Zwischen den Inseln

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55 Seemeilen sind es zwischen Tazacorte auf La Palma und unserem Ziel, der Bucht vor Valle Gran Rey auf La Gomera. Bei den vorhergesagten leichten Winden ist das eine ungeschickte Distanz. Brechen wir frühmorgens auf, schaffen wir es nicht sicher, bei Tageslicht anzukommen, und bei Dunkelheit in eine unbekannte Ankerbucht einzulaufen, möchten wir eher vermeiden.

Starten wir am Abend und fahren die Nacht durch, kommen wir zwar sicher bei Helligkeit an, laufen aber bei Dunkelheit in die acceleration zone im Süden La Palms, und vor diesem Düseneffekt haben wir mittlerweile doch etwas Respekt. Also wählen wir den Mittelweg, werfen am Nachmittag die Leinen los, erreichen noch bei Helligkeit die Südspitze La Palmas, die Passage zwischen den Inseln machen wir in der Nacht und kommen gegen fünf Uhr morgens in La Gomera an. Dort lassen wir uns dann ein paar Stunden vor der Küste treiben, bis die Sonne aufgeht und wir den Ankerplatz ansteuern können.

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Eine acceleration zone hatten wir dann doch nicht, obwohl wir zwei Tage zuvor von Land aus an der Südspitze die See noch hatten kochen sehen. Dafür wehte es zwischen den Inseln, also die ganze Nacht durch, mit ordentlichen 7-8 Bft statt der angesagten 2-3. Nichts schlimmes, aber für einiges an Action hat es in der Nacht doch gesorgt. Zuerst haben wir uns einen Riss im Vorsegel eingefangen (zum Glück haben wir ja zwei), dann hat noch eine überkommende Welle die Rettungsinsel aus ihrer Verankerung gespült und mit lautem Rumpeln über das Deck rutschen lassen. Zum Glück blieb sie dann aber an der Reling hängen. Wäre sie über Bord gegangen und hätte sich aufgeblasen, wäre es kompliziert geworden. Weil das gute Stück an die 60 kg wiegt, konnten wir es auf dem schwankenden Deck nicht wieder an seinen angestammten Platz zurückhieven. So mussten wir es erst einmal provisorisch an Deck festzurren, für 2:30 Uhr nachts genug an Arbeit. Am Ankerplatz haben wir es dann in Ruhe mit dem Block der Großschot (Prinzip Flaschenzug) zurückbugsiert – und ab jetzt besser gesichert.

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Der Riss im Segel hat am Ende mehr Arbeit gemacht. Ursächlich war eine mit den Jahren unter der UV-Strahlung brüchig gewordene Naht zwischen zwei Segeltuchbahnen, die auf einer Länge von etwa 2 Metern aufgerissen wurde. Quer dazu hat es dann an der Stoßkante des UV-Schutzes das Tuch selbst zerrissen. Die aufgerissene Naht konnten wir recht leicht nachnähen, indem wir die bestehenden Löcher im Segeltuch wiederbenutzt haben. Für den senkrechten Riss musste aber ein Flicken eingesetzt, besäumt und doppelt angenäht werden. Nach einem Tag vergeblichen Versuchens mit der Nähmaschine habe ich auch das dann von Hand gemacht. Bilanz: alles in allem ca. 8 laufende Meter Naht, drei Tage Arbeit. Puh!

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Jedenfalls werden wir vor der Atlantikpassage noch einmal alle Nähte kontrollieren und ggf. nachnähen lassen. Das Motto der Segelmacher lautet nicht von ungefähr: A stitch in time saves nine.

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Capt’n Bob

Kaum waren unsere Leinen fest im Hafen von Tazacorte, rief er uns schon vom Steg gegenüber zu „I love your MUKTUK! I love steel boats!“. Sein eigenes Boot, oder besser gesagt Schiff, die ROAMER: massiv, schwarz gestrichen, hochbordig, natürlich ebenso aus Stahl, sieht schon etwas in die Jahre gekommen aus. Zwei dicke Holzmasten ragen unverstagt in den Himmel: ein Dschunken-Rigg, wie wir später erfahren.

Am Abend, auf der ersten Stegparty, lernen wir ihn näher kennen. „I’m Capt’n Bob, and to prove it, here is my book“ Bob Burns, ein Arbeitersohn aus Brighton, arbeitete als Rigger und auf Ölbohrplattformen, als er sich 1985 in den Kopf setzte, einhand die Welt zu umrunden. Ständig von Geldmangel geplagt, liess er sich die ROAMER nach seinen ganz eigenen Ideen bauen und ausrüsten und brach damit tatsächlich zu seiner Weltreise auf.

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Von Brighton und Falmouth ging es zunächst nonstop nach Südafrika, wo er zur Auffüllung seiner arg strapazierten Reisekasse für ein halbes Jahr die dortige Hafenkneipe übernahm. „Ich war sonst immer der letzte, den sie aus der Kneipe werfen mussten. Jetzt konnte ich endlich bleiben, bis der letzte gegangen war.“ Von dort aus ging es weiter nach Neuseeland und Australien, rund Kap Hoorn zu den Falkland-Inseln, wo er seine Masten verlor. Mit einem Not-Rigg humpelte er schliesslich zurück nach Falmouth und beendete seine Weltumsegelung nach zwei Jahren.

Während seiner Reise tippte er seine Erlebnisse auf einer mitgeführten Schreibmaschine, fand dann aber keinen Verleger für sein Buch. Erst 2010 kramte sein Bruder sein altes Manuskript hervor, redigierte es („alle Frauengeschichten hat er mir rausgestrichen“) und veröffentlichte es mit 500 Exemplaren Auflage. Birgit und ich durften uns sein Bordexemplar ausleihen: ein herrlich lakonischer Stil, eine erlebnisreiche Reise voller Widrigkeiten und eine großartige seglerische und menschliche Leistung.

Heute ist Capt’n Bob 74 und hat immer noch eine ungeheure Ausstrahlung. Wenn er auf der Stegparty sein Songbook auspackt und anfängt, irische und britische Lieder zu singen, oder er ein paar seiner Geschichten zum Besten gibt, fühlen wir uns, als wären wir in ein früheres Zeitalter versetzt. Probe gefällig? Bitte schön!

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Wir sind glücklich, diesem Original begegnet zu sein und wünschen Capt’n Bob und ROAMER alles Gute auf seinen weiteren Reisen. Vor ein paar Tagen ist er in Richtung Azoren aufgebrochen.

Vollgas

Sie standen ja im Revierführer: die „acceleration zones“, d.h. Seegebiete vor den Steilküsten der kanarischen Inseln, an denen durch den Düseneffekt der Wind erheblich stärker weht. Die Rede war von einer Steigerung um 10-15kn.

Auf der Überfahrt von den Selvagems nach La Palma hatten wir im Schnitt 20kn, also Windstärke 5. In der acceleration zone erwarteten wir also 30-35kn (Windstärke 7). Alles im grünen Bereich, zumal sich in dem kleinen Gebiet kein Seegang aufbaut, der diesem Wind entspricht. Also zwei Reffs ins Groß und rein ins Vergnügen.

Aber Rasmus hatte sich das anders vorgestellt. Es kachelte auf einmal mit 40-45 (9 Bft), in Böen auch schonmal 50-55kn (10 Bft), ein ausgewachsener Sturm also. Und auch aus den 2-3 Meter Wellen wurden ab und an 4-5 Meter, so dass das Ganze doch ein recht sportliches Erlebnis wurde.

Weder Windsteueranlage noch Autopilot konnten das mehr steuern, und so durfte ich Sturmtaktik beim Rudergehen üben: wenn die großen Wellen anrollten, vor den Wind gehen, damit einen die Welle genau von achtern erwischt und nicht querschlagen lässt. Wenn kleinere Wellen anrollen, wieder anluven, damit man irgendwann auch aus der acceleration zone heraus- und in die Abdeckung der Insel hineinkommt.

Mich hatte die ganze Aktion in unserer normalen Bordkleidung erwischt (kurze Hose, T-Shirt), war sofort klatschnass und schaffte es erst nach einer halben Stunde, kurz nach unten zu gehen und Ölzeug anziehen zu können.

Birgit war währenddessen unter Deck damit beschäftigt, die umherfliegende Inneneinrichtung zu bändigen, denn alles was nicht niet- und nagelfest gestaut war, entwickelte einen ungeheuren Bewegungsdrang. Und welche Luken nicht ganz dicht sind, wissen wir jetzt auch genau. Aber insgesamt hatte unsere Muktuk keinerlei Schwierigkeiten mit diesen Verhältnissen, sie blieb jederzeit kontrollierbar und sicher.

Nach anderthalb Stunden war der Spuk vorbei, und zwar so plötzlich, als hätte man einen Schalter umgelegt. Innerhalb von fünf Minuten ging es von Sturm auf Flaute, so dass wir die Segel bergen und die Maschine anwerfen mussten. So tuckerten wir dann gemütlich in den Hafen von Tazacorte, wo wir extrem geschützt liegen. Leider gibt es auf La Palma keine guten Ankerplätze, so dass wir erst einmal in der Marina bleiben werden, um von hier aus die Insel zu erkunden.

Von unserem heißen Ritt gibt es leider keine Fotos – unsere Kamera ist nicht wasserdicht, und ich hatte auch keine Hand frei. Das Bild und ein kleines Video sind von der Überfahrt.

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Video (Geduld, Bild kommt erst nach ein paar Sekunden)

Ankunft auf Madeira

…also erst einmal sorry für die Probleme mit der Technik: die beiden letzten Beiträge, die wir auf der Überfahrt geschrieben haben und kunstvoll per Pactor-Modem an eine supergeheime EMail-Adresse gesendet haben, die daraus eigentlich einen Blog-Eintrag hätte machen sollen, sind irgendwie nicht angekommen. Jetzt posten wir sie eben rückwirkend. Das lernen wir aber auch noch.

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Jedenfalls sind wir jetzt da. Beweisfotos siehe unten. Alles in allem eine wunderschöne erste Etappe mit optimalem Wind. Ab der dritten Nacht konnten wir dem Meeresleuchten zusehen, das bis Madeira immer stärker wurde. Ist schon faszinierend, wenn die Muktuk eine grün leuchtende Spur durchs Wasser zieht.

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In der fünften Nacht auf See konnten wir die ersten Lichter von Porto Santo erkennen, im Morgengrauen dann die Umrisse Madeiras. Und als wir aufs Ostkap zufuhren, hat uns wieder einmal eine Gruppe von Delfinen begleitet, diesmal eine andere, deutlich größere Art. Schwer zu erklären, aber es ist für uns jedesmal eine große Freude, diesen Tieren zuzusehen.

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Am Vormittag haben wir schließlich das Ostkap gerundet und sind kurz dahinter in einer von hohen Felswänden umgebenen Bucht vor Anker gegangen. Nach Anleger und Mittagessen haben wir uns dann erst einmal ausgeschlafen. Bis die Schlafbatterien wieder voll sind, wird aber noch ein Weilchen dauern. Eigentlich brauchen wir gar nicht an Land zu gehen: wir haben erst einen von sieben Wassertanks geleert (ok, den größten, aber immerhin), der Kühlschrank ist noch voll, Klopapier auch noch genügend da, und die Zwiebeln reichen locker bis New York. Dass wir nicht an Land müssen, ist auch ganz gut so, denn wir liegen hier am Ostkap sehr abgeschieden, Geschäfte gibt’s hier nicht. Dafür Heerscharen von Wanderern, es geht zu wie auf den Münchener Hausbergen. Alle genießen den spektakulären Blick von der Steilküste herab und Muktuk als Fotomotiv.

Davon abgesehen haben wir es noch nicht geschafft, mit dem Dinghi anzulanden, denn die Felsen wirken als Düse, so dass ganz ordentlich der Wind pfeift und das An-Land-kommen mit dem Beiboot schwierig macht. Na ja, erst einmal haben wir auch an Bord genug Programm: putzen, ein paar Reparaturarbeiten, lesen, schlafen, essen…

Einzig die Fisch-Versorgung könnte noch besser werden. Klar, weil das mit dem Blog schreiben von unterwegs nicht geklappt hat, konnten uns die Fische auch nicht finden, deshalb hat auch keiner angebissen. Immerhin: ein paar Stunden nachdem wir den letzten Beitrag mit Positionsangabe per Mail losgefunkt hatten, sprang zumindest der erste fliegende Fisch an Deck und ergab sich seinem Schicksal als Vorspeise am Mittag. Klein, aber fein – können ruhig noch mehr davon angeflogen kommen…

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Ziemlich viel Blau

Inzwischen ist es bedeutend gemütlicher geworden: die See ist ruhig, der Wind schwächer und unser Speed auf 4kn gesunken. Der Bewegungsdrang der Gegenstände an Bord ist jetzt schwächer, selbst die Zwiebeln halten Mittagsschlaf.

Wir könnten die ganze Nacht laut Musik hören, denn Probleme mit Nachbarn haben wir kaum. Aber da ja nachts immer einer von uns zu schlafen versucht, lassen wir das mit der lauten Musik sowieso. Den einzigen Lärm macht das AIS, das uns zuverlässig per Hupe informiert, wenn ein größeres Schiff in unsere Nähe kommt. Das passiert aber nur 2-3 Mal pro Tag, und auch dann mussten wir in letzter Zeit nie unseren Kurs ändern.

Da jetzt die Sonne häufiger scheint, sitzen wir öfter auch an Deck und bewundern die Unmengen an blauem Wasser, die uns umgeben. Heute konnten wir einer Gruppe von Delphinen zuschauen, wie sie die „Rund Muktuk“ Regatta veranstaltet haben. Dabei geht es darum, möglichst dicht vor dem Bug zu passieren, dann unter dem Boot durchzutauchen und möglichst schnell wieder vorne am Bug zu sein. Bei einem Dutzend Wettkämpfern war das erheblich spannender als die Fussball-WM vor unserer Abreise.

Gestern vormittag habe ich die Windsteueranlage in Betrieb genommen und den Autopilot ausmachen können. Während der Autopilot mit Storm läuft und einen konstanten Kurs hält, arbeitet die Windsteueranlage rein mechanisch und sorgt dafür, dass das Boot einen konstanten Winkel zum Wind behält. Das hat Vor- und Nachteile: man weiss immer erst hinterher, wohin man gefahren ist, denn wenn der Wind dreht, dreht sich der Kurs mit. Aber was sind auf Langstrecke schon 10-15 Grad hin oder her? Der Vorteil ist, dass man praktisch nichts an der Segelstellung machen muss, die passt ja immer automatisch zur Windrichtung. Und Strom spart die Windsteuerung sowieso. Wir laufen jedenfalls jetzt seither ohne Autopilot.

Die Angelrolle habe ich heute auch repariert, und während gestern höchstens ein stark suizidal veranlagter Fisch an den Haken hätte gehen können, gibt es seit heute keine Ausrede vor dem Anbiss mehr. Ich hoffe viele Fische lesen unseren Blog.

Wie sie uns finden? Pos 36°44N 014°12W COG 220 SOG 4,6kn

sture Zwiebeln

Bordalltag auf der Überfahrt. Drei Stunden schlafen, drei Stunden wach in der Nacht, tagsüber Zeit für die Verrichtungen das Alltags. Das Schaukeln des Bootes bei moderaten 2-3 Metern Atlantikwelle macht letztere zu kleinen Geschicklichkeitsübungen, schliesslich kann man keinen Schraubenzieher, keinen Suppenteller und keine Zahnpastatube irgenwo hinlegen in der landüblichen Erwartung, diesen Gegensatnd drei Sekunden später noch an der selben Stelle vorzufinden.

Zu den unerwarteten nautischen Gefahren gehörte heute Mittag der Zwiebelschlag. Wie von nahezu allem Essbaren haben wir auch von Zwiebeln ziemlich viel an Bord, denn wer weiss ob uns nicht eine monatelange Flaute heimsuchen könnte, und wenn dann alle von Birgit eingemachten Gläser mit Gulasch, Zwiebelschnitzeln, Sugo und Rouladen aufgegessen sind, werden ein paar Kilo Zwiebeln sicher nicht reichen. Und zu denen, die wir selbst gekauft hatten, bekamen wir noch etliche dazugeschenkt von der Frau unseres Schreinermeisters.

Weil diese Zwiebeln noch recht frisch sind und luftig gelagert sein wollen, damit sie nicht schimmeln, haben wir sie in ein Netz gelegt, das über dem Küchengang gespannt ist. Das ist nicht ganz so praktisch wie es klingt, denn wenn man eine Zwiebel herauszieht, rieseln von ungefähr zweihundert anderen Teile ihrer Schale zu Boden.

Na ja, jedenfalls kam es wie es kommen musste: ich hatte gerade das Geschirr abgespült und auf der Küchenplatte gestapelt (natürlich kunstvoll mit Leisten und feuchten Lappen gegen Wanderschaft gesichert), als eine etwas größere Welle dem Boot einen kleinen Extra-Schubs gab und damit den ersten Zopf Zwiebeln aus dem Netz beförderte. D.h. eigentlich bewegte sich nicht die Zwiebel, diese bestand nur auf ihrem angestammten Recht, träge am selben Ort wie zuvor bleiben zu dürfen. Es war genau genommen Muktuk, die um die Zwiebel herumhüpfte. Aber der Effekt war derselbe: nach dem Fall des ersten Zopfes kam der Rest des Netzes aus dem Gleichgewicht und es ergoss sich ein Strom von Zwiebelzöpfen, Einzelzwiebeln, Knoblauchknollen und verstreuten Paprikas, Zucchinis und Kräutern über meinen Kopf, auf den Boden und – besonders gemein – auf das frisch abgewaschene Geschirr. Also geflucht, Netz anders abgespannt, Gemüse zurückgestaut, Boden gekehrt und nochmal abgewaschen… Bordalltag eben.

Ansonsten ist alles gut: wir kommen mit Etmalen von 140 Seemeilen Richtung Madeira voran, haben prächtigen Wind zwischen 4 und 6 Bft aus der besten aller Richtungen und müssen uns geradezu bemühen, mit Reffs die Fahrt unter sieben Knoten zu halten, damit der Ruderdruck nicht zu groß und die Bewegungen des Boots nicht zu heftig werden – Luxusprobleme auf einem Segelboot.

Leinen los

Fast ein Jahr hat es gedauert, und ein paar Mal war es schwer gewesen, die Zuversicht zu behalten: aber es sieht wirklich so aus, als hätte Muktuk ihre Metamorphose von der Baustellenraupe zum seetüchtigen Lebensraum-Schmetterling abgeschlossen. Die Arbeitslisten sind im Wesentlichen abgearbeitet, einzig die Jungs von der Werft müssen in den nächsten zwei Tagen noch einmal die Plexiglasscheiben der Luken neu einkleben, denn das Dichtmittel ihrer ersten Wahl war ungeeignet und haftet nicht gut am Plexiglas. Gut dass es noch rechtzeitig bemerkt wurde.

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Den Proviant-Großeinkauf haben wir bereits erledigt: drei Einkaufswägen voll, und da der Supermarkt direkt am Strand liegt, konnten wir den Heimtransport zünftig per Beiboot erledigen und die Sachen direkt bis zum Boot fahren. Fehlen nur noch die frischen Sachen vom Markt und die Lieferung aus der Apotheke für die medizinische Ausrüstung, dann sind wir eigentlich bereit zum Ablegen.

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Nach so langer Zeit in Galicien fällt das Abschiednehmen schon schwer. So viele schöne Erlebnisse, alte und neue Freunde, eine zauberhafte Landschaft – das Fernweh bekommt ernsthafte Konkurrenz vom Abschiedsschmerz. Ich fürchte, an diese Situation müssen wir uns in den nächsten Jahren gewöhnen.

Vorige Woche waren wir beim Chef unserer Schreiner zu einem Grillabend eingeladen, und am Ende (so gegen halb vier) wurde noch der Brauch der Queimada zelebriert: eine Art galicischer Feuerzangenbowle, aber mystisch angereichert. Während der brennende Schnaps mit dem Schöpflöffel gerührt und die Flammen damit immer neu angefacht werden, wird mit erhobener Stimme der Conxuro deklamiert – eine lange Beschwörungsformel, die die bösen Geister von den Anwesenden fernhalten und die Geister der abwesenden Freunde an der Feier teilhaben lassen soll. Wen’s interessiert: es gibt sogar einen Wiki Artikel zur Queimada, inklusiver galicischem Text und Übersetzung des Conxuro. Wir waren jedenfalls schwer beeindruckt.

Die Vorbereitungen für die Reise sollten also diese Woche noch abgeschlossen sein. Im Hafen liegen wir schon aussen am Besuchersteg (da ist das An- und Ablegen einfacher). Beim nächsten günstigen Wind heisst es dann „Leinen los“. Oder unsere Freunde schneiden uns die Leinen durch, damit wir nach so langer Zeit auch wirklich loskommen.

Ein Jahr, fünf Monate und zehn Tage

fast_im_Wasser

So lange hat der Landaufenthalt unserer Muktuk gedauert. Letzten Mittwoch durfte sie endlich wieder ins Wasser. Und was sollen wir sagen: sie schwimmt! Die kurze Überfahrt nach Pobra do Caraminal verging wie im Fluge, und als wir im Hafen von unseren Freunden mit kaltem Bier und Picknickkörben voller Essen empfangen wurden, war es fast, als wären wir nie weg gewesen.

Birgit

Also sie schwimmt wieder. Das soll jetzt nicht etwa heissen, dass die Reparaturen abgeschlossen wären. Aber die Baustelle liegt jetzt im Hafen, statt auf der Werft zu stehen, und das ist ja schon etwas. Von der Terasse unserer Wohnung können wir die Muktuk sehen. Es war am Ende dann doch recht anstrengend, nicht nur die zwei Stunden täglicher Fahrerei zur Werft, sondern auch mental: welche Probleme noch alle zu lösen sind, wie alles rechtzeitig fertig werden kann… der Füllstand des Problembehälters im Kopf war schon unangenehm hoch. Insofern wurde es jetzt wirklich Zeit. Mit der Muktuk im Wasser ist die Arbeit zwar noch lange nicht fertig, aber es fühlt sich einfach deutlich entspannter an. Schon komisch, oder?

Andreas

Das mit der Wasserlinie haben wir auch fast richtig geraten (nach dem Sandstrahlen war sie trotz Fotos und vorheriger Messungen nicht mehr ganz klar zu rekonstruieren). Vorne taucht sie jetzt ein weinig weiter ein als vorher, das liegt am ganz vorn gestauten über 100kg Antifouling, die wir übrig behalten haben, weil der Farbenhersteller International uns etwas großzügig beraten hat, was die benötigten Mengen angeht. Auf die telefonische Frage nach eventueller Rücknahme: „wenn Sie Transport und Entsorgungskosten zahlen, gerne. Eine Gutschrift erhalten Sie aber nicht.“ Nach reiflichem Nachdenken haben wir uns dann entschlossen, das großzügige Angebot nicht anzunehmen.

Werkstatt

Die Schreiner haben noch einige Wochen zu arbeiten, der Elektriker muss auch noch mal kommen. Die Positionslichter funktionieren noch nicht, der Autopilot fährt nur im Kreis, die Toilette zieht noch kein Wasser und auch ansonsten mussten wir alle unsere Formatierungskünste aufbringen, um die aktuelle To-Do Liste auf einer Seite ausdrucken zu können. Aber das meiste Grobe haben wir hinter uns, jetzt geht es noch um die Details.

Geschlafen haben wir auch schon an Bord. Aber wenn wir in anderthalb Wochen ins Auto steigen, um nach Deutschland zu fahren, muss die Wohnung geräumt sein, denn unser Mietvertrag endet im April. Dann wird unser ganzer Krempel an Bord möglichst staubdicht in Platiktüten verstaut, denn auch in unserer Abwesenheit gehen die Schreinerarbeiten natürlich weiter. Es soll ja schliesslich irgendwann fertig werden.

Ankerlast

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klickklack

Gestern hat uns Bruce Willis auf der Werft besucht. Er war es ganz eindeutig, allerdings in seinen jungen Jahren. Er arbeitet jetzt bei einer Firma in Boiro, die Schiffsmotoren repariert. Er war auch nicht zum ersten Mal da: im Juli letzten Jahres hat er unseren Motor ausgebaut und im Januar generalüberholt wieder eingebaut. Dann mussten wir das ganze Drumherum (Süß- und Salzwasserkreislauf, Dieselfilter etc.) einbauen und anschließen und gestern kam schließlich Bruce Willis ein weiteres Mal, um mit uns zusammen den Motor probelaufen zu lassen. Das Tuckern im Schiff war schon ein guter Moment – normalerweise geht ja ein paar Minuten nach dem Anwerfen des Motors der Anker auf oder die Leinen los. Jedenfalls mal wieder ein wichtiger Seemeilenstein erreicht.

Bilder von Bruce Willis an Bord dürfen wir natürlich nicht zeigen. Zu unserem großen Leidwesen hat er auch im vollen Monteurskittel gearbeitet und nicht im Unterhemd. Na ja, man kann nicht alles haben.

Genickstag

In der nächsten Woche werde ich versuchen, das reparierte Genickstag (ein 12mm Drahtseil, das die beiden Mastspitzen miteinander verbindet) wieder anzubringen, damit wir alle Wanten und Stage (Drahtseile, die vom Mast nach unten laufen) wieder ordentlich spannen können.

