Die Mexikanische Riviera am Cabo San Lucas

Cabo San Lucas

04. – 08. Dezember 2021

Das Erste was wir sehen, als wir uns dem Kap nähern, sind leuchtend grüne Flecken auf den ansonsten trockenen grau und braun gefärbten Hügeln. Es sind die Golfplätze der angrenzenden Hotelanlagen! Wir umfahren großräumig den berühmten Felsbogen „El Arco“ mit dem ebenso berühmten Strand der Liebe, der „Playa de Amor“, einem beliebten Ausflugsziel, das nur vom Wasser aus per Boot erreicht werden kann. Ein Kreuzfahrtschiff liegt auch schon da und bietet seinen Gästen das Fotomotiv direkt von Bord aus an.

Wir suchen einen einigermaßen ruhigen Ankerplatz in der Bucht vor der Stadt Cabo San Lucas, aber das scheint unmöglich zu sein. Ein langer Sandstrand liegt vor uns, dahinter ist das gesamte Ufer mit Hotels zugebaut und aus allen Ecken schallt uns Musik entgegen. Auf dem Wasser ist ebenfalls Party angesagt: Jet-Skis sausen in einer atemberaubenden Geschwindigkeit und mit nicht minderer Lautstärke an uns vorbei, gefolgt von größeren Motorbooten oder Katamaranen, die Musikboxen voll aufgedreht für die tanzenden Badegäste an Bord.

Pangas, kleinere Motorboote, hübsch blau angemalt und mit einem Sonnendach versehen, fahren Paare oder kleinere Gruppen durch die Gegend. Am späten Nachmittag versammeln sich alle Boote vor dem Felsbogen „El Arco“, um den romantischen Sonnenuntergang zu genießen. Danach wird es – zumindest auf dem Wasser – etwas ruhiger. Dafür drehen die Hotels ihre Boxen lauter und wir kommen in den Genuss der Samstags-Diskothek bis in der Früh um sechs Uhr. Als wir schon glauben, dass nun Ruhe einkehren könnte, werden schnell noch als Rausschmeißer ein paar mexikanische Schlager gespielt, unterlegt mit viel Blasmusik.

Cabo San Lucas hat sich zu einem riesigen Vergnügungspark entwickelt, tausende Touristen können in unübersichtlich vielen Hotelanlagen unterkommen. Nur dass jetzt wegen der Pandemie viel weniger Touristen da sind, erzählt uns der Besitzer eines Pangas. Zwar sind jetzt in der Vorweihnachtszeit überraschend viele Urlauber aus den USA und auch aus Mexiko da, aber es fehlen die Touristen aus Europa und Asien und auch die Kreuzfahrtschiffe dürfen momentan nur die Hälfte ihrer Kabinen belegen. So sieht man viele Pangas im Hafen liegen und vergebens auf Gäste warten.

Die Pangas fahren auch als Wassertaxis durch die Gegend und für uns ist es ratsamer, mit ihnen in die Stadt zu fahren als mit unserem kleinen Beiboot. Die vielen Motorboote und Jet-Ski, die in der Bucht kreuz und quer fahren, erzeugen ungemütliche und unberechenbare Wellen. Am schlimmsten ist es im engen Kanal, der zum Hafenbecken führt. Auf der Strecke würden wir mit unserem Beiboot patschnass werden, erst recht, wenn wir voll beladen mit frischem Obst und Gemüse zur Muktuk zurück wollten.

Jenseits der Touristenmeilen ist Cabo San Lucas ein ruhiger gemütlicher Ort mit vielen schönen gepflegten Häusern. Wir suchen den städtischen Markt in der Hoffnung, frisches Obst und Gemüse aus der Region kaufen zu können. Aber hier gibt es seit einigen Jahren im überdachten „Mercado Municipal“ nur noch kleine Lokale, in denen man mittags essen gehen kann. Also gehen wir zum nächsten großen Supermarkt und decken uns dort mit frischen Sachen ein.

Als John Steinbeck 1940 in Cabo San Lucas ankam, bestand der Ort aus einer kleinen Ansammlung ärmlicher Fischerhütten, deren Dächer im letzten Tropensturm zerstört wurden. Was für ein Kontrast zwischen dem verschlafenen und von Depressionen geprägten Dörfchen und dem heute so quirligen und funkelnden Cabo!
Der amerikanische Schriftsteller John Steinbeck, bekannt für seine Romane „Jenseits von Eden“ und „Von Mäusen und Menschen“, begleitete 1940 seinen Studienfreund Ed Ricketts, einen Meeresbiologen, auf eine Expedition. Mit einem umgebauten Fischkutter fuhren sie von San Diego aus direkt in den Golf von Kalifornien (Sea of Cortez), um die Vielfalt der Meerestiere dieser Region zu untersuchen und zu dokumentieren. John Steinbeck verfasste danach einen Bericht über diese Wochen unter dem Titel „The Log from the Sea of Cortez“. Steinbeck hatte selbst einige Jahre Meeresbiologie studiert und beschreibt in diesem Buch kenntnisreich die Muscheln, Schnecken, Seeanemonen, Seesterne und Korallen, die sie an den Stränden bei Niedrigwasser einsammelten. Das allein wäre nur für Experten interessant, würde er nicht auch über die kleinen Ortschaften schreiben und über die Menschen, die in dieser kargen Umgebung ihr Auskommen fanden. Steinbeck hat diesen spannenden Reisebericht mit viel Humor und mit einem liebevollen Blick auf die Menschen verfasst, denen er begegnet ist. Irgendwann erinnerte ich mich, dass wir dieses Buch in unserem Bücherregal auf der Muktuk haben und begann darin zu lesen: nun begleitet es mich auf unserer Fahrt.
Von hier aus werden wir nun in den nächsten Wochen hauptsächlich in Richtung Norden fahren und ab und zu mal in Steinbecks Logbuch reinlesen, was er über die eine oder andere Ecke geschrieben hat.

San José del Cabo

Nach zwei Tagen sind wir mit dem Proviantieren und anderen Besorgungen fertig und können weiter ziehen: Ganz in der Früh gehen wir Anker auf und tuckern ein paar Seemeilen weiter zum nächsten Ort San José del Cabo. Die Küste zwischen diesen beiden Ortschaften ist fast durchgängig bebaut: große Hotelanlagen wechseln sich ab mit luxuriösen Bungalows und Villen, aus der Ferne sieht alles recht begrünt aus und als wir San José erreichen, können wir sogar Palmwälder erkennen.
Die See ist spiegelglatt, wir ankern vor der großen Mauer aus Wellenbrechern, die den Hafenbereich von San José del Cabo beschützt. Mit dem Dinghi fahren wir zur großen Marina, vorbei an einem schönen Hotel mit eigenen Stegen für kleine Motorboote. Nachdem wir unser Beiboot zwischen zwei noblen Motoryachten fest gemacht haben, spricht uns ein Angestellter der Marina an: wir müssten 70 US-Dollar zahlen, wenn wir an Land wollten. Ob wir mit der Muktuk oder mit unserem Beiboot hier anlegen, es würde keinen Unterschied machen. Wir sind sprachlos, kehren zum Dinghi zurück und überlegen, was nun aus unserem Ausflug in die Stadt werden soll. Als wir am Hotel vorbei tuckern, halten wir an und fragen den Herrn, der das Wassertaxi hütet, ob es möglich wäre, unser Beiboot hier beim Hotel zu lassen und was es kosten würde. Alles kein Problem, er würde aufpassen und hilft uns sogar, unser Dinghi sicher anzubinden. Und bezahlen müssten wir auch nichts!
Inzwischen ist es später Vormittag geworden und die Sonne brennt ordentlich vom Himmel runter: es liegt noch ein langer Weg in die Stadt vor uns. Erst einmal müssen wir das große Hafenbecken umrunden und laufen an unzähligen Stegen der Marina vorbei, wo dicht an dicht die schicken Motoryachten der vielen Hochseeangler liegen. Metallskulpturen schmücken den Fußweg. San José del Cabo ist ein Künstlerort, das sieht man bereits hier.

Endlich finden wir auch den Weg zum Strand und der großen Lagune mit den Palmwäldern, die wir zuvor durchs Fernglas gesehen hatten.

Die Schildkröten zeigen sich heute nicht, es ist ihnen vermutlich genauso heiß wie uns auch. Aber einige Wasservögel lassen sich von Andreas sehr gerne fotografieren.

Der große Sandstrand ist leer, wir begegnen nur einem einzelnen Spaziergänger und einer junge Frau, die einen Reitausflug gebucht hat. Auch am Strand vor dem großen Hotelviertel sieht man nur hier und da ein paar Urlauber in der Sonne sitzen.

Im Zentrum von San José del Cabo sind dann doch ein paar Touristen unterwegs. Auf dem großen Platz vor der Kirche herrscht geschäftiges Treiben: Buden werden um einen großen Weihnachtsbaum aus Plastik aufgebaut. In den umliegenden Straßen haben sich zahlreiche Galerien für Kunst und Kunsthandwerk angesiedelt, dazwischen befinden sich schöne Cafés und Restaurants. Hier könnte man stundenlang flanieren. San José, die kleinere und ruhigere Schwester des wuseligen Cabo San Lucas, ist ein angenehmer Ort zum Verweilen und Genießen.

Faltboot oder Kamele? Für den Rückweg buchen wir ein Uber-Taxi.

Abendstimmung am Ankerplatz bei San José del Cabo:

Kleine Dörfer und große Buchten an der Außenseite der Baja California

17. November – 03. Dezember 2021

Von der Islas San Benitos segeln wir zur Nachbarinsel Cedros für einen kurzen Zwischenstopp über Nacht. Wir sehen noch die letzten Sonnenstrahlen auf den Felsen als wir den Anker werfen.

Bahia Tortuga

Der angesagte Nordwind reicht aus, um uns zur Bahia Tortuga zu bringen. Unterwegs haben wir immer mal wieder gute Sicht auf die beeindruckende Küstenlandschaft.

Mit dem letzten Tageslicht fahren wir in die Bucht und ankern erst einmal vor dem Dörfchen. Wir suchen uns ein Plätzchen zwischen den vielen Bojen, die die Fangkörbe für die Langusten markieren.
Am nächsten Tag fahren wir mit dem Beiboot an Land und spazieren durchs Dorf. Wo im Allgäu Geranien vor den Fenstern hängen würden, sind es hier Ansammlungen verschiedenster Kakteen, die die Veranda des einen oder anderen Hauses schmücken. Im Supermarkt holen wir eine Tasche voll frisches Gemüse. Mobilfunk gibt es hier zwar, aber keine Internetverbindung übers Handy. In einem kleinen Laden stehen drei Computer, wie in „alten Zeiten“ bezahlen wir für eine halbe Stunde Internet. Wir brauchen die Wettervorhersage und sind auch brennend an den neuesten Nachrichten aus Europa und der Welt interessiert.

Später fahren wir mit der Muktuk ein Stück weiter in die Bucht hinein und ankern vor einem langgezogenen Strand. Ab und zu sieht man ein Auto am Strand entlang fahren, ein Pickup parkt in einer Ecke. Andreas fährt bei Niedrigwasser mit dem Beiboot an Land, er hofft, ein paar Muscheln ausgraben zu können. Die beiden Männer im Pickup sind Ranger, Strandwächter von der Fischerei-Kooperative. Leider dürfen wir keine Muscheln ernten, aber dann fragen sie, ob Andreas denn welche haben will. Sehr gerne! Andreas kommt mit ein paar von den großen runden Muscheln zurück an Bord. Und mit einer Einladung für den nächsten Tag, zu einem weiter entfernten Strand zu fahren, wo es Felsenaustern gibt.

Hier ist es wirklich schön, hier bleiben wir ein paar Tage. Andreas angelt Sardinen vom Boot aus, die wir mittags in der Pfanne braten, dann schwimmen und jagen einen ganzen Tag lang Schweinswale in der Bucht den Sardinen hinterher. Immer mal wieder hört man ihr lautes Prusten ums Schiff herum. Zunächst dachten wir, es wären Delfine. Für ungeübte Augen sind sie schwer zu unterscheiden: Schweinswale (Wikipedia: Schweinswale) sind etwas größer als Delfine und sie bewegen sich auch etwas langsamer, haben wir den Eindruck.
Die Fischer sind jeden Tag mit ihren Netzen in der Bucht unterwegs, hunderte Möwen und Pelikane fliegen um sie herum, jedes Mal ein großartiges Schauspiel.

Punto Abreojos

Zur nächsten Bucht schaffen wir es mit einer Nachtfahrt. Abreojos, heißt: halt die Augen auf, denn hier gibt es bei der Einfahrt ein paar gefährliche Felsen unter Wasser. Weiter drinnen in der Lagune versammeln sich in der Winterzeit die Grauwale, um ihre Jungen in diesem geschützten Bereich zur Welt zu bringen. Wir sind noch etwas früh dran, Touren zu den Walen gibt es erst ab Mitte Dezember und die nur mit zertifizierten Führern. Immerhin haben wir draußen auf dem Meer schon Wale in der Ferne blasen gesehen!

Die Fischereikooperative hier in Abreojos besitzt eine große Flotte an Booten. Ständig brausen sie an uns vorbei und winken uns zu. Am Stand fährt ein Traktor hin und her, der die Boote aus dem Wasser und etwas höher aufs Trockene zieht. Dem Dorf sieht man an, dass die Fischer ein gutes Einkommen erwirtschaften: eine schöne gepflegte Strandpromenade, parallel dazu eine Straße mit einem Grünstreifen mit blühenden Sträuchern. Wir bewundern die Häuser an der Strandpromenade mit ihren großen Veranden und Vorgärten, von wo aus ihre Bewohner einen fantastischen Blick aufs Meer haben.

Unser Beiboot ist auf dem Rückweg zur Muktuk voll beladen mit sechs 10l-Kanister voll Wasser und ein paar Taschen voller Obst und Gemüse. Außerdem haben wir das Beiboot nicht ganz prall aufgepumpt, weil es schon wieder ein neues Leck hat. Obwohl die Wellen gar nicht so hoch sind, schwappen doch drei von ihnen ins Beiboot und wir kommen nicht ganz trocken durch die Brandung. An Bord muss ich Salat, Möhren und Kartoffeln aus den Plastiktüten voller Salzwasser fischen und gründlich abtrocknen.

Bahia Magdalena

Unser letzter Stopp auf der Außenseite der Halbinsel Baja California ist die Bahia Magdalena. Vor der Einfahrt in die Bucht ziehen Wale vorbei und in der Ferne sehen wir einige Hochseeangler. Und auch wir haben Glück und bekommen einen schönen Gelbflossen-Thunfisch an die Angel. Der kämpfte ganz lange am Haken bis er endlich müde wurde und wir ihn mit dem Gaff reinholen konnten. Wir können uns schon gar nicht mehr erinnern, wann wir den letzten hatten, es müssen Jahre her sein.

In der Bahia Magdalene bleiben wir ein paar Tage an einem schönen Ankerplatz. Das Wasser ist warm und ruhig, wir können unsere Runden ums Schiff schwimmen. Fischerboote fahren täglich durch die Bucht und untersuchen ihre Körbe, ob sie Oktopusse gefangen haben.

Der Spaziergang am Strand ist spannend: tausende Muscheln in allen Größen und Arten, mumifizierte Kugelfische, Knochen von Delfinen, Panzer von Seeschildkröten und vieles mehr. Eigentlich habe ich schon viel zu viele Steine und Muscheln an Bord, kann aber nicht widerstehen, doch ein paar mitzunehmen.


Ein kleiner mumifizierter Kugelfisch
Ein großer Kugelfisch, das Skelett ohne die stachelige Haut


Panzer einer SchildkröteKnochen vom Bauch einer Schildkröte
Steckmuschel
Mehrere Lagen Muscheln als Sedimente

An einer Stelle des Ufers sind viele große Steine, die beim Niedrigwasser herausragen. Wir schauen nach, ob dort ein paar Felsenaustern wachsen. Ja, die gibt es, aber dann fällt mir auf, dass einige der Steine eine ungewöhnlich spitze Form haben. Ich kratze ein bisschen daran und diese Steine fangen an, Wasser zu spritzen: es sind riesige schwarze Miesmuscheln, bestens getarnt durch die moosartigen Algen, die auf ihnen wachsen. Ein paar davon nehmen wir auch mit. Bevor sie in den Kochtopf wandern, müssen wir sie aber gut mit der Bürste bearbeiten und Napfschnecken und Seepocken von der Schale abkratzen.

Zwischen der Bahia Magdalena und dem Kap von San Lucas ganz an der Spitze der Halbinsel gibt es keinen weiteren geeigneten Zwischenstopp. Daher beobachten wir das Wetter und rechnen uns aus, wann wir lossegeln müssen, um zwei Tage später bei Tageslicht anzukommen. Die Tage werden auch hier Anfang Dezember immer kürzer. Die Sonne geht morgens gegen 7:00 Uhr auf und bereits um 17:30 wieder unter. Damit unsere Rechnung aufgeht, beschließen wir, bereits in der Nacht aufzubrechen.


Trockenfisch

Grossputz

Leuchttürme und Langusten – Die Islas San Benitos

09. – 15. November 2021

Endlich darf die Muktuk wieder vor Anker schaukeln! Vor uns karg bewachsene Felsen, die in der Abendsonne goldbraun leuchten, ein gedrungenes Gebäude hoch oben auf dem Berg dient als Leuchtturm. Seelöwen brüllen, durchs Fernglas sehen wir die große Kolonie in der Sonne liegen. Sie bevorzugen die von Wind und Wellen geschützten Stellen am Ufer. Ab und zu hört man zwischen den lauten klagenden Rufen der Seelöwen eine Art Schnarren: das müssen die See-Elefanten sein, die es hier auch geben soll. An einer kleinen durch Felsen geschützten Bucht der Insel, wo die Brandung weniger stark heran rauscht, sind ein paar Häuschen zu erkennen.

Zwei Tage und zwei Nächte sind wir von Ensenada bis zu den Islas San Benitos gesegelt: Mit ausgebaumter Genua und Fock als Schmetterling bei achterlichem Wind konnten wir am ersten Tag teilweise mit bis zu 8 Knoten sausen! Die letzten Stunden allerdings mussten wir bremsen, um nicht mitten in der Nacht anzukommen. Mit verkleinertem Segel auf 3-4 qm machten wir immer noch 4 Knoten Fahrt!

Nachdem der Anker gefallen ist, stellt sich das befreiende Gefühl ein, wieder draußen zu sein. Die Aussicht auf ein paar ruhige Tage in dieser hübschen Bucht stimmt uns geradezu euphorisch.

In einem offenem Boot mit starkem Außenbordmotor kommen zwei Fischern vorbei, dick verpackt in Ölzeug. Sie begrüßen uns und fragen, wie lange wir hier bleiben werden. Im winzig kleinen Ort sind acht Leute stationiert, erfahren wir: vier „pescaderos“ und vier „vigilantes“, Fischer und Wächter.

Segelfreunde, die wir in Ensenada in der Marina kennen gelernt haben, kommen am nächsten Tag an und wir freuen uns sehr, sie wieder zu sehen. In den nächsten Tagen fahren Gilbert und Andreas mit Israel und Ulisses, zwei der Wächter, zum Fischen raus und kommen mit einer beachtlichen Menge an Fischen zurück. Für den Abend werden wir alle zum Essen bei den Fischern an Land eingeladen.

Die Fischer haben es sich hier in 2-3 Häusern gemütlich gemacht, der Rest der Gebäude ist unbewohnt und verfällt. Ein Generator brummt laut, die kleine Kirche ist mit ein paar elektrischen Kerzen beleuchtet. Die früheren Bewohner des Dörfchens sind mittlerweile alle auf die benachbarte Insel Cedros gezogen, dort gibt es Telefon und Internet und das Festland ist nicht ganz so weit.

Die Fischer von San Benitos und Cedros sind in einer Genossenschaft organisiert. Ihr Gebiet haben sie vom Staat gepachtet und führen dafür Abgaben ab: ihr Hauptgeschäft sind die Langusten, die sie für gutes Geld nach Europa und China verkaufen können. Diese Genossenschaft besteht aus ca 80-90 Mitglieder und ist streng organisiert. Um beitreten zu können, muss man sich erst ein paar Jahre lang als Angestellter bewähren und braucht dazu noch einen Fürsprecher. Alkohol während der Arbeitszeit ist verboten. Und mit Arbeitszeit sind die vollen 15 Tage gemeint, die die Männer abwechselnd entweder als Fischer oder als Wächter auf den jeweiligen Stationen der beiden Inseln verbringen. Wir erleben sie als eingeschworene und stolze Gemeinschaft. Auf Nachfrage versichert jeder einzelne von ihnen, dass er sich keinen anderen Beruf vorstellen mag und um wie viel lieber er hier draußen arbeitet als in einer lauten staubigen Stadt.

Wir werden köstlich bekocht von Israel. Er steht am Herd, wendet den frisch gefangenen Kingfish in der Pfanne und kommt kaum nach, alle Teller zu füllen. Dazu gibt es frischen Salat, Reis und Tortillas. Wir erfahren, dass Ulisses an diesem Tag seinen 20. Geburtstag feiert. Wie gut, dass wir Segler zum Nachtisch Kuchen mitgebracht haben.


Israel: Fischer, Wächter und passionierter Koch


Das Geburtstagskind: Ulisses, Zweiter von rechts im weißen Pullover

Unsere Segelfreunde stammen ursprünglich aus Puerto Rico, Spanisch ist ihre Muttersprache, das erleichtert die Kommunikation mit den Fischern ungemein. Wir versuchen zwar, so gut es geht, dem schnellen mexikanischen Spanisch unserer Gastgeber zu folgen, aber ab und zu müssen unsere Freunde doch übersetzen. Es ist eine fröhliche Runde: wir fragen viel und auch die Fischer möchten so einiges erfahren über das Leben als Segler und die Länder, aus denen wir stammen. Dieser Abend ist ein ganz besonderer für uns und wir freuen uns sehr, dass wir diese Einladung erhalten haben!

Für den nächsten Tag sind wir mit unseren Freunden zu einer Wanderung zu den Leuchttürmen verabredet. Etliche Fußwege durchziehen das auf den ersten Blick unwegsame Gelände. Ein geschlängelter Pfad führt den Berg hoch, die Sicht auf die vielen kleinen Buchten der Insel wird immer besser.

Wir müssen besonders gut auf den Weg achten, denn überall liegen lose kleine Kaktusbällchen herum, deren Stacheln sich nicht nur an den Schuhen und Socken fest haken, sie können auch die Schuhsohlen durchbohren. Ich bin immer noch fasziniert von den vielen Kakteen und Sträuchern, die sich in dieser trockenen Umgebung behaupten.

Wir erreichen den ersten Leuchtturm, den wir schon vom Ankerplatz aus sehen konnten. Er funktioniert momentan aber nicht, irgendein Problem mit den Batterien.

Zwei Leitern führen auf die obere Plattform, von wo aus wir den perfekten Rundblick haben. Greifvögel kreisen in den warmen Aufwinden, die Raben sind weniger scheu und streiten sich um den besten Platz auf dem umlaufenden Geländer.

Wir beschließen, auch zum alten Leuchtturm zu laufen, der auf der Nordseite der Insel auf halber Höhe steht.

Er wurde in den 1930er Jahren gebaut und ist schon lange nicht mehr im Betrieb. Überall liegen Glasscherben der zerborstenen Fensterscheiben herum, viele Geräte und Halterungen sind verrostet, aber das Gebäude selbst ist kaum beschädigt. Schade, dass dieser Leuchtturm nicht mehr in Betrieb ist, denn er ist um so vieles solider gebaut und auch schöner als der neue hoch oben auf dem Berg.

Auch von hier hat man einen herrlichen Blick aufs Meer und wir stellen uns vor, dass sich in der schönen schattigen und windgeschützten Veranda eine Bar einrichten ließe. Die Lage wäre perfekt dafür geeignet.

Wir steigen eine breit angelegte Wendeltreppe im Turm des Leuchtturms hoch, das Licht fällt durch große runde Fenster rein. Die Fresnel-Linse des Leuchtfeuers ist noch fast komplett erhalten, vorsichtig laufen wir herum, bewundern diese Konstruktion und versuchen herauszufinden, wofür die anderen verrosteten Gerätschaften dienten, die in dem Raum herum stehen.

Nach so vielen Tagen an Bord tut die Bewegung richtig gut. Am liebsten würde ich am darauffolgenden Tag noch einmal loswandern, aber wir müssen weiter, die Wettervorhersage hat günstigen und vor allem ausreichenden Wind gemeldet.

Día de los muertos: Allerheiligen und Allerseelen in Mexiko

Día de los muertos: die drei Tage von Allerheiligen bis Allerseelen (31. Oktober – 2. November) sind wichtige Feiertage in Mexiko. An diesen Tagen gedenken die Familien ihrer Verstorbenen. Diese, so glauben sie, kehren einmal im Jahr zurück, um gemeinsam mit den Lebenden zu essen und zu feiern. Am 1. November wird an die verstorbenen Kinder erinnert, am 2. November dann an die Erwachsenen. Altäre werden in den Häusern aufgebaut, vereinzelt auch auf öffentlichen Plätzen oder Läden. Die Lieblingsspeisen der Verstorbenen werden zubereitet und auf den Altar gestellt zusammen mit dem „Pan de muerte“, einem Hefeteigbrötchen mit Anisgeschmack. Auf den Altar gehören auch Fotos und Sachen, die an die verstorbenen Menschen erinnern sollen, aber auch Gegenstände, die die Vergänglichkeit symbolisieren. Geschmückt wird alles mit buntem bemustertem Papier.

Die gelben und orangen Blüten mit ihrer leuchtenden Farbe weisen den Verstorbenen den Weg zu ihren Verwandten und Freunden. Es ist ein fröhliches Fest, so erzählt man uns. In einigen Teilen Mexikos werden sogar große Umzüge an diesen Tagen veranstaltet, es wird musiziert, getanzt und gesungen und oftmals ziehen lange Prozessionen von Menschen durch die weit geöffneten Kirchen.

Eine Besonderheit im Rahmen dieser Feierlichkeiten sind einzelne Figuren, die im Laufe der letzten Jahrhunderte im Rahmen dieses Totenkultes in der mexikanischen Gesellschaft einen Platz gefunden haben. Unter anderem ist das die edel gekleidete Dame Catrina, ein Skelett im Rüschenkleid und breitkrempigem Hut und der passende Herr dazu, der Garbancero. (Wikipedia)

In Ensenada geht es etwas stiller zu, diese Tage werden überwiegend im privaten Rahmen zu Hause gefeiert. Aber es gibt für uns doch ein bisschen was zu sehen. Am 31. Oktober abends ziehen ein paar Kinder in Kostümen in Begleitung ihrer Eltern umher, das amerikanische Halloween mit „trick and treat“ hat sich hier wohl auch schon ausgebreitet.

Am 1. November findet ein Wettbewerb statt: die schönste Catrina und der am schönsten dekorierte Altar werden prämiert. Veranstalter ist die Technische Universität gemeinsam mit dem Kulturzentrum von Ensenada. Auf der Plaza Santo Tomas in der Innenstadt werden schon am Vormittag Zelte aufgebaut und Stühle aufgestellt. In einer der großen Hallen, die der Weinkellerei gehören, sind viele junge Leute damit beschäftigt, Altäre mit bestimmten Themen für den Wettbewerb zu dekorieren.

Am Nachmittag dann versammeln sich die ersten Besucher, einige Damen tragen Haarreifen mit Papierblumen dekoriert, die ersten Catrinas und Garbanceros erscheinen und holen sich ihre Wettbewerbsnummer ab. Wir dürfen, wie alle anderen Besucher auch, viele Fotos von ihnen machen!

Welche der Damen nun den Hauptpreis erhalten hat, können wir leider nicht berichten, denn wir sind nicht bis zum Ende der Veranstaltung geblieben. An diesem Abend war auch eine Party am Steg geplant mit vielen Seglern, der erste Potluck nach langer Zeit mal wieder.

Langsam macht sich in der Marina Aufbruchstimmung breit: In den letzten Wochen haben wir hier im Hafen einige sehr nette Seglerinnen und Segler kennen gelernt, die gleichzeitig mit uns in Richtung Süden wollen und die wir auf dem Weg zum Golf von Kalifornien und auf den dortigen Ankerplätzen ganz bestimmt wieder sehen werden. Darauf freuen wir uns schon sehr! Wir werden aber auch von ein paar lieb gewonnenen Menschen Abschied nehmen, die in Ensenada bleiben.

Nationalpark San Pedro Martir

Es ist wieder einer dieser Tage mit einem strahlend blauen Himmel. Wir fahren durch eine hügelige Landschaft mit verdorrten Sträuchern, die Erde ist braun bis grau und steinig. Neben der Straße verläuft ein ausgedörrtes Flussbett, das manchmal von Bäumen gesäumt wird, und die tragen erstaunlicherweise grüne Blätter. Aber unter der alles bedeckenden Staubschicht erscheinen auch diese Blätter grau. Wäre da nicht die asphaltierte Bundesstraße mit den riesigen LKWs, die an uns vorbei donnern, könnte man meinen, es würden gleich ein paar Cowboys auf ihren Pferden die Hänge herunter geritten kommen: Es ist die perfekte Kulisse für einen Western. Fehlt nur noch die passende Musik dazu.

Es dauert aber eine Weile, bis sich die Landschaft so menschenleer und wüst zeigt. Fährt man aus Ensenada raus auf die Bundesstraße Nr. 1 der Halbinsel Baja California, in Richtung Süden, ist die Straße noch dicht bebaut mit Einkaufszentren, kleinen Läden und Werkstätten aller Art, riesigen verstaubten Autofriedhöfen. Dann kommen die Gewächshäuser und Felder, auf denen Arbeiter die Zucchini, Tomaten und Spargel ernteten, das Gesicht mit Tüchern verhüllt und breiten Hüten gegen die sengende Sonne.

Nach etwa 85 Kilometer erreichen wir mit unserem kleinen Mietwagen die Abzweigung zum Nationalpark San Petro Martir. (Wikipedia) Von hier aus geht es, ebenfalls auf einer recht gut ausgebauten asphaltierten Straße, noch einmal rund 100 Kilometer landeinwärts. Wir kommen nicht mehr so schnell voran, die Straße ist kurvenreich, wir müssen einige Bergketten überwinden, immer höher hinauf. Zuerst fahren wir noch durch zwei kleine Siedlungen, danach ist nur noch vereinzelt ein verlassenes verfallenes Haus zu sehen. Die Landschaft verändert sich merklich, Kaktuspflanzen machen Sträuchern Platz, die Steine werden immer größer, es wird zusehends felsiger. Irgendwann tauchen die ersten Kiefern auf, wir haben über 2.000 Höhenmeter erreicht.

Der Eingang des Nationalparks wird von Soldaten bewacht. Eine kleine Truppe ist hier stationiert, sie wohnen in einem eigenen Haus, hacken tagsüber ihr Holz und wechseln sich an der Schranke ab.

Wir melden uns beim Büro an, bezahlen unsere Gebühren und erhalten den Schlüssel für die vorab reservierte Hütte. Diese liegt inmitten hoher Kiefern und Tannenbäumen: darin zwei Stockbetten, ein kleines Bad, eine Küchenzeile und das Beste: ein Holzofen mit einem Stapel Feuerholz daneben. Wir haben alles mitgebracht, was wir brauchen: Schlafsack, Decke, Lebensmittel und Trinkwasser.

Neben der Hütte finden wir eine gemauerte Grillstelle und eine Feuerstelle, geschützt durch einen großen ebenfalls gemauerten Ring. Gleich laufen wir los und sammeln Holz. Davon gibt es wirklich genug, trocken und gut abgelagert. Die vielen Kiefernzapfen eignen sich hervorragend zum Anzünden, sie knistern und sprühen aber auch so herrliche Funken, wenn man sie zwischendurch ins Feuer wirft.

Wir erkunden die nächste Umgebung, es ist ein Zeltplatz, eigentlich nur daran erkennbar, dass sich ein paar sandige Wege zwischen den Bäumen schlängeln und ab und zu eine Feuerstelle mit einer Bank dazu auftaucht. Man verliert schnell die Orientierung, das Gelände ist riesig. Es ist herrlich hier, diese frische Luft mit dem intensiven Duft der harzigen Kiefern, das klare Licht der Nachmittagssonne. Wir sind begeistert.

Abends sitzen wir ganz nah am Feuer, denn sobald die Sonne untergeht, wird es empfindlich kalt im Gebirge. Nach den vielen Wochen in der lauten Marina genießen wir die Stille und Ruhe. Wir sind nicht allein da, aber es scheint als ob die Geräusche vom Wald verschluckt werden, wir hören nur das Knistern und Knacken der brennenden Holzscheite. Am klarer Nachthimmel können wir die Milchstraße ganz deutlich sehen, selbst mit dem Streulicht unseres Lagerfeuers. Wir laufen ein Stück die Straße hoch, weg vom Feuer, um noch mehr Sterne sehen zu können. Sogar ein paar Sternschnuppen zeigen sich. Es ist wirklich der ideale Ort für eine Sternwarte: wenige Kilometer weiter auf einem der Gebirgskämme befinden sich einige Observatorien. So weitab von jeglicher Zivilisation und deren Lichtverschmutzung herrschen perfekte Bedingungen für ihre Arbeit. Normalerweise können sich Besucher zu Führungen anmelden, wegen der Pandemie aber ist es leider nicht möglich, das Gelände wird weiträumig abgesperrt und ebenfalls von Soldaten bewacht.

Am nächsten Tag machen wir uns gleich nach dem Frühstück auf den Weg zu einer Wanderung. Der Wald ist trocken, keine Wildbäche, keine Wasserfälle, wie wir es von den Alpen kennen. Und doch wachsen hier viele Blumen und Sträucher zwischen den Felsen und leben hier viele Tiere, die sich an diese Bedingungen angepasst haben.

Es ist auch die Heimat des kalifornischen Kondors (Wikipedia), der etwas kleinere Bruder des Anden-Kondors und damit der zweitgrößte Vogel der Erde. Er war in der freien Wildbahn seit den achtziger Jahre ausgestorben und lange Zeit nur noch in einigen Zoos zu finden. Aufzucht-Stationen in den USA konnten den Kondor erfolgreich vermehren und nach und nach Vögel wieder auswildern. Der Kondor ist zwar immer noch im Bestand gefährdet, aber es gibt nun tatsächlich eine stabile Anzahl an Vögeln in den Gebirgen Kaliforniens. Wir haben Glück und sehen einen von ihnen hoch oben am Himmel langsam seine Kreise drehen.

Je höher wir kommen, umso schöner wird die Aussicht auf das gewaltige Gebirgsmassiv San Pedro Martir. Mit jeder Wegbiegung erscheint eine neue interessante Steinformation, entdecken wir neue Blumen und Sträucher unter den Bäumen.

In der Ferne, auf dem gegenüberliegenden Höhenkamm sehen wir das große Observatorium und weiter verstreut in der Landschaft ein paar kleinere.

Der Weg führt über ein kleines Plateau und auf einmal befinden wir uns in einem Birkenwald, die Blätter in ein leuchtendes herbstliches Gelb gefärbt.

Kurz darauf erreichen wir den ersten Aussichtspunkt: Eine stählerne Plattform mit Gitterboden, die einen spektakulären Rundumblick bietet. An klaren Tagen soll man bis zur anderen Seite der Baja California, bis zum Meer, sehen können. Leider können wir mit der Kamera die Tiefe und Weite der Landschaft nicht wirklich einfangen.

Für unsere Mittagsrast laufen wir noch ein Stück weiter und setzen uns an einen von der Sonne gewärmten Felsen mit Blick auf ein wildes Seitental.

Auf dem Rückweg kommen uns Wanderer entgegen: es ist Samstag und viele Familien und organisierte Gruppen sind unterwegs.

An unserem letzten Morgen sitzen wir noch lange draußen in der Sonne, trinken Tee und beobachten die putzigen Streifenhörnchen (Wikipedia) die ich Anfangs für eine kleinere Art von Eichhörnchen gehalten hatte. Sie huschen so schnell über den Boden, dass man sehr genau hinsehen muss, um ihre Streifen zu erkennen. Mit viel Geduld und ganz viel Stillsitzen gelingt es uns, sie näher kommen zu lassen, so dass Andreas ein paar Fotos von ihnen machen kann.

Auf dem Rückweg halten wir immer wieder an und versuchen, diese großartige menschenleere Landschaft wenigstens ansatzweise mit dem Fotoapparat festhalten zu können.

Rund vierzig Kilometer vor Ensenada kommen wir wieder durch die weite Ebene mit den endlos erscheinenden langen Reihen mit Weinstöcken – es ist das älteste Weinanbaugebiet Mexikos. Schilder zeichnen die „Ruta antigua del vino“, die „Alte Weinstraße aus. Nach einem kurzen Abstecher zu Santo Tomas, der bekanntesten Weinkellerei in dieser Ecke, beschließen wir unseren Ausflug.

La Bufadora und Valle Guadelupe


Ende August luden uns unsere mexikanischen Freunde zu einem Ausflug ein, sie wollten uns ein paar Sehenswürdigkeiten in der Umgebung von Ensenada zeigen. Wir vereinbarten den folgenden Samstag und in der Früh holten sie uns mit dem Auto ab. Erst fuhren wir in Richtung Süden zur „La Bufadora“. An einer Stelle der Steilküste schlägt die Brandung mit einer starken Wucht auf die Felsen, das Wasser wird durch Hohlräume gepresst und schießt in hohen Fontänen in die Luft. Je nach Wellengang und Gezeiten können sie ziemlich hoch und spektakulär werden.

Wir waren schon vorgewarnt, dass bei der „Bufadora“ einige Andenkenläden seien. Vom großen Parkplatz, der für einen riesigen Ansturm von Besuchern ausgerichtet ist, bis zum Aussichtspunkt muss man erst einmal durch eine ziemlich lange Straße laufen. Auf beiden Seiten reiht sich ein Laden an den anderen, mit allem, was Touristen vermeintlich oder tatsächlich brauchen würden. Die Verkäuferinnen und Verkäufer stürzen sich auf uns, wir bekommen kleine Proben von Kokoslikör angeboten, werden freundlich eingeladen, in die Geschäfte zu kommen oder ins nächste Restaurant für ein frühes Mittagessen. Normalerweise würden sehr viel mehr Menschen hier sein, denn die Bufadora ist eines der beliebtesten Ausflugsziele für die Gäste der Kreuzfahrtschiffe.

Auf dem Meer lag an diesem Tag viel Nebel, die Sonne kommt an Tagen wie diesen, erst gegen Mittag durch.

Rasmus lieferte durch das Blasloch ein paar beeindruckende Wasserfontänen, aber doch so moderat, dass wir nicht durchnässt wurden.

Danach fuhren wir weiter ins angrenzende Weinbaugebiet zum Valle Guadelupe. Jetzt im Spätsommer sind die Hügel braun und die Sträucher alle trocken: Eine steinige und eher unwirtliche Gegend. Selbst die Oliven-Haine sehen staubig und grau aus. Dann öffnete sich ein Tal und es wurde ein bisschen grüner: die ersten Weingärten kamen in Sicht.

Bereits kurz nach der Eroberung Mittelamerikas durch die Spanier hatte ein Jesuitenpater Weinreben nach Mexiko gebracht und in dieser Gegend angepflanzt. Sie gediehen prächtig. Doch die Weinbauern im Mutterland fürchteten um ihre Absatzmärkte und setzten einen Erlass der spanischen Krone durch, dass in der mexikanischen Kolonie Wein nur für den Gottesdienst angebaut werden durfte. Nachdem Mexiko seine Unabhängigkeit ausgerufen hatte, konnte endlich wieder Wein für alle produziert werden.

Im Tal von Guadelupe hat sich in den letzten Jahren viel getan, immer mehr Flächen wurden mit Weinreben bepflanzt. Für die vielen Touristen wurden Hotels und Herbergen gebaut und entlang der Hauptstraße eröffnen täglich neue Restaurants und Läden. Die Gegend boomt!

Wir bogen von der Hauptstraße ab, fuhren auf einer gewundenen Straße einen Berg hoch und parkten vor einem Restaurant. Auf der großen Terrasse setzen wir und an einen großen Tisch und machen eine ausgiebige Mittagspause.

Von hier hatten wir einen weiten Blick ins Tal hinunter und auf die gegenüberliegenden Berge.

In den südlich gelegenen Provinzen Mexikos werden traditionell auch Insekten und Larven gegessen: Ameisen, Mehlwürmer, Grashüpfer und Insektenlarven, gekocht oder geröstet. Dieses Restaurant hatte sie auch auf der Speisekarte und Andreas und Fernando waren so mutig und bestellten Tacos mit Insekten.

Fernando feierte seinen Geburtstag nach, aus den Lautsprechern ertönte ein Geburtstagslied, alle sangen mit und Fernando durfte die Kerze von seinem Schokoladenkuchen auspusten.


Gruppenfoto: Karina, ihre Tochter Dania, die Oma Maria, Fernando, Andreas, Birgit, Fernandos Tochter Sofia und seine Ehefrau Gabriela.


Weinberge und Palmen – eine für uns neue Kombination!

Wir drehten noch eine Runde durch das Tal, besuchten kurz einen Tierpark, den der Inhaber einer der größten Molkereien des Landes gestiftet hatte und fuhren im letzten Tageslicht zurück nach Ensenada.

Es war ein langer schöner Tag, mit vielen spannenden Gesprächen und vielen Geschenken für uns. Wir freuen uns sehr, dass wir eine so nette Familie kennen lernen durften, Zeit mit ihnen verbringen konnten und sie uns einiges erzählen konnten über ihr Land und ihre Lebensweise!

Im Land der Mango und Papaya

Früher war Westdeutschland für mich das Land der Schokolade und Bananen, so wie ich es mir als Kind in Rumänien ausgemalt hatte. Heute ist Mexiko für uns das Land der Mangos und Papayas, der Tortillas und Burritos, der Salsa und Guacamole: Die mexikanische Küche ist so vielfältig wie das Land groß und es gibt noch so viel zu entdecken. Dass wir tatsächlich so viele neue Zutaten und Gerichte in den letzten Wochen kennen lernen konnten, verdanken wir einer mexikanischen Familie.

Gleich in der ersten Woche, nachdem wir wieder auf der Muktuk zurück waren, haben wir einen Imbiss entdeckt: es schmeckte uns so gut, dass wir regelmäßig alle paar Tage dort zu Mittag gegessen und uns mit den Besitzern angefreundet haben:


Von links nach rechts: Karina, ihr Bruder Fernando und dessen Frau Gabriela

Für die Tagesgerichte kombinierte Fernando mit viel Fantasie die mexikanische Küche mit Rezepten aus aller Welt und seine Schwester Karina kocht wie bei Muttern daheim: typische mexikanische Gerichte, die man eher selten in den Restaurants auf der Speisekarte findet.

Huhn in Mole: die Mole ist eine Sauce mit allerlei Gewürzen, der Kakao und die Mandeln darin geben ihr die dunkle Farbe und den besonderen Geschmack. Wir haben uns vom Markt auch „Mole“ geholt und das Gericht bereits ein paar Mal nachgekocht.

Nopales, so heißen die großen ovalen essbaren Kaktusblätter, das neue „Superfood“. Wenn die Nopales in kleine Stücke geschnitten werden, sondern sie einen durchsichtigen Schleim ab. Anders als im Internet in vielen Rezepten empfohlen, sollte man die Kaktusblätter nicht vor dem Kochen wässern, sagten uns unsere mexikanischen Freunde. Vom Geschmack her erinnern die Nopales ein bisschen an grüne Bohnen und werden meistens auch ähnlich zubereitet. Mit Zwiebeln und Knoblauch gedünstet und zuletzt klein geschnittene Tomaten dazu.


Nopales mit Schweinefleisch

Und dann noch Burritos gefüllt mit Hühnerfleisch oder Bohnen, ein Klassiker:

El Globo

Etwa 15 min mit dem Fahrrad entfernt befindet sich der „Globo“ Markt, ein ganzes Stadtviertel mit Läden: ganz das Gegenteil eines sterilen klimatisierten Shoppingcenters: Langgezogene überdachte Gänge mit Geschäften, die vollgestopft sind mit Sachen aus zweiter Hand, Waren des täglichen Bedarfs: Klamotten, Küchenutensilien, Elektrogeräte, Werkzeug, Möbel. Beim ersten Mal waren wir ziemlich überfordert, es erschien uns alles wie ein riesiges unüberschaubares Chaos. Aber man gewöhnt sich daran und findet überraschend ab und zu Sachen, nach denen man gar nicht gesucht hat.

Ein Stück alte Heimat in Mexiko!

Am Rande dieses wohlgeordneten Durcheinanders befindet sich die Straße mit den Lebensmittelgeschäften für Obst und Gemüse, oder jeweils für Käse, Fleisch, Fisch. Ich habe mich riesig gefreut, als ich feststellte, dass der Käse, aus dieser Theke hier genauso schmeckt wie der, den man in Hermannstadt auf dem Zibinsmarkt kaufen kann!


Hier fand ich dann auch die herrlichen dicken Tomaten, die so schmecken, wie ich sie von früher kenne. Sie sind nicht so robust wie die neuen Züchtungen, darum nehme ich jedes Mal eine große Dose mit, damit sie auf dem Transport zurück auf dem Fahrrad nicht zermatschen. In der Marina gibt es ein Grillhäuschen und so lag es nahe, aus dem vielen guten sonnengereiften Gemüse eine Sakuska zu kochen. Sakuska ist eine Art Ajvar, wie es in Rumänien zubereitet wurde, mit Auberginen dazu. Dafür werden die Auberginen und ein Teil der Paprika vorher als Ganzes gegrillt und dann erst von den verkohlten Schalen befreit. Das rauchige Aroma gibt der Sakuska diesen besonderen Geschmack.




Unser Kühlschrank ist seit Wochen bis obenhin voll mit Obst fürs Müsli in der Früh (Papaya, Mango und Babybananen) und mit Gemüse, Fleisch oder Krabben fürs Abendessen. Mittags fahren wir entweder zu unserem Imbiss oder essen am Wochenende bei einem der Flohmärkte Carnitas, Tacos mit gesottenem Fleisch. Garnieren kann man sie dann am Tisch mit Zwiebeln und Koriander und wer sich traut, auch mit den ziemlich scharfen Saucen.

Bei diesem Stand im Zentrum stehen die Leute am Wochenende in der Schlange, um Tacos Mariscos mit Meeresfrüchten zu essen.

Und hier noch ein paar Impressionen:






Kann es im Schlaraffenland schöner sein als hier?

Dos Margaritas por favor!

Ensenada beansprucht für sich, den Margarita erfunden zu haben. Gleich zwei Bars in der Stadt machen sich heute den Titel streitig, welche von ihnen als Erste diesen Drink gemixt habe. Die Legende der Hussong Bar berichtet davon, dass in den 1930er Jahren die Tochter des deutschen Botschafters Margarete Henkel in der Bar zu Gast war, als der Barmann gerade einen neuen Drink mit Tequila, Zitronensaft, Likör und zerstoßenem Eis ausprobierte. Die Hussong Bar ist die älteste Bar der Stadt, es gibt sie bereits seit 1892.

In der Bar Andaluz kann man einen Hauch des goldenen Zeitalters in den 1930er Jahren erahnen: sie befindet sich im Gebäude des damaligen Hotels Playa mit Casino, heute das Kulturzentrum der Stadt „Riviera de Ensenada“ inmitten eines wunderschönen Parks. Die Andaluz Bar behauptet nun, den Drink nach der ehemaligen Direktorin des Hotels, Margarita King, benannt zu haben.

Wie dem auch sei: wir setzen uns in den hübschen Innenhof des Kulturzentrums, genießen die letzten Sonnenstrahlen und bestellen Margaritas: es gibt sie ganz klassisch mit Zitrone, oder mit Mango, Himbeeren oder Erdbeeren. Uns hat es die Mango-Variante angetan, der Glasrand ist mit einer köstlichen Mischung aus Salz, Limette und getrockneten Paprika versehen.

Jeden Sonntagnachmittag wird der Saal gegenüber der Bar geöffnet und es treffen sich Tanzbegeisterte, die zu einer Life-Band für ein paar Stunden Lateinamerikanische Tänze tanzen. Sie bewegen sich alle mit einer solchen Leichtigkeit, egal ob jung oder alt. Ihre Ernsthaftigkeit und die Begeisterung sind so ansteckend, am liebsten würde ich mittanzen.

Mitte August wurde in Ensenada das Margarita-Festival gefeiert. Im großen schönen Park waren Zelte aufgebaut, Tische und Stühle auf den Rasen gestellt. Am Eingang musste man sich in eine Liste eintragen, die Telefonnummer angeben und den Impfstoff, mit dem man jeweils gegen Covid-19 geimpft worden war. Dann durfte man – mit Mundschutz – durch den Park flanieren, sich in die Schlange für einen Margarita anstellen, sich etwas zu essen holen bei einem der vielen Stände und der Live-Musik zuhören. Überall entspannte fröhliche Menschen! Wir merkten auf einmal, wie sehr wir es vermisst hatten, einen Abend unbeschwert unter vielen Menschen verbringen zu können.

Der Park und das schöne alte Gebäude sind immer einen Besuch wert, jedes Mal entdecken wir neue Details:

Ensenada

Wenn man die letzten Einträge gelesen hat, könnte der Eindruck entstehen, wir würden den ganzen Tag nur Motoren und Pumpen reparieren und kaputte Geräte aus- und neue einbauen.
Aber nein, Ensenada ist ein Ort, wo man es sich auch gut gehen lassen kann. Buchstäblich an jeder Straßenecke steht ein mobiler Imbiss, wo man Tacos und Tortillas „mariscos“ mit Meeresfrüchten essen kann oder große Becher mit Ceviche auslöffeln und ein paar Scheiben Avocado auf Chips dazu bekommt. Das heißt, dass wir mittags meistens nicht kochen, sondern schnell mit den Fahrrädern losfahren und in der Stadt was essen: köstlich und günstig.
Und da die Leute hier alle so freundlich und kontaktfreudig sind, kommen wir meistens mit dem Inhaber des Imbisses oder mit dem einen oder anderen Gast schnell ins Gespräch. Die einzige Hürde dabei ist unser fürchterlich eingerostetes Spanisch.

Auch im Hafen an unserem Steg treffen wir auf viele nette Segler. Zwar ist nicht so viel los, wie vor der Pandemie, viele Boote sind hier geparkt und ihre Besitzer zurück in den USA. Die paar verbliebenen „liveaboards“ (Segler, die auf ihrem Boot leben und dauerhaft im Hafen liegen) kennen sich untereinander ganz gut und wir machen für einige Wochen in dieser Gemeinschaft mit: wir treffen uns auf ein Glas Wein oder helfen einander.

Und dann gibt es noch unsere lautstarken Nachbarn: eine Seelöwenkolonie erobert ab und zu einen freien Steg und unter viel Getöse und Lärm kämpfen sie um den bequemsten Platz in der Sonne. Die Möwen sind nicht weniger laut, ständig auf der Suche nach Essbarem. Sobald eine etwas gefunden hat, kommen aus allen Richtungen weitere Möwen dazu und das Schreien und Quaken geht los.


Wenn sie allerdings so verschränkt im Wasser liegen, schlafen sie und sind ganz still.

Gleich neben unserer Marina ist die Anlegestelle für die Kreuzfahrtschiffe. Zwei von diesen riesigen schwimmenden Städten können gleichzeitig festmachen. Einige der Linien haben bereits wieder ein paar Gäste an Bord. Ein Unternehmen aber nutzt den Aufenthalt hier, um seine Schiffe zu reparieren. Dann sieht und hört man vor allem das ständige Brummen und Hämmern der Arbeiter, die den Rost klopfen, putzen und alles neu streichen.

Nur die kleine schwarze Katze huscht abends lautlos auf dem Steg umher und versucht, durch offene Luken in die Boote zu gelangen, um ein bisschen Essen, das offen herum liegt, zu stibitzen.

Wir befinden uns ganz oben im Norden der mexikanischen Provinz namens „Baja California“ (Niederkalifornien). Eine Halbinsel von über 1.200 km (im Vergleich ungefähr so lang wie Italien) und eine der sichersten Ecken des Landes. Der Ort Ensenada liegt eine gute Stunde südlich von der Grenze der USA entfernt. Direkt an der Grenze befindet sich die Stadt Tijuana, durch diese schreckliche Mauer von San Diego getrennt. Es ist eigentlich ein Metallzaun, durch den man hindurch schauen kann, unüberwindliche Meter hoch. Ohne den Zaun könnte man gar nicht erkenne, wo Tijuana aufhört und wo San Diego anfängt, beide Ortschaften sind so aufeinander zugewachsen.
Während der Prohibition in den USA vor hundert Jahren entwickelte sich Tijuana zu einem beliebten Ausflugsziel, es entstanden Vergnügungsviertel mit Kneipen und Casinos, wo es nachts nicht mehr ganz so sicher war. Und auch heute ist die Stadt eine beliebtes Ziel, vor allem in den „spring breaks“, den Frühlingsferien, kommen viele junge US-Amerikaner hierher, um zu feiern.

Ensenada lebt auch vom Tourismus, momentan geht es aber etwas ruhiger zu. Die Kreuzfahrtschiffe brachten vor der Pandemie ständig Tagestouristen in die Stadt, viele US-Amerikaner kamen mit dem Auto hierher, für sie ist diese Gegend ebenso attraktiv wie für einheimische Reisende.
Wie das vor Corona gewesen sein muss, wenn drei bis viertausend Touristen von zwei Schiffen auf einmal durch die Stadt zogen, kann ich mir nicht recht vorstellen. Aber Ensenada ist gut gerüstet dafür: in drei langen Straßenzügen reihen sich Boutiquen, Andenkenläden, Restaurants und Cafés aneinander. Alle sehr einladend und hübsch eingerichtet. Auch das Umland hat ein paar Sehenswürdigkeiten: an der Küste entlang gibt es immer mal wieder schöne Strände und Hotels, im Hinterland in den Hügeln liegt das Weinbaugebiet Valle Guadeloupe, und im Winter kann man darauf hoffen, Walen auf ihrer Wanderung an der Küste entlang zu begegnen.

Jenseits der Touristenmeile gehört die Stadt den Einheimischen: die Straßen sind in einem quadratischen Raster angelegt: Große Supermärkte neben kleinen Läden, auf der Straße fliegende Händler, dazwischen Handwerksbetriebe und kleine Cafés. Ab und zu ein Restaurant oder ein kleiner Imbiss und überall die vielen fahrbaren Straßenstände, bereiten traditionellere Gerichte zu, die zudem günstiger sind.
Nach und nach haben wir die Stadt erkundet, viele Ecken sind uns vertraut und wir wissen nun, wo es eine gute Auswahl an Schrauben gibt, welcher Fischladen immer frische Krabben bereit hält und welcher Stand die guten reifen Tomaten hat…

 

Zwischendurch eine kleine Oase der Ruhe: der Innenhof eines Cafés:

The Family That Dared

Ein paar Wochen dauert es noch, bis wir wieder zurück zur Muktuk können. Momentan liegt sie gut bewacht in der Marina in Ensenada, Mexiko. Befreundete Segler schauen immer mal nach ihr und versichern uns, dass soweit alles in Ordnung ist.

Zufällig las ich in diesem Frühling einen Beitrag auf der Webseite der Zeitschrift „Yacht“ über eine Familie aus Deutschland. Ihren Abenteuern zu folgen half uns ein wenig, das Fernweh auszuhalten und die Zeit zu überbrücken. (Hier klicken: Interview in der Yacht)

Die Geschichte handelt von Marie und Joachim Campe, die Mitte der 1970er Jahre beschlossen hatten, ihr Haus im bayerischen Icking zu verkaufen und mit ihren vier Kindern zu den entlegensten Winkeln dieser Erde zu segeln.

Sie gaben ein Segelboot in Auftrag in einer kleinen Werft in Frankreich, in der Nähe von La Rochelle: ein Boot aus Stahl, ein Schoner. Vom Decksaufbau und der Ausstattung erinnert vieles an unsere Muktuk, die ebenfalls in der Gegend nur wenige Jahre später gebaut wurde.
Von La Rochelle legten sie 1977 los, ihr erstes Ziel war Neufundland mit einem Zwischenstopp in Grönland. Nicht die einfachste Route für eine unerfahrene Crew. Sieben Jahre lange  waren sie insgesamt unterwegs, die meiste Zeit abseits der gängigen Segelrouten im Atlantik und im Pazifik.

Joachim Campe vereinbarte mit dem Bayerischen Rundfunk, unterwegs Filme über ihre Segelreise zu drehen. Zwölf Folgen zu je 45 min wurden schließlich 1984 gesendet. Es ist eine beeindruckende Langzeitdokumentation: der Bau des Bootes wird filmisch begleitet, die Eltern und die Kinder überlegen sich, was sie von der Weltreise auf dem Boot erwarten. In den einzelnen Folgen kommen immer wieder die Kinder zu Wort. Sie erzählen, von ihrem ungewöhnlichen Alltag, sie staunen über die unendliche Weite des Meeres, beobachten und zeichnen die exotische Tierwelt der Galapagos Inseln und verbringen Wochen auf abgelegenen Inseln der Südsee, wo sie in die Dorfgemeinschaft aufgenommen werden. Es ist faszinierend zu sehen, wie leichtfüßig sie sich auf dem Boot bewegen und überall mit anpacken, wie neugierig sie an Land alles erkunden und wie unbefangen sie auf fremde Menschen zugehen.

Die Filme wurden unter heute unvorstellbar schwierigen Bedingungen gedreht: Damals gab es noch keine Handys oder wasserfeste Gopro-Kameras mit schier unbegrenztem Speicherplatz: die Kamera war mehrere Kilogramm schwer, die Filmrollen nahmen im Boot viel Platz weg und alles musste vor dem Salzwasser und der Feuchtigkeit geschützt werden. Und statt einer Drohne, die man heute problemlos über den schönsten Ankerplätzen steigen lassen kann, mieteten sie einen Heißluftballon, um in der Wildnis von Südost-Alaksa spektakuläre Aufnahmen machen zu können.

Joachim Campe ist 2019 noch einmal mit seinem Boot los gesegelt und nun gerade in Lombok, Indonesien. Dort traf er auf Vernon, einen passionierten Video-Blogger, der mit Joachims Einverständnis die Filme digitalisiert und mit Untertiteln versehen, nach und nach ins Netz gestellt hat.

Als Einführung spricht Vernon mit Joachim Campe, inzwischen 82 Jahre alt. Joachim erzählt, warum er mit seiner Familie um die Welt segeln wollte, von der Vereinbarung mit dem BR und gewährt einen ersten Einblick in ihren Alltag auf See. Ein paar Filmausschnitte von ihrer Weltreise sind in diesem Beitrag bereits zu sehen, einfach anklicken: Interview mit Joachim Campe

Alle 12 Folgen sind inzwischen auf Youtube abrufbar unter „The Family That Dared“ auf dem Youtube-Kanal „Sailing Lessons“ von Vernon.

2. Folge

3. Folge

4. Folge

5. Folge

6. Folge

7. Folge

8. Folge

9. Folge

10. Folge

11. Folge

12. Folge

Und wie ging es danach weiter? Hier das Interview zum Abschluss der Serie, noch einmal Joachim Campe und Vernon in Indonesien:
Abschluss-Interview