Muktuk schwimmt wieder!

September/Oktober 2022

Als wir in der zweiten Septemberhälfte auf die Werft zurück kommen, ist es noch immer unerträglich heiß und schwül. Bei 40 Grad im Schatten ist es fast unmöglich zu arbeiten, zumal sich auch nachts das Boot nicht abkühlt. Stephanie vom Nachbarsboot (und inoffizielle Bürgermeisterin der Werft) leiht uns eine Klimaanlage, die Andreas in den Niedergang provisorisch einbaut. Innerhalb von zwei Stunden ist die Luft im Inneren auf 25 Grad Celsius herunter gekühlt. Nun können wir auch nachts wieder besser schlafen und am liebsten würden wir gar nicht mehr nach Draußen gehen.

In der nächsten Woche sinken die Temperaturen etwas, vielleicht haben wir uns auch besser an dieses Klima gewöhnt. Die Arbeiten gehen nun schneller voran: rostige Stellen behandeln, den Rumpf oben mit einer neuen Schicht rot versehen und das Unterwasserschiff mit drei Schichten Antifouling.

Bevor wir allerdings wieder ins Wasser zurück können, müssen erst einmal drei Boote umgeparkt werden, damit der Travel-Lift Platz hat, um zu uns zu fahren.

Draußen vor dem Ort ist es relativ ruhig, so dass wir beschließen, noch eine Nacht vor Anker zu bleiben. Um uns herum liegen einige Krabbenboote, die sich mit der untergehenden Sonne auf den Weg machen, um in der Nacht zu fischen.

Und dann fahren auch wir los Richtung Süden, um noch ein paar Wochen lang die Buchten und Inseln der Sea of Cortez zu genießen.

Oaxaca de Juárez

Von Oaxaca hatten wir schon viel gehört und gelesen: sie sei eine der schönsten Provinzen Mexikos mit dem buntesten Kunsthandwerk und der besten Küche des Landes! Das klang nach einem verlockenden Reiseziel, als wir überlegten, im September die Arbeiten auf der Werft um ein paar Tage zu verschieben. Auf der Werft war es noch viel zu heiß, im Hochland von Oaxaca dagegen war Regenzeit angesagt, mit angenehmen frühsommerlichen Temperaturen.

Die Provinz Oaxaca liegt im Südwesten Mexikos auf der Pazifikseite. Hier lebten Zapoteken, Mixteken und Azteken, die in den Jahrhunderten vor der Kolonialisierung durch die Spanier abwechselnd um die Vorherrschaft in diesem Gebiet kämpften. (Mehr über die Geschichte Oaxacas könnt ihr hier nachlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Oaxaca_de_Juarez)

Die Altstadt mit ihren Kathedralen, ehemaligen Klöstern und herrschaftlichen Häusern im spanischen Kolonialstil ist sehr gut erhalten. Die Stadt wirkt sehr lebendig, viele junge Menschen sind unterwegs, es gibt unzählige Galerien mit Kunst und Kunsthandwerk, private und staatliche Museen und Kulturzentren, Bibliotheken. Cafés, Restaurants, Märkte und Straßenhändler beleben das Straßenbild. Und doch ist auch hier das Gefälle zwischen den reichen Nachfahren der Spanier und der armen indigene Bevölkerung sehr hoch. Die Menschen, die am Stadtrand und in den Dörfern im Umland leben, gehören zu den ärmsten von ganz Mexiko.

Alebrijes https://de.wikipedia.org/wiki/Alebrije

Gleich am ersten Tag kamen wir an einem von außen unscheinbaren Gebäude vorbei und schauten neugierig in den üppig begrünten Innenhof. Der Portier bat uns freundlich herein, selbstverständlich könnten wir uns umsehen. Es war ein ehemaliges Convent von Dominikanerinnen, das inzwischen zu einem Luxushotel umgebaut wurde. (Im Laufe der Jahrhunderte diente es allerdings auch als Krankenhaus und Gefängnis). Von den Innenhöfen führten schmale Treppen zu den Zimmern hoch, unter den Arkaden waren die Tische fürs Frühstück gedeckt. Wir liefen alle Innenhöfe ab, bis zum letzten, wo sich der alte überdachte Waschbrunnen befand.

Oaxaca de Juarez hat sich seit Jahrzehnten zu einem der spannendsten Kunst- und Kunsthandwerkszentren Mexikos entwickelt. Hier lebten, lehrten und arbeiteten die bekanntesten Künstler Mexikos, u.a. Rufino Tamayo oder Francisco Toledo. Jeden Tag liefen wir durch die verschiedensten Museen, Galerien und Läden mit Kunsthandwerk und hatten am Ende der sechs Tage doch nicht alle gesehen – dafür aber einige schöne Souvenirs erworben.

Von außen wirken viele Gebäude trotz ihrer bunten Farben abweisend mit verschlossenen hohen Türen, vergitterten Fenstern. Doch wo eine dieser Türen offen stand, schauten wir hinein: die Innenhöfe sind wunderschön gestaltet, z.B. mit kleinen Tischen als Café einer Galerie, mit einem Wasserbecken in der Mitte umrahmt von blühenden Pflanzen im Zentrum für Fotografie, oder gar als luftiger Lesesaal der Kunstbibliothek im Institut der grafischen Künste.

Santo Domingo de Guzman die größte Kathedrale am Platz, beherbergt auch das Museum der Kunst und Kultur Oaxacas, das in dem langgestreckten mehrstöckigen Gebäude des ehemaligen Klosters der Dominikaner eingerichtet wurde.

Hauptattraktion sind die Schätze, die bei Ausgrabungen am Monte Alban, einige Kilometer außerhalb der Stadt, gefunden wurden. Es sind Grabbeigaben, Zeugnisse einer reichen Kultur der Zapoteken: Schmuckstücke aus Gold und Jade, kunstvolle Schnitzereien.

Im rechten Flügel des Erdgeschoss, kann man in den Räume der historischen Bibliothek eine Ausstellung mit traditionellen Gewändern und Stickereien anschauen, im linken Flügel war gerade eine Sonderausstellung über den mexikanischen Hund und seine Darstellung in der Kunst eingerichtet. Da war mir klar, warum draußen vor der Kathedrale eine Gruppe von Hundebesitzern posierte.

Wir buchten eine Führung in englischer Sprache durch den Ethnobotanischen Garten, der auf dem Freigelände des ehemaligen Dominikanerklosters angelegt wurde. Eine Dame aus Kanada, die schon seit vielen Jahren hier lebt, erzählte uns kenntnisreich und humorvoll von den Pflanzen dieses Gartens und verwebte die Botanik mit der Wirtschaftsgeschichte der Provinz. Sie betonte immer wieder, dass Oaxaca über die größte Artenvielfalt des Landes verfügt: die meisten Sorten Mais, Peperoni und Kakteen. Hier wurde auch über einen langen Zeitraum hinweg die Cochinilla-Laus gezüchtet, die auf einer bestimmten Kakteenart lebt und aus der die berühmte und gefragte Purpurfarbe gewonnen wurde. Dieser Blattlaus verdankt Oaxaxa seinen Aufstieg, die Farbe wurde weltweit exportiert und hunderte Webereien arbeiteten vor Ort. Diese Tradition wird auch heute weiter geführt.

Im Textilmuseum ist gerade eine Sonderausstellung mit Ponchos aus Mittelamerika und Südamerika. Wunderschöne Exemplare mit kunstvollen Details.

In diese Woche fallen die Feiertage, an denen mit vielen Festen der Unabhängigkeit Mexikos gedacht wird: die Straßen sind geschmückt und in den Restaurants werden spezielle Menüs mit landestypischen Gerichten angeboten. Es ist auch der Monat, in dem es die „Chile en Nogada“ gibt: mit Hackfleisch gefüllte grüne leicht pikante Paprika garniert mit einer süßen weißen Sauce mit Rosinen und Mandeln. Oaxaca hat drei große überdachte Markthallen, in denen alle kulinarischen Köstlichkeiten der Provinz angeboten werden: der Käse, die berühmte Sauce mit Kakao, Mole genannt, Mezkal, die gerösteten Heuschrecken, viele Sorten von Paprika, Tomaten, Mais, Kakaobohnen und so vieles mehr.

Am vorletzten Tag buchten wir eine Tour: Der Fahrer nahm uns zuerst zu einer Familie mit, die ein paar Kühe außerhalb des Ortes hält und wo wir zusehen konnten, wie der berühmte Käse aus Oaxaca gemacht wird: das Verfahren ist ähnlich wie beim Mozzarella. Hier wird der frische Käse mit heißem Wasser und Salz geknetet und zu langen Strängen geformt, die in kaltem Wasser abkühlen. Danach werden diese Stränge eingerollt und daraus große Käsekugeln geformt. Der Käse hat eine feine angenehme Säure und schmeckt uns fast noch besser als Mozzarella. Vor allem, so wie wir ihn anschließend mit frischen Tortillas und einer hausgemachten scharfen Sauce probieren durften.

Danach fuhren wir weiter zu einer Papiermanufaktur, wo uns eine junge Frau ganz begeistert erklärte, wie sie Papier aus allen möglichen Materialien herstellen, die die Natur der Umgebung hergibt. Hauptabnehmer sind die Hersteller von Mezcal: sie zeigte uns ein Musterbuch mit kunstvoll gestalteten Etiketten, die auf dem handgeschöpften Papier ihres Betriebes gedruckt wurden.

Oaxaca ist eine Provinz der Superlative! Das können wir nach diesen intensiven und von Eindrücken und Erlebnissen übervollen Tagen nur bestätigen.

Puerto Peñasco

Von Puerto Refugio sind es noch rund 100 Seemeilen bis nach Puerto Peñasco. Dort haben wir in der zweiten Junihälfte mit der Werft „Astilleros Cabrales“ einen Termin ausgemacht, um die Muktuk aus dem Wasser zu heben.

Die ersten Stunden fahren wir unter Motor und sammeln ein paar müde Möwen ein, die es sich vorne am Bug gemütlich machen. Wie bei ihnen üblich, geht das nie ohne Geschrei und Gezeter ab, alle wollen die begehrten Plätze in der ersten Reihe haben.

Nach einer Nachtfahrt erreichen wir unser Ziel: draußen vor dem Strand ist es zu schaukelig zum Ankern, also versuchen wir unser Glück im Hafen. Wir drehen vorsichtig eine Runde im engen Hafenbecken und suchen einen Platz, wo wir bis zum nächsten Tag fest machen können. Links liegt die Flotte der Krabbenfischer, rechts sind die touristischen Ausflugsboote, daneben eine kleine Marina und am Kopfende befindet sich der Kanal der Werft.

Dann kommt schon Jean in seinem Dinghi angebraust. Er hat für seine Motoryacht einen festen Platz in der Marina und hat uns gleich gesehen, als wir herein kamen. Wir hatten ihn und seine Freundin vor ein paar Wochen in einer Ankerbucht kennen gelernt, jetzt organisiert er in seiner spontanen hilfsbereiten Art gleich einen Platz für uns. Die Marina besteht nur aus einem Steg und ist voll belegt, aber wir können längsseits bei einem anderen Segelboot festmachen, das auch auf die Werft soll. Perfekt!

Am nächsten Tag soll es bei Hochwasser am frühen Nachmittag soweit sein: Mit Salvador, dem jungen Chef der Werft, ist alles abgesprochen, Leinen und Fender sind schon zurecht gelegt, die Markierungen für die Schlaufen des Lifts geklebt. Doch mittags hören wir einen lauten Knall und wenig später erhalten wir eine Nachricht von Salvador, dass wir uns noch etwas gedulden müssten, ein Reifen am großen Travellift sei geplatzt und müsse erst repariert werden. Zum Glück kam niemand zu Schaden, und glücklicherweise hat der Travellift auf jeder Seite doppelte Reifen, so dass das Boot, das transportiert wurde, heil blieb.

Unser Nachbarboot kann mit dem zweiten, kleineren Travellift der Werft an Land gehoben werden, die Muktuk mit ihren 26 Tonnen muss warten. An diesem Tag klappt es nicht mehr, und auch am nächsten Tag nicht. Die Reifen stammen wohl von Boeing Flugzeugen und werden nicht mehr hergestellt, also muss die Werft improvisieren: sie probieren es mit Flicken und Ausschäumen, was nur kurzfristig hilft. Irgendwann finden sie noch gebrauchte Räder in Phoenix, USA.

Wir haben in den letzten Jahren gelernt, flexibel zu sein. Viele Arbeiten müssen am Schiff erledigt werden, ganz unabhängig davon, ob wir auf der Werft stehen oder nicht: Rost klopfen und das Deck streichen geht auch am Steg.

Die meisten Boote, die den Sommer über während der brüllend heißen Zeit an Land stehen, sind in weiße Plastikfolie eingepackt. Das sieht nicht schlecht aus, aber wir brauchen eher einen Sonnenschutz, unter dem wir auch arbeiten können. Wieder ist es Jean, der seine Hilfe anbietet: er fährt uns mit seinem Auto von Laden zu Laden, bis wir endlich den richtigen Stoff finden. Dann verbringt Andreas ein paar Tage lang mit Zuschneiden, Anpassen und Nähen: viele Meter Material müssen gesäumt, Ösen geschlagen und Bänder angenäht werden. Als alles fertig ist, sind wir dankbar für den Schatten an Deck.

Jeden Abend kurz vor Sonnenuntergang fahren die Partyboote mit viel Getöse und Musik los und jeden Abend um die Zeit suchen sich die Pelikane ein Plätzchen zum Schlafen. Am liebsten sitzen sie in luftiger Höhe, etwa auf den Holzpfählen nebenan oder auf den Booten der Küstenwache und der Krabbenfischer. Nach einigen Tagen allerdings entdecken die Pelikane einen neuen Schlafplatz: die Mastspitzen der Muktuk. Nachdem sich der erste Pelikan nieder gelassen hat, kommen gleich ein paar weitere hinzu und setzen sich sogar aufs Genickstag (das feste Drahtseil, das oben zwischen den beiden Masten gespannt ist). Wir klopfen an den Mast, machen Lärm, schlagen mit den Leinen, es beeindruckt sie überhaupt nicht. Sie schauen nur neugierig nach unten, lüften einen Flügel und machen es sich noch bequemer. Wie so ein Deck am Morgen aussieht, nachdem ein paar Pelikane die ganze Nacht lang Fisch verdaut haben? Beschissen! Dieser Vogeldreck stinkt bestialisch nach fauligem Fisch, trocknet im Nu und wird hart wie Zement. Wir bürsten den Stoff des Schattendachs ab und atmen dabei unfreiwillig das ätzende Guano ein. So geht das nicht weiter! Aber was tun? Andreas steigt am nächsten Tag hoch in den Mast und spannt eine feste Angelleine ein paar Zentimeter über das Genickstag von Mastspitze zu Mastspitze. Das hatte vor einigen Jahren bei den Fregattvögeln gewirkt. Die Pelikane lassen sich davon auch nicht stören, sie drücken mit ihrem Gewicht und den breiten Flossen die Leine einfach runter.

In den Buchten haben wir den Pelikanen so gerne beim Jagen zugeschaut, hunderte Fotos von ihren Sturzflügen gemacht und die eleganten Formationen bewundert, in denen sie hintereinander ganz knapp über der Wasseroberfläche hinweg flogen. Aber ihre Notdurft müssen sie ja nicht gerade über uns verrichten. Nachdem sie sich nun auch tagsüber auf der Muktuk ausruhen wollen, reicht es uns: Andreas fährt mit Jean in die Stadt und findet tatsächlich eine Schleuder (Zwille). Nach einigen Versuchen hat Andreas den richtigen Winkel heraus und schießt mit Kichererbsen auf die Vögel. Endlich wird es den Pelikanen zu ungemütlich und sie fliegen weg. Ihr Nachrichtensystem muss gut funktionieren, zwei Runden Kichererbsen haben ausgereicht, sie kommen nicht wieder!!!

Nach einer guten Woche ist der Travellift wieder mit funktionierenden Reifen bestückt. Die Werftarbeiter schieben Überstunden, um den Bootsstau zu bewältigen. Muktuk ist das letzte Boot, das an diesem Tag aus dem Wasser gehoben wird. Die Nacht über bleiben wir im Lift hängen, am nächsten Morgen werden wir zu unserem Platz weiter hinten rangiert.

Hier bleibt die Muktuk nun ein paar Wochen stehen, bis wir wieder aus Deutschland zurück kommen.

Bahia de los Angeles

Wenige Meilen weiter nördlich, nur einen kurzen Tagestrip von unserer Lieblingsbucht entfernt, befindet sich die einzige Ortschaft weit und breit. Sie heißt genauso wie die Bucht, in der sie liegt: Bahia de los Angeles.

Es ist ein ruhiger Ort, der in der Mittagshitze wie ausgestorben wirkt. Nur ab und zu fährt ein Auto die breite Hauptstraße entlang. Zwei Supermärkte, zwei Hotels, ein Museum, eine Handvoll Restaurants und Imbisse, die Hälfte davon geschlossen. Die meisten Touristen hier sind Camper aus den USA, die mit kleinen Motorbooten auf dem Anhänger hierher kommen und raus aufs Wasser fahren, um zu angeln.

Hier in der Bucht befindet sich die einzige Wasserquelle im Umkreis von mehreren hundert Kilometern, mit ein Grund, weshalb sich die Cochimi, die Ureinwohner, hier niederließen. Archäologen fanden außerdem Zeugnisse einer Nomadenkultur, die über 6.000 Jahre alt sein soll. Bis 19. Jahrhundert wurde immer mal wieder mühsam etwas Bergbau betrieben. Aber anders als im südlicher gelegenen Santa Rosalia, reichte die Infrastruktur nicht aus, um das Silber und andere Metalle in größerem Stil zu verarbeiten bzw. per Schiff wegzubringen.
Auch heute ist Bahia des los Angeles immer noch nicht ganz erschlossen, oder angeschlossen: es gibt zwar eine kleine Landebahn für Privatflugzeuge, aber keine Busverbindung. Und es gibt immer noch keine Mobilfunkmasten, nur in den beiden Hotels und bei „Guillermo’s“, dem Restaurant am Strand, kann man ins Internet. An manchen Tagen fällt der Strom aus, dann gibt es auch kein Internet und alle müssen warten, bis der Techniker angereist kommt. Und nur einmal pro Woche, jeden Freitag, kommt ein LKW, der die beiden Supermärkte mit frischem Obst und Gemüse beliefert. Alle Segler, die in dieser Gegend unterwegs sind, so wie wir auch, kommen in regelmäßigen Abständen hier vorbei wegen Internet, frischem Trinkwasser und Proviant.
Am meisten beeindruckt hat uns das örtliche Museum: eine Mischung aus Heimatmuseum und Naturkundemuseum: eine Fülle an Ausstellungsobjekten zur Ortsgeschichte und eine beeindruckende Sammlung an Muscheln, Schnecken, Seesternen, Seeigeln und anderen Meeresbewohnern sind hier zu bestaunen.

Gleich um die Ecke befindet sich ein sogenanntes „hurrican hole“, die rundum geschützte Ankerbucht Don Juan. Vor allem bei starken Nordwinden bietet sie perfekten Schutz. In der südlichen Ecke der Bucht ist ein großer ebener Sandstrand, wo wir die Muktuk trocken fallen lassen, um das Unterwasserschiff zu putzen.

Wanderung in der Bucht Don Juan

Weitere fünf Seemeilen in Richtung Nordosten der Bahia de Los Angeles liegen ein paar kleinere Inseln, die zum Biosphärenreservat „San Lorenzo“ gehören.

Vom Strand der Isla Ventana geht ein schmaler Pfad einen Hügel hoch und führt dann über ein Plateau hinweg bis zur anderen Seite der Insel. Auf dem Rückweg nehmen wir einen Umweg und gehen zu einem der Gipfel der Insel hoch. Von hier aus haben wir einen Rundumblick auf die Inselwelt und können den Vulkankegel der Nachbarinsel sehen, der an diesem Spätnachmittag über dem Nebel zu schweben scheint.

In diesen Wochen lernen wir einige sehr nette Segler kennen, mit denen wir abends an Deck zusammen sitzen, uns zu einem Lagerfeuer am Strand verabreden oder zu einer Wanderung auf den Vulkankegel.

Unser letzter Stopp in dieser abgelegenen Ecke der Baja California ist die Bucht Puerto Refugio am nördlichen Ende der Isla Angel de la Guardia. Es wird langsam Zeit, die Muktuk in ihr Sommerlager auf die Werft zu bringen.

Bahia de las Animas

Von Anfang Mai bis Mitte Juni sind wir in der nördlichen Hälfte des Golfs von Kalifornien. Unsere absolute Lieblingsecke ist Punta Izlote in der Bahia des las Animas (Bucht der Seelen, hier sollen die Ureinwohner in Höhlen die Toten begraben haben).

Gleich am ersten Tag treffen wir Dean aus den USA, der mit seinen beiden Hunden am Strand unter den Bäumen sein Lager aufgeschlagen hat und hier den Jahresurlaub verbringt. Zu dieser Bucht führt zwar eine sandige Straße, aber es verirren sich ganz selten andere Campingurlauber hierher, es scheint ein absoluter Geheimtipp zu sein.

Dean zeigt uns die Stellen im Schotter vor der Lagune, wo man bei Niedrigwasser nach Venusmuscheln graben kann. Und wenn mit der Flut Wasser durch den Kanal in die Lagune fließt, kann man nach den „blue crabs“, Krebse mit blauweiß gefärbten Scheren, Ausschau halten. Allerdings sollte man besser mit Gummistiefeln im seichten Wasser unterwegs sein, denn mit den Krebsen sind auch kleine Stechrochen unterwegs und die wehren sich auf sehr schmerzhafte Art und Weise, wenn man unbeabsichtigt auf sie drauf tritt.

An der Nordostecke der Bucht befindet sich eine vorgelagerte Felsinsel, auf ihrer Brandungsseite kann Andreas zuverlässig jeden Abend einen grouper (Barsch) fangen. Oft schwimmen Fische ums Boot herum, mal sind es Schwärme kleiner Fischchen, ein anderes Mal springen größere Exemplare herum. Und auch nachts hören wir immer mal wieder ein Plätschern und Hüpfen.

Und dann lernen wir auch Horacio aus Tijuana kennen, der in dieser Bucht Jakobsmuscheln züchtet: er hat Bojen ausgelegt, an denen die Körbe mit Muscheln hängen. Die ausgewachsenen Exemplare bringt er zu einem Gourmet-Restaurant in Ensenada. Horacio kann viel von dieser Gegend und der Unterwasserwelt erzählen. Es ist sehr selten, dass wir jemanden treffen, der so gut Bescheid weiß.

Bei Niedrigwasser fällt die Lagune fast ganz trocken und dann kommen tausende kleiner „fiddler crabs“ (Winkerkrabben) aus ihren Löchern gekrochen. Das Besondere an dieser Art ist die asymetrische große Schere. Die Krabben hier sind winzig klein, es gibt sie aber auch in anderen Farben und Größen in anderen Teilen der Welt.

Nachts hören wir die Kojoten jaulen und miteinander kämpfen. Manchmal sehen wir sie auch tagsüber am Strand entlang laufen. Wie sie in dieser Wüste überleben ist uns ein Rätsel. In manchen Nächten gibt es Tau, das ist die einzige Feuchtigkeit, mit der die Pflanzen und Tiere auskommen müssen.

Fast täglich drehen einheimische Fischerboote ihre Runden in den Buchten, schauen konzentriert ins Wasser, ob Fischschwärme unterwegs sind. An einer geschützten Stelle der Landspitze befindet sich ein aufgelassenes Fischercamp, zusammengefallene Häuser, alte Boote und auf einer kleinen Anhöhe weithin sichtbar eine kleine Kapelle, gebaut überwiegend aus dem, was die Umgebung hergab.

Alle Fische – Groß und klein

Hier in der nördlichen Hälfte des Golfs von Kalifornien versammeln sich im Frühling riesige Schwärme von Sardellen. Manchmal sind sie noch so klein, dass sie fast nur aus Augen bestehen, Kaulquappen ähnlich, ein anderes Mal schon fast fingergroß. Sie bilden ein wichtiges Glied in der komplizierten Nahrungskette des Meeres. Treffen nun größere Raubfische, Delfine und diese Fischschwärme aufeinander, ergibt das ein großartiges Spektakel.

Schon aus der Ferne sieht man alle möglichen Vögel in einer ungewöhnlichen Anzahl und Dichte: Pelikane, Möwen, Seeschwalben, Tölpel, Sturmvögel, alle stürzen sich mehr oder weniger todesmutig ins Wasser, um Fische zu kriegen. Sie alle profitieren davon, dass die Delfine die Sardellen einkreisen und zusammentreiben, um dann konzertiert und konzentriert zu jagen. Und das nicht als kleiner Schwarm. Hunderte von Delfinen schwimmen auf einer riesigen Fläche kreuz und quer, hüpfen aus dem Wasser und fallen mit einem großen Platsch wieder rein, manchmal weniger elegant als sonst, meinen wir. Vielleicht, weil sie damit die kleinen Fische weiter zusammentreiben können.

Als wir das erste Mal aus der Ferne diesen Aufruhr im Wasser entdeckten, fuhren wir näher heran, um dieses Gewusel besser beobachten zu können. Normalerweise freuen sich die Delfine, wenn die Muktuk ihren Weg kreuzt, sie lieben es, vorne am Bug mit uns bei mit 4-5 Knoten Geschwindigkeit mitsurfen können. Dieses Mal aber ging die Jagd vor, kein einziger Delfin interessierte sich fürs Surfen. Wir hielten unsere Fotoapparate bereit und versuchten, so viel und so gut wie möglich, dieses faszinierende Schauspiel festzuhalten.

Ein paar Tage später bei der Isla Carmen war die ganze Bucht gepackt voll mit Schwärmen von Sardellen. Um die Muktuk herum, soweit wir sehen konnten. Als wir beim Mittagessen saßen, hörten wir ein ungewohntes Geräusch, ein Blubbern und Klicken und Platschen. Wir hoben die Bodenbretter im Cockpit auf und entdeckten, dass sich im Kielkasten viele Fischchen „verkrochen“ hatten, in der Hoffnung, den Räubern für eine Weile zu entkommen. Auch am Heck bei den Ruderblättern versammelten sich Sardellen, ebenfalls Schutz suchend im Schatten des Bootes, so viele, dass das Wasser fast schwarz davon war. Andreas holte den Kescher, tauchte ihn versuchsweise ins Wasser und hatte sofort das Netz voller Sardinen. Ein zweites Mal im wahrsten Sinne „aus dem Vollen schöpfen“ und dann musste er schon wieder aufhören, denn er hatte bereits einen Plastikeimer voll! Gut, dass in der Bucht noch fünf weitere Boote vor Anker lagen und wir unsere Beute mit ihnen teilen konnten.

Für uns blieben trotzdem noch reichlich Sardellen übrig – so fangfrisch hatten wir sie noch nie gegessen!

Sally Lightfoot

Many people have spoken at length of the Sally Lightfoots. In fact, everyone who has seen them has been delighted with them. The very name they are called by reflects the delight of the name. These little crabs, with brilliant cloisonné carapaces, walk on their tiptoes. They have remarkable eyes and an extremely fast reaction time. In spite of the fact that they swarm on the rocks at the Cape, and to a less degree inside the Gulf, they are exceedingly hard to catch. They seem to be able to run in any one of four directions; but more than this, perhaps because of their rapid reaction time, they appear to read the mind of their hunter. They escape the long-handled net, anticipating from what direction it is coming. If you walk slowly, they move slowly ahead of you in droves. If you hurry, they hurry. When you plunge at them, they seem to disappear in little puffs of blue smoke—at any rate, they disappear. It is impossible to creep up on them. They are very beautiful, with clear brilliant colors, reds and blues and warm browns. We tried for a long time to catch them. Finally, seeing fifty or sixty in a big canyon of rock, we thought to outwit them. Surely we were more intelligent, if slower, than they. Accordingly, we pitted our obviously superior intelligence against the equally obvious physical superiority of Sally Lightfoot. Near the top of the crevice a boulder protruded. One of our party, taking a secret and circuitous route, hid himself behind this boulder, net in hand. He was completely concealed even from the stalk eyes of the crabs. Certainly they had not seen him go there. The herd of Sallys drowsed on the rocks in the lower end of the crevice. Two more of us strolled in from the seaward side, nonchalance in our postures and ingenuousness on our faces. One might have thought that we merely strolled along in a contemplation which severely excluded Sally Lightfoots. In time the herd moved ahead of us, matching our nonchalance. We did not hurry, they did not hurry. When they passed the boulder, helpless and unsuspecting, a large net was to fall over them and imprison them. But they did not know that. They moved along until they were four feet from the boulder, and then as one crab they turned to the right, climbed up over the edge of the crevice and down to the sea again.

Man reacts peculiarly but consistently in his relationship with Sally Lightfoot. His tendency eventually is to scream curses, to hurl himself at them, and to come up foaming with rage and bruised all over his chest. Thus, Tiny, leaping forward, slipped and fell and hurt his arm. He never forgot nor forgave his enemy. From then on he attacked Lightfoots by every foul means he could contrive (and a training in Monterey street fighting had equipped him well for this kind of battle). He hurled rocks at them; he smashed at them with boards; and he even considered poisoning them. Eventually we did catch a few Sallys, but we think they were the halt and the blind, the simpletons of their species. With reasonably well-balanced and non-neurotic Lightfoots we stood no chance.

(John Steinbeck: The Log from the Sea of Cortez. Penguin Books, 1986. Seite 72-73)

Viele haben ausführlich über Sally Lightfoots berichtet. Jeder, der sie kennt, ist entzückt von ihnen. Dieses Entzücken spiegelt sich schon in ihrem Namen wider. Diese kleinen Krebse mit ihrem prächtigen Cloisonné-Panzer laufen auf Zehenspitzen. Sie haben bemerkenswert gute Augen und eine extrem schnelle Reaktionen. Obwohl die Felsen am Kap und in etwas geringerem Ausmaß auch im Golf geradezu von ihnen wimmeln, sind sie äußerst schwer zu fangen. Sie scheinen in alle vier Richtungen laufen zu können; aber schlimmer noch: wohl wegen ihrer blitzartigen Reaktion können sie anscheinend die Gedanken ihres Jägers lesen. Sie entkommen dem langstieligen Netz, denn sie sehen die Richtung vorher, aus der es kommt. Geht man langsam, läuft die Schar langsam vor einem her. Läuft man schnell, werden sie ebenfalls schneller. Stürzt man sich auf sie, scheinen sie in einer kleinen blauen Staubwolke zu verschwinden – jedenfalls sind sie dann weg. Es ist unmöglich, sich an sie anzuschleichen. Sie sind wunderschön, mit klaren, brillanten Farben aus Rot-, Blau- und warmen Brauntönen. Wir versuchten lange, sie zu fangen. Als wir schließlich fünfzig, sechzig von ihnen in einer großen Felsspalte sahen, planten wir, sie zu überlisten. Immerhin sind wir doch intelligenter als sie, wenn auch langsamer. Demzufolge setzten wir unsere offensichtlich überlegene Intelligenz gegen die ebenso offensichtliche physische Überlegenheit der Sally Lightfoots ein. Am oberen Ende der Spalte ragte in der Nähe ein Felsbrocken empor. Einer aus unserer Gruppe nahm heimlich einen Umweg und versteckte sich mit dem Netz in der Hand hinter dem Felsen. Er war komplett vor den Stielaugen der Krebse verborgen, und mit Sicherheit hatten sie ihn nicht in Stellung gehen sehen. Die Schar von Sallys döste auf den Felsen am unteren Ende der Felsspalte. Wir beiden anderen schlenderten von der Seeseite aus heran, in lässiger Körperhaltung und mit unschuldiger Mine. Man hätte denken können, dass wir nur so dahin spazierten, versunken in Gedanken, die mit Sally Lightfoots nicht das Geringste zu tun hatten. Nach einer Weile bewegte sich der Schwarm ebenso lässig vor uns her. Wir ließen uns Zeit, sie ließen sich Zeit. Sobald sie – hilflos und nichts Böses ahnend – den Felsbrocken passierten, würde sich ein großes Netz auf sie stürzen und sie gefangen nehmen. Aber davon wussten sie nichts. Sie liefen weiter, bis sie einen guten Meter vor dem Felsen waren, um dann – wie auf Kommando – alle gemeinsam rechts abzubiegen und über die Klippe der Spalte hinweg in Richtung See zu verschwinden.

In seiner Beziehung zu Sally Lightfoot verhält sich der Mensch auf eigentümliche, aber gleichbleibende Weise. Letztendlich neigt er dazu, Flüche herauszuschreien, sich auf sie zu stürzen, um am Ende vor Wut schäumend und mit blauen Flecken am Oberkörper dazustehen. Auch [unser Kamerad] Tiny sprang nach vorne, rutschte aus, fiel, und verletzte sich am Arm. Nie hat er seither seine Feinde vergessen oder ihnen vergeben. Seit damals attackierte er Sally Lightfoots auf jede erdenkliche und hinterhältige Weise (sein Training in den Straßenkämpfen Montereys kam ihm für diese Art von Kampf sehr zugute). Er bewarf sie mit Steinen, schlug mit Brettern nach ihnen, und überlegte sogar, sie zu vergiften. Zu guter Letzt fingen wir doch noch ein paar Sallys, aber wir glauben, dies waren die Lahmen und Blinden ihrer Art. Gegen halbwegs ausgeglichene und nicht-neurotische Lightfoots hatten wir keine Chance. (Übersetzt von Andreas)

Santa Rosalia

22. – 27. April 2022

Wenn wir längere Zeit in abgeschiedenen Ankerbuchten verbracht haben, dann brauchen wir eine Weile, um uns wieder an den Trubel einer Stadt zu gewöhnen. Nicht so in Santa Rosalia. Hier ist es ruhig, wie in einem Western-Film, wenn in der Mittagshitze vereinzelt jemand ganz ohne Eile unterwegs ist. Bis Mitte der 1980er Jahre wurde hier allerdings in einem großen Hüttenwerk Kupfererz aus den umliegenden Minen verarbeitet, es muss staubig und schwarz gewesen sein, vom Rauch und Ruß, der aus den Schornsteinen ununterbrochen ausgestoßen wurde. Davon ist heute in Santa Rosalia überhaupt nichts mehr zu merken.

Wir ankern am späten Nachmittag im geschützten Hafenbecken und fahren mit dem Dinghi zur Marina. Es ist ein winzig kleiner Yachthafen, er besteht aus einem einzigen langen Steg mit Liegeplätzen, gegenüber an der Kaimauer befindet sich der Schwimmsteg der Tankstelle, überall ist viel Platz zum Manövrieren. Das Büro der Marina Fonatur hat schon geschlossen, also unterhalten wir uns mit den beiden Marineros, die den kleinen Hafen bewachen. Die Liegegebühren in der Marina sind so günstig, dass wir beschließen, die nächsten Tage am Steg festzumachen. Es ist ja doch um einiges bequemer und die Aussicht auf eine tägliche Süßwasserdusche verlockend.

Santa Rosalia ist „dreidimensional“, wie Andreas feststellt, als wir anschließend in den Ort laufen. Der Stadtkern befindet sich in einem schmalen Tal, die Straßen sind fast alle rechtwinklig angelegt, die alten kleinen Holzhäuser dicht an dicht gebaut. Dazwischen liegen ein paar schöne Plätze und kleine Parks. Alle weiteren Straßen ziehen sich in Windungen die Berge hoch. Was uns sofort auffällt: überall schöne Bänke, Straßenlaternen und Zäune aus Schmiedeeisen, die Häuser sind liebevoll renoviert und bunt gestrichen, viele Blumen in den Vorgärten, auf der Veranda und in den Fenstern. Schatten spendende Bäume und Blumenbeete säumen den Gehweg. Wir haben noch nie eine Stadt gesehen, in der es so viele Blumenläden gibt wie hier: in jeder zweiten Ecke entdecken wir eine „Floreria“. An diesem Abend sind auf dem großen Platz vor dem Rathaus Tische aufgebaut, Lehrerinnen und Kinder zeigen, was sie alles im Kunstunterricht gezeichnet und gebastelt haben.

Wir kommen auch an der Kirche Santa Barbara vorbei, in der gerade eine Hochzeit stattfindet. Diese Kirche ist eine der vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Gustave Eiffel (ja, der mit dem Eiffel-Turm in Paris) hat sie entworfen, sie besteht aus Fertigteilen aus Metall und wurde 1910 auf der Weltausstellung in Brüssel gezeigt. Eigentlich war sie einer Gemeinde im Kongo versprochen, aber auch Santa Rosalia brauchte unbedingt eine Kirche und hat sich offensichtlich gegen die afrikanische Gemeinde erfolgreich durchgesetzt.

In den nächsten Tagen schauen wir uns Santa Rosalia genauer an und entdecken, wie viel Geschichte in dieser Stadt steckt und wie ausführlich und mit Liebe zum Detail sie aufgearbeitet und präsentiert wird.

Auf einer Anhöhe mit einem großartigen Blick aufs Meer befindet sich das Gebäude der ehemaligen Firmenzentrale von „El Boleo“, der französischen Firma, die die Minen und das Hüttenwerk betrieben hatte. Heute ist hier das städtische Museum untergebracht. Im alten Tresorraum befinden sich noch die großformatigen Firmenbücher, in denen in akkurater Handschrift Soll und Haben eingetragen wurden. In diesem Museum lernen wir so einiges über die Geschichte der Firma, die Kupferverarbeitung, den Transport weg aus dieser Wüstengegend. Und wir lesen auf den Schautafeln ganz überrascht von deutschen Segelschiffen, die hier auf Reede lagen. Unsere Neugier ist geweckt, Andreas recherchiert weiter und findet im Internet viele spannende Informationen darüber.

Die Häuser, die sich unmittelbar an die ehemalige Firmenzentrale anschließen, bilden das alte „Franzosenviertel“, die Straßen sind nach berühmten Franzosen benannt. Hier wohnten früher vor allem die Ingenieure und Angestellten von „El Boleo“. Auch diese Häuser sind schön gepflegt und verfügen über ein Stück Garten und eine große Veranda, wo man den kühlenden Wind zwischen Blumen und Kakteen genießen kann. Alle Holzhäuser von Santa Rosalia haben mehr oder weniger einen einheitlichen Grundriss und sind im gleichen Stil gebaut. Es sieht auch beim Hausbau alles nach Fertigbauteilen aus; Holz, Blech und Stahl wurden von weither gebracht, hier in der Wüste wachsen ja nur Kakteen, sonst nichts.

Gleich am Ufer, nur ein paar Schritte von der Marina entfernt, sind drei Stollen in den Berg gehauen worden, die mit großen Schautafeln in Spanisch und Englisch an den Eingängen zur Besichtigung einladen. Tag und Nacht brennt Licht darin und beleuchtet die Fotos an den Wänden mit alten Ansichten der Stadt, der Eisenbahn und der ehemaligen Kupferminen. Dazwischen hängen alte, inzwischen recht rostige Schaufeln, Spitzhacken und andere Geräte an der Wand, auf einem Tisch sind Gesteinsproben ausgelegt. Sogar eine alte Lore voller Steine hat man hierher gebracht. Bis 19.00h abends ist immer jemand vom Tourismusamt da, der den Besuchern auf Wunsch eine Führung anbietet. Einmal laufe ich vorbei und sehe einen älteren Herren, der den beiden Führern etwas erzählt. Ich geselle mich dazu und erfahre, dass er früher in einer der Kupferminen gearbeitet hat. Er beschreibt mit lebhaften, ausladenden Gesten sehr anschaulich, wie schwer diese Arbeit war. Ein anderer Mann kommt hinzu und bringt ein paar kleinere Gesteinsbrocken mit Kupfererz darin, die sofort zu den anderen Mineralien auf den Tisch ausgelegt werden. Auch er ist ein ehemaliger Minenarbeiter, der seinen Beitrag zu dieser Ausstellung leisten möchte.

Einer der jungen Führer meint, wenn wir mehr über die Kupferverarbeitung wissen wollen, so sollten wir unbedingt am nächsten Vormittage zur alten Kupferhütte gehen. Ab neun Uhr morgens sei regelmäßig ein ehemaliger Angestellter dort, der viel zu erzählen habe. (Siehe die Beiträge von Andreas!)

Wir sind ganz begeistert von dieser Stadt und nehmen uns vor, im Herbst auf dem Rückweg unbedingt ein paar Tage hier zu verbringen, es gibt sicher noch einiges zu entdecken. Von der Esskultur der Franzosen ist – soweit wir das in dieser kurzen Zeit auf den ersten Blick feststellen konnten – nur die Traditionsbäckerei übrig geblieben. Hier soll es das beste Baguette von ganz Baja California geben. Nur: es war immer ausverkauft. Vielleicht haben wir ja das nächste Mal Glück und stehen rechtzeitig frühmorgens vor der Bäckerei, um ein echtes französisches Baguette zu erstehen.

Auf alle Fälle werden wir uns aber mit den köstlichen Weizen-Tortillas eindecken, die hier in der „Tortilleria“ frisch gebacken werden.

Punta San Telmo (Punta Prieta)

San Telmo war für uns eine der schönsten Buchten an der Küste zwischen La Paz und Loreto! Das Besondere an dieser Bucht ist der rote Sandstein, der sich in ganz unterschiedlicher Gestalt und Farbschattierung zeigt. Wir konnten uns nicht satt sehen und haben bestimmt jeden Felsen und jeden Stein in dieser Bucht fotografiert.

Hier blieben wir fast eine Woche lang, verbrachten ruhige und gemütliche Tage. Die meisten Segelboote ankerten eine Bucht weiter, so dass wir die meiste Zeit ganz alleine waren.

Jeden Vormittag wanderten wir einen anderen Abschnitt des Strandes und des Hinterlandes ab. Kurz vor Sonnenuntergang fuhr Andreas zu den schwarzen Felsriffen am nördlichen Ende der Bucht zum Angeln. Die größte Herausforderung des Tages war der Blick in den Kühlschrank und die Überlegung, wie wir den Fisch mit welchen Zutaten zum Abendessen zubereiten könnten, denn uns gingen langsam die Rezepte und Ideen aus.

Blick in die nächste Bucht Richtung Norden

Blick ins „Hinterland“, zwischen den Büschen liefen wir schmale Pfade entlang, die von Kojoten und Dickhornschafen ausgetreten waren.

Auch die Möwen, Tölpel und Pelikane ließen sich von uns nicht stören, blieben weiter in Ruhe auf ihren Felsen sitzen, wenn wir näher kamen.

Segelpause in La Paz

In diesem Jahr ist es in der Baja California voll. Viele Segler, die wegen der Pandemie in den letzten beiden Jahren nicht weiter segeln konnten, sind in Mexiko geblieben. Wie wir auch. Hinzu kam dann ein doppelter Jahrgang der Rally „Baja Ha Ha“, mit über 200 Booten, die letzten November in San Diego (USA) gestartet waren und in den Golf hineingesegelt sind. Viele von ihnen sind in La Paz (Mexiko) geblieben. So waren wir gut beraten, schon Monate im Voraus einen Platz in einem der Yachthäfen von La Paz zu reservieren, wo wir die Muktuk während unseres fünfwöchigen Aufenthalts in Deutschland parken wollten.

Eine Woche vor dem Abflug waren wir bereits da und während wir mit den Vorbereitungen der Abreise beschäftigt waren, klopfte es am Schiff: Hallo Muktuk! Vor zwei Jahren hatten uns Anja und Thomas über gemeinsame Freunde eine E-Mail geschrieben und wir hatten Informationen zu Japan und Alaska ausgetauscht. Sie sind 2020, also genau ein Jahr nach uns, diese Route gesegelt. Leider begann die Pandemie, während sie in Japan waren. Die beiden stammen aus der deutschsprachigen Schweiz und reisen auf ihrem Segelboot Robusta seit vielen Jahren um die Welt. Wie schön, dass wir uns nun persönlich kennen lernen durften und uns gegenseitig viele Geschichten über unsere Reisen erzählen konnten.

Als wir dann Anfang April nach La Paz zurück kamen, entdeckten wir wiederum am gegenüberliegenden Steg die Chamade, das Boot eines Paares aus der französischen Schweiz, die wir letztes Jahr kurz in Ensenada getroffen hatten. Sie sind schon seit 20 Jahren unterwegs, haben als Freiberufler weiter für den Rundfunk gearbeitet und von ihren Reisen berichtet. Einige Filme und Tonaufnahmen kann man auch von ihrem Blog abrufen. Und sie waren ebenfalls vor einigen Jahren in Japan und Alaska unterwegs. So gingen wir dann an einem Abend zu sechst in der Bar „Estrella del Mar“. Nebenan saß eine Hochzeitsgesellschaft an einem langen Tisch, das Brautpaar wurde kurz zuvor am Strand unter einem weißen Baldachin getraut. Als musikalische Begleitung hatten sie eine traditionelle Band engagiert, und zur Freude und Überraschung der Braut sang der Bräutigam zwei Lieder für sie. Wir bewunderten seine gute Stimme und es wäre auch schön gewesen, länger zuzuhören. Aber wir entschlossen uns nach einer Weile, doch weiter zu ziehen, denn wir saßen gleich neben den Musikern und hätten ständig gegen die Musik anschreien müssen. Wir wollten uns schließlich alle ein bisschen besser kennen lernen und hatten nur diesen Abend dafür Zeit, bevor wir in verschiedene Richtungen weiter segeln würden.

Dieses Mal haben wir es in einer Rekordzeit von nur vier Tagen geschafft, die Muktuk reisefertig zu machen und die Marina zu verlassen und das trotz Jetlag: Einen neuen Kurscomputer für den Autopilot hat Andreas eingebaut, ein Lager für die Rollanlage der Genua ausgetauscht, den Schwarzwassertank geklebt, eine Winsch gewartet und noch ein paar Kleinigkeiten mehr.

Dann haben wir eine große Einkaufstour zum Supermarkt unternommen und zwei von diesen Lastenwägelchen der Marina voll mit überwiegend haltbaren Sachen zur Muktuk gebracht. Und zuletzt ging ich noch ein letztes Mal zu den Märkten in der Stadt, um frisches Obst und Gemüse zu holen.

In den nächsten knapp drei Monaten wollen wir den nördlichen Teil des Golfs von Kalifornien erkunden und da soll es nicht viele Einkaufsmöglichkeiten geben, dafür aber viele schöne einsame Ankerbuchten.

Wir nutzen die windstille Pause aus, legen auch eine Nachtfahrt ein, um so schnell wie möglich nach Norden zu kommen, denn wir wollen bis Anfang Mai möglichst aus der Hurrikan-Zone raus sein.