Coromandel Halbinsel

Und auf einmal ist der Sommer da, ein sonniger Tag folgt auf den anderen! Vergessen sind Regen und ungemütliche Kälte der vergangenen Monate.

Die Halbinsel Coromandel ragt wie ein Zeigefinger raus ins Meer, grüne Berge, schroffe Felsenküste und dazwischen schöne Sandstrände. Hier können wir den Sommer ausgiebig genießen, fahren von einer Bucht zur nächsten, vorbei an Muschelfarmen, schlängeln uns durch die vielen Inseln und Felsbrocken vor Coromandel Town, angeln, graben nach Muscheln, fotografieren Sonnenuntergänge. Bekommen lieben Besuch an Bord, treffen Segler wieder, die wir auf den Marquesas und Tonga kennen gelernt haben, sitzen gemütlich viele Stunden mit ihnen zusammen und erzählen von unseren Erlebnissen und besprechen technische Probleme der jeweiligen Boote.

Der Dezember verfliegt im Nu – und um ihn nicht ganz zu vergessen, hier ein paar Impressionen.

Die kleinste Bibliothek der Welt

Meine kleinste Bibliothek der Welt befindet sich in Port Fitzroy auf der Insel Great Barrier.

Die Geschichte dieser öffentlichen Bibliothek ist schnell erzählt, erst war es nur ein Bücherbord in einem Schuppen am Hafen bei der Bootsrampe, wo auch die eingehende Post sortiert wurde. Der „National Library Service“ unterstützte diese kleine Sammlung und versorgte sie kontinuierlich mit neuen Büchern.

1978 wurde der Schuppen am Hafen abgerissen und ein neuer gebaut. Die Bücher zogen um, ein paar hundert Meter weiter die Straße hoch neben das „nursing house“, die Praxis der Krankenschwestern. In dem Holzschuppen, wo zuvor ein Generator stand, wurden ein paar Regale aufgebaut, die Bibliothek um Biographien und Nachschlagewerke sowie Kinderbücher und Puzzle erweitert. Anfangs musste die Bibliothek sich den Raum mit einigen Mäusen und Spinnen teilen, bis ein wasserdichtes Dach und ein neuer Anstrich angebracht wurden und damit die Mitbewohner in die freie Natur entlassen werden konnten.

Die Bibliothekarin wünschte sich 1986 nichts sehnlicher als ein neues Gebäude, das den alten Generatorschuppen ersetzen sollte, aber der Gemeinderat lehnte den Antrag erst einmal ab. Während einer feuchtfröhlichen Party kam die Idee auf, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und im Schutz der Dunkelheit mit einem Neubau zu beginnen. Das war dann doch nicht nötig, denn der Gemeinderat ließ sich umstimmen. Zwei Tanzbälle als Spendengala brachten das nötige Geld zusammen, eine Holzfirma lieferte Baumaterial zu günstigen Preisen, mit der Fähre kamen wetterfeste Fenster aus zweiter Hand vom Festland, auch diese als Geschenk. Viel ehrenamtliche Arbeit wurde von den Insulanern geleistet und schließlich konnte die Einweihungsparty mit viel Champagner begangen werden. Opo Ngawata, der örtliche „kaumatua“ (Stammesältester der Maoris), segnete die Bibliothek.

Die North Great Barrier Library Association (Verein der Bibliothek von Nord-Great Barrier) kümmert sich um die Belange der Bibliothek, die Bibliothekarinnen arbeiten ehrenamtlich!

Ein kleiner Jahresbeitrag der Bibliotheksbenutzer sichert den Ankauf und die Pflege der Bücher und angesichts des doch begrenzten Platzes müssen ständig Exemplare ausgesondert werden. Darum steht ein Bananenkarton draußen auf der überdachten Terrasse, aus dem man sich für 2 Dollar ein Buch mitnehmen kann.

Die kleinste Bibliothek der Welt?

Zwei Wochen später, auf der anderen Seite der Insel spazieren wir durch das Örtchen Tryphena und stehen auf einmal wieder vor einer Bibliothek – noch kleiner? Sieht so aus! Ich habe die Bücher nicht nachgezählt und den Raum nicht ausgemessen. Aber kommt es bei Bibliotheken immer auf die Größe an?

Aotea – Great Barrier Island

Es ist schon halb sieben Uhr abends und die Sonne steht immer noch hoch am Himmel. Der Blick auf den Kalender zeigt Anfang Dezember, ganz ungewohnt für uns, dass die Tage immer noch ein bisschen länger werden. Wir haben nun schon seit mehr als einer Woche ein festsitzendes Hoch über Neuseeland, das uns einen sonnigen Tag nach dem anderen beschert. Die ersten Tage haben wir noch brav Rost geklopft und das Deck gestrichen, nun machen wir eine Pause und es fühlt sich fast so an wie Urlaub. Von Bucht zu Bucht tuckern, mal hier, mal da länger bleiben, Fische fangen, Delfinen beim Jagen zuschauen, Wandern gehen.

Die Insel Great Barrier liegt gar nicht so weit von Auckland entfernt und doch ist man hier in einer ganz anderen Welt, so abgeschieden fühlt es sich an, hier zu leben. Alles ist langsamer, stiller, ruhiger. Früher, ohne die modernen Kommunikationsmittel, und ohne die Anbindung mit Flugzeug und Schnellfähren, war das Leben auf der Insel hart und entbehrungsreich.

So ziemlich alles hat es hier schon gegeben seit der Ankunft der europäischen Einwanderer: Gold- und Silbergräber in kleinen Minen, ein großes Sägewerk, das nicht nur den kompletten Kauri-Bestand der Insel verarbeitet hat, bis nichts mehr da war, sondern auch Holz vom Festland zerkleinerte. Und zuletzt gab es noch eine Walstation, wo bis vor ein paar Jahrzehnten Wale aus dem Meer heran gebracht und verarbeitet wurden.

Ende der 60er Jahre operierte ein Piratensender im Hauraki Golf: ein Radiosender ohne amtliche Genehmigung ging auf Sendung außerhalb der 5-Meilen-Zone. Ein paar Mal gerieten die Radiomacher bei schlechtem Wetter in Seenot und das erste Boot strandete an den Felsen im Südwesten der Insel. Die Insulaner zeigten sich solidarisch und halfen ihnen, wo sie nur konnten, beim Crewwechsel, Proviant laden, sie waren schon immer ein eigenes Völkchen.

Inzwischen wird Great Barrier Island von Auckland aus mit verwaltet und in vielen Bereichen finanziell und personell unterstützt, sei es beim Straßenbau, der Schule oder dem Krankenhaus, was die meisten Bewohner dankbar annehmen. Auch die Naturschutzbehörde DOC (Department of Conservation) ist hier aktiv und kauft immer weiter Land auf. Insulaner werden bei der Instandhaltung der gut ausgebauten Wanderwege beschäftigt, Kauri Bäume werden neu gepflanzt und brauchen einen besonderen Schutz, der nachhaltige Tourismus wird damit gefördert. Die Insel ist „pest-free“, also ohne Possum, Ratten und sonstige Nagetiere und möchte das gerne bleiben. Ein gutes Zeichen für einen sich erholenden Busch und Wald sind die vielen Pohutukawa Bäume, die jetzt langsam ihre rote Blütenpracht entfalten. Possums vergreifen sich nicht nur an Bodenbrütern, sie haben es auch auf junge Bäume abgesehen und knabbern wohl wirklich alle Triebe ab. Die Vögel hört man laut singen und auf unseren Wanderungen können wir sie nicht nur hören sondern auch ein paar der selteneren Exemplare sehen.


Pohutukawa Baum


Auf dem Weg zum Mount Hobson geht es über viele Brücken…

… und vor dem Gipfel hunderte von Treppen hinauf

Freitag abends ist der Boat Club in Port Fitzroy ein Treffpunkt für die Segler und Fischer in der Gegend, wir unterhalten uns mit einem Seglerpaar, das schon wochenlang hier mit seinem Boot ankert und diese Ecke am liebsten gar nicht mehr verlassen möchte.


Abendstimmung in Port Fitzroy

Auf der kleinen Insel Rangiahua, die zu Great Barrier gehört, ankern wir neben einem schönen alten Fischerboot und binden unser Dinghi an einem gut gebauten Steg fest. An Land sehen wir einen Mann in seinem großen Garten arbeiten. Wir fragen ihn, ob wir ein bisschen über die Insel spazieren gehen dürfen. Ja, natürlich gerne. Er ist einer der letzten Hummerfischer und lebt mit seiner Frau und einer Tochter hier, die anderen vier Kinder arbeiten in Australien und Auckland, und kommen mit den Enkeln nur noch in den Ferien zu Besuch. Als er hört, dass unser Hummerkorb immer leer war, meinte er: „Ach, hätte ich das gewusst, dann hätte ich die große Languste von gestern Abend in euren Korb gepackt, statt sie zurück ins Meer zu werfen.“ Und er fragt kenntnisreich, wie es nun in Deutschland mit der Regierungsbildung weiter geht. (Das passiert und immer wieder, dass wir hier in Neuseeland über das politische Weltgeschehen von Europa und anderen Kontinenten diskutieren können. Dabei sind wir jedes Mal beschämt, denn wir wussten bis vor einem Jahr fast bis gar nichts von den Ländern im Pazifischen Raum).


Blick vom Berg der Insel Rangiahua


Blühender Flachs

Im Dörfchen Whangaparapara treffen wir die neue Besitzerin der Great Barrier Lodge, in einer Woche kommen die ersten zahlenden Gäste, ein Café und Restaurant gibt es bei ihr und dazu noch einen kleinen Supermarkt. Die Handwerker hört man klopfen und viele Helfer wuseln herum und trotzdem nimmt sie sich Zeit für einen kleinen Plausch, erzählt, dass die mit ihrem Vater zurück auf die Insel gezogen ist, das Leben in Auckland war ihr einfach zu hektisch. Klaus, ein Deutscher, früher Ingenieur, dann Segler und jetzt Fischer, lebt nun schon seit etwa 30 Jahren in dieser Ecke von Neuseeland. Er erzählt von Zeiten, als es noch fast vierzig Fischerboote im Hafen gab, aber nun sind sie nur noch zu zweit. Aber nicht etwa, weil es weniger Fisch gäbe, meint er, sondern weil man einfach nicht mehr davon leben könne, nachdem die Preise für den Fisch in den Keller gegangen sind, nur noch ein Drittel des früheren Preises könnte man heute erwarten.

Ein anderer Bewohner, der fast jeden Tag mit der Angel am Hafen steht, unterhält sich auch länger mit uns. Sie mögen hier die Abgeschiedenheit und als im Ort Whangaparapara zwischenzeitlich um die 33 Einwohner ansässig waren, überlegten sie, ob es nun nötig sei an der einen und einzigen Kreuzung eine Ampel zu installieren…

Nun zieht es einerseits ruhebedürftige Großstädter hierher und viele junge Leute, die auf der Insel keine Arbeit finden, gehen weg. Freiwillig die einen, und weil es nicht anders geht, die anderen.

Wir haben uns von der Ruhe der Insel anstecken lassen und wollen am liebsten gar nicht mehr weg von dieser schönen Ecke mit den vielen freundlichen Menschen.


Manuka in voller Blüte

Champagner im Pool

„Champagne Pool“, das klingt doch nach Luxushotel und Wellness, möchte man im ersten Moment denken! Nein, nicht ganz… Warm ist es da schon, richtig heiß sogar, dafür aber stinkt es gewaltig nach Schwefel und man muss den Atem anhalten, wenn einem der Wind die Dampfschwaden ins Gesicht weht.

Es ist schon eine Weile her, als wir im Oktober auf der Nordinsel unterwegs waren, aber ich möchte gerne nachträglich davon erzählen.

Bei den beiden großen Seen Taupo und Rotorua befindet sich das vulkanische Plateau von Neuseeland: Thermalquellen, Geysire, blubbernde Schlammlöcher. Überall am Straßenrand sehen wir Werbetafeln, Hinweisschilder für Parks zum Besichtigen und für Hotels und Kuranlagen, wo man sich verwöhnen lassen kann.

Zuerst probierten wir die heißen Quellen aus, die in einem öffentlichen Park neben einem Fluss sprudeln. Sobald sich das kochend heiße Wasser mit dem kalten Flusswasser vermischt, hat es eine angenehme Badewannen-Temperatur und waren nicht die Einzigen mit einem Handtuch unterwegs.

Um ein paar Naturspektakel zu sehen, entschieden wir uns für das „Wai-o-Tapu“ Wonderland, ein Geothermal-Park mit Eintritt. Hier kann man auf gesicherten Wegen entlang spazieren und alle möglichen Formen und Schauspiele dieses Geothermalgebietes bewundern: neben einem Geysir und heißen Quellen gibt es Schlammlöcher, warme Seen und die wohl größten Sinterterrassen Neuseelands.

Wo es aus der Erde heiß und dampfend heraus kocht, sieht es aus wie eine Mischung aus Wüste und Mondlandschaft. Hier ein Krater, der schwefelgelbe Ablagerungen an den Seiten hat und „Devils Hole“ (Teufelshöhle) Höllenloch genannt wird, und dort der Champagner-Pool, ein richtig heißer See, der in vielen verschiedenen Farben schillert, von rostrot über grün und blau, und die darüber ziehenden Dampfschwaden eine tolle geheimnisvolle Atmosphäre erzeugen.

Ein herrliches Farbenspektakel bieten auch die kleineren und größeren Kraterseen, unterschiedliche Chemikalien sorgen für eine milchgrüne oder weißgelbe Färbung und auch Algen sind daran beteiligt, eine spezielle Art, der es bei diesen heißen Temperaturen besonders gut gefällt.

Sogar eine Entenmutter hatte sich mit ihrem Nachwuchs der Umgebung angepasst und schwamm seelenruhig mit ihren Küken in einem milchig-grünen Teich. Eine Mutter-Kind-Kur der besonderen Art.

Kauri – der Riese des Waldes

Ein Kauri ist ein Dinosaurier unter den Bäumen, vor Jahrmillionen gab es ihn schon und seither hat er sich kaum verändert. Er wächst kerzengerade in die Höhe, ein langer Stamm ohne Astansätze, die Baumkrone beginnt weit oben und überragt alle anderen Bäume im Wald. Botaniker zählen den Kauri zu den immergrünen Araukarien, die im subtropischen Raum heimisch sind. Er ist ein langlebiges Gewächs, bis zu 2000 Jahre alt kann er werden. Sein einziger Nachteil ist, er wächst sehr langsam.

Bevor die europäischen Einwanderer in Scharen nach Neuseeland kamen, gab es undurchdringliche Wälder auf der Nordinsel voller Kauri. Die neuen Bewohner brauchten Holz für ihre Häuser, die Schiffsbauer waren begeistert von den geraden und sehr stabilen Stämmen und wollten dieses Holz auch haben. Außerdem produziert der Kauri ein Harz, das noch besser als das seiner Verwandten in Ozeanien ist und sich hervorragend für Lacke aller Art eignet.

Es entstand der Beruf des „gum-diggers“, des Harz-Sammlers: große Klumpen von Kauri-Harz, das über Jahrhunderte in Sümpfen konserviert worden war, wurden ausgegraben. Als in den Sümpfen nicht mehr viel gefunden wurde, mussten die lebenden Bäume selbst herhalten. Die Rinde eines Kauri-Baumes wurde eingeritzt und nach einer Weile das tropfende Harz geerntet. Eine genauso harte und gefährliche Knochenarbeit wie das Graben in den Sümpfen. Und ähnlich wie beim Goldschürfen wurden die wenigsten Sammler davon reich…


Längsschnitt durch einen Kauri-Stamm

Das Abholzen der Kauri kommt aus heutiger Sicht einem Raubbau gleich – mit ungläubigem Staunen sind wir durch das Kauri-Museum in Matakohe von Raum zu Raum gegangen und haben uns die Exponate angeschaut. Wie viel Energie und Erfindungsgeist wurde investiert, um diese riesigen Bäume zu fällen, sie zu zersägen und dann die einzelnen Stücke durch das unwegsame bergige Land zu transportieren. Dämme wurden gebaut, um die Wasserkraft zu nutzen, ein einfaches aber gut funktionierendes System mit einer wiederverwendbaren Klappe, Ochsengespanne wurden eingesetzt, die die Stämme dann weiter zogen bis zu den neu angelegten Bahnlinien. In nur 100 Jahren schafften es die neuen Siedler fast allen Kauri im Norden der Nordinsel abzuholzen und den größten Teil der Wälder in Weideland umzuwandeln.

Erste Bemühungen gab es schon in den 1920er Jahren, Naturschutzgebiete für den Kauri und für den subtropischen Wald mit all seiner Vielfalt einzurichten, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnten ausreichend viele Waldgebiete in Reservate umgewandelt werden, so dass damit der Schutz des Kauri erst wirksam wurde.

Heute ist der Kauri wohl nicht mehr vom Aussterben bedroht, wird in den Schutzgebieten aufgeforstet, darf aber nicht mehr abgeholzt werden. Allenfalls altes Kauri-Holz aus Sümpfen kann zurzeit noch kunsthandwerklich verarbeitet werden, es ist ein schönes Holz, das in Form von Schalen oder Brettchen gut zur Geltung kommt.

Und nun gibt es ein neues Problem, eine aus Australien eingeschleppte Krankheit, die die Bäume verdorren lässt: „Kauri dieback“. Deshalb müssen alle Besucher der Nationalparks, bevor sie wandern wollen, am Eingang an einer Schleuse die Schuhsohlen abbürsten und die Schuhe mit einer speziellen Lösung besprühen, damit diese Krankheit nicht durch infizierte Erdkrümel unkontrolliert weiter verbreitet wird.

Für die Maori waren und sind einzelne große alte Kauri-Bäume heilig und sie spielen in der Mythologie eine große Rolle. So sind der größte noch lebendige Kauri-Baum, der „Gott der Wälder“, Tane Mahuta (Stammumfang 13,70m, 51m hoch und die Blätterkrone beginnt erst bei knapp 18m über dem Erdboden) und der nicht ganz so hohe, dafür aber dickere „Vater des Waldes“, Matua Ngahere (Stammumfang 16,41m und knapp 30m Höhe) nicht nur für die durchreisenden Touristen interessant.

Diese Bäume und noch ein paar mehr können in einem Waldstück nicht weit voneinander entfernt besichtigt werden. Wir sind beeindruckt von ihrer Schönheit und betrachten sie mit einer gewissen Ehrfurcht, wenn wir daran denken, dass sie schon da standen, bevor Captain Cook seinen Weg nach Neuseeland fand und sogar noch bevor die ersten Kanus der Maori anlandeten!

Milchstraße, unterirdisch…

Wer kennt sie nicht, die Glühwürmchen, die im Juni abends im Wald umherschweben, eigentlich sind das Leuchtkäfer. Aber es gibt tatsächlich auch richtige Glühwürmchen: sie leben auf der anderen Seite der Welt, tief unten in Höhlen, und kommen ganz ohne Tageslicht aus.

Die „Glowworm-Caves“ in Neuseeland sind eine große Touristenattraktion und die wollen wir auf keinen Fall verpassen. Also buchen wir eine Tour für dreieinhalb Stunden, eine kleine Gruppe von zehn Leuten, zwei Höhlen. Zuerst geht es mit dem Bus an Buschland und undurchdringlichem Regenwald vorbei, dann kommt wieder ein Stück sattgrünes Farmland mit Rindvieh drauf.

Unter all diesen Hügeln verbergen sich ein paar Geheimnisse. Das kalkhaltige Gestein in dieser Gegend wird vom Wasser ausgewaschen und bildet unterirdische Höhlen.

Unsere erste Station ist eine „Trockenhöhle“ mit geraden gesicherten Wegen. Ein schönes Lichtdesign setzt die vielen Stalagmiten und Stalaktiten wirkungsvoll in Szene. Wir kramen unser verschüttetes Wissen aus dem Erdkundeunterricht hervor, was war noch mal genau was? Ein paar Fossilien und sogar Knochen von dem inzwischen ausgestorbenen Moa-Vogel liegen herum. Ab und zu kommt auch ein bisschen Tageslicht rein: da ist die Decke der Höhle ausgewaschen und eingestürzt. Oberirdisch bilden sich kleine Krater in der Hügellandschaft, Dolinen genannt (danke Herr Philippi, Erdkunde!) Einsturzgefährdete Stellen werden von den Farmern vorsorglich eingezäunt, damit Rind und Schaf nicht versehentlich ein paar Meter tiefer landet.

Aber die Hauptrolle haben die Glühwürmer (Arachnocampa luminosa), von den Maori „Titiwai“ genannt. Ein paar von ihnen leben auch in dieser Trockenhöhle, wo Wasser an den Wänden entlang läuft und unser Guide nutzt die Gelegenheit, uns einiges über ihren Lebenszyklus zu erzählen. Wenn sie schlüpfen sind sie ungefähr 3-5mm lang, dünne braune Dinger. Je nach Nahrungsaufkommen leben sie 6-12 Monate und wachsen bis zu 30mm aus. In dieser Zeit kriechen sie an der feuchten Decke der Höhlen entlang und spinnen klebrige Fäden, die von der Decke herunterhängen. Mit ihrem fluoreszierenden Licht locken sie allerlei Fliegen und Motten an, die sich dann in den Fäden verfangen. Sobald die Beute am Faden klebt, ziehen die Glühwürmer den Faden hoch und verspeisen sie genüsslich.

Solcherart vertreiben sie ihre Zeit, bis sie sich verpuppen und nach einer Weile die Fliegen schlüpfen. Die fertigen Fliegen leben gerade mal 3-4 Tage lang. In dieser Zeit paaren sie sich, die Männchen sterben nach 3 Tagen, das Weibchen lebt einen Tag länger, es muss noch schnell die Eier legen, aus denen wiederum die Würmer schlüpfen… Und alles geht von vorne los.

Zurück in die Sonne, eine Pause mit Tee und Keksen, dann geht es weiter zur zweiten Höhle. Dieses Mal muss jeder einen Helm mit Stirnlampe aufsetzen, bevor wir an einem kleinen rauschenden Bach entlang in die Höhle hinein gehen.

Ein Stück weiter drinnen, steigen wir in ein großes Schlauchboot und knipsen unsere Lampen aus und auf einmal sind einige kleine Lichter an der Decke zu sehen. Langsam gewöhnen sich unsere Augen an die Dunkelheit ein paar weitere Lichter tauchen auf.

Unser Guide bittet uns, in die Hände zu klatschen, und noch mehr Pünktchen beginnen zu leuchten. Ganz schön eitel, diese Glühwürmer? Die Schallwellen bewegen die Fäden, die Würmer glauben, ihre Beute sei im Anflug und beginnen zu leuchten. Ein „Ah!“ und „Oh!“ geht durch die Höhle, dann wird es still, nur der kleine Wasserfall rauscht und wir schauen nur noch, es ist magisch schön! Unser Schlauchboot wird einige Meter auf dem Bach hin und her gezogen, wir fahren sozusagen unter der Höhlen-Milchstraße entlang. Einzig, unsere Fotos sind nichts geworden. Aber von den Organisatoren der Tour bekommen wir ein paar traumhaft schöne Bilder zugeschickt, die wir hiermit mit Dank an sie verwenden.

Muktuk im Winterlager

Winterlager

Da liegt nun die Muktuk in ihrem Winterlager, gut vertäut an vier Pfählen im Fluss von Whangarei. Die Segel sind abgeschlagen, alle Ventile geschlossen, Boot aufgeräumt. Ein junger Segler aus Frankreich schaut regelmäßig vorbei, ob alles in Ordnung ist. Und nun darf sie träumen von den schönen Buchten und der Wildnis von Stewart Island und Fiordland, während der Winter in Neuseeland einzieht.
Wir sind derweil für mehr als drei Monate in Deutschland und freuen uns über den wunderbaren Sommer hier!

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Einmal rund Neuseeland

3. – 9. Mai 2017

Segel

Wir entschieden uns, die Westküste der Nordinsel von Neuseeland hoch zu segeln, zurück zur Bay of Islands. Ein ordentlicher Wind würde uns ein gutes Stück Richtung Norden schieben. Der einzige Haken dabei: 4m Welle. Von jetzt auf gleich, vom ruhigen Wasser aufs schaukelnde Meer ohne Eingewöhnungszeit. Aber es half nichts, Augen zu und durch!

Alles an Deck wurde fest gezurrt, unter Deck räumten wir gründlich auf und verstauten die beweglichen Sachen, für drei Tage hatte ich vorgekocht, Brot gebacken, die Teekanne für die Nacht gefüllt und los.

Wellen

Zwei Tage lang blies der Wind mit 5-6Bf, die Muktuk sauste mit zweifach gerefftem Groß und der Fock mit 6-7kn dahin. In manchen Böen schaffte sie sogar 8kn, dabei vibrierte das ganze Stahlgehäuse, die Wanten fingen an zu singen. Und die neuen Segel durften zeigen, was sie aushalten.

Wir wurden ordentlich durch geschaukelt und so ein erster Tag auf See kann ziemlich hart und lang werden, der Lichtblick des Tages ist ein warmes und reichhaltiges Essen. Nur dieses Mal nicht: Der Kartoffelsalat hatte zu wenig Salz und war zu trocken. (Ok, das kann man ja noch reparieren und die Wiener Würstchen dazu von Karstens Wurstladen in Nelson schmeckten wie richtige Wienerle). Aber die Linsensuppe war hoffnungslos ungenießbar, zu viele bittere Linsen. Immerhin, nicht alles war schief gegangen, wenigstens die Rindsuppe war in Ordnung!

Rasmus ließ immer mal wieder ein paar Kübel Wasser über die Reling schwappen und mit etwas Glück, erwischte man den Platscher beim Ausguck und kam tropfnass wieder runter. Also, rein ins Ölzeug, Ausguck gehen, raus aus dem Ölzeug, wieder auf die Bank hinlegen, Decke über die Nase ziehen, dösen. Und das alle 15 Minuten, 24 Stunden lang.

Ja, eine Seefahrt die ist lustig…

Am dritten Tag ließ der Wind deutlich nach und die See beruhigte sich allmählich. Auch uns ging es wieder besser, nur müde waren wir. Andreas hing am Morgen die Angel raus und schon nach 10min biss ein respektabler Bonito an. Daraus zauberte Andreas zu Mittag Dreierlei vom Fisch: Tartar, Cajun und Poisson Cru. Mmm…

Der Wind schlief am vierten Tag langsam ein, erst kam noch unser Code0, das Leichtwindsegel, zum Einsatz und schließlich fuhren wir ein paar Stunden unter Motor. Um nicht die ganze Nacht durch tuckern zu müssen, ankerten wir abends in einer offenen schönen Bucht zwischen dem Cape Reinga und dem Nordkap von Neuseeland. Morgens erwartete uns ein herrlicher Anblick, wir hatten ein Stück des „90-Meilen-Strandes“ vor der Nase, die Brandung rauschte, zwei einsame Spaziergänger waren zu erkennen und hinter den grün bewachsenen Dünen versteckte sich eine kleine Hütte. Sonst nichts!

Ninetymile

Nordkap

Nachdem wir ums Nordkap herum waren, hielt sich der Wind an die Vorhersage und änderte die Richtung, nahm uns freundlich die Ostküste mit runter . Eine Nacht noch auf See und am nächsten Morgen konnten wir schon die ersten grünen Berge der Bay of Island sehen.

Berge

Bei der Einfahrt erwartete uns eine Herde Delfine, eine große Art, 2m und länger, sie surften mit der Bugwelle, wechselten sich ab, zwei Mal pusten, dann durfte der nächste ran. Eine Mutter zeigte ihrem Jungen, wie es geht und manchmal drehte sich ein Delfin auf die Seite und schaute zu uns hoch! So ein toller Empfang!

Delfin

Damit hatten wir es geschafft! Neuseeland einmal umrundet!

Boote

Bei so vielen Booten in der Bucht war es nicht so einfach, einen Ankerplatz zu finden. Viele von ihnen warteten nur auf das nächste Wetterfenster, um hoch zu den Inseln zu segeln, nach Fidschi, Neukaledonien oder Tonga, zurück in die Tropen.
Wir aber wollen noch ein Jahr in Neuseeland bleiben, es gibt noch so viele schöne Ecken zu erkunden.

BooteNebel

Nelson

28. April – 2. Mai 2017

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„Yeah! The best kept secret of New Zealand!“ – das am besten gehütete Geheimnis, das hörten wir ein paar Mal als Bestätigung, als wir in Nelson mit Leuten sprachen und ihnen sagten, wie gut uns ihre Stadt gefällt.

Nachdem unser Dinghi weg geschwommen war, mussten wir in die Marina an den Steg. Zu Fuß übers Wasser laufen, das können nur Auserwählte. Aber das war gar nicht so schlimm, gab es doch zur Abwechslung mal warme Duschen und Waschmaschinen mit Trocknern dazu, was wir ausgiebig nutzten. Und ins Zentrum von Nelson ist es nur ein Spaziergang von 10-15min, an der langgezogenen Marina und dem Fluss entlang und durch einen hübschen Park.

Von Touristen überlaufen ist der Ort nicht, das stimmt. Und dabei er hat so viele schöne Ecken zu bieten, viele Parks, eine städtische Kunstgalerie: die Suter Art Gallery, ein Kino in einem schönen Art-Deco-Gebäude, die große öffentliche Bibliothek, die sogar am Sonntag geöffnet hat, Glasbläser, Töpfer und Juweliere bieten in schönen Läden ihre Kunstwerke an. Für ein Theaterfestival wird geworben.

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Und es gibt den berühmten Farmers Market am Samstag, den schon Camilla und Prinz Charles bei Ihrer letzten Tour in Neuseeland besuchten, wie die Webseite stolz berichtet. Auf einem großen Gelände mitten in der Stadt, an Werktagen ein Parkplatz, stehen dicht an dicht die Stände mit Kunsthandwerk, Schokolade, lokal geröstetem Kaffee, für Permakultur wird geworben, dazwischen Obst und Gemüse, drei Bäcker konkurrieren mit Ciabatta und Vollkornbrot um die Kundschaft, ein deutscher Metzger, wo eine junge Frau in breitestem Bayerisch an der Theke bedient und daneben eine lange Schlange am Grill wartet, wo es frische Bratwürste im der Semmel gibt. Unser Einkaufswägelchen ist schnell gefüllt, so viele frische und gute Sachen gibt es nicht immer.

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Am Sonntag findet an gleicher Stelle ein Flohmarkt statt und auch sonst hat fast jedes zweite Geschäft im Zentrum auf und die Cafés und Lokale sowieso. Eine gemütliche Stimmung herrscht in der Stadt, herbstlich klares Licht, die Leute sitzen draußen an den Tischen in der Sonne.

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Neben dem vielen immergrünen Laub sieht man ab und zu einen rot-gelb gefärbten Baum im Herbstkleid. Am Ende der Hauptstraße führt eine große Treppe zur Kathedrale hoch, die zwischen den hoch gewachsenen Bäumen kaum zu erkennen ist. Im Inneren besticht die Mischung aus Stein und hölzerner Decke. Schlicht in der Ornamentik, es ist schließlich eine anglikanische Kirche, hat sie doch einen großen angelegten Chorraum mit einer riesigen Orgel an der Seite. Leider ist es der letzte Sonntag der Osterferien, so dass das regelmäßige Chorkonzert am Nachmittag ausfällt. Aber ja, wir wollen gerne irgendwann wieder kommen und vielleicht haben wir dann Glück, die Sänger von „Evensong“ mit ihren gregorianischen anmutenden Gesängen zu hören.

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„Yeah!“ – das kommt in fast jedem Satz vor. Nur wird es hier in NZ nicht, wie man meinen würde, in amerikanischer Manier ausgesprochen. Es klingt anders, eher wie“ jiiiieh“. Vor allem auf der Südinsel wird das „i“ nochmal stärker gedehnt eingesetzt. Wir haben uns anstecken lassen und mal schauen, ob wir nach einem Jahr wie ein echter „Kiwi“ klingen, wenn wir „Yeah!“ sagen…

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Tasman Bay

26.-29. April und 2./3. Mai 2017

Code0

In zwei Tagen schaffen wir die Strecke von Greymouth bis zur Tasman Bay, der Wind schiebt uns gemütlich voran, der neue Code0, unser Leichtwindsegel, zeigt, was er kann. Bis auch er anfängt zu flappen und wir den Motor anwerfen müssen für die letzten Meilen zur Nordküste der Südinsel.

Namensgeber der großen geschwungenen Bucht ist Abel Tasman, ein Niederländer, der von Indonesien her mit zwei Schiffen kommend, Neuseeland im Jahr 1642 als erster Europäer gesichtet und nach einer niederländischen Provinz benannte: Nieuw Zeeland. Er ankerte hier, betrat aber nie das Land. Ein Ruderboot der Maori näherte sich ihnen und leider lief die Begrüßungszeremonie schief, Maori und Europäer deuteten die jeweiligen Gesten und Rituale falsch, so dass in der darauffolgenden Auseinandersetzung vier Männer starben und Abel Tasman wieder davon zog.

James Cook hatte 125 Jahre später mehr Glück…

Wasser

Heute bietet sich ein ganz anderes Bild – wir tuckern in die Tasman Bay bei fast spiegelglattem Wasser, sehen überall kleine Sandstrände. Wanderhütten oder ein bis zwei Häusern stehen am Ufer, dahinter dicht bewachsene Hügel. Große und kleinere Ausflugsboote fahren die kleinen Buchten ab, Lautsprecher schallen. Dazwischen sausen Wassertaxis, die die Touristen zum Wandern oder Kajakfahren bringen und wieder abholen. Der Abel-Tasman-Nationalpark und der gleichnamige lange Wanderweg, der an der Küste entlang führt, ziehen viele Urlauber an. Abends wird es ruhiger und wir teilen uns die Ankerbucht mit zwei bis drei Segelbooten.

Felsen

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Wir fahren mit dem Dinghi herum und versuchen unser Anglerglück, aber es knabbern nur kleine Fische unseren Köder ab und nirgends ist ein großer Fisch, der sich überreden ließe, auf den Haken zu beißen. Dafür finden wir auf den Felsen ein paar der grünschwarzen Miesmuscheln fürs erste Mittagessen, die sich im Meer der blauschwarzen Muscheln verstecken. Später sehen wir Rochen im Wasser schwimmen, einer davon ist im Durchmesser fast größer als unser Dinghi.

Muscheln

Wir verlegen am nächsten Tag das Boot auf einen anderen Ankerplatz bei Adele Island. Dort gibt es eine große Sandbank, die bei Niedrigwasser trocken fällt und wo man nach Muscheln graben kann, nach den köstlichen „Pipi“, wie sie auf Maori heißen.

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Tagsüber spielt hier eine Rasselbande von 5-6 kleinen Pelzrobben, übermütige Strolche sind sie, neugierig und unerschrocken. Mit großen Kulleraugen und winzigen abstehenden Ohren kommen sie auf uns zu, der orangene Eimer gefällt ihnen sehr. Im nächsten Moment aber sind sie schon wieder abgelenkt, stupsen sie sich gegenseitig an, kämpfen spielerisch miteinander und sobald einer in Richtung Wasser watschelt, hüpfen die anderen hinter ihm her – und weiter ziehen sie am Ufer entlang.

Doch nun wollen wir weiter nach Nelson. Auf dem Rückweg werden wir noch einmal hierher kommen und den kleinen Strolchen noch einmal Hallo sagen.

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