Gita

Eigentlich hatten wir das erst nächstes Jahr erwartet. Japan ist berüchtigt dafür, dass es keine Jahreszeit ganz ohne Taifune gibt, nur mehr oder weniger wahrscheinliche Monate. Doch Neuseeland ist ja nicht unbedingt für tropischen Wirbelstürme bekannt.
Aber Pustekuchen. Im letzten Herbst kam bereits ein Überbleibsel eines solchen Zyklons die Ostküste der Südinsel herunter, so dass wir an der Westküste noch den Wind gespürt hatten. Erst vor ein paar Wochen hat uns „Fehi“ hier die Böen um die Ohren gepfiffen (und in Auckland die Marina zerlegt).

Und jetzt „Gita“. Dieser Zyklon ist angeblich der erste, der es geschafft hat, den vierzigsten Breitengrad zu erreichen, ohne seinen Status als tropischer Wirbelsturm der Kategorie 2 zu verlieren. Seit Tagen ist er auf den Wetterkarten zu sehen, seit Tagen verfolgen wir seine vorhergesagte Zugbahn. Mal soll sein Zentrum den Norden der Südinsel treffen, mal den Süden der Nordinsel. Wir hier in den Marlborough Sounds sind genau in der Mitte. Leider sind die Zugbahnen von Wirbelstürmen nicht so genau vorherzusagen. Wenn Gita südlich von uns aufschlägt, bekommen wir Sturm aus Nordwest, wenn er nördlich trifft, bläst es erst einmal aus Südost. Und solange man das nicht weiß, ist es schwer, eine geeignete Ankerbucht auszusuchen.

Zum Glück haben wir in den meisten Ecken hier Mobilfunkempfang und können somit aus dem Internet die neuesten Wetterkarten und Hochrechnungen herunterladen. Die beiden wesentlichen Wettermodelle, das amerikanische GFS und das europäische ECMWF sind sich im Detail nicht einig, aber es zeichnet sich ab, dass das Zentrum des Zyklons wohl genau auf uns zukommt. Das heißt erst Südost, dann Nordwest. Laut dem höher auflösenden ECMWF Modell sollen die Marlborough Sounds allerdings in einer Art Windtasche liegen, zumindest was die erste Hälfte, also den Südost angeht.

Wollen wir’s mal hoffen. Wir suchen uns einen Tag vorher eine Bucht, die sehr gut gegen Nordwest geschützt ist und wenigstens ein wenig Südost-Schutz bietet. Optimalen Schutz aus allen Richtungen gibt es nicht. Wir vertäuen uns mit drei dicken Leinen an einer starken Mooringboje, zurren an Deck alles fest. Nach „Fehi“ haben wir dazugelernt und nehmen auch alle unsere Flaggen herunter. Die neuseeländische Gastlandflagge mit ihren vier Sternen (die das Kreuz des Südens darstellen sollen) war ohnehin schon geflickt (drei Sterne) und hat nach Fehi nochmals Federn, nein: Sterne gelassen (anderthalb Sterne) und muss nun wirklich nicht mehr weiter zerblasen werden. Außerdem haben wir gehört, dass es in Neuseeland ein Gesetz geben soll, das die Benutzung einer beschädigten Nationalflagge unter Strafe stellt. Na ja, von unten gesehen fallen die fehlenden zweieinhalb Sterne eigentlich kaum auf…

Von Dienstag 16 Uhr bis Mittwoch 04 Uhr ist für unser Seegebiet Sturmwarnung ausgesprochen. Über UKW wird seit Montag eine Nachricht der Zivilschutzbehörde verbreitet. Alle Zelt- und Bootsurlauber sollen die Marlborough Sounