Auf der Werft

20. – 27. November 2023

Mit der Werft haben wir einen neuen Termin ausgemacht und nun ist es soweit: wir machen die Leinen los und verabschieden uns vom Dörfchen Takakushi, wo wir die letzten drei Wochen am Steg lagen.

Am Nachmittag legen wir am Steg der Werft an. Kurz darauf kommt der Chef, Herr Urata, mit einem seiner Mitarbeiter. Wir besprechen, wann und wie die Muktuk am nächsten Tag aus dem Wasser gehoben werden soll. Wenn wir das Vorstag mit der Genua los machen, passt die Muktuk gut in den Lift, meint er.

Am nächsten Vormittag fahren wir rüber zum Becken, über dem der Travel-Lift schon bereit steht und daneben Herr Urata mit der Fernsteuerung um den Hals. Die Schlaufen werden an die richtigen Stellen gesetzt, Herr Urata stimmt sich mit seinen Arbeitern dabei ab und hebt schließlich die Muktuk langsam aus dem Wasser.

Wir staunen alle, was für einen dichten Algenpelz sich die Muktuk den Sommer über im Hafen zugelegt hat. Was man nicht sieht: unter den Algen verbergen sich hunderte kleiner Seepocken. Die Arbeiter stellen Muktuk auf Betonklötze und sichern sie seitlich mit Stützen ab. Jetzt muss alles schnell gehen. Zwei Arbeiter von der Werft helfen uns, den Bewuchs abzukratzen, denn sobald die Seepocken trocknen, lassen sie sich nicht mehr so einfach wegkriegen. Zuletzt holt einer der Arbeiter den Hochdruckreiniger und spritzt den feinen grünen Algenfilm ab, der sich unter den ganzen Bewuchs gelegt hat.

In den nächsten Tagen wird gestrichen: drei Lagen Antifouling für das Unterwasserschiff und zwei Lagen Lack oberhalb der Wasserlinie, damit die Muktuk wieder in ihrem schönen Rot leuchten kann. Auch die Schraube bekommt dieses Mal einen speziellen Anstrich.

Andreas ersetzt noch die Wellendichtung, die in den heißen Sommermonaten in Mexiko so spröde geworden war, dass sie nicht mehr richtig dicht hielt.
Wir haben Glück mit dem Wetter, es regnet nicht und nur an zwei Tagen bläst der Wind etwas heftiger, so dass ich aufpassen muss, dass mein Farbtopf nicht von einer heftigen Böe von der Leiter geweht wird und ich mit dazu.

Wir haben noch nie eine so ordentliche und saubere Werft gesehen. Da bekommen wir anfangs fast ein schlechtes Gewissen, dass wir den Betonboden ums Boot herum unweigerlich mit Farbkleksen verzieren. Aber bei genauerem Hinsehen entdecken wir bereits verblasste Spuren früherer Arbeiten…

Am letzten Tag auf der Werft müssen wir nur noch ein bisschen aufräumen. Die Sonne scheint und so beschließen wir, einen Spaziergang zu machen. Auf dem Weg kommen wir am Bauernmarkt vorbei, wo Obst, Gemüse, Reis und allerlei getrocknete und fermentierte Leckereien von Produzenten aus der Gegend angeboten werden. Und auch frischen Fisch, Krabben und Austern bekommt man, wenn man früh genug da ist.

Die meisten Bäume sind noch grün, dazwischen leuchten die rot gefärbten Blätter des Bergahorns mit den gelben Blättern der Ginkgo um die Wette.

Von Weitem sehen wir eine weiße Wolke hochsteigen. Ist es der Dampf einer heißen Quelle oder Rauch von verbranntem Holz? Als wir näher kommen, sehen wir einen Bauern, der das Reisstroh auf seinen Feldern kontrolliert abbrennen lässt.
Wir unterhalten uns ein bisschen mit ihm. Er führt uns zu seinem Auto, zeigt uns die Shiitake Pilze, die er aus dem Wald geholt hat und bedeutet uns, wir können gerne welche haben. Wir freuen uns sehr und packen eine Handvoll ein, nur mit Mühe können wir ihn davon abhalten, uns die ganze Tüte zu schenken!

Später zieht Andreas noch einmal los mit Kettensäge und Wägelchen, um Holz aus dem Wald zu holen. Anschließend hackt er die zugeschnittenen Hölzer in kleine Scheite, damit sie in unseren Ofen passen. Nachts wird es nun schon sehr kühl und wir brauchen Nachschub, um das Boot kuschelig warm zu halten.

Eingerahmt von zwei schicken Motorbooten wartet die Muktuk am Sonntag darauf, wieder ins Wasser zu kommen.

Am Montag in der Früh ist es dann soweit. Erst wird die Muktuk im Lift so hoch gehoben, dass wir ihren Schwenk-Kiel fast ganz herunter lassen können. Sie bleibt eine Weile so hängen, damit wir auch noch das letzte bisher unzugängliche Stück putzen und mit Antifouling streichen können.

Es ist jedes Mal wieder aufregend, wenn das Boot aus dem Wasser und wieder zurück gehoben wird, wenn die Schlaufen knarzen, sobald sie das gesamte Gewicht der 26 Tonnen tragen. Doch Herr Urata und seine Crew sind professionell und routiniert bei der Sache, alles klappt reibungslos und ohne Zwischenfälle.

An diesem Tag tuckern wir nur ein kurzes Stück weiter und werfen in der nächsten geschützten Bucht den Anker.

Quarantäne in Takakushi

01. – 20. November 2023

Drei volle Wochen liegen wir in Takakushi, sicher fest gemacht auf einer Seite des Schwimmstegs im Fischereihafen. Dieser Steg ist eigentlich für die Fischer gedacht, die schnell mal was ausladen wollen. Umso dankbarer sind wir, dass uns die Fischereigenossenschaft so lange hier bleiben lässt.

Wie überall auf der Welt ist ein Dorf ein Dorf und das bekommen wir in dieser Zeit auf sehr angenehme Weise zu spüren.

Gleich nachdem die beiden jungen Beamten vom Zoll weg sind, kommen zwei Männer vorbei: der stellvertretende Bürgermeister und der Vorsitzende des Nachbarschaftsvereins, wenn wir das richtig verstanden haben. Sie bringen uns eine prall gefüllte Tüte mit Obst und Gemüse und dazu zwei Portionen fertig gekochter Reis mit roten Bohnen und Kastanien.

Eine Woche später – wir sind immer noch in Quarantäne – schauen sie noch einmal bei uns vorbei und fragen, wie es uns geht und ob wir noch genügend zu Essen an Bord haben. Ich versichere ihnen, dass ich im Boot auch Brot backen könne und der Kühlschrank immer noch recht voll sei. Trotzdem kommt einer von ihnen am Nachmittag wieder und bringt uns Milch, Weißbrot, Mandarinen und Lutschbonbons.

Eine junge Frau kommt mit ihrer kleinen Tochter vorbei, sie ist gerade für eine Weile zu Besuch bei ihren Eltern und spricht fließend Englisch. Auch sie kommt später noch einmal und bringt uns ganz viele feine Bonbons, damit uns der Husten nicht mehr so plagen möge.

Als ich endlich nicht mehr positiv bin, kann ich einen ersten Spaziergang am Hafen entlang probieren. Ein Schild am Straßenrand bittet um Rücksicht auf die Älteren, die „silberne Generation“.

Ein anderes Schild am Hafen möchte die Kinder dazu anregen, keinen Müll zu hinterlassen aus Rücksicht auf die Fischer und das Meer.

Auf dem Rückweg winkt mir jemand zu – ich erkenne den stellvertretenden Bürgermeister, der uns so gut versorgt hatte. Er sitzt zusammen mit einem alten Ehepaar vor dessen Haus. Ich werde herzlich eingeladen, mit ihnen einen Grüntee zu trinken. So sitze ich eine Weile mit ihnen gemütlich in der Sonne und wir versuchen, mit meinem bisschen Japanisch und der Übersetzungs-App vom Mobiltelefon unsere jeweiligen Fragen zu beantworten. Und ich darf auch nicht heim gehen, ohne eine Tüte voll Mandarinen mitzunehmen, die es hier gerade in Hülle und Fülle gibt und die unglaublich gut schmecken, abgesehen davon, dass sie uns mit ganz viel Vitamin C versorgen.

Nach ein paar Tagen kann sich auch Andreas frei testen und wir nutzen das gute Wetter, um spazieren zu gehen, jeden Tag ein bisschen länger.

Das Dorf wirkt auf den ersten Blick sehr ruhig und verschlafen. Tagsüber sieht man fast nur ältere Leute, die in ihren Gärten arbeiten oder für kleinere Besorgungen mit einem Wägelchen unterwegs sind. Viele Häuser sind liebevoll gepflegt, daneben die Gemüsegärten mit Blumen, Rettichen und Kohl. Aber es gibt auch immer wieder Häuser, an denen sich das Grün bis zum Dach hochrankt und die zusehends verfallen. Überalterung und Stadtflucht machen sich auch hier bemerkbar.

Aber es passiert doch einiges: Eines Tages sehen wir ein Floß, das in der Nähe des Steges angebunden ist. Wenig später kommt ein LKW an, auf der offenen Tragefläche hat er eigenartige Bündel gestapelt. Es sind Schalen von Jakobsmuscheln, die aufgefädelt eine Art Zylinder bilden. Jeweils zwei solcher Zylinder sind zusammen gebunden. Der LKW wird entladen, teilweise werden die Muscheln auf andere, kleinere Fahrzeuge verladen, einige werden direkt an der Mole abgelegt. Nun sehen wir, wofür sie gebraucht werden: die Bündel werden am Floß mit Leinen angebunden, so dass sie in regelmäßigen Abständen im Wasser hängen. An ihnen sollen Austern wachsen, erklärt mir einer der Männer.

Gleich gegenüber an der Uferstraße befindet sich ein Laden mit Gebrauchtwaren, der sich über zwei Häuser erstreckt. Wenn man hinein geht, kann man sich leicht in dem Labyrinth aus Gängen und Räumen verirren, wäre da nicht der Inhaber, der mitkommt und den Weg weist. Zwischen den Kleidern, Büchern, Schirmen, Spielzeug, Geschirr und alten Elektrogeräten finden wir ein paar Sachen, die uns gefallen. Einen schönen alten Wasserkessel und kleine Keramikschalen.

Im oberen Stockwerk hat er ein paar Räume mit Antiquitäten eingerichtet, die Fotos über den schönen alten Möbeln sind Szenen aus japanischen Filmen der 1950er und 1960er Jahre.

Die Muktuk vom ersten Stock aus gesehen.

Auf einem unserer Spaziergänge entdecken wir ein Hinweisschild auf einen Wasserfall. Über eine Ader aus Basalt ergießt er sich in zwei Sturzbächen in ein Becken. Vor und neben dem Wasserfall sind viele unterschiedliche buddhistische Statuen aufgestellt. Die Legende erzählt davon, dass sich hier eine Prinzessin aus Kummer in die Tiefe gestürzt habe, weil ihr Mann in den Krieg gezogen war.

An einem anderen Tag begegnen wir einem Mann auf dem Fahrrad, der unterwegs zu seinen Feldern ist. Er steigt ab und fragt, ob wir die Leute von dem Boot im Hafen sind. Bevor er weiter fährt, greift er in seine Tasche und schenkt uns seine Mandarine, die er wohl zu seiner Jause mit dabei hatte. Später begegnen wir einer Frau, die uns fragt, ob wir nun wieder gesund sind. Ein paar Schritte weiter, am Hafen, sehen wir einen Fischer an den Salzwassertanks stehen, in denen Fische herum schwimmen. Wir unterhalten uns mit dem Mann, der sich sichtlich freut, sein Englisch an uns auszuprobieren. Und dann schenkt er uns einen Fisch, einfach so!

Wir gehen nun jeden zweiten Tag in den Onsen und genießen es, sauber geschrubbt in dem heißen Wasser zu liegen. Der Onsen ist sehr gut besucht und am Nachmittag treffe ich viele ältere Damen dort an, einige von ihnen jedes Mal wieder, sie scheinen den gleichen Rhythmus wie wir zu haben. Beim letzten Besuch verabschiede ich mich von einer der Damen – mit Händen und Füßen erkläre ich, dass wir am nächsten Tag weg fahren werden. Sie wünscht uns viel Glück und als wir gemeinsam raus gehen, läuft sie schnell zum Obststand im Onsen, kauft einen Beutel Mandarinen und drückt ihn uns in die Hand!

An unserem letzten Vormittag in Takakushi gehe ich noch einmal am Haus des Ehepaares vorbei, wo ich beim Grüntee saß. Da niemand da ist, lege ich eine Tüte mit den Nürnberger Lebkuchen als Dankeschön für ihre Einladung in den Korb vor ihrer Tür. Zwei Stunden später kommt die alte Dame zum Steg und bringt uns eine große Tasche mit Mandarinen und Kaki Früchten vorbei. Da möchte ich mich noch einmal revanchieren und packe ein Tütchen mit selbst gebackenen Keksen ein, das sie nur mit viel Überredungskunst meinerseits annehmen will.

Wir sind jedes Mal überwältigt von der Freundlichkeit und Fürsorge der Menschen hier, die sie auf diese ganz besondere Art und Weise zeigen!

99 Inseln bei Sasebo

27./28. Oktober 2023

Als wir Fuminori im Juni auf Hirado trafen, erzählte er uns von der Schönheit des Nationalparks an der Küste von Sasebo und wollte uns diese Gegend unbedingt zeigen. Er ist dort aufgewachsen, hat später in Nagoya studiert und gearbeitet. Jetzt als Rentner lebt er nun wieder viele Wochen im Jahr in Sasebo, auf seinem Segelboot „Seeadler“.

Nun haben wir im Herbst endlich einen Termin für unseren Besuch gefunden. Wir lassen die Muktuk im sicheren Hafen von Karatsu und steigen früh morgens in den Bus nach Sasebo, wo uns Fuminori vom Busbahnhof abholt. Er hat ein umfangreiches Besuchsprogramm für uns zusammen gestellt. Erster Punkt auf der Liste ist das Marinemuseum. Sasebo war früher ein kleines Fischereidorf, bis die Kaiserliche Japanische Marine hier ihren größten Stützpunkt einrichtete. Die Vereinigten Staaten bombardierten im Zweiten Weltkrieg auch Sasebo, ein großer Teil der Stadt wurde zerstört. Die Hafenanlagen aber blieben verschont, denn die USA plante, den Hafen nach dem Krieg zu nutzen. Heute liegen hier die riesigen Kriegsschiffe der US-Marine und daneben, etwas kleiner, die der Japanischen Maritimen Selbstverteidigungsstreitkräfte.

Zuerst schauen wir uns einen Film über die vielfältigen Aufgaben der japanischen Marine an, bevor wir durch die Ausstellung gehen, die die Geschichte der japanischen Streitkräfte zur See präsentiert. Zuletzt setzt sich Andreas ans Ruder und steuert ein Kriegsschiff sicher aus dem Hafen von Sasebo hinaus aufs Meer – in einer Computersimulation. Mission erfüllt!

Danach fahren wir zur Pearl Sea Marina, dem Heimathafen von Fuminoris Boot. Dort sitzen wir an Deck, genießen die Sonne und essen lecker gebratenes Fleisch und Gemüse.

Es ist zu windig, um heute raus zu fahren, meint unser Gastgeber. Also werden wir am Nachmittag die Inseln erst einmal von oben bewundern. Mit seinem Auto fahren wir zum ersten Aussichtspunkt Tenkaiho. Gleich neben dem Parkplatz, noch bevor man den Berg hoch läuft, ist ein riesiges Blumenfeld angelegt, Tausende Cosmea blühen hier in allen Schattierungen von Rosa und Lila.

Oben auf der Aussichtsplattform ist es windig, aber die Sonne scheint und die Aussicht ist atemberaubend. Wir blicken auf das Archipel Kujukushima, was wörtlich übersetzt „99 Inseln“ heißt, aber eigentlich sind es mehr als doppelt so viele. Kujukushima ist Teil des Saikai-Nationalparks.

Und in diese kleine Inselgruppe können wir morgen mit dem Segelboot rein fahren.

Weiter geht es zum nächsten Aussichtspunkt namens Ishidake, wo wir einen etwas anderen Blickwinkel auf die Inseln und die Bucht von Sasebo haben. Im Gegenlicht sieht das Meer aus, als ob es versilbert worden wäre.

Zuletzt fahren wir einen dritten Berg hoch, zum Yumihari-no-Oka Hotel, das einen schönen Spa-Bereich hat. Frauen und Männer getrennt, genießen hier in ihrem jeweiligen Bereich ein heißes Bad mit Panoramablick.

Wir treffen uns auf der Terrasse des Hotels wieder. Auf der einen Seite kann man ganz gut den militärischen Bereich des Hafens erkennen.

Auf der anderen Seite erstreckt sich der Insel-Nationalpark und in der Ferne ist sogar schemenhaft die große Insel Hirado zu sehen, wo wir in diesem Sommer ein paar Tage verbracht hatten.

Wir bleiben auf der Terrasse, bis die Sonne untergegangen ist und machen gefühlt tausend Fotos.

Abends gehen wir in ein Fischlokal. Die Spezialität hier ist Sashimi von der frischen Jak-Makrele, die gerade noch im Bassin an der Theke herum geschwommen ist. Da wir nur einen Bruchteil der Gerichte auf der Speisekarte kennen, bestellt Fuminori für uns alle und so lernen wir an diesem Abend einige neue Speisen kennen.

Am nächsten Morgen machen wir nach dem Frühstück das Boot klar zum Auslaufen.

Fuminori kennt hier jeden Stein und jeden Felsen im Wasser. Als Jugendlicher, so erzählt er, hat er oft mit einem Freund ein Fischerboot gemietet und ist zum Angeln raus gefahren.

Der Wind passt und wir können eine Runde segeln, bevor wir uns in die Inselwelt hinein wagen. Wir tuckern durch einen engen Pass und biegen drei Mal um die Ecke, dann sind wir am Ziel. Wir machen das Boot an zwei Bojen längsseits fest und den Motor aus.

Ein idyllisches Plätzchen, eine himmlische Ruhe, die nur einmal ganz kurz unterbrochen wird, als das große Ausflugsschiff auftaucht.

Fuminori mit der Flagge der japanischen Marine, die er am Vortag im Museumsladen gekauft hat.

Andreas hatte im Boot ein Go Spiel entdeckt und war begeistert, als Fuminori sagte, er würde selbst regelmäßig spielen. So verabreden sich die beiden auf eine Partie am späten Vormittag.

Go spielen an einem der schönsten Ankerplätze der Welt!

Wir sind dankbar, dass uns Fuminori diese wunderbare Ecke seiner Heimat gezeigt hat! Und es war schön, zur Abwechslung auf einem Boot zu Gast zu sein und keine Verantwortung tragen zu müssen.

 

Hakata Gion Festival Fukuoka

01. – 15. Juli 2023

Die Sommermonate in Japan sind dicht gepackt mit Festen und Umzügen. Auch Fukuoka hat ein solches Festival, das „Hakata Gion Yamasaka“.
Bei diesem Fest wird an den buddhistischen Mönch Seiichi Kokushi gedacht, der vor über 770 Jahren die Straßen der Stadt mit geweihtem Wasser reinigte, um damit die Ausbreitung einer Epidemie einzudämmen. Ironie der Geschichte – in den vergangenen drei Jahren konnte das Festival wegen der Pandemie nicht oder nur mit hohen Auflagen stattfinden. In diesem Jahr, 2023, darf es nun wieder ganz ohne Einschränkungen gefeiert werden, den Reinigungsritualen dieses Festes kommt nun eine neue Bedeutung zu.

Die einzelnen Stadtviertel von Fukuokas Innenstadt Hakata bauen jedes Jahr einen Festwagen (Kakiyama), der mit Figuren und allerlei Schmuck ausgestattet ist, so dass man die dicken Holzbalken fast gar nicht mehr sehen kann.
Solch ein Wagen hat allerdings keine Räder. Er muss, um bewegt zu werden, von mehreren Männern getragen werden. Und der Wagen ist schwer, rund zwei Tonnen wiegt er. Die Männer wechseln sich ständig ab, denn selbst die stärksten von ihnen schaffen es nur ungefähr 3-4 Minuten am Stück zu tragen. Allein dieses Wechseln während der Wagen in Bewegung bleibt, ist eine so komplizierte Angelegenheit, dass man dafür jahrelang trainieren muss.

Auf dem Wagen vorne und hinten sitzen jeweils 3 Männer, die mit roten Stäben eine Art Takt vorgeben und den Wechsel der Träger dirigieren. Andere Männer, die vor oder neben dem Wagen laufen, sind für die Richtung zuständig.
Es ist ein ständiges Gewusel um den Wagen herum, wenn dieser in Bewegung ist, kaum ist einer ein paar Schritte als Träger gelaufen, wird er schon abgelöst. Alles geht so schnell, dass es für mein ungeübtes Auge gar nicht erkennbar ist, was und wie da alles innerhalb von wenigen Sekunden stattfindet.

Jeder einzelne Festwagen wird von einer großen Schar von Kindern, Jugendlichen und Männern allen Alters begleitet. (Vereinzelt sieht man auch ein Mädchen mitlaufen, Frauen dagegen keine.) Manche von ihnen tragen Banner oder Holztafeln mit Inschriften. Und alle rufen, während sie laufen: „Oissa, oissa!“

Auch ganz kleine Kinder sind schon mit dabei, an der Hand des Vaters oder Opas rennen sie tapfer mit.

Die traditionelle Kleidung der Männer besteht aus einem Oberteil ganz in Weiß oder mit dunkelblauem Webmuster. Ansonsten sehen sie ziemlich nackt aus, sie tragen eine Bauchbinde und dazu einen kunstvoll gebundenen Lendenschurz, der aber den Po größtenteils frei lässt. An den Füßen tragen sie schwarze Zehensocken. Die unterschiedlich bunten gedrehten Kopfbänder zeigen, welche Funktion der jeweilige Träger hat und auf welcher Stufe er in der strengen Hierarchie steht. Viele Männer haben zudem eine Schlinge aus Hanf im Gürtel stecken. Diese Schlinge wird beim Tragen des Festwagens um den Holzbalken gewunden.

Anfang Juli werden diese Festwägen in den jeweiligen Stadtteilen in einem großen Zelt aufgestellt, wo Tag und Nacht Männer in der traditionellen Tracht Wache halten. Zwei Wochen lang finden nun fast täglich Umzüge statt, bei denen die einzelnen Gruppen weiterhin an der Technik des Tragens feilen. Auch werden verschiedene Zeremonien abgehalten, Reinigungsrituale sind in dieser Zeit sehr wichtig. Unter anderem versammeln sich die jeweiligen Gruppen am Strand, wo die Männer Sand einsammeln, den sie dann an verschiedenen Orten der Stadt verstreuen.

Höhepunkt des Festes ist der große Umzug am 15. Juli, der am Kushido Schrein beginnt. Um 3.00 Uhr nachts sind alle Gruppen mit ihrem Wagen dort versammelt. Pünktlich um 4.59 Uhr zieht der erste Wagen los, die anderen folgen im Abstand von 10 Minuten. Alle 8 Gruppen , so viele sind es in diesem Jahr, müssen eine Strecke von 5 km durchhalten!
Diesen letzten Umzug kann ich nicht anschauen, an dem Tag müssen wir für unsere Abreise packen. Aber drei Tage vorher, am Donnerstag nachmittags, findet ein Übungslauf statt. Rechtzeitig zum Beginn stehe ich an der Straße im Zentrum von Hakata und höre schon von Weitem die „oissa, oissa!“ Rufe.

Polizei und ehrenamtliche Ordner sorgen dafür, dass die Straße frei bleibt.

Hier haben sich die professionellen Fotografen an einem strategisch günstigen Platz aufgestellt, an einer Kreuzung, wo der Umzug um die Ecke weiter zieht. So können sie das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln aufnehmen.

Die Regenzeit ist fast vorbei, der Himmel ist trotzdem meistens grau verhangen. Es ist heiß und unglaublich schwül, dadurch ist die Hitze noch schwerer zu ertragen. Am Straßenrand stehen ältere Männer, auch sie in der traditionellen Tracht. Sie schöpfen mit Eimern Wasser aus bereit stehenden Tanks und schütten in regelmäßigen Abständen Wasser auf die Läufer. Eigentlich ist es ein Reinigungsritual in Erinnerung an den buddhistischen Mönch, aber die Läufer sind dankbar für jede Abkühlung.

Das ganze Festival ist geprägt von Teamwork, ohne die Zusammenarbeit der Bewohner der einzelnen Stadtteile ist es nicht möglich, zwei Wochen lang eine solch aufwendige Organisation zu stemmen.

Bei diesem Festival gibt es keinen Wettbewerb, welches Team den schönsten Wagenschmuck hat, oder wer die Strecken am schnellsten bewältigt. Es kommt viel mehr darauf an, dass so viele Menschen wie möglich mitmachen können und alle als gut eingespieltes Team miteinander arbeiten. Wichtig ist ihnen allen, diese kollektive Anstrengung den Göttern im Kushida Schrein darzubringen.

Am Ende des Umzugs wird der Wagen zurück ins Zelt gebracht. Hier folgt eine kurze Abschlusszeremonie mit einer Ansprache, dann klatschen alle gleichzeitig zwei Mal in die Hände und verbeugen sich.

Im Video kann man sehen, in welchem Tempo so ein Festwagen durch die Straßen getragen wird.

Fukuoka

01. – 16. Juli 2023

Wir haben unser vorläufiges Ziel erreicht und die Muktuk in der Marinoa Marina in Fukuoka festgemacht. Hier bleibt sie den Sommer über, während wir für eine Weile nach Deutschland zurück fliegen.
Nachdem wir so viel Zeit in Kleinstädten, Dörfern und auf Inseln verbracht haben, ist Fukuoka ein ziemlicher Kulturschock. Eine lebhafte Großstadt erwartet uns, mit riesigen Einkaufsmeilen, Museen, Konzerthallen, Hochhäusern und mit vielen jungen Menschen und erstaunlich vielen Kindern. Fukuoka ist eine der wenigen Großstädte Japans, die trotz der Überalterung des Landes immer noch wächst.

Abends ist in der Innenstadt viel los, selbst unter der Woche. Eine Besonderheit Fukuokas sind die vielen Straßenstände, an denen man eng beieinander sitzt und in fröhlicher Runde isst und trinkt.

Taiko – Trommeln

Es zieht uns aber noch einmal raus aus der Stadt. Zufällig hatten wir zwei Wochen zuvor ein Plakat gesehen, das eine Aufführung mit den Taiko-Trommeln ankündigte. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen.

Das Konzert findet am Samstagnachmittag in einem Kulturzentrum irgendwo auf dem Land zwischen Karatsu und Fukuoka statt, glücklicherweise auch mit dem Zug gut erreichbar. Es ist die jährliche Aufführung zweier lokaler Trommel-Schulen, wie wir aus dem Programmheft erfahren. Das Publikum besteht, so scheint uns, überwiegend aus Eltern, Großeltern und Freunden.

Zuerst treten die jüngsten Trommler auf, Mädchen und Jungen gemischt, alle im Grundschulalter zwischen sechs und zehn Jahren. Das jüngste Kindchen steht in der Mitte, mit einer blauen Latzhose bekleidet und trommelt genauso konzentriert wie alle anderen auf der Bühne. Ich schätze die Kleine auf nicht älter als fünf Jahre! Einmal fällt ihr ein Stock aus der Hand. Sie hebt ihn auf, schaut auf die anderen Kinder und reiht sich wieder in den Rhythmus ein. Ich bin begeistert und beeindruckt, mit welcher Präzision die Kinder ihre Stücke aufführen.

Auch die anderen Gruppen mit älteren Kindern bzw. Jugendlichen zeigen ihr Können. In gemischten Kombinationen, ältere und jüngere gemeinsam, führen sie die Stücke auf. Konzentrierte Gesichter und vielfach Erleichterung am Ende, dass alles gut geklappt hat.

Nach der Pause dürfen die Jüngeren ausruhen und sitzen mit uns im Saal. Die Kleinste schläft vor Erschöpfung ein.

Nun werden die Gruppen der jungen Erwachsenen von einem Flötenspieler begleitet, der zwischendurch auch eine der großen Trommeln bearbeitet. Er ist ganz offensichtlich ein Publikumsliebling, denn zwischen den Stücken, wenn auf der Bühne umgebaut wird, spricht er lange und die Zuhörer hängen begeistert an seinen Lippen. Nur verstehen wir leider gar nichts.

Als die Besucher aus dem Saal strömen, stehen alle Trommlerinnen und Trommler Spalier und freuen sich über die Glückwünsche des Publikums! Eine schöne Stimmung!

Hier sind Ausschnitte des Konzertes zu sehen. Am besten einen Kopfhörer an den Rechner, das Tablet oder Handy anstecken, so kommen die tiefen Töne der Trommeln richtig gut zur Geltung.

Ein geheimes Töpferdorf

Arita – Takeo Onsen – Imari. Diese drei Ortschaften bilden ein gefährliches Bermudadreieck für Fans von japanischem Porzellan und Keramik. Diese Gegend besitzt für sie eine ungeheure Anziehungskraft, der sich schwer entziehen können.
Natürlich besteht die berechtigte Befürchtung, sie könnten auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Das Gute daran aber ist: sie tauchen irgendwann doch wieder auf. Mit Rucksäcken und Koffern voll mit Keramik, erzählen sie beglückt und mit leuchtenden Augen von ihren Abenteuern.

Okawachiyama – 12. Juni 2023

Eine viertel Stunde nur mit dem Bus vom Bahnhof Imari entfernt befindet sich Okawachiyama – ein ehemals geheimes Töpferdorf.
Die Fürstenfamilie Nabeshima, Herrscherin über die damalige Provinz Saga, erhielt die Erlaubnis, hochwertiges Porzellan aus Arita in ganz Japan zu vertreiben, besonders aber für die Höfe des Kaisers und des Shoguns. Aus Angst vor Konkurrenten, die sich das wertvolle Wissen und Können der Porzellanherstellung aneignen könnten, kamen sie auf die Idee, die besten Porzellanmeister mitsamt ihren Familien an einen besonders unzugänglichen Ort umzusiedeln. So entstand das geheime Töpferdorf Okawachyama. Es ist auf drei Seiten von hohen Bergen umgeben, der Zugang ließ sich sehr einfach durch eine einzige Straße kontrollieren.
Was hier in den darauffolgenden Jahrhunderten produziert wurde, firmiert unter Sammlern als Nabeshima-Porzellan. Es musste den höchsten Ansprüchen genügen und war ausschließlich für die adeligen Haushalte gedacht.

Heute gibt es rund 30 Betriebe in Okawachiyama, die immer noch Porzellan herstellen, einige von ihnen halten die Tradition mit den alten Formen, Farben und Mustern aufrecht, andere wiederum wandeln diese vorsichtig ab oder gehen ganz in modernem Design auf.

Wir beginnen unseren Rundgang durchs Dorf auf einer Seitenstraße, wandern das Tal hoch, immer am Fluss entlang, das üppige Grün leuchtet an diesem sonnigen Vormittag ganz besonders schön. Sogar das Bachbett ist mit bunten Porzellanscheiben ausgelegt.

Wir kommen an einem historischen Brennofen vorbei…

… und bewundern die vielen kleinen Brücken mit den bemalten Kacheln.

Von einer Aussichtsplattform kann man auf die schroffen unüberwindlich hohen Felsen schauen, die das Dorf umgeben.

Und dann tauchen wir ein, gehen die Hauptstraße von einem bis zum anderen Ende ab.

Hier sind die meisten Ladengeschäfte zu finden. Manche bieten von allem etwas an …

… andere wieder nur die Produktion einer einzelnen Manufaktur.

Weiter geht es zu einer Werkstatt, die sich auf die Produktion von Seladon spezialisiert hat.

Hier in Okawachiyama bietet so ziemlich jeder Laden kleine Glocken aus Porzellan an. Sie klingen ganz zart, sobald ein Windstoß sie erfasst und es ist sogar ein eigenes Festival diesen Glöckchen gewidmet.

Eine andere Werkstatt beliefert auch heute noch jährlich den japanischen Kaiser mit Geschirr. Ihre Familie geht auf einen der ersten Porzellanmeister zurück, die hier angesiedelt wurden. Die alte Dame weist jeden Besucher und jede Besucherin sichtlich stolz auf die Fotos an den Wänden hin, eines davon zeigt die kaiserliche Familie bei einem Besuch in eben diesem Laden.

Dieses runde Regal gefällt uns ganz besonders gut. Vielleicht können wir es irgendwann mal nachbauen?

Wir sind schon die ganze Zeit auf der Suche nach einem Hochzeitsgeschenk für Freunde – und werden in diesem Laden fündig, in der Hoffnung, dass unsere Auswahl auch den Geschmack der beiden trifft.

Zuletzt wühlen wir noch in den Grabbelkisten eines Ladens und können uns auch hier kaum entscheiden, so Vieles davon gefällt uns.

Doch nun müssen wir langsam los, die Zeit drängt, der letzte Bus zurück nach Imari geht bereits um 16.15h. Wir bezahlen und der Verkäufer beeilt sich, unsere Auswahl transportsicher einzuwickeln. Schwer bepackt erreichen wir den Bus…

Imari Stadt  (08. – 16. Juni 2023)

Wie bereits in einem früheren Blogbeitrag erwähnt, wurde in Imari selbst kein Porzellan produziert. Imari war der Hafen, von wo aus das Porzellan aus der Gegend von Arita innerhalb Japans oder nach Europa verschifft wurde. (Arita-Porzellan oder Imari-Porzellan, damit ist das Gleiche gemeint.)
In Imari saßen die Händler bzw. Zwischenhändler, die vom 17.-19. Jahrhundert regen Handel mit Porzellan betrieben. Einige Zeugnisse, dieser Geschichte sind erhalten geblieben und für Einheimische wie Touristen aufgearbeitet worden.

Die Jahrhunderte überdauert hat das alte Warenhaus der Familie Inuzuka. Eigentlich sind es im ganzen drei Häuser, die nebeneinander stehen und im Inneren miteinander verbunden sind. Die Familie Inuzuka betrieb das wohl erfolgreichste Handelshaus. Ende der 1980er Jahre schenkte die letzte Inhaberin der Firma die Gebäude der Stadt Imari. Die Häuser wurden renoviert und in einen möglichst originalgetreuen Zustand zurück versetzt. Nun befindet sich in diesen Räumen ein Museum und ein Verkaufsladen für Porzellan und Keramik.

Solcherart verpackt wurden die wertvollen Porzellanstücke über Land und auf dem Seeweg transportiert.

Nein, diese großen Porzellanteller haben wir nicht gekauft! Wir haben bloß der Bitte des Ladeninhabers entsprochen, der alle Besucher vor dieser Wand fotografieren möchte.

Die Hauptstraße von Imari, hat ihren Glanz als Einkaufsmeile etwas eingebüßt. Viele Geschäfte sind geschlossen, sie haben schwere Metallrollos herunter gelassen, so dass gar nicht mehr erkennbar ist, was dahinter einmal angeboten wurde. Ob es an der generellen Überalterung Japans liegt oder an den Folgen der Pandemie?

Jene Läden aber, die geöffnet sind, entpuppen sich als wahre Schatzgruben. Nicht nur Keramik, auch schöne Tücher, Stoffe und kunstvolle Kalligraphien werden da angeboten.

Auf dem Überblicksplan, den wir im Touristenbüro mitgenommen haben, sind in der Altstadt drei Brücken über den Fluss Imari eingezeichnet.
Die Aioi Brücke soll die Beziehung der Ehepaare festigen, wenn sie diese Brücke überqueren. Aber nicht nur, auch Liebespaare können vom Segen dieser Brücke profitieren.

Während man die Emmei Brücke überquert, soll man um gute Gesundheit und langes Leben beten.

Und die Dritte wiederum, die Saiwai Brücke, kombiniert die Segnungen der beiden anderen: Paare, die über diese Brücke gehen, werden ein langes und glückliches Leben miteinander verbringen können.

Alter Volksglaube spielt hier sicher eine Rolle, gleichzeitig ist es auch ein recht erfolgreiches Marketing der Stadt. Wie dem auch sei, wir gehen gemessenen Schrittes über jede dieser Brücken und stellen uns vor, dass sich damit all unsere Wünsche erfüllen werden!

Hirado – Geschichte und Geschichten

01. – 07. Juni 2023

Hirado, die große Insel im Nordwesten von Kyushu, war durch ihre exponierte Lage über die Jahrhunderte hinweg die erste Anlaufstelle für Seefahrer aus fremden Ländern.
Der berühmte chinesische Mönch Kobo Daichi soll im 8. Jahrhundert über Hirado eingereist sein; Ende des 12. Jahrhunderts brachte ein chinesischer Zen Meister den Grüntee nach Japan, der auf dieser Insel erstmals (auf japanischem Boden) angebaut wurde. 1550 schließlich erreichte das erste portugiesische Schiff Japan und legte in Hirado an. Der lokale Fürst Matsura Takanobu hieß die Portugiesen willkommen und auch die ihnen folgenden Engländer und Niederländer und erlaubte ihnen, hier Handelsniederlassungen einzurichten. Dadurch erlebte die Insel einen rund 90 Jahre dauernden wirtschaftlichen Aufschwung, bis das Tokugawa Shogunat 1641 den Handel mit fremden Nationen auf Nagasaki beschränkte.
Was Hirado heute so spannend macht für Touristen, sind die vielen erhalten gebliebenen und wieder aufgebauten historischen Stätten, die kulinarische Vielfalt sowie die abwechslungsreiche Landschaft, mit gut ausgebauten Wanderwegen und schönen Stränden.

Oben, im Norden befindet sich die größte Ortschaft der Insel, Hirado Stadt. Hier, über der engsten Stelle, der „Straße von Hirado“, spannt sich eine große rote Brücke, die die Insel mit dem Festland verbindet.
Vor vier Jahren sind wir unter dieser Brücke durch und mit großem Bedauern an Hirado vorbei getuckert, unser Zeitplan war damals sehr eng gestrickt. Dieses Mal aber möchten wir ein paar Tage lang bleiben und so viel wie möglich von dieser Insel sehen.

Wir waren vorgewarnt, dass es mit dem Anlegen etwas schwierig werden könnte, denn der große Schwimmsteg im Hafen hat an der geschützten Innenseite dicke Fender. Die sollen für ausreichend Abstand sorgen und verhindern, dass bei Seegang und Schwell die Segelboote mit ihren Masten an das Dach des Steges donnern und beschädigt werden. Diese Fender sind so dick, dass es für mich unmöglich ist, in einem beherzten Anlauf an Land zu springen. Drauf treten geht auch nicht, weil sich diese Fender wie eine Rolle um ihre Längsachse drehen. Glücklicherweise ist jemand am Steg, um die Leinen anzunehmen. Und dann legen wir ein Brett von der Reling bis zum Steg, auf dem wir vorsichtig balancierend an Land kommen.

Die Haupt- und Einkaufsstraße von Hirado ist parallel zum Hafen angelegt. Hier sind in renovierten alten Häusern viele verschiedene Läden zu finden und immer mal wieder auch ein Café oder ein Restaurant. Ein Geschäft in einem alten Lagerhaus beispielsweise bietet Süßigkeiten zum Verkauf an, nach portugiesischen und japanischen Rezepten perfekt gearbeitet, und auch die Verpackungen sind kleine Kunstwerke.

Eine Schulklasse ist vormittags unterwegs, um Müll in den Straßen und am Hafen einzusammeln. Fröhlich winken sie uns zu!

Auch in Hirado gibt es ein öffentliches Fußbad.

Wir schlendern die Straße einmal rauf und runter und gehen dann auf Entdeckungstour durch die angrenzenden Seitenstraßen, die teilweise steil den Berg hoch führen.

Andreas neben der Statue von Richard Cocks, dem Leiter der englischen Handelsstation im 17. Jahrhundert.

Wir entdecken einen alten Tempel, dessen Zugang und Tore vom Grün überwuchert werden.

Das Schloss von Hirado bei Vollmond

Die ehemalige Residenz der Fürstenfamilie Matsura

Der 39. Fürst des Hauses Matsura vermachte 1955 das Anwesen der Familie sowie ihre Sammlung an Kulturschätzen der Stadt Hirado.

Das Hauptgebäude ist heute ein Museum, in dem einige der wertvollsten Objekte der rund 30.000 Stücke umfassenden Sammlung der Fürstenfamilie präsentiert werden: Schriftstücke, Zeichnungen von historischen Schlachten, Puppen und Spiele, wunderschöne Kimonos und andere Alltagsgegenstände, wie Möbel und Geschirr.

Am beeindruckendsten ist eine meterlange Papierrolle, die wie eine Art Landkarte einen Weg durch halb Japan zeichnerisch darstellt. In der Edo-Periode mussten die lokalen Fürsten, die Daimyo, mindestens einmal im Jahr die lange und beschwerliche Reise nach Edo (dem heutigen Tokio) auf sich nehmen, um dem Shogun ihre Aufwartungen zu machen. Auch musste ein Teil ihrer Familie dauerhaft in Edo leben, als eine Art Unterpfand ihrer Loyalität.

Das Teehaus der ehemaligen Matsura-Residenz wurde 1893, im selben Jahr wie das Haupthaus erbaut und strahlt, ebenso wie der Garten, eine wunderbare Ruhe aus.

Im Gegensatz zum Haupthaus besteht das Teehaus aus grob gehauenen Holzstämmen und ist mit einem Reetdach versehen.

In der Früh sehen wir eine junge Frau, wie sie um das Haus herum geht, die Steine fegt, Zweige und Blätter einsammelt. Sie ist es auch, die uns am Nachmittag einen Grüntee zubereitet und diesen mit der dazu gehörenden Süßigkeit serviert. Ihr Englisch ist hervorragend und da wir die einzigen Gäste sind, unterhalten wir uns länger mit ihr. Sie erzählt uns, dass sie erst seit einigen Monaten auf Hirado lebt. Vorher hatte sie eine gut bezahlte Stelle in Tokio, arbeitete im Marketing einer großen Firma. Aber die langen Arbeitszeiten und der Stress der Großstadt sind ihr nicht gut bekommen, so dass sie ihr Leben komplett umgekrempelt hat. In dieser wunderbaren beschaulichen Umgebung geht es ihr inzwischen sehr viel besser.

Die Niederländische Handelsgesellschaft

Im Jahr 1600 erreichte erstmals ein niederländisches Schiff Japan. Der Navigator, William Adams, ein Engländer, errang ziemlich schnell das Vertrauen des Shoguns Tokugawa Ieyasu. Er erhielt den japanischen Namen Miura Anjin, und war bis zu seinem Tod einer der persönlichen Berater des Shoguns und der erste Ausländer, der in den Stand eines Samurai erhoben wurde. (Die Geschichte von Adam Williams diente auch als Vorlage für den Roman Shogun von James Clavell.)
Williams war es auch, der gemeinsam mit dem Fürsten Matsura beim Shogun Tokugawa für die Niederländer um eine Erlaubnis bat, auf Hirado eine Handelsstation einzurichten.

1609 kamen die ersten Händler der Niederländischen Ostindien-Kompanie nach Hirado. Sie bauten im Laufe der Jahrzehnte etliche Lager- und Wohnhäuser und zogen eine Mauer auf, um die Handelsstation auf der einen Seite gegen die See und auf der anderen Seite gegen Diebe und allzu neugierige Blicke zu schützen. Als sich Japan vom Rest der Welt abschottete, musste die Handelsstation im Jahr 1641 nach Nagasaki umziehen, auf die dort künstlich aufgeschüttete Insel Dejima. Alle Ausländer durften sich fortan in Japan nicht mehr frei bewegen und blieben die meiste Zeit in Dejima.
Alle Lager und auch das erst 1639 fertig gestellte Handelshaus sind auf Befehl des Shoguns zerstört worden. Erst rund 350 Jahre später wurde das Haupthaus nach alten Plänen und Zeichnungen auf den alten Grundmauern neu aufgebaut und 2011 als Museum eröffnet.

Das Schloss von Hirado

Zwei Tage später legt am späten Vormittag auf der anderen Seite des großen Schwimmsteges ein japanisches Segelboot an. Wir begrüßen die beiden Segler und kommen miteinander ins Gespräch, sie sprechen beide sehr gut Englisch. Fuminori, der Skipper und Eigner des Segelbootes, ist mit seinem Freund Ito bereits seit drei Wochen an der Westküste von Kyushu unterwegs. Die beiden leben in Nagoya, aber Fuminori stammt aus Sasebo, wo auch der Heimathafen seines Segelbootes namens Seeadler ist. Er kennt diese Gegend in- und auswendig und lädt uns sofort zu einer gemeinsamen Stadtführung ein. Nachdem die beiden sich etwas ausgeruht haben, ziehen wir los, zum Schloss von Hirado.

Im Jahre 1587 schenkte der regierende Shogun Hideyoshi dem Fürsten Matsura in Hirado viel Grund und Boden, als Dank für dessen Verdienste bei einem der vielen Feldzüge in Korea. Nach seiner Rückkehr baute der Fürst Matsura auf diesem Hügel ein Schloss, das aber 1613 von einem Feuer komplett zerstört wurde. Erst gut 100 Jahre später konnte das Schloss wieder aufgebaut werden. Die starken Grundmauern, die an die Topographie des Hügels angepasst wurden, sollten das Schloss vor Angriffen schützen und durch seine strategisch günstige Lage konnte die Meeresenge zwischen Hirado und dem Festland gut im Blick behalten werden.

Zurzeit beherbergt es, wie die meisten Schlösser Japans, ein kleines Museum. Vom oberen Stockwerk aus müssen wir nicht nach eventuell unwillkommenen Eindringlingen Ausschau halten, wir können einfach nur den atemberaubenden Rundblick genießen: auf den gut gesicherten Hafen und die eng bebaute Stadt Hirado sowie auf die vorgelagerten Inseln und die schöne rote Brücke, die heute die Insel mit dem Festland verbindet.

Fuminori ist seit einigen Jahren in Rente und hat nun Zeit, sich neben der Musik, seinem zweiten Hobby, der Geschichte, zu widmen. Die Stadtbibliothek verfügt über einen umfangreichen Bestand an Büchern und Archivalien zur Lokalgeschichte, hier hat er mehrere Wochen verbracht, um die Geschichte von Hirado zu studieren.

Auf dem Rückweg in die Stadt führt er uns in die Bibliothek und erzählt uns einiges über die besonderen Beziehungen des örtlichen Fürsten zu den Portugiesen und Niederländern. Ich frage ihn, warum sich so viele Japaner einer solch strengen Religion wie dem Christentum anschließen wollten, wo doch der Buddhismus und Shintoismus ihnen eigentlich mehr Freiheiten gewähren. Das habe vielerlei Gründe, sagt Fuminori und setzt zu einer längeren Erklärung an. Der erste Jesuitenpater, Francisco de Xavier war eine äußerst beeindruckende und charismatische Persönlichkeit, aber auch die anderen Priester, die ihm in den Jahrzehnten darauf folgten, waren interessante Gesprächspartner für die Fürsten, denn sie brachten Kenntnisse in den Bereichen der Medizin, Naturwissenschaften, Musik und Kunst mit. Ein blinder Mann namens Lorence Ryohsai, aufgewachsen in einem kleinen Fischerdorf von Hirado übersetzte zwischen den Fürsten und den Missionaren und half so, deren Gedankengut zu verbreiten, meint Fuminori.

Die Jesuiten hatten neben der Missionierung auch einen handelspolitischen Auftrag, Portugal und Spanien wollten neue Märkte erschließen. Die japanischen Regionalfürsten wiederum wollten unbedingt Feuerwaffen, die ihnen im Kampf um die Vorherrschaft im Lande einen bedeutenden Vorteil verschafften. In der Folgezeit wandten sich einige Fürsten dem christlichen Glauben zu, und befahlen sogar die Zerstörung von buddhistischen und schintoistischen Tempeln auf ihrem Gebiet.

Wer mehr über die Anfänge der Missionierung in Japan wissen möchte, kann einen ausführlichen Beitrag im englischen Wikipedia lesen.

Die Stadtbibliothek ist ein moderner heller Bau, mit einer hohen Kuppel, die getragen wird von vielen kunstvollen Holzverstrebungen, die sich auf Betonpfeiler stützen. Die hohe Decke und das Licht geben dem großen Raum eine luftige freie Atmosphäre.

Die Leseplätze haben den schönsten Ausblick, den ich bisher in einer Bibliothek gesehen habe!

Wir drehen noch eine Runde durch den Ort, schauen uns einen alten Friedhof an, einen Tempel und die katholische Kirche, die dem Pater Francisco de Xavier geweiht ist. Sie wurde allerdings erst nach der Öffnung Japans gebaut, als der Bann des Christentums längst wieder aufgehoben war.

Eigentlich wollte uns Fuminori in sein Lieblingslokal einladen, aber es ist an diesem Samstagabend ausgebucht. So beschließen wir diesen Tag bei einer selbst gebackenen Lasagne und viel Sake bei uns an Bord der Muktuk.
Am nächsten Tag müssen die beiden leider schon weiter. Wir verabreden mit Fuminori, ihn später einmal in Sasebo zu besuchen, wo er uns den berühmten Nationalpark der 99 Inseln zeigen möchte.

Reisterrassen und Untergrundchristen

Wir wollen auch ein bisschen was von der Umgebung sehen und fahren mit dem Bus in den weniger besiedelten Nordwesten der Insel. Wir wandern durch zwei Täler mit Reisterrassen, dazwischen vereinzelte Häuser. Alle zusammen bilden sie das Dorf Kasuga.
In diesen beiden Tälern erstrecken sich die Reisfelder von dem schmalen Uferstreifen bis in die Berge hoch. Um diese Jahreszeit, im Frühsommer, sind sie grün und größtenteils noch mit Wasser geflutet. Unser Wanderweg führt uns an den Feldern entlang, an einer alten Pferdetränke und einem Stall mit Rindern vorbei – das Wagyu-Rind von Hirado soll besonders gut sein – und zu einem kleinen Hügel hoch.

Dieser Hügel und der kleine Stein mit Dach darauf haben eine ganz besondere Bedeutung für die Christen, die zweieinhalb Jahrhunderte hindurch ihren Glauben im Verborgenen ausüben mussten.

Nach dem großen Shimabara-Aufstand von 1637 erreichte die bereits Jahre zuvor begonnene Christenverfolgung ihren Höhepunkt. Die Rebellion war eigentlich ein Bauernaufstand gegen die erdrückenden Steuern der Fürsten, wurde nach dessen Niederschlagung aber zum Vorwand genommen, viele der überwiegend zum Christentum übergetretenen Bauern aus der Region zu töten und von nun an jegliche Ausübung des Glaubens zu verbieten. Damit einher ging auch die bereits mehrfach erwähnte Abschottung des Landes. Erst nachdem Japan im 19. Jahrhundert die Grenzen für Ausländer öffnete und auch Vertreter der Katholischen Kirche wieder ins Land ließ, stellte man fest, dass in vielen entlegenen Dörfern und Inseln von Kyushu das Christentum im Untergrund ausgeübt und von Generation zu Generation weitergegeben worden war. Die kleinen Gemeinden hatten keine eigenen Priester und bei der Ausübung ihres Glaubens verwendeten sie vordergründig Statuen, Symbole und Riten des Buddhismus und Shintoismus. Viele dieser Gemeinden der „Kakure Kirsihitan“, der Untergrundchristen, hatten sich in den vergangenen Jahrhunderten bereits so weit von der Katholischen Kirche entfremdet, dass sie nach der Aufhebung des Bannes weiterhin unabhängig blieben.

2018 wurde bei der UNESCO dem Antrag Japans stattgegeben, die vielen Stätten der Untergrundchristen in der weiteren Umgebung von Nagasaki zum kulturellen Weltkulturerbe zu erklären. Dazu gehört auch das Dorf Kasuga mit den für die Untergrundchristen heiligen Plätzen. Auch eine unbewohnte kleine Felseninsel vor der Küste Hirados gehört dazu. Hier holten sich die Untergrundchristen das geweihte Wasser, das sie für ihre Reinigungsrituale verwendeten.

Am Ende unserer Wanderung erreichen wir das Gemeindezentrum von Kasuga. In einem Teil des Gebäudes befindet sich ein Café, im anderen ist eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Untergrundchristen eingerichtet. Einige wenige Begriffe aus dem Lateinischen wie „penitentia“ und „oratio“ haben die Zeit überdauert und einzelne Gerätschaften sind immer noch im Gebrauch: diese Peitsche, die den Jesuiten ursprünglich zur Geißelung diente, wurde von den Untergrundchristen für Reinigungsrituale verwendet, mit der Peitsche wurde das heilige Wasser in den Räumen verteilt.

Diese 16 Gebetstäfelchen, gehörten einer der beiden christlichen Gruppen von Kasuga und wurden, in einem Leinensack verborgen, regelmäßig in der kleinen Gemeinde herum gereicht.

Das Gemeindezentrum wird von einer Gruppe älterer Frauen und Männer betrieben, die den Besuchern bereitwillig von ihrer Geschichte und der ihrer Vorfahren erzählen. Leider steht die Sprachbarriere zwischen uns, sonst würden wir das Angebot sehr gerne annehmen und mit ihnen sprechen. So beschränken wir uns darauf, die Informationstafeln zu den Ausstellungsstücken durchzulesen und anschließend einen Grüntee in dem Raum zu trinken, der mit Tatami-Matten ausgelegt ist.

Nach einer Woche auf Hirado ziehen wir weiter und werfen bei der Ausfahrt einen letzten Blick auf das Schloss und die ehemaligen Niederländischen Handelsstation. Hirado wurde als „Westliche Hauptstadt Japans“ bezeichnet, wehrhaft und weltoffen zugleich. Diese beiden Gebäude stehen sinnbildlich dafür.

Omura Bucht

  1. Mai – 01. Juni 2023

Wir tuckern vorsichtig in Schlangenlinien zwischen kleinen Inselchen hindurch, vor uns liegt die engste Stelle der Einfahrt in die Omura Bucht. Darüber spannen sich gleich zwei Brücken, darunter ist das Wasser immer noch voller Wirbel, die jetzt bei Stillwasser zwischen Ebbe und Flut allerdings nicht ganz so stark ausfallen.

Dann hören wir aus der Ferne ein lautes Tuten. Ein Transportschiff kündigt sich an, das auch diese Passage nimmt. Wenig später sehen wir es auch, es ist groß und schnell, gleich wird es uns überholen – so wie es aussieht genau an der engsten Stelle vor den Brücken. Ich werde auf einmal ziemlich nervös, ob das mal alles gut geht. Mein Skipper bleibt ganz ruhig, da passen wir schon beide durch, meint er, keine Sorge. Was auch tatsächlich stimmt. Denn wenn das große Schiff das Kunststück gemeistert hat, den gewundenen Weg durch die Inseln zu finden, dann kann es sich auch mit uns durch die Brücke hindurch fädeln. Im Nu fährt es an uns vorbei und verschwindet in der Ferne!

Geschafft! Wir sind in der Omura Bucht! Eine Ruhe breitet sich aus, die Sonne scheint, das Wasser ist spiegelglatt, wir tuckern an kleinen Motorbooten vorbei, die Wochenendanglern darin winken uns fröhlich zu. In der Ferne erheben sich bewaldete Berge. Fast könnte man meinen, das hier wäre der Bodensee.

Als wir vor genau einem Monat während der „golden week“ mit dem Zug von Nagasaki zum Töpfermarkt nach Arita fuhren, ging die Strecke eine ganze Weile lang an einem Ufer entlang. War es ein Binnensee, eine Bucht? Ein Blick auf die Karte zeigte uns, dass es sich um die Omura Bucht handelte, die man wegen ihres schmalen Zugangs leicht für ein Binnenmeer halten könnte. Die Gegend sah so malerisch und hübsch aus, dass wir überlegten, später mit der Muktuk hierher zu kommen.

Wir fahren ein ganzes Stück in die Bucht hinein, bis zu einer kleinen Halbinsel, wo wir den Anker werfen. Hier wollen wir ein paar Tage lang bleiben. Gleich gegenüber an Land befindet sich ein großes Hotel und daneben ein etwas kleineres Gebäude mit einem Onsen, zu dem die Leute aus allen Himmelsrichtungen anreisen und den auch wir ein paar Mal aufsuchen wollen. Perfekt!

Blick vom Onsen auf die Muktuk.

Arita

Hier im nördlichen Teil der Omura Bucht sind wir ganz in der Nähe von Arita. Eine gute halbe Stunde Zugfahrt trennt uns nur von der berühmten Porzellanstadt.

Arita wirkt ganz ruhig und verschlafen ohne den Trubel des Töpfermarktes. Zuerst gehen wir zu einem kleinen Einkaufszentrum am Rande der Stadt „Arita Sera“ genannt.

In einem großen Hufeisen sind die Geschäfte angeordnet, alle bieten sie Porzellan und Keramik zum Verkauf an: Antikes und Neues, Traditionelles und Modernes. Viele schöne Stücke sind dabei, und viele davon leider auch unerschwinglich für uns.

In Zusammenarbeit mit einer örtlichen Porzellanmanufaktur haben Künstler und Designer aus aller Welt Geschirr entworfen. Der deutsche Designer Stefan Diez ist darunter, die schlichten weißen Formen der Schalen gefallen uns sehr, seine Ehefrau Stefanie Diez, eine Schmuckkünstlerin, hat Armbänder aus Porzellan gestaltet. Der japanische Künstler  Shigeki Fujishiro hat sich farbenfrohe und leicht windschiefe Kaffeekannen und Tassen ausgedacht.

Auf dem Weg zurück in die Stadt schauen wir bei einer Verkaufsstelle der besonderen Art vorbei: hier gibt es Ausschussware in rauen Mengen. In zwei großen Lagerhallen sind Holzkisten gestapelt, in denen sich tausende von Schalen, Tellern und Tassen befinden. Man kann einen der bereit stehenden Plastikkörbe füllen und zahlt dafür einen fixen Preis. Wir schauen uns um, heben ein paar Kisten hoch, suchen und finden aber nichts, was uns wirklich gefällt.

Viel spannender ist die Begegnung mit einer jungen österreichischen Künstlerin, die als „artist in residence“ drei Monate lang in dieser Manufaktur gearbeitet hat. Sie hat in dieser Zeit eine Teekanne entworfen und gelernt, was man alles beachten muss, um die richtige Form zu finden, wie man den Henkel und den Ausguss gestaltet, so dass sie stabil sind und nicht gleich abfallen. Das Schwierigste scheint mir, zu berechnen, wie sehr das Material beim Brennen schrumpft und wie sich die Form dann verändert. In Arita hat sich inzwischen eine fast schon industriell anmutende Arbeitsteilung etabliert, erfahren wir. Einzelne Betriebe haben sich auf die Produktion von Formen spezialisiert, anderen aufs Brennen und Glasieren und andere wieder beschäftigen Leute, die die kunstvollen Motive aufbringen.

Nach einer kurzen Mittagspause steht das Kyushu Keramikmuseum auf dem Programm. Alle Informationen und Beschriftungen sind zweisprachig in Japanisch und Englisch und unter anderem in übersichtlichen Schautafeln präsentiert. Gleich im ersten Saal laufen in einer Dauerschleife Animationen, die den Entstehungsprozess der Glasur und der traditionellen Muster zeigen – als Projektionen auf der Wand und auf einer überdimensionierten Schale.

Diese Animationen haben eine verblüffende Wirkung, sie lenken unseren Blick auf viele Details und schärfen ihn. Nun sehen wir die in den nächsten Sälen ausgestellten Porzellanwaren viel genauer an, erkennen Unterschiede und Feinheiten viel besser.

Das Kyushu Keramikmuseum, 1980 gegründet, beherbergt eine beeindruckende Sammlung an Alltagsgegenständen aus Keramik und Porzellan, beginnend mit der Produktion der koreanischen Porzellanmeister, die als Kriegsbeute gegen Ende des 16. Jahrhundert nach Japan gebracht wurden. Einige dieser koreanischen Kunsthandwerker wurden in Arita angesiedelt. Nur wenige Jahre später, 1616, entdeckten diese Meister in den Bergen im Osten der Stadt Steine, die reich an Kaolin und anderen Mineralien waren, die für die Herstellung von hochwertigem Porzellan benötigt werden. Nun war die Produktion von Porzellan für die nächsten Jahrhunderte gesichert, die Herstellungsprozesse wurden verbessert und verfeinert und Arita entwickelte sich zum bedeutendsten Ort für Porzellan in ganz Japan.


Miniaturmodell eines Hang-Ofens mit aneinander gereihten Brennkammern

Mitte des 17. Jahrhunderts konnte und durfte wegen politischer Unruhen kein Porzellan aus China exportiert werden. Um den europäischen Markt weiter mit dem begehrten Porzellan zu versorgen, wurde in Arita die Produktion hochgefahren. Jetzt mussten sich die Porzellanmeister auch mit ihnen bisher unbekannten Formen beschäftigen, wie Kaffeekannen und Weinkaraffen, Salzstreuern und Senftöpfchen. Auch wurden andere Muster verwendet, nicht nur die auf Kobalt basierenden blauen Töne waren gefragt, auch die an die chinesischen Muster angelehnten vielfarbigen Motive wurden nun auf die Porzellanwaren gemalt – und in Europa dann oft noch mit Goldverzierungen ergänzt.

Vom nächstgelegenen Hafen in Imari wurden die Porzellanwaren nach Nagasaki gebracht und dort auf die hochseetauglichen Schiffe der Niederländischen Ostindien-Kompanie umgeladen. So wurde Porzellan aus Arita nach und nach weltberühmt und blieb es auch, als China wieder Porzellan exportierte.

Den Grundstock für das Museum bilden zwei Schenkung von Privatsammlungen: Kanbara Hakaru (1896-1987) sammelte Arita Porzellan aus allen Teilen Europas, also Stücke, die überwiegend für den Export hergestellt wurden; während sich die Sammlung des Ehepaars Akihiko und Yuko Shibata auf Arita Porzellan aus der Edo Periode (1603-1868) konzentrierte, das in Japan genutzt wurde.

Es gibt immer noch Manufakturen in der Stadt, die die traditionellen Formen und Muster fortführen, andere wiederum produzieren Essgeschirr für ein jüngeres Publikum, der Markt hat sich verändert. Nun wird zum Beispiel für Sternelokale in Tokio oder Kyoto sogenanntes „fine dining“ Geschirr in modernem Design hergestellt, wie in dieser Fernsehdokumentation zu sehen ist.

Ein anderer Saal zeigt großformatige Vasen von zeitgenössischen Künstlern und Designern, alles Unikate.

Unser absolutes Lieblingsstück entdecken wir in der Vitrine, wo einige Neuerwerbungen des Museums ausgestellt sind. Es ist ein nicht näher datierter Teller aus dem 18. Jahrhundert aus der Gegend von Hizen.

Auch die Gebrauchskeramik in den Toiletten ist in den typischen Arita-Mustern gestaltet, ebenso wie die Lichtschalter.

Und im Hof des Keramikmuseums steht ein großer Porzellanvogel auf einem Springbrunnen. Es ist ein Geschenk der Partnerstadt Meißen von 1987 und die Nachbildung einer Figur, die von einem der berühmtesten Meißner Künstler, Johann Joachim Kändler (1706-1775), entworfen wurde.

Zuletzt finden wir noch das berühmte „Arita Café“. Als Blickfang steht vor dem Gebäude ein Mini, der mit den unverwechselbaren Mustern des Arita Porzellans bemalt ist.

Im Café sind auf durchsichtigen Regalen hunderte von Kaffeetassen ausgestellt. Keine davon soll doppelt vorhanden sein. Die Besucherinnen und Besucher dürfen sich davon eine aussuchen und daraus ihren Kaffee trinken!

Auch hier gibt es einen Ausstellungsraum, darin eine dieser riesigen Vasen, die mich deutlich an Größe übertrifft.

Takeo Onsen

Die darauffolgenden Tage sind grau und regnerisch. Wir bleiben daheim im gemütlichen Boot und gehen höchsten mal raus zu einem Besuch im wärmenden Onsen.
Aber mit der Sonne kommt auch unsere Unternehmungslust wieder zurück: Unser Ankerplatz in der Omura Bucht liegt so günstig, dass von hier aus auch Takeo Onsen in einem Tagesausflug leicht erreichbar ist. Wie der Beiname „Onsen“ schon sagt, gibt es in diesem Ort etliche heiße Quellen und dazu schöne Parks, in denen die Touristen vor und nach dem Besuch in einem der heißen Bäder spazieren gehen können. Das alles interessiert uns dieses Mal nicht so sehr, wir wollen statt Porzellan zur Abwechslung mal wieder Keramik sehen.
Wir hatten ein Prospekt mit einer umfangreichen Liste von Keramikern aus dieser Gegend gefunden. Einige von ihnen würden wir sehr gerne in ihren Ateliers besuchen. Diese Töpfereien befinden sich allerdings alle auf dem Land außerhalb der Stadt. Am Bahnhof leihen wir uns Fahrräder aus und fahren los in die Pampa. Wir sind froh, dass wir E-Bikes bekommen haben, damit kommen wir viel schneller und bequemer durch die hügelige Landschaft.
Um zur ersten Adresse zu gelangen, biegen wir von der dicht befahrenen Hauptstraße ab und befinden uns auf einmal mitten in grünen Reisterrassen.

Google Maps leitet uns durch ein kleines verschlafenes Dorf und weiter in den Wald. Dort steht ein kleines verwunschenes Häuschen, mit ein paar Hortensien davor, im intensivsten Blau. Nur leider ist niemand da, der auf unser Klingeln und Klopfen reagiert. Wir sind ja auch nicht angemeldet! Unser Japanisch ist noch viel zu schlecht, um damit telefonieren zu können und Email-Adressen hatten wir keine gefunden.

Weiter geht’s, zurück zur Hauptstraße, in den nächsten Ort. Auch bei dieser Adresse stehen wir vor verschlossenen Türen und können nur durchs Schaufenster eine wunderschöne Sammlung von Vasen in allen Größen und Formen bewundern. Als wir die kleine Straße den Hügel wieder hinauf fahren, entdecken wir zur Linken ein Hinweisschild auf eine andere Töpferei. Wir stellen die Räder ab und gehen in den Hof, wo uns eine Frau freudig überrascht begrüßt. Unerwartete Besucher! Sie führt uns in den Schauraum der Töpferei, die sie gemeinsam mit ihrem Mann betreibt, und zeigt uns auch den angrenzenden Lagerraum, bevor sie kurz verschwindet, um für uns einen Grüntee zuzubereiten. Im Lagerraum sind ringsum tiefe Regale aufgestellt, ein weiteres in der Mitte. Hier verlieren wir uns im Schauen, so viele verschiedene Schalen und Vasen stehen hier und nicht wenige, die uns sehr gut gefallen und dazu noch erschwinglich sind!

Auch wenn wir inzwischen wissen, dass wir die doppelte der üblichen Gepäckmenge für den nächsten Heimflug zur Verfügung haben, nämlich insgesamt rund 100 kg, so können wir doch nicht unbegrenzt einkaufen. Wir beraten lange hin und her, welche der vielen schönen Vasen wir mitnehmen wollen. Die größte lassen wir dann doch da, wer weiß, ob sie den Flug unbeschadet überstehen würde.

Die nächste Töpferei befindet sich noch weiter weg von Takeo Onsen, der Weg dorthin führt uns wieder an Reisfeldern vorbei, durch kleine Wäldchen hindurch, das letzte Stück fahren wir auf einem unbefestigten Schotterweg. Zwar ist der Keramiker selbst nicht da, er bereitet gerade eine Ausstellung in Kyoto vor. Aber das ältere Ehepaar, das in der Nähe Unkraut jätet, unterbricht seine Arbeit. Es sind seine Eltern. Sie schließen die Galerie auf und zeigen uns mit sichtlichem Stolz die beiden Räume, in denen wunderschöne edle Einzelstücke ausgestellt sind!

In einer anderen Töpferei dürfen wir zuschauen, und mit der Zustimmung des Meisters filmen, wie er an der Drehscheibe einen Becher nach dem anderen formt. Überall in der Werkstatt sind die fertigen Stücke zum Trocknen aufgestellt.

Kurz vor 17.00 Uhr bringen wir die Fahrräder rechtzeitig zurück. Die junge Frau, die sie wieder in Empfang nimmt, ist sichtlich beeindruckt über den niedrigen Stand der Akkus. So weite Strecken fahren wohl die wenigsten. Wir jedenfalls sind nach diesem Tag begeistert davon, wie viel angenehmer man mit einem E-Bike unterwegs ist. Eine so lange Strecke mit so vielen Steigungen hätten wir niemals an einem Tag geschafft.

Wie in so vielen Bahnhöfen, die wir bisher in Japan gesehen haben, ist praktischer Weise alles an einem Ort versammelt: das Büro der Touristeninformation, wo man auch die Fahrräder ausleihen kann, ein Imbiss für ein schnelles Mittagessen, ein Obst- und Gemüsestand und sehr häufig auch ein Verkaufs- und Ausstellungsraum mit einer Auswahl an örtlichem Kunsthandwerk: in Takeo Onsen eben Keramiken von den Töpfereien aus der Umgebung. Wir können der Versuchung nicht widerstehen, auch hier noch einmal zwei, drei Stücke zu kaufen. Sie sind einfach zu schön!

Nebenan befindet sich ein heller Aufenthaltsraum, in dem Schulkinder auf den Zug warten. Sogar hier ist Keramik ausgestellt!

Tomodachi – Freunde in Kuchinotsu

Mai 2023

Ein weiterer Grund, weshalb wir ein paar Tage länger in Kuchinotsu verbringen wollten, waren die vielen herzlichen Menschen, die wir beim ersten Mal kennen gelernt hatten und die wir noch einmal treffen wollten.

Zur Erinnerung: Etwa drei Wochen zuvor hatten wir Kosei getroffen, der mit seinem Segelboot unterwegs nach Okinawa war. Er empfahl uns, unbedingt einige Tage in Kuchinotsu zu verbringen, und bat seinen Bruder Eiji sowie seinen Segelfreund Yamamoto, sich um uns zu kümmern. Yamamoto wiederum brachte seinen Sohn, Yamamoto Jr., zur Begrüßung mit. Wir saßen dann bei Kaffee und Keksen im Boot und lernten uns erst einmal kennen.

Yamamoto Sen. ist Kartoffelbauer und Segler. Als wir ihm erzählten, dass die Kartoffeln in Deutschland ein Grundnahrungsmittel seien, so wie der Reis in Japan, und dass wir ganz begeistert wären, wie gut die Kartoffeln auf den Inseln Okinawa und Okinoerabu schmeckten, nickte er zustimmend und erfreut: „So, so!“. Um die 20 Tonnen habe die letzte Ernte auf seinen Feldern betragen. Tags darauf bekamen wir eine große Kiste mit Kartoffeln geschenkt – so viele, dass wir damit sicherlich bis in den Sommer auskommen werden!

Yamamoto Jr. erzählte, dass seine Familie seit acht Generationen in dieser Region leben würde und seine Vorfahren ursprünglich von der Seto Inland See hierher kamen. Durch Kriege, Aufstände und die Christenverfolgung waren gegen Ende des 17. Jahrhunderts viele Menschen umgekommen und ganze Landstriche von Kyushu entvölkert, so dass die Fürsten um Bauern aus anderen Teilen Japans warben.

Eiji, der Bruder von Kosei, war früher bei der Stadtverwaltung von Shimabara für das Schlossmuseum zuständig, als Rentner arbeitet er nun freiberuflich für die regionale Zeitung und ist .u.a. Mitglied der Vulkanologischen Vereinigung. Ein naheliegendes Interesse, denn der Vulkan hier in der Nähe spuckt regelmäßig alle paar Jahrzehnte Rauch und Lava.


Eiji-san und Yamamoto-san

Am Sonntagvormittag, am Tag nach dem Fischfang-Festival, kam Eiji eigens noch einmal von Shimabara nach Kuchinotsu, denn Yamamoto Sen. hatte uns alle in ein Café eingeladen, wo wir auch eine gute Freundin von ihm trafen: Shu-san. So saßen wir in dem gemütlich eingerichteten „Café Bremen“, das mit vielen Bilder der vier Bremer Stadtmusikanten geschmückt war.


Der Inhaber des Café Bremen

Frau Shu zeigte uns anschließend ihren schönen, im japanischen Stil angelegten Garten und wir verabredeten, dass wir uns nach unserer Runde durch die Ariake See noch einmal alle in Kuchinotsu wiedersehen wollten.


Shu-san in ihrem Garten

Yamamoto-san, Andreas-san, Shu-san und Eiji-san

Als wir – wieder bei strömendem Regen – ein zweites Mal in Kuchinotsu ankamen, fuhren wir mit Eiji und seiner Frau zu einem Mittagscafé, wo Frau Shu bereits auf uns wartete. Wie sich herausstellte, war der Koch und Inhaber des Cafés ein ehemaliger Segler, der 17 Jahre lang mit seinem Boot unterwegs war, davon längere Zeit auch im Mittelmeer. Das erklärte auch die italienisch-griechisch anmutende Einrichtung und vor allem die köstlichen Spaghetti-Saucen!

Shu-san betreibt hauptberuflich die Tankstelle gleich gegenüber des Hafens. Nebenbei ist sie eine passionierte Musikerin und spielt mit Hingabe Mundharmonika. Wir beschlossen den Nachmittag bei uns an Bord mit Kaffee und Apfelkuchen und bekamen von Shu-san ein Privatkonzert geboten. Sie legte eine CD mit Begleitmusik ein und spielte auf ihren verschiedenen Harmonikas die Titelmelodie: japanische Schlager aus den 1960er Jahren, traditionelle japanische Lieder und auch „Edelweiß“ aus dem in Japan so berühmten Hollywood-Film „Sound of Music“ von 1965.

Danach holte Andreas unsere Gitarre, drückte sie Eiji in die Hand und wir sangen alle zusammen noch ein paar Lieder. „Arigato gosaimasu! Vielen Dank für die schöne gemeinsame Zeit!


Eiji-san mit seiner Ehefrau bei uns auf der Muktuk

An einem der ersten Abende in Kuchinotsu fanden wir ein Sushi-Lokal, das vom Ehepaar Kodama betrieben wird. Wir saßen an der Theke in dem kleinen heimeligen Raum und schauten ratlos auf die Karte, denn unser Übersetzungsprogramm konnte die handgeschriebenen Zeichen nicht gut entziffern. Kurzerhand rief die Dame des Hauses ihren Sohn an, der mit seiner Familie zwölf Jahre lang in den USA bzw. Kanada gelebt und gearbeitet hatte. Er und seiner Tochter, beide fließend Englisch sprechend, übersetzten dann den ganzen Abend geduldig und bereitwillig, wenn die Mama bzw. Oma immer wieder anrief, sobald wir mit dem Übersetzungsprogramm nicht weiter kamen. So durften wir wieder gleich eine ganze Familie kennen lernen. Bevor wir heim gingen, packten sie uns eine Teetasse aus Keramik ein, die sie vor gut 40 Jahren zur Eröffnung ihres Restaurants hatten anfertigen lassen.


Das Ehepaar Kodama in ihrem Sushi-Restaurant

Das Außenfenster des Sushi-Restaurants bei Nacht

Am nächsten Morgen kamen die beiden kurz zur Muktuk, um sich mit eigenen Augen von dem zu überzeugen, was wir am Vorabend erzählt hatten. Als wir sie um das Rezept ihrer Miso-Suppe fragten, die so gut und ganz anders geschmeckt hatte, als die, die wir bisher kannten, bat sie wieder ihren Sohn, uns zu erklären, wie das geht. Aber das schien ihnen nicht sicher genug, so dass sie noch einmal vorbei kamen und uns alle notwendigen Zutaten brachten, eine spezielle Miso-Sorte, Algen und außerdem noch ein Päckchen mit Äpfeln, die hier in Japan ein kleines Vermögen kosten.

Als wir wieder in Kuchinotsu waren und noch einmal zum Sushi-Essen zu ihnen gingen, brachte ich als kleines Dankeschön für die vielen Gaben ein Glas von der Orangenmarmelade mit, die ich aus den hiesigen Bitter-Orangen (einer Kreuzung aus Orange und Grapefruit) gekocht hatte. Und am nächsten Tag, als wir von unserer Wanderung zurück kamen, hing eine Tasche an der Reling und darin ein kleines Mobile aus gefalteten Kranichen mit einem lieben Gruß von ihnen. Die Kraniche hängen nun bei uns in der Messe neben dem Kolibri aus Oaxaca. Sie werden uns jedes Mal an diese liebenswürdigen Menschen erinnern und sie werden uns ganz gewiss viel Glück auf unserer weiteren Reise durch Japan bringen!

„Kuchinotsu olle“

20. Mai 2023

Unsere Rundreise durch die Ariakesee beendeten wir an unserem Ausgangspunkt, in Kuchinotsu. Ich wollte den Ort unbedingt einmal mit Sonne erleben, nicht nur bei strömendem Regen und grau verhangenem Himmel. Die Regenzeit schien in diesem Jahr sehr früh begonnen zu haben. Bereits Mitte Mai waren die sonnigen Tage rar und jeder einzelne Sonnentag wurde von uns gefeiert.

Eine große Informationstafel am Hafen versprach eine reizvolle Rundwanderung um eine kleine Halbinsel, unter dem lustigen Namen „Kuchinotsu Olle“.

Vom Fährhafen aus folgten wir der rot-blauen Markierung. Nach einem kurzen Aufstieg durch enge Gassen und am großen Tempel vorbei, erreichten wir das erste Waldstück. Von hier oben konnte man fast das gesamte Hafenbecken überblicken.

Als wir aus dem Wald heraus kamen, lag vor uns ein offenes Plateau mit sanften Hügeln. Abwechselnd ging es auf breiten Wegen und schmalen Pfaden zwischen Feldern hindurch, auf denen Eisbergsalat und Brokkoli angebaut wurden. Manche Felder sind offensichtlich nicht abgeerntet worden, der Brokkoli war bereits ausgewachsen und zeigte gelbe Blüten.

Immer mal wieder stand am Wegesrand ein Stein mit einer Inschrift, ein kleiner überdachter Schrein oder ein rotes Torii.

Von den Feldern aus konnte man am Ufer ein kleines Dorf sehen und über die Meeresenge hinweg die Küste der Insel Amakusa erkennen.

Etwa auf halber Strecke entdeckten wir einen kleinen Park mit Tischen und Bänken, direkt am Meer gelegen, perfekt für eine Mittagspause. Und daneben wieder eine Andachtsstätte.

Am steinigen Ufer waren ein paar Leute damit beschäftigt, Algen zu ernten, die anschließend von den kleineren Booten in größere geschaufelt wurden.

Auf dieser Plattform hatte man einen herrlichen Ausblick aufs Meer und den Leuchtturm, der weit ins Meer hinein gebaut war.

Wieder ging es auf schmalen Wegen dieses Mal an Kartoffelfeldern vorbei und noch einmal runter zum Meer zu einem anderen Strandabschnitt.

Hier kraxelten wir über große Steine und beobachteten ältere Menschen, die am Ufer im Wasser wateten. Als wir näher kamen, sahen wir, dass sie im mitgeführten Netz bereits eine ganze Menge von den schwarzen stacheligen Seeigeln gesammelt hatten.

Das letzte Stück unserer Wanderung führte erneut durch einen kleinen Wald, und später vorbei an Häusern mit Blumengärten und in denen Bäume voller Früchte standen.

Überall, noch auf der kleinsten freien Fläche wird Gemüse angebaut!

Über diese rote Brücke gelangten wir schließlich zur Uferstraße, die uns zurück zum Hafen brachte.