Anode

Der Endspurt, um Muktuk ins Wasser zu bekommen, läuft jedenfalls auf Hochtouren. Es sind nur noch wenige Tausend Sachen zu erledigen, dann können wir anfangen, einen Container voll Kram wieder an Bord zu verstauen. Das wird dadurch etwas erschwert, dass sich dabei noch zwei Schreiner, ein Elektriker, Nicholas und wir beide an Bord bewegen, dass wir an vielen Schapps und Schränken noch keine Türen haben (das sind so Details, die verspätet fertig werden), an Bord noch jede Menge Holzstaub vom Sägen, Bohren und Hobeln produziert wird, aber es hilft alles nichts. In zwei Wochen muss der Container leer sein, dann verlassen wir die Werft. Später im Hafen dann kommt noch der ganze Krempel aus unserer Wohnung dazu, aber das gibt’s erst in der nächsten Folge.

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Wir fangen jedenfalls langsam neue To-do Listen an. Während unsere bisherige Hauptliste „Zu tun, bevor Muktuk ins Wasser kommt“ (Beispiel: Zinkanoden anbringen) immer weiter schrumpft, unterscheiden wir nun zwischen „Zu tun, bevor wir an Bord einziehen“ (Beispiel: Haken für Handtücher anschrauben), „Zu tun vor den ersten Probeschlägern“ (Beispiel: Verschlüsse an allen Türen montieren) und zu guter Letzt „Zu tun, bevor es richtig losgeht“ (Beispiel: Seewasserentsalzungsanlage instandsetzen). An Bord scheinen gute Wachstumsbedingungen für To-do Listen zu herrschen, sie wachsen und gedeihen prächtig.

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Sommer im März

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Vor zwei Wochen kam der Sommer. Als hätte Rasmus einen Schalter umgelegt (ich nehme mal an, dass Rasmus nicht nur für das Wetter auf See, sondern auch für Küstengebiete zuständig ist). Von einem Tag auf den anderen: kein Dauerregen bei 10 Grad, nein – Sonnenschein bei 20 Grad. Was für ein Unterschied, auch für die Arbeitsmoral auf der Werft und die Zuversicht!

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Jetzt geht es wirklich voran an Bord, man sieht jeden Tag einen Fortschritt oder zwei. Wir haben aber auch einiges getan in den letzten 14 Tagen, zum Beispiel: den Abwassertank im Bad montiert, den neuen Herd in der Küche eingebaut, die Pinnenhalterung repariert, ihre Borddurchführung instandgesetzt, die Holzpaneele für die Instrumente im Cockpit erneuert und lackiert, die Cockpitdusche ersetzt, den Heisswasserboiler isoliert, das verflixte Schraubterminal vom Genickstag herausgeflext (in 13 Meter Höhe im Mast, beim dritten Anlauf), im Cockpit ein paar letzte Löcher zugeschweisst, alle Schweissstellen sowie die alten Auflagepunkte viermal mit mit Epoxy gestrichen, weitere zwei Lagen Antifouling am Rumpf aufgebracht, und als letzte Großtat am Samstag acht Bilgenabteile, unter dem Motor und unter dem Ankerkasten mit Bilgenfett gestrichen, sieben Wassertanks wieder eingebaut und angeschlossen. Zum Glück waren wir dabei zu viert, Rebekka ist gerade zu Besuch und hat mitgeholfen. Drückt uns die Daumen, dass die Wassertanks dicht sind. Wenn nicht, müssen wir alles wieder ausbauen und das ist wirklich ein Knochenjob.

Sputnik, gelandet
Rebekka
Birgit

Die Schreiner werden bis dahin noch nicht fertig sein, müssen aber Ende März erst einmal von Bord, damit der Elektriker Platz zum Arbeiten hat. Sie werden also einiges fertigstellen müssen, wenn Muktuk schon wieder im Wasser ist. Das soll nämlich Mitte April nun wirklich soweit sein, und mittlerweile scheint dieses Ziel realistischerweise erreichbar zu sein. Es wird allerdings einen kräftigen Endspurt brauchen (die Arbeitsliste ist schon noch lang), und auch danach gibt es noch etliches zu tun. Aber ein großer Meilenstein, geradezu ein Seemeilenstein, wäre es schon. Keine fünf Wochen mehr. Mal schauen, ob die Prognose bis zum nächsten Blogeintrag hält.

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