Die Marquesas – henua ‘enana

Anaho

Islas de Marquesas, so nannte sie der erste Europäer, der die Inseln 1595 erreichte, nach dem Marques de Mendoza, Vizekönig von Peru und Sponsor seiner Reise. Dieser Name blieb ihnen erhalten. In der eigenen Sprache aber heißen sie „henua ‘enana“, Land der Männer, oder einfach nur ‘enana.

Ein Archipel von zwölf vulkanischen Inseln, sechs davon bewohnt, mitten im Pazifik: Nuku Hiva, Ua Pou und Ua Huka sowie Hiva Oa, Tahuata und Fatu Hiva.

Die Inseln gehören heute zu Französisch-Polynesien, mit der Verwaltungs-Hauptstadt Papeete in Tahiti, 1500 Seemeilen weit weg. Landes- und Unterrichtssprache ist Französisch, im Alltag hört man aber überall noch die eigene marquesianische Sprache mit den vielen Klicklauten.

Heute leben etwas mehr als 9.000 Menschen hier, zu Beginn des 19. Jh. waren es allerdings 23.000 oder 200.000, die Quellen sind sich da nicht einig.

Stammes- und Verteilungskriege gab es schon immer auf den Inseln, auch Kannibalismus, aber erst die Eroberer aus Europa, die Missionare, Walfänger und Soldaten, brachten Krankheiten mit, die unter den Einheimischen wüteten, Pocken, Grippe. Die Kolonialisierung hat auch hier ihre unrühmlichen Spuren hinterlassen, große Teile der Kultur wurden unwiederbringlich zerstört. Seit den 1980er Jahren setzte sich u.a. Bischof Le Clea’ch für die Förderung der Marquesianischen Sprache und der Tänze ein, kümmerte sich um den Wiederaufbau von Kult- und Veranstaltungsstätten und hob 1985 das von der katholischen Kirche erlassene Verbot der Tautauierung (Tätowierung) auf.

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Versammlungsplatz in Taiohae

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Tiki auf dem Versammlungsplatz

Wikipedia ist natürlich eine erste Quelle für die Infos über die Marquesas, wo die Besiedlungsgeschichte, Sprache, Kultur sowie die Flora und Fauna ausführlich beschrieben werden.

An Bord habe ich ein gut lesbares Buch: „Die Welt der Enana. Eine Reise durch Geschichte und Gegenwart der Marquesas-Inseln“ von Burgl Lichtenstein. Berlin, 2007

Und ganz gespannt bin ich auf diesen Titel: Karl von den Steinen: Die Marquesianer und ihre Kunst, 3 Bände, Berlin 1925-1928

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Die Bucht von Taiohae, Nuku Hiva

Hiva Oa, Marquesas

Letzte Nacht auf See, der dunkle Streifen am Horizont könnte vielleicht schon Land sein? Oder doch nur Wolken…

Etwas später ist es klar, im ersten Morgenlicht erscheinen die Umrisse der Inseln und je näher wir kommen, umso besser können wir die einzelnen Inseln unterscheiden. Hiva Oa daneben Tahuata und Mohane und weiter weg Fatu Hiva. Unglaublich, es stimmt alles mit der Karte überein, wir haben uns nicht verfahren!

1Insel

So viel Grün auf einmal, ab und zu ein paar braune Felsen, Steilküste, an der die Brandung hoch spritzen kann. Darüber kann man ein bis zwei Häuschen entdecken, kleinere Kokosplantagen, immer deutlicher, je näher man kommt.

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Wir müssen noch ein Stück an der Südküste entlang segeln bis zur Ankerbucht und auf den letzten Metern lässt der Wind nach. Das Funkgerät knackt und knistert und wir hören: „Muktuk, Muktuk, hier ist Muktuk!“ Darauf hatten wir uns schon so lange gefreut. Nun werden wir auch ungeduldig, folgen der Aufforderung von Noah und werfen den Motor an. Einmal noch um die Ecke und schon sind wir da… ein Wellenbrecher, davor einige Boote und dahinter eine kleine schmale Bucht, wo die Boote eng beieinander liegen, alle zusätzlich mit einem Heckanker gesichert.

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Was für ein herrliches Wiedersehen mit unseren Freunden!

4Obst

Die Molas von Kuna Yala

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In Mittelamerika sind neben den schönen Webarbeiten der Maya von Guatemala die Molas der Kuna-Indianer die bekanntesten Produkte in Sachen Textilkunst. Und eine Kunst ist es wahrhaftig.

Eine Mola ist eine Art umgekehrtes Patchwork: bis zu vier Schichten von Stoffen werden übereinander gelegt, Motive ausgeschnitten, mit feinen Stichen umgenäht und bei Bedarf weitere Stoffapplikationen in anderen Farben darauf genäht. Je gleichmäßiger, umfangreicher die Motive, je feiner der Stich, umso kunstvoller die Mola, heißt es.

Vor der Invasion der Spanier und der Ankunft der Missionare trugen die Kunas Körperbemalungen, wie sie u.a. noch bei verwandten Stämmen in Südamerika zu sehen sind. Später wurden die Motive auf die Stoffe ihrer Kleidung gemalt. Man vermutet, dass etwa Mitte des 19. Jahrhunderts die heutige Technik, Molas zu nähen, entwickelt wurde.

Die Molas sind rechteckige Motivbilder und bilden die die Vorder- und Rückseite von Blusen. Die Kuna-Frauen tragen überwiegend die traditionellen geometrischen Muster, nur vereinzelt auch Motive mit Heilpflanzen, Wolken, Geistern oder friedliche Tiere. Die Grundfarben des Hintergrundes sind entweder Schwarz, Purpurrot oder Orange, die Farben der Applikationen variieren.

Die Nachfrage der Touristen nach bunten Molas hat die Palette der Motive und Farben erweitert: blau und grün als Hintergrundfarben, kräftige Farben wie neongelb und grün für die Applikationen kommen hinzu. Tierdarstellungen wie Schildkröten, Krebse, Langusten, Fische, Papageien, das kaufen Touristen gerne.
Die Motivbilder können zu Kissenhüllen umgearbeitet werden, oder Tischdecken und Taschen zieren.

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Venancio Restrepo, Mola-Meister

Gleich nach unserer Ankunft in Kuna Yala klopft Venancio an unser Boot – wir hörten schon von ihm, er habe die schönsten Molas weit und breit. Mit zwei großen Bottichen aus Plastik kommt er an Bord, begleitet von zwei jungen Männern, die ihn im Einbaum zu den Booten fahren. Er packt aus und ich staune, ein Stück schöner und kunstvoller als das andere, vor meinen Augen schwirren die Motive und ich frage ihn vorsichtig, ob ich denn ein paar Fotos machen darf. Sehr gerne möchte Venancio, dass ich seine schönen Molas auch übers Internet bekannt mache und so lege ich los, gut achtzig Fotos entstehen
Er hat jeweils zwei oder vier Molas zusammen geheftet, nach Motiven sortiert. Er erklärt die Bedeutung der traditionellen Motive, ist aber genauso stolz auf die Stücke mit den Tiermotiven für die Touristen, das alles in einer wilden Mischung aus Spanisch und Englisch. Denn Englisch will er nebenbei auch lernen und fragt oft nach den englischen Begriffen. Und ich lerne dabei viel über die Anfertigung der Molas, die Technik, bewundere die feinen Stiche.
In den folgenden Wochen haben wir noch ein paar Mal Molas angeboten bekommen von Kuna-Frauen. Venancio hatte tatsächlich mit Abstand die schönsten!

Hier eine Auswahl:

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Krebse

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Oben: Traditionelle Tänze, unten: Chiefs in der Hängematte mit Pfeife

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Schildkröten

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Traditionelles Motiv mit Heilpflanzen

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Traditionelles geometrisches Motiv, sehr häufig auf Blusen zu sehen

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Geometrisches Motiv, Vorderseite

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Geometrisches Motiv, Rückseite

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Stilisierte Blumen, Vorderseite

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Stilisierte Blumen, Rückseite

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Stoffstreifen für Muster mit Durchbruch

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Wolken

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making of „Wolken“

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Schnecken

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Hähne und Fische

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Segelboot mit Seglern

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Übungsstücke, angefertigt von Schülern aus dem Dorf von Venancio

Mola Lisa

 

Mitte Januar 2016: Der Regenwald am Festland ist nur wenige Meilen von unseren Ankerplätzen entfernt und so verabreden wir mit unseren Freunden von der Fajo, eine Tour zu einem Seitenarm des Rio Tigre. Die Flüsse und den Regenwald darf man nur mit einem Führer bereisen, mit Zustimmung der örtlichen Sailas, den Dorfältesten, lesen und hören wir. Also werden wir eines Morgens von Lisa Harris, bekannter als Mola Lisa, mit ihrem großen Einbaum abgeholt. Schnell noch mal umgekehrt, gut, dass auf der Muktuk noch fünf alte Feststoff-Schwimmwesten lagern, denn ohne dürfen wir nicht los.

1Weste

Bei den Kunas gibt es einige Transvestiten: Jungen, die als Mädchen großgezogen werden, falls eine Familie keine oder zu wenig Mädchen hat. So auch Mola Lisa, lange Haare, Sonnenbrille mit Tigermuster, Handtasche in schwarzem Lack mit Kirschen drauf, feminines Auftreten. Sie näht wunderschöne Molas und bietet Touren an.

2LisaTasche
Mola Lisa

Wir fahren mit ihr und einem älteren Kuna im Boot zur Flussmündung und ein Stück den Fluss hinauf, vorbei an Bananen- und Kokosplantagen, ab und zu schaut ein Kuna am Ufer neugierig, wer da vorbei tuckert. Das Wasser ist schön klar, man kann bis auf den Grund sehen. Irgendwann geht es nicht mehr weiter fürs Boot.

3Fluss

Wir steigen aus und laufen einen Hang durch den Wald hoch, kommen an einem Friedhof vorbei, dann an einem zweiten. Das ist der private Friedhof von Lisa, sie hat vor etlichen Jahren das Grundstück gekauft und inzwischen ihre Eltern und ihren Schwager dort begraben, aber auch andere Familien aus ihrem Dorf haben dort ihre Verwandten zur Ruhe betten können. Kleine Hügel aus lehmiger roter Erde, geschützt gegen Regen durch eine große Hütte mit einem Dach aus Palmwedeln. Wellblech wäre bei der tropischen Feuchte lange nicht so haltbar und viel wichtiger noch, könnten die Seelen nicht entweichen.

4FriedDach
Friedhof

Die Kunas werden in ihrer Hängematte beerdigt, die Frauen tragen ihr schönstes Gewand, eine traditionelle Molabluse und ihren gesamten Schmuck. Auf den Gräbern sehen wir Tonschalen, in denen u.a. Kakao-Bohnen verbrannt werden. Der Rauch kann durch ein Loch im Boden gelangen – für die Toten. Daneben steht die Lieblingstasse des Verstorbenen. Aber auch andere erstaunliche Dinge liegen auf und neben den Gräbern oder hängen an den Pfählen der Hütten, eine Sammlung an Schuhen, ein halber Plastikstuhl, Töpfe, Pfannen.

5FriedGrab

Da keine anderen Kunas in der Nähe sind, dürfen wir Fotos machen, dann geht es weiter durch den Regenwald, wieder zum Fluss runter, Lisa will uns die Wasserfälle zeigen. Quer über den Weg gehen Straßen der Blattschneider-Ameisen, ein Gewimmel aus wandernden Blättern, faszinierend in ihrem Fleiß und Ausdauer.

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Blattschneiderameisen unterwegs

Wir waten die meiste Zeit knöcheltief durchs Flussbett flussaufwärts bis wir zu einer Stelle gelangen, wo wir unsere Rucksäcke Lisas Helfer geben dürfen, der den Wald hochklettert. Wir waten durch tieferes Wasser, stellenweise geht es nur schwimmend voran und da ist schon der erste kleine Wasserfall. Lisa setzt ihre Schwimmbrille auf und macht uns vor, wie man hier über die Steine wieder runter sausen kann, ins wirbelnde Wasser hinein. Sie ist stark und eine geschickte Schwimmerin.

6LisaBrille

7Andreas

Beim dritten Wasserfall machen wir eine Pause und nach einigem Fragen beginnt Lisa zu erzählen. Sie lebt mit ihrer Schwester und ihren Nichten zusammen, ein reiner Frauenhaushalt, da der Schwager gestorben ist, die Brüder leben in anderen Ortschaften bei ihren Frauen. Aber der Zusammenhalt im Dorf ist groß, die Männer bringen ihr immer wieder Fisch und Langusten mit, dafür hilft sie den Familien aus, wenn es an Mehl und Zucker fehlt oder jemand Geld für besondere Ausgaben braucht. Auch besitzt die Familie etwas Land, das sie ernähren kann.

Nach der Religion gefragt, sagt sie, gibt es nur einen Gott, und der ist der Gott aller Menschen auf Erden. Er hat für die Kunas das schönste Fleckchen der Erde ausgesucht: nicht zu warm, nicht zu kalt, keine Wirbelstürme oder Erdbeben, ausreichend Fisch im Meer und genügend Obst und Gemüse zum Anbauen. Dann hat er vier Sterne in Frauengestalt auf die Erde geschickt, um den Kunas zu zeigen, wo und wie sie hier leben sollen. Eine der vier Frauen blieb bei den Kunas, wurde wie ein Mensch beerdigt und ihre Seele ging den Fluss hinauf ins Paradies. Kunas, die ein gutes Leben gelebt haben, ganz nach den Regeln der Gemeinschaft lässt Gott schnell ins Paradies kommen, ebenfalls flussaufwärts. Andere wiederum, die schlechte Angewohnheiten aus Panama City mitgebracht haben, gar zu Dieben und Mördern wurden, haben es schwerer, sie erscheinen ihren Angehörigen noch lange im Traum, weinen und klagen und dürfen erst nach langer Prüfung in den Himmel. Auch verbiete ihr Gott, dass Menschen operiert werden oder nach ihrem Tode einer Autopsie unterzogen werden. Sie müssen unversehrt beerdigt werden.

Auf die Klimaerwärmung und die sichtbaren Folgen für Guna Yala angesprochen (es verschwinden mehr Inseln durch Überflutung als neue entstehen können) meint Lisa – ja klar, die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eine Sache. Aber die Kunas glauben, dass dies die Strafe Gottes sei für ungehöriges Verhalten einzelner Gemeinschaftsmitglieder. Und das Meer steige und sinke sowieso im Jahreszyklus, genauso wie der Pegel der Flüsse. Gott werde schon alles richten.

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Auf dem Rückweg nehmen wir die Abkürzung durch den Wald, Lisa zeigt uns noch ein paar Blumen, ein wunderbarer Ausblick von oben aufs Meer, auf den grünen Regenwald. Und noch einmal kommen wir am Friedhof vorbei. Lisa zeigt uns das Grab von zwei Geschwistern, beide waren Albinos. Diese werden von den Kunas sehr verehrt, Gott habe ihnen besondere Kräfte gegeben. Sie sind schon im Alter von 50 Jahren gestorben. Und nein, fügt sie sogleich hinzu – ohne auf die unvermeidliche Frage zu warten, die wurde wahrscheinlich schon häufiger gestellt – nicht an Hautkrebs. Gott habe es so gewollt.

Lisa spricht bei den Familiengräbern mit ihren Angehörigen, verspricht ihnen, bald wieder vorbei zu kommen. Zu ihrer Mutter hatte sie ein sehr enges Verhältnis, erzählt sie. Nach ihrem Tod erschien sie Lisa im Traum, sprach davon, wie schön es im Paradies sei und sie wünschte, ihre Tochter könne bei ihr sein. Sie habe bereits den Schamanen überzeugt, Lisa eine Krankheit zu schicken. Aber Lisa kann und will noch nicht gehen, sie muss ihre Familie versorgen, kann sie nicht alleine lassen. Von den Einnahmen aus den Touren gibt sie die Hälfte an ihr Dorf ab, den Erlös aus dem Verkauf ihrer Molas kann sie gänzlich behalten.

Zurück auf unseren Booten packt Lisa ihren wasserdichten Eimer mit den Molas aus und wir kaufen einige von ihr. Sie hat Molas mit traditionellen geometrischen Mustern, Heilpflanzen oder Wolken und viele mit Vögeln und Tieren des Urwaldes, Meerestieren, und eine mit Köpfen, die Hüte tragen: „Nuchus“ stellen sie dar. Das sind schön geschnitzte Holzstäbe von denen jeder Kuna, aber auch jedes Haus, welche besitzt. Sie werden von den Medizinmännern, den Schamanen, mit Leben versehen und sollen ihre Besitzer, die Häuser und die Dörfer beschützen. Diese guten Geister können sich frei von Insel zu Insel bewegen und erkunden, wo Gefahren drohen, um davor rechtzeitig zu warnen. Auch kann der Schamane mit dem persönlichen Nuchu sprechen, um bei Kranken herauszufinden, wo die Beschwerden liegen.

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Die Mola-Kollektion

Die vier Stunden, die die Tour dauern sollte, sind lange überschritten, wir sind müde von der Sonne, den vielen Eindrücken und könnten trotzdem noch weiter mit Mola Lisa reden, Fragen hätten wir genug. Aber auch sie will weiter, ein amerikanisches Nachbarboot möchte auch Molas kaufen und abends will sie noch ein paar Stunden an der „nueva coleccione“, an neuen Molas arbeiten.

Guna Yala – San Blas

Januar 2016
1Inselchen

Östlich von Colon am Eingang des Panamakanals beginnt das Land der Kuna-Indianer und erstreckt sich bis zur kolumbianischen Grenze. Ein breiter Streifen an Land und das gesamte San Blas Insel-Archipel dürfen sie autonom verwalten: Guna Yala heißt es in ihrer Sprache. San Blas, die spanische Bezeichnung, hören sie nicht so gerne…

Auf den vielen Inseln (die Angaben schwanken zwischen 340 und 365) gibt es 49 Gemeinden mit jeweils hunderten von Einwohnern, die noch überwiegend die traditionelle Lebensweise bevorzugen.

Im Lauf der letzten Jahrhunderte sind die Kunas vom Festland nach und nach auf die Inseln gezogen, die Inseln boten Schutz vor den spanischen Eroberern und anderen Indianerstämmen es gibt hier keine gefährlichen Tiere, Schlangen und Insekten gibt.

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Ende des 18. Jahrhunderts schlossen die Kunas einen Pakt mit dem spanischen Gouverneur von Großkolumbien (zu dem auch Panama gehörte), der ihnen ein weitgehend friedliches Leben garantierte. Mit der Gründung der eigenständigen Republik Panama 1903 fiel das Gebiet der Kunas an Panama. Die darauf folgenden Repressalien der Regierung kulminierten 1925 in einem für die friedliebenden Kunas ungewöhnlich blutigen Aufstand. Die Intervention der USA verhinderte eine weitere Eskalation, ein Friedensvertrag folgte. Die Kunas akzeptierten die Zugehörigkeit zu Panama und erhielten dafür die Zusage, ihre traditionellen Gesetze, ihre Kultur, Sprache und Tradition auf ihrem Gebiet einhalten und bewahren zu dürfen. Zwar müssen die Kunas in Verhandlungen ihre Autonomie immer wieder verteidigen, aber vom Staat Panama wird die „Comarca Guna Yala“ mittlerweile gerne als Paradebeispiel für Selbstverwaltung und Schutz indigener Völker präsentiert.

Eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen sind die Kokosnüsse, der Hauptabnehmer sind Händler aus Kolumbien. Jede noch so kleine Insel gehört einer Großfamilie, die Palmenanlagen werden regelmäßig gepflegt und die Kokosnüsse eingesammelt.

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Auch vom Tourismus können die Kunas inzwischen leben, es gibt keine Hotelburgen, sondern einfache Hütten, manchmal ein kleines Hotel, alle in Kuna-Hand, hinzu kommen die vielen Tagestouristen, die in einfachen Bars am Strand versorgt werden. Und die berühmten Molas, die die Frauen sticken, nähen, sind inzwischen ein begehrtes Souvenier.

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An Land, in den Bergen, die kaum höher als 100m sind, befinden sich die Gärten, „fincas“, der Kunas, mit Bananen, Papaya, Mangobäumen, diverses Wurzelgemüse. Manche Kunas pendeln täglich zwischen Festland und Inseln hin und her, kein einfaches Tagwerk.

In kleinen Einbäumen fahren die Kunas über die Untiefen, halten die Angeln ins Wasser oder tauchen nach Langusten, paddeln und für die längeren Strecken zum Festland oder zwischen den Inseln werden zwei Stangen hervorgeholt, ein kleines Gaffsegel aufgespannt und ein Paddel als Ruder eingesetzt. Viel Körpereinsatz ist dabei nötig, um die Balance auf dem kleinen Gefährt zu halten.

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Die Gesellschaft ist matrilinear organisiert, meistens suchen die Frauen ihre Partner aus, die Männer ziehen bei der Familie der Frau ein. Die Frauen verwalten das Geld, der Grundbesitz wird in der Regel über die Frauen vererbt. Auch das stärkt ihre Position.

Die Dörfer werden von drei Chefs geleitet, ältere Kunas „Salias“ gennant. Ein Kreis von jüngeren Männern, Argars, interpretieren ihre Ratschläge und jüngere Salias sorgen für die Umsetzung bzw. Einhaltung der Regeln. Jeden Abend wird eine Versammlung, ein „congreso“, in der größten Hütte des Dorfes abgehalten. Jeder darf seine Ideen einbringen, mit diskutieren.

In den traditionellen Dörfern müssen Besucher vorher die Erlaubnis des obersten Sailas einholen, bevor sie den Ort besichtigen oder gar abends an einem congreso teilnehmen dürfen.

Bei den Kunas tragen nur die Frauen Tracht: einen bunten Wickelrock, eine Bluse deren Vorder- und Rückenteil eine Mola ziert, einen dicken goldenen Ring in der Nase, oft noch schöne goldene Ohrringe, Halsgehänge, gelb-orangene Perlenschnüre an den Armen und Beinen und ein Tuch auf dem Kopf, wenn sie längere Zeit in der Sonne unterwegs sind. Verheiratete Frauen haben einen praktischen Kurzhaarschnitt. Die Männer hingegen laufen ganz normal in T-Shirt und Shorts herum.

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Es gibt inzwischen aber auch Dörfer, die beschlossen haben, sich nicht mehr an die traditionellen Regeln und Gebräuche zu halten, sie werden als „civilisado“ bezeichnet. Die Frauen tragen keine Tracht mehr, lassen die Haare länger wachsen, und in dem größten Ort des Archipels, in Nargana, geht wohl auch langsam die Kenntnis der eigenen Sprache verloren, das Spanische ist zu dominierend.

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Die Kunas haben es über Jahrhunderte hinweg geschafft, ihre Kultur, Religion und Sprache zu erhalten. Der Einfluss der westlichen Welt wird sicher immer stärker spürbar, Schule, Touristen, Mobiltelefone, Internet, die zunehmende Mobilität. Viele Männer arbeiten in Panama City, die Frauen fahren mit ihren Molas zum Verkaufen dorthin, auch haben viele Kunas inzwischen Häuser in Panama City. Wie die Kunas diesen Spagat meistern, wie diese Spannungen zwischen Tradition und Moderne für sich lösen, das haben wir uns oft gefragt.

2Kunawoman

Bacardi feeling…

1Muktuk

Wie kann man am besten die Euphorie beschreiben, die uns überwältigte, als wir an Deck standen, in der Ferne die hohen Berge des Festlands sichtbar wurden, die Farbe des Meeres sich änderte, helles und dunkles Türkis für die Sandbänke, braun für die Korallenriffe daneben, dunkelblau für die tieferen Stellen, die Inseln näher kamen, ein schmaler Sandstreifen, dichte Palmenwälder, vielleicht mal eine Hütte darauf. Diese Kombination aus wechselnden Wasserfarben und von Palmen bedeckten Inseln begleitet uns nun schon seit drei Wochen. Das mag eintönig klingen, aber wir können uns immer noch nicht satt sehen daran.

2Palmeschief

Riffe, Inseln, noch eine Reihe Riffe, dahinter wieder Inseln mit geschützten Ankerplätzen, ein beständiger Passatwind, der die Palmen in eine Richtung wachsen lässt. Die Regenzeit ist vorbei, Tag für Tag Sonnenschein mit über 30 Grad im Schatten. Und so verwundert es nicht, dass die Segler von überall herkommen, an manchen Plätzen 20 – 30 Boote ankern.

3Riff

Unverzichtbar ist hier der Revierführer „Panama“ von Eric Bauhaus, ohne den man sich nicht in dieses Archipel wagen sollte. Zu den vielen Luftaufnahmen, auf denen die Riffe und Sandbänke zu sehen sind, kommen sehr genaue Detailkarten, die auch in elektronischer Form unter den Seglern kursieren. Anfangs verglichen wir die Angaben noch mit den herkömmlichen Karten: mit denen wären wir mehr als einmal deutlich über die Riffe geschrammt. Manchmal sieht man ein gestrandetes Boot, hört Geschichten von Ausflugs-Katamaranen, die am Riff hängen geblieben sind.

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Vom Festland kommen täglich „lonchas“, überdachte kleinere Motorboote mit Touristen, die an Inseln und Sandbänken für ein paar Stunden ausgesetzt werden, im warmen Wasser stehen, einen Drink n der Hand, Musik im Hintergrund, das „Bacardi-Feeling“ aus der Werbung für einen perfekten Urlaub.

4Bacardi

Und natürlich sind die Riffe ein herrliches Revier zum Schnorcheln, an manchen Stellen ist die Vielfalt der Unterwasserwelt an Fischen und Korallen überwältigend.

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Dann gibt es die „hot spots“ an den Riffen, wo bei gutem Wind die Kite-Surfer unterwegs sind. Ihre bunten Drachen kann man schon von Weitem erkennen. Das Damenprogramm lässt sich etwas gemütlicher an.

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Auch wir genießen die Zeit hier – und inzwischen haben wir ein paar Mal schon Langusten von den Kunas kaufen können. Hier der Beweis:
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Einzig die „no-see-umms“ ärgern uns manchmal: winzig kleine Insekten, kaum sichtbar fürs Auge, überfallen Arme und Bein, beißen unangenehm und können einen gemütlichen Strandspaziergang am späteren Nachmittag schneller beenden als gedacht. Da hilft nur die Flucht zum Dinghi und zurück aufs Boot.

Die Umweltverschmutzung macht auch vor dieser schönen Ecke nicht Halt, der Plastikmüll ist allgegenwärtig. Flaschen, Tüten, Schuhe, werden an die Strände geschwemmt, manchmal sieht man auch schwarze volle Müllsäcke auf dem Wasser schwimmen. Also nicht nur von Außerhalb kommt der Müll. Viele Inseln sind sehr gepflegt, Palmwedel werden eingesammelt und verbrannt, der Sand wird gefegt, aber es gibt auch Inseln wo man unter den Palmen kaum durchkommt und am Strand sich der Müll der zivilisierten Welt sammelt. Die Blechdosen von Bier und Cola werden allerdings gesammelt und an die kolumbianischen Händler verkauft. Schade, dass das nicht auch für die Plastikflaschen gilt.
8Plastikmuell

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Präsidiale Karrieren

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Antiplakat mit den Logos der Parteien: „Vor dem Verzehr dieser Produkte wird gewarnt“

Guatemala hat gewählt und ein Außenseiter hat das Rennen gewonnen… ein Komiker wird Präsident
Aber schön der Reihe nach: von den Demonstrationen, die seit April in der Hauptstadt jeden Samstag stattfinden, hatten wir schon berichtet. Die Vizepräsidentin war zurückgetreten, weil sie sich etliche Millionen Dollar an Steuergeldern in die Tasche gewirtschaftet hatte.
Die internationale Untersuchungskommission fand dann Ende Juli noch weitere Akteure: Minister, Angestellte im Staatsapparat und siehe da, sogar den amtierenden Präsidenten Otto Perez Molina, verschlüsselt immer als Nr. 1 bezeichnet. Sie alle hatten bei diesem System mitgemacht und sich ordentlich bereichert.
Der Präsident stritt alles ab, aber die Proteste mehrten sich, je mehr Dokumente in der Tagespresse veröffentlicht wurden, die seine Mittäterschaft belegten.
Nun kamen sogar in den Provinzstädten spontan Menschen zusammen, mit witzigen selbst gemalten Plakaten und fast alle schwenkten die guatemaltekische blau-weiß Fahne dazu.
Die Demonstrationen fanden ihren Höhepunkt in der zweiten Augusthälfte, drei Tage lang gab es hintereinander Straßensperren, und Protestmärsche in vielen Städten, der größte am 26. August in Guatemala City, mit über 230.000 Menschen. Die Universitäten riefen geschlossen zur Demo auf, sogar Konzerne, ausländische Firmen wie McDonalds, gaben ihren Angestellten dafür frei.
Es herrschte eine fröhliche Aufbruchstimmung im Lande, eine Entwicklung, die vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar gewesen wäre. Friedlich demonstrieren zu können war so lange nicht möglich und nun geht es, ohne Angst vor Militär und Polizei haben zu müssen.

Selbst als in Coban etliche LKWs voller Campesinos (Landarbeiter, Mayas), vor dem Rathaus randalierten und es stürmen wollten, gab es zwar erst einmal seitens der Polizei Schüsse, zwei Verwundete und helle Aufregung, aber am gleichen Nachmittag schon fanden sich auch hier Studenten und Campesinos zusammen, um laut trötend und Parolen rufend zu demonstrieren. Die Mannschaftswagen der Polizei standen weiterhin in den Seitenstraßen, aber hielten sich im Hintergrund.
Der Kongress beugte sich dem Druck der Strasse und setzte eine Kommission ein, die die Empfehlung ausgab, dem Präsidenten die Immunität abzuerkennen. Einen Tag später kamen die Abgeordneten zusammen und ohne Gegenstimmen folgten sie der Empfehlung der Kommission und kurz darauf wurde der Präsident dann in Haft genommen.
Allerdings fehlten die Abgeordneten der Lider-Partei bei der Abstimmung. Deren Kandidat, Baldizon, war überall im Lande auf Plakaten allgegenwärtig, hatte viel mehr Geld ausgegeben für den Wahlkampf als offiziell erlaubt und man sprach öffentlich von Stimmenkauf und Drogengeldern, die im Wahlkampf gewaschen wurden.

All dies überschattete die heiße Phase des Wahlkampfes, denn der Wahltermin für den 5. September stand schon fest: für das Präsidenten-Amt, die Abgeordneten des Kongresses, der Kreisbezirke und der örtlichen Bürgermeister. Und nicht zuletzt für die Abgeordneten des Panamerikanischen Kongresses.
Keine Zeit also, das Wahlgesetz zu ändern oder gar neue, von Korruption freie Parteien zu gründen. So sprachen denn vor allem in den Städten viele von Wahlboykott, denn den Kandidaten der überregionalen Parteien wollte niemand trauen, alles korrupte Gesellen, hieß es.
Und so kam es, dass die Werte des zuvor hoch gehandelten Baldizon kontinuierlich sanken, in den grossen Städten kaum noch jemand für ihn stimmte.

Von den 14 Kandidaten blieben für die Stichwahl im Oktober Sandra Torres und Jimmy Morales übrig. Sandra Torres von einem eher sozialdemokratisch geprägten Bündnis war in den Augen viele Wähler eine mit allen Wassern gewaschene Politikerin, die sich von ihrem Ehemann pro Forma scheiden ließ, um als Kandidatin anzutreten.
Denn er war bereits einmal Präsident gewesen, und als seine Ehefrau durfte sie nicht kandidieren. Und Jimmy Morales, nun, er war früher Komedian, hatte jahrelang eine eigene Sendung im Fernsehen und ist inzwischen ein recht erfolgreicher Unternehmer.
Wer hinter seinem Wahlkampf stand, war nicht so klar, ab und zu konnte man sogar in der überregionalen Presse lesen, es seien die gleichen Kräfte, die auch den abgesetzten Präsidenten unterstützt hatten. Fakt war, Jimmy Morales warb auf allen Plakaten damit, „weder Dieb noch korrupt“ zu sein, und das reichte wohl aus, um sich von den altbekannten Gesichtern zu unterscheiden.
Die Stichwahl vom 25. Oktober gewann er haushoch, im Januar wird er dann eingesetzt, ebenso tritt dann der neue Kongress zusammen. Der allerdings ist in der Mehrheit von der Lider-Partei besetzt, es wird sich also so schnell doch nichts ändern.
Die Demonstrationen in der Hauptstadt gehen weiter, jeden Samstag, um gegen die hohen Gehälter der Richter und Beamten zu protestieren und vieles mehr.

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Campesinos

studenten
Studenten protestieren

wahlplakat
Wahlkampf-Wagen für einen Außenseiter

Wuff
„Wuff, wuff, schleich dich, Otto“, gesehen in Xela

zentrum
Demonstration in Coban

Flores und Tikal, Ende August 2015

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Jaguartempel, Vorderseite

Im Norden Guatemalas, in Richtung Mexiko, findet man im Tropischen Regenwald sehr viele alte Maya-Siedlungen. Die bei weitem größte und bedeutendste ist die Anlage Tikal. Um dorthin zu gelangen, fahren die meisten Touristen erst nach Flores: Eine kleine Insel im Petén-Itzál-See, wenige hundert Meter im Durchmesser, bis in die 50er Jahre nur mit dem Boot zu erreichen, heute führt ein Damm dorthin. Die um den See lebenden Mayas konnten den spanischen Eroberern fast ein ganzes Jahrhundert lang Widerstand leisten. Heute ist Flores sehr touristisch geprägt, aber mit einem gemütlichem Flair. Die Uferstraße ist gesäumt von Hotels und Restaurants, und wenn man zum Hauptplatz hochgeht, hat man einen wunderschönen Blick auf den See und die umliegenden Ortschaften.

Morgens wurden wir mit einem Bus abgeholt und fuhren zu dem gut 60 km weiter im Norden gelegenen Tikal. Mit einem englischsprechenden Führer, der spannend und kenntnisreich erzählen konnte, zog unsere Gruppe (zwei deutsche Lehrerinnen, ein junger amerikanischer Anwalt und wir) los. Auf 16 qkm gibt es etwa 3000 Gebäude und 121 Stelen! Davon sind allerdings ca 80% nicht ausgegraben sondern vom Regenwald überwachsen. Archäologen sprechen von der Entdeckung Tikals im 19. Jh., unser Führer aber meint, das Wissen um diese im Regenwald verschwundene Stadt sei unter den Mayas immer weiter gegeben worden. Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde mit den Ausgrabungen begonnen, die Universität von Pennsylvania war finanziell federführend dabei, und ohne die Eintrittsgelder und die Förderung als Unesco-Weltkulturerbe wäre es heute gar nicht möglich, die Anlage zu konservieren und die Infrastruktur für die Besucher bereit zu stellen.

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Jaguartempel, Rückseite

Schon 200 v.Chr. wurden die ersten Gebäude errichtet und bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts wuchs Tikal zu einem bedeutenden politischen und kulturellen Zentrum heran, zeitweilig lebten im ganzen Königreich bis zu einer halben Million Menschen und in Tikal selbst, so die Schätzungen, lebten 50.000 Menschen. Danach büßte Tikal seine Vormachtstellung in einem Eroberungskrieg ein, das benachbarte Königreich im heutigen Belize übernahm die Führungsrolle. Es ist erstaunlich, dass die Stadt an einem so wasserarmen Ort errichtet wurde und eine solche Blüte erleben konnte, es befindet sich nämlich kein Fluss in der Nähe und Wasser wurde lediglich in Lehmsenken gesammelt.

3Fussball
Marktplatz mit Akropolis an der Seite

Fünf riesige Tempel wurden ausgegraben, eine Akropolis, ein Marktplatz in der Mitte der Anlage, mit einem Fußballplatz daneben und einige Wohnhäuser können besichtigt werden. Auf zwei der Tempel kann man hinaufsteigen, teilweise über ein Gerüst, um die Steine zu schonen und dann hat man einen atemberaubenden Blick auf den Regenwald. Etwas gespenstisch mutet es an, wenn man von da oben die anderen Tempel aus dem Regenwald herausragen sieht.

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5ÜberRegenw

Steht man auf dem Marktplatz in der Mitte zwischen zwei Tempeln, kann man die besondere Akustik ausprobieren, ein Klatschen beispielsweise wird verstärkt und verdoppelt. Wie die Mayas diese Akustik wohl für ihre Versammlungen genutzt haben? Es ist einfach nur beeindruckend und für uns heute fast unerklärlich, wie diese riesigen Gebäude ohne Eisenwerkzeug und vor allem, ohne das Rad zu kennen, errichtet wurden.

2Jaguarvorn

Ein Tag reicht gerade so, um die Stadt zu erwandern. Man müsste eigentlich noch einmal kommen, um sich einzelne Tempel und Gebäude genauer anzusehen, um die großartige Leistung der Mathematiker und Astronomen der Mayas besser zu verstehen. Einmal im Monat finden rituelle Veranstaltungen in Tikal statt und unser Führer schwärmte von dem riesigen Fest mit Tausenden von Besuchern im Jahr 2012, als der Jahrhunderte währende Maya-Kalender zu Ende ging und ein neuer begann. (Esoteriker nutzten diesen Kalender gerne für Weltuntergangsszenarien, aber darüber wird hierzulande nur milde gelächelt).

7Relief

8Stelen

Leider sind außer den ausgegrabenen Ruinen und der Sprache wenige kulturelle Zeugnisse aus der vorkolonialen Zeit übrig geblieben. Ein übereifriger Kardinal wütete Mitte des 16. Jahrhunderts derart erfolgreich, dass nur noch drei Schriftstücke der Mayas erhalten geblieben sind, die man als authentisch bezeichnen kann. Und diese drei Codices befinden sich gar nicht im Lande, einer in Madrid, der andere in Paris und der dritte, wohl bedeutendste und am besten erhaltendste in Dresden in der Sächsischen Landesbibliothek. Er ist neben der Gutenberg-Bibel das Schmuckstück der Sammlung im begehbaren Tresor. Wer mehr darüber lesen möchte, findet hier viele Infos darüber und man kann den Dresdener Maya-Codex auch in hoch aufgelöster digitalen Form im Internet anschauen.

http://www.slub-dresden.de/sammlungen/handschriften/maya-handschrift-codex-dresdensis/

Die eigentlichen Bewohner der Anlage sind heute die vielen Lebewesen des Regenwaldes: kleine und große Tukane, Brüllaffen, die sich beim Avocado-Schälen von uns nicht ablenken lassen, und etliche Familien von Nasenbären, die teilweise so zutraulich sind, dass sie die Touristen wegen Futter anbetteln.

9Affe

Sayaxche und Aguateca 30./31. August

Auf dem Weg nach Norden liegen am Rio Pasión drei kleinere Maya-Stätten, die im Reiseführer beworben werden. Wir steigen in Sayaxche aus und finden gleich am Ufer des Flusses unser Hotel. Hier sind wir die einzigen Touristen weit und breit. Auf der Hotelterrasse haben wir den besten Ausblick auf den Fährverkehr über den Fluss. Es gibt keine Brücke, also müssen alle LKWs, PKWs und Motorräder auf die große Fähre mit zwei drehbaren Außenbordern. Die Außenbordmotoren sind mit jeweils einem Palmendach geschützt. Personen nehmen die kleinen schlanken Boote und fahren auf der anderen Seite mit den „collectivos“ weiter. Ein unterhaltsames Schauspiel, dieses Leben am Fluss.
1Fähre

2Fähre1

Auf der großen Hotelterrasse werden wir von dem Besitzer zum Bier eingeladen, mit seiner Familie und Freunden sitzen wir gemütlich beisammen und plaudern über Deutschland und Guatemala. Ich stelle ein paar Fragen zu den kilometerlangen Plantagen für Palmöl, an denen wir entlang gefahren sind und erhalte zunächst auch bereitwillig Auskunft: Wanderarbeiter sind da hauptsächlich angestellt, nur wenige Bewohner der umliegenden Ortschaften finden da Beschäftigung. Als ich dann aber nach den Umweltproblemen frage, kommt eine misstrauische Gegenfrage, ob ich denn von einer Organisation käme, der Hotelbesitzer wird recht einsilbig, wir wechseln das Thema.

Und dann erinnern wir uns, bereits davon gelesen zu haben, dass im Mai und Juni bei starken Regenfällen die Bassins mit Düngemitteln in der Palmöl-Plantage übergelaufen und in den Rio Pasión geflossen sind. Tausende Fische starben und die Flussfischer stehen nun ohne Einkommen da. Eine Bürgerinitiative versucht seither mit Beschwerden und Eingaben in der Hauptstadt die Betreiber der Plantage zur Zahlung von Entschädigungen zu verklagen. Allerdings gehört die Plantage der einflussreichen Molina-Familie und das bedeutet eigentlich ein Kampf gegen Windmühlen. Später, Mitte September, lesen wir in der Zeitung, dass ein Richter in Guatemala City angeordnet hat, die Plantage für 6 Monate zu schließen, eine Untersuchungskommission soll eingesetzt werden. Aufgebrachte Wanderarbeiter, die daraufhin ihre Jobs verloren, errichteten Straßenblockaden, nahmen drei Menschen als Geiseln und dann wurde auch noch der Sprecher der Bürgerinitiative, ein ortsansässiger Lehrer, auf offener Straße von einem Motorradfahrer erschossen.

7Palmöl
Truck mit den Früchten der Ölpalme
8Palmöl1

Für den nächsten Tag sind wir mit Ernan verabredet. Mit seinem Boot fahren wir eine gute Stunde lang den Fluss aufwärts bis zur ehemaligen Mayastadt Aguateca. Sie wurde um 250 n.Chr. gegründet und knapp 500 Jahre später, zusammen mit dem ebenfalls am Fluss gelegenen Dos Pilas, zu einer Doppelhauptstadt ausgebaut, zeitweilig lebten mehrere tausend Menschen in dieser gut befestigten Stadt.

Unterwegs fliegen immer wieder Kormorane auf, hüpfen schwerfällig übers Wasser, bis sie endlich in der Luft sind.

6Reiher

Aguateca liegt auf einer Anhöhe an einer strategisch günstigen Stelle des Flusses. Wir laufen etwa 10 min den Berg hoch, überqueren einen Verteidigungswall bevor wir die ersten Gebäude sehen können. Wohnanlagen, Verwaltungsgebäude und ein Tempel können besichtigt werden, Stelen mit rätselhaften Verzierungen stehen davor. Zuletzt kommen wir auf einen schönen Platz, zwei fast identische Gebäude an der Stirnseite, eines davon mit einem Thron, von dem man einen eindrucksvollen Blick auf den Platz hat.

Ernan erzählt, dass er in den 90er Jahren bei den Ausgrabungen dabei war, Bäume gefällt und Büsche gerodet hat, wochen- und monatelang mit den Archäologen im Camp gelebt hat.

3Aguateca

4Aguateca1

5Aguateca2

Ruhig und friedlich ist es, wir sind wohl die einzigen Besucher an diesem Tag.

Lanquin und Semuc Champey, 25. – 29. August

1Berge

Lanquin, ein kleines Bergdorf im Hochland. Dort kommen wir spätnachts mit dem Mikrobus für Touristen an, werden mit anderen Gästen auf einen Pickup verladen und weiter geht es noch mal eine viertel Stunde lang über Stock und Stein steil bergauf und wieder bergab. Überall ist es dunkel, die paar Häuser am Wegrand kaum beleuchtet, Hunde rennen bellend hinter uns her.

Noch ein Bier, dann fallen wir müde ins Bett. Am nächsten morgen erwachen wir im Urwald, nein nicht ganz, es gibt auch Hühner und Truthähne, die uns morgens noch vor Tagesbeginn mit ihrem Gackern und Krähen aufwecken. Einfache Häuschen und Zimmer, kalte Duschen, so wollten wir es haben.

3Fluss1

4Schwimb

Nach dem Frühstück gehen wir los, die letzten 3 km bergab zu den Wasserfällen von Semuc Champey. Die umliegenden Maya-Dörfer haben sich zusammengeschlossen und betreiben den Naturpark inzwischen selbst, nachdem er jahrelang vom Bürgermeister in Lanquin vernachlässigt wurde. Es gibt Parkwächter die alles pflegen, Holzbohlenwege, steile Holztreppen zum Mirador, dem höchsten Aussichtspunkt. Dort kann man auf einer Plattform stehen, die über den steilen Felsen hängt und hat einen herrlichem Blick nach unten: eine von der Natur geschaffene Kalkbrücke, Naturschwimmbecken mit türkis leuchtendem Wasser. Der Rio Cahabon hat sich hier außerdem ein unterirdisches Höhlensystem geschaffen.

Nach dem Abstieg freuen wir uns über die Abkühlung in den Becken, um uns herum der dichte grüne Wald, aus dem wir die Zikaden rufen hören.

5Schwimmb1

Am anderen Tag fahren wir nach Lanquin mit Pickup und Tuk-Tuk weiter zu einem anderen Höhlensystem, etwas außerhalb des Ortes gelegen. Leider haben wir unsere Taschenlampen nicht mit, aber Pablo, unser Führer, hat für alle Fälle Kerzen dabei und mit denen wird es richtig romantisch und schaurig zugleich. Gleich in der ersten Höhle sehen wir den Fledermaus-Kindergarten, abends in der Dämmerung fliegen dann alle Fledermäuse zu Tausenden heraus zur nächtlichen Jagd. Pablo kennt die Tropfsteinhöhle so gut, er könne auch blind darin herumlaufen. Er zeigt uns alle wundersamen Gebilde, die sich im Laufe der Jahrtausende durch stetiges Tropfen gebildet haben. Mit viel Fantasie kann man hier einen Jaguarkopf sehen, dort einen Elefanten, dann eine Micky-Maus, eine Opernbühne mit imposanten Vorhängen. Pablo erzählt uns noch, dass seine Großmutter als junge Frau das unterirdische Höhlensystem genutzt hat, um bis nach Coban, der nächsten großen Stadt, zu gelangen. Eine mühsame Wanderung mit Fackeln, beladen mit den Waren für den Markt und trotzdem schneller als oberirdisch. Wie viel davon ist Wahrheit und wie viel Dichtung?

6Höhle

Wir sind beeindruckt und verlassen die Höhle nach gut zwei Stunden mit vielen Bildern im Kopf.