Punta Pulpito 17. – 19. Januar 2022
Eine letzte Bucht wollen wir noch weiter nördlich anschauen, bevor wir uns auf den Rückweg nach La Paz machen. Am frühen Morgen holen wir den Anker hoch und fahren raus aus der Caleta San Juanico. Gut zwei Stunden später haben wir Punta Pulpito erreicht und ankern gut geschützt durch ein kleines felsiges Riff vor einem hohen grauen Berg. Wenn man genau hinschaut, sieht man dunkelgraue, fast schwarze Adern im Gestein: das soll Obsidian sein, von dem im Revierführer berichtet wird.
Wir fahren mit dem Dinghi einmal ums Riff herum auf die Außenseite der Bucht und durch den Felsbogen hindurch. Andreas muss ganz aufmerksam manövrieren, denn die Strömung erzeugt ein kabbeliges Wasser und die kleinen kurzen Wellen sind unberechenbar.
Zurück auf der Muktuk sitzen wir gemütlich im Cockpit, als auf einmal ein Wal neben uns schnauft. Später zieht eine größere Gruppe von Schweinswalen am Riff vorbei und eine große Schildkröte schwimmt ruhig und still im Wasser, nur ihr Kopf ragt zeitweilig heraus, sonst hätten wir sie gar nicht entdeckt.
Am nächsten Morgen sehen wir, dass ein kleines Fischerboot in die Bucht gekommen ist. Am späten Vormittag fahren wir zu ihnen. Sie bereiten gerade ein deftiges Frühstück zu, nachdem sie die ganze Nacht gefischt und ein paar wenige Stunden geschlafen haben. Juan, der ältere der drei Fischer, ist der Besitzer der Panga, er stellt uns seinen Schwiegersohn und seinen Adoptivsohn vor, seine Lehrlinge. Sie angeln überwiegend nachts mit langen Leinen und sind in der Regel zwei Tage lang unterwegs, so lange hält das Eis in den großen Boxen. Den Fisch liefern sie einem Händler ab, mit dem sie einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben. Wenn der Nordwind im Winter zu sehr bläst und sich eine unangenehme See aufbaut, bleiben sie lieber im Hafen. Juan erklärt stolz und selbstbewusst, dass er seinen Beruf liebt, dieses Gefühl der Freiheit auf dem Meer nicht gegen eine andere Arbeit eintauschen möchte.
Wir verabschieden uns, wünschen ihnen weiter viel Glück und fahren zum Ufer. Es ist gar nicht so einfach, eine gute Stelle zu finden, um an Land zu gehen. Überall sind dicke runde Steine und es ist ein mühseliges Unterfangen, am steilen Ufer das Dinghi unbeschadet hoch zu ziehen. Also versuchen wir, das Beiboot mit einer Landleine und einem Heckanker im Wasser schwimmen zu lassen. Später finden wir zwischen den vom Wasser ausgewaschenen Felsen doch noch ein besseres Plätzchen.
Wir laufen unter von Wind und Wellen ausgewaschenen Felsüberhängen, kraxeln rauf und wieder runter und staunen: so viele verschiedene Gesteinsformationen und Farben haben wir noch nie auf einmal beieinander gesehen: ein Fest für Geologen! Vermutlich durch die tektonischen Verschiebungen können wir nun den ehemaligen Meeresboden in luftiger Höhe betrachten. Wie alt die versteinerten Muscheln und Knochen wohl sein mögen?
Am nächsten Morgen stehen wir etwas früher auf, wir wollen noch unbedingt auf den großen Berg mit der Obsidian-Ader klettern. Direkt am Ufer unter der Steilwand liegen zwischen den dicken runden Steinen einige große Brocken aus Obsidian. Weiter oben, links davon, wird der Boden sandiger. Kakteen und die üblichen stacheligen Sträucher säumen den schmalen Wanderweg. Im weißen Sand liegen überall kleine schwarze Steinchen herum, ganz so, als ob ein Zuckerbäcker Schokostreusel auf einer Torte verteilt hätte. Ich kann nicht widerstehen und sammle eine ganze Tüte voll mit diesen kleinen Splittern von Obsidian. Der Sand hat sie ein bisschen glatter geschliffen, sie schimmern nun wie schwarzes Glas und fühlen sich in der Hand leicht ölig an.
Wir nähern uns von Osten her auf der Rückseite dem Felsen, müssen über einen schmalen Grat laufen, links und rechts fällt das Gelände steil ab. Ich merke, dass ich nicht mehr so ganz schwindelfrei bin und schaue lieber nicht in die Tiefe sondern konzentriere mich darauf, einen Fuß vor den nächsten zu setzen.
Von oben haben wir einen großartigen Blick auf die nächste Bucht in Richtung Norden. Wir entdecken in der Ferne vier weiße Pünktchen, wie auf einer Schnur aufgereiht. Mit dem Fotoapparat zoomen wir sie heran: es sind kleine offene Segelboote.
Als wir wieder zurück auf der Muktuk sind, sehen wir den vier Booten zu, wie sie in unsere Bucht herein kreuzen. Sie ankern mit den Booten ziemlich dicht am Ufer und schlagen an Land ihr Lager auf. Ein paar Tage später sehen wir sie noch einmal bei der Isla Carmen und erfahren, dass sie eine Gruppe von College-Studenten aus den USA sind, die mit ihren Betreuern drei Monate lang unterwegs sind. Zu Fuß, mit diesen kleinen Segelbooten und später mit Kajaks erkunden sie die Baja California.