biere der kleinen örtlichen Brauerei aus. In beiden Lokalen sind wir die einzigen Gäste, abends ist hier nicht mehr viel los.
Dafür tagsüber umso mehr, wie wir feststellen: Ohmishima ist 2006 mit dem Festland und den umliegenden Inseln durch Brücken und einer Schnellstraße verbunden worden, vorher konnte man die Insel nur mit der Fähre erreichen. Eine schöne Fahrradstrecke wurde ausgebaut, die über alle Inseln und Brücken quer über die Seto Inland See führt und sehr beliebt ist bei in- und ausländischen Touristen. Aber auch der Oyamazumi Schrein zieht Busladungen von Besuchern an. Er gilt als Ruhestätte des Gottes Oyamazumi, der als der Beschützer der Berge und des Meeres in Japan gilt, aber auch als ein Kriegsgott verehrt wird. Hier im Hof des Tempels steht ein dicker alter Baum mit einer Kordel umgeben, der rund 2.600 Jahre alt sein soll. Er ist in der Shinto-Religion ein Baum, der nicht nur über andere Bäume wacht, sondern auch Kraft und Glück beschert, wenn man es schafft, mit angehaltenem Atem drei Mal um den Baum herum zu gehen.
Zum Schrein gehört auch das Samurai-Museum und es ist in der Tat beeindruckend: so viele schöne alte Rüstungen aus Leder- und Textilflechtwerk überwiegend 17. Jahrhundert, die ältesten werden um 950 n. Chr. datiert. Dazu Schwerter und Messer in allen Größen und Formen. Leider durften wir nicht fotografieren. Mit Hilfe eines Buches und mit großem Bedauern muss die Angestellte des Museums feststellen, dass das Schwert, das Andreas vorzeigte, leider nur eine gut gemachte Kopie eines Katana aus der Edo-Periode sei.
Nach so viel Kultur und Kunst, denn das Ohmishima Art Museum besuchen wir auch noch, haben wir Hunger. Mittags ist die Auswahl groß. Gleich neben dem Kunstmuseum befindet sich ein Lokal, vor dem viele Leute warten. Wir denken inzwischen wie die Japaner: wo eine Schlange ist, muss es gut sein. Also stellen wir uns an und werden darauf hingewiesen, dass ein Buch am Eingang ausliegt, wo wir uns eintragen können. Sobald ein Tisch frei wird, kommt die resolute Wirtin raus, schaut ins Buch und ruft mit lauter Stimme die nächsten Gäste aus. Als wir dran sind, muss sie sich nicht mit unseren fremd klingenden Namen plagen, sie zeigt einfach nur auf uns, denn wir sind die einzigen Ausländer. Drinnen geht es mit der Zeichensprache weiter, bis die Schale mit viel rohem Fisch auf Reis und die Misosuppe dazu auf dem Tisch stehen.
Bonsai-Gärtnerei. Die Bäumchen werden mit Klammern in Form gebracht
Als wir danach zum Supermarkt bzw. Gemüsemarkt gehen, quer über den Parkplatz, spricht mich ein Mann an, der gerade eine Kiste voller Orangen ins seinen Pickup lädt: die besten Orangen hier in der Gegend, sagt er voller Stolz und holt drei Stück heraus, um sie mir zu schenken! Protest ist zwecklos, und wäre auch unhöflich. Und ich bin wieder mal sprachlos, über diese spontane Großzügigkeit. Von diesen Orangen wollte ich sowieso auch welche kaufen, denn die Sorte ist wirklich besonders, sie hat eine leicht bittere Note in Richtung Grapefruit, wir lieben sie!
Für den Nachmittag haben wir uns nochmal zwei Museen vorgenommen, die ein paar Buchten weiter mitten in die grüne Landschaft gebaut wurden. Eines davon ist das Tokoro Kunstmuseum, in Terrassen an den Hang gebaut. Moderne Kunst ist zu sehen, nicht viel, denn der Platz ist knapp, aber doch ein paar spannende Stücke. Die unterste Ebene ist eine offene Terrasse, mit einem großartigen Blick aufs Meer und die benachbarten Inseln. Ein paar Stühle und ein Kaffeeautomat für die müden Besucher stehen bereit.
Etwa hundert Meter weiter befindet sich ein weiteres Museum, das von Toyo Ito gebaut wurde. Der Stararchitekt hat hier ein kleines aber sehr interessantes Gebäude hingestellt, ein paar Oktaeder über- und ineinander geschachtelt. Darin ist gerade eine Ausstellung zu sehen über Projekte und Initiativen von engagierten jungen Menschen auf Ohmishima, die versuchen, den ursprünglichen typischen Charakter der Insel zu bewahren, der durch die Anbindung an die „Außenwelt“ fast schon verloren gegangen ist.
Nebenan steht noch ein Gebäude von Toyo Ito, es ist so ähnlich gebaut wie sein privates Wohnhaus und sieht von außen eher aus wie ein etwas edleres Gewächshaus. Wir dürfen in Begleitung einer kundigen Museumsführerin hinein – eine Handbibliothek mit Literatur zu Architektur und über Toyo Ito, ein paar Architekturmodelle stehen in den Regalen. Das Schönste ist auch hier der Ausblick aufs Meer.
Am Steg in Ohmishima, Miyaura
Nach einer Nacht vor Anker verlegen wir die Muktuk an den Steg von Miyaura. Fähren legen hier keine mehr an, dafür aber kann man als Segler für maximal eine Woche lang bleiben. Platz ist genug, an jeder Seite könnten mindestens fünf Muktuks liegen. Der Hafenmeister wollte von uns 5 Yen pro Tag, das sind umgerechnet 4 Cent. Dafür gab es sogar ein Quittung mit Stempel! Erst später erfuhren wir von anderen Seglern, dass sich die Liegegebühr nach dem Gewicht des Bootes richtet, also pro Tonne 1 Yen und wir hätten eigentlich 26 Yen pro Tag zahlen müssen, er hatte uns also einfach geschätzt.
So einen guten und sicheren Liegeplatz hatte die Muktuk schon lange nicht mehr. Also beschließen wir spontan, von hier aus unseren Landausflug nach Kyoto zu unternehmen.
Als wir vier Tage später wieder zurück kommen, liegt ein kleines Segelboot mit am langen Pier und wir begrüßen erfreut den Besitzer und laden ihn gleich auf ein Bier zu uns sein, denn bisher haben wir noch kaum Segler getroffen. Es ist Tana-San, ein ehemaliger Brückenbauingenieur im Ruhestand und mit seinen 72 Jahren segelt er immer noch jedes Jahr im Sommer in der Setouchi See. Obwohl wir ihn eingeladen haben, kommt er schwer bepackt mit Bier, Sake und Chips an.
Am nächsten Morgen legen auf der anderen Seite des Piers zwei dunkelgrau gestrichene Motorboote der japanischen Marine an, mit viel Trompetentrara aus dem Lautsprecher und der Mannschaft, die gerade nicht mit den Leinen zu tun hat, steht in Reih und Glied in Uniform zur Parade an Deck.
Als sie zwei Stunden später wieder ablegen, hören wir wieder Trompetenklänge und ich winke dem ersten Schiff zu, die Matrosen an Deck winken alle zurück und als ich mich auf japanische Art mit einer Verbeugung bedanke, klatschen sie auf einmal alle in die Hände. Auch dem zweiten Boot winke ich zu, aber keine Reaktion. Erst als aus dem Lautsprecher ein Offizier einen Befehl durchgibt, lüften alle Matrosen auf einmal ihre Mützen und winken damit. Nochmals ein Befehl und die Mützen sitzen wieder ordentlich auf den Köpfen. Herrlich, ich bin begeistert!
Tana-San hilft uns noch beim Ablegen, vorher aber machen wir noch ein paar Fotos zur Erinnerung.
Nun sind wir in der Seto Inland See und bewegen uns hier in Tagesetappen ostwärts von Insel zu Insel. Wind zum Segeln gibt es nur ganz selten, also tuckern wir die meiste Zeit. Nachts hier unterwegs zu sein ist nicht ratsam. Zwar würde man die Lichter der herumfahrenden Boote sehen, nicht aber die vielen Fischerfähnchen und Bojen, die überall überraschend auftauchen. Auch tagsüber muss immer einer von uns an Deck sein und Ausguck gehen, damit wir nicht aus Versehen ein Netz einfangen oder ein treibendes Fischerboot rammen.
Die erste Insel, die wir ansteuern, ist Noshima. Wir tuckern in den kleinen Hafen rein und finden einen Schwimmsteg, an dem wir anlegen können. Ein Mann werkelt an seinem Motorboot, eine Nacht da zu verbringen, sei wohl ok. Es ist noch früher Nachmittag und auf Mapsme sehen wir, dass es einen Wanderweg zum Leuchtturm gibt, den wir von See aus bewundert hatten. Wir gehen durch den kleinen Ort, am Tempel vorbei und den Berg hoch. Ein Bambuswald mit vielen dicken Stämmen verbreitet eine etwas düstere Atmosphäre, denn die Blätter lassen kaum Licht durch, obwohl sie so fein und zart sind.
Der Ort ist so ruhig, er wirkt fast wie ausgestorben. Hier, wie überall auf den Inseln und im ländlichen Raum Japans, ist das Problem der Überalterung der Gesellschaft schon bemerkbar. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die jungen Leute in die Großstädte ziehen, und immer mehr Häuser leer stehen. Die Elternhäuser werden nicht so schnell aufgegeben, viele sind noch gut gepflegt, mindestens einmal pro Jahr kommt jemand zurück und schaut nach, ob alles in Ordnung ist. Aber man sieht auch schon etliche verfallene Häuser von Pflanzen überwuchert. Da, wo noch Leute wohnen, sind die Gärten voller Gemüse, Zwiebeln, Kohl, Salat, Spinat, Tomaten und Bäume mit Orangen bzw. Kumquats.
Noshima hat einen sehr schönen Strand, wo wir einen besonders malerischen goldenen Sonnenuntergang sehen können. Auf dem Weg dorthin kommen wir noch an einem kleinen Friedhof vorbei, wo viele frische Blumen in den Vasen stecken und an der Statue eine lachenden Göttin, die einen Fisch unter dem Arm hält. Sie soll den Fischern viel Glück bringen!
Das Wetter ist überwiegend schön, die Temperaturen steigen langsam. Zwischendurch gibt es auch mal einen ungemütlichen Regentag, da passt es gut, wenn wir gerade vor einem Hotel mit einem großen Onsen liegen, um uns aufzuwärmen, wie zum Beispiel auf der Insel, Yashiro.
Umso mehr wirkt die Sonne am nächsten Tag und wir genießen den Ausblick auf die vielen großen und kleinen Inseln, an denen wir vorbei tuckern.
Auch Kurahashi ist eine ruhige verschlafene Insel mit einem großen Tempel und Schrein, allerdings wird hier am Ufer fleißig gearbeitet, drei Leute sind damit beschäftigt, Wellenbrecher zu gießen.
Am nächsten Tag tuckern wir zur Insel Mitarei, deren Ortsmitte ein Kleinod ist, denn fast alle Häuser sind noch im alten Stil erhalten. Die Stadt war eines der Handelszentren der Inlandsee, strategisch günstig gelegen mit einem geschützten Hafen. Ein Geisha-Haus befand sich hier und starke Shoguns wechselten sich beim Regieren ab.
Die Restaurants und Cafés haben noch alle geschlossen, Mitarei liegt im Dornröschenschlaf, aber bald beginnt die Urlaubssaison und da ist bestimmt viel mehr los. In diesem Ort finden wir so viele schöne Fotomotive, hier ein Auswahl davon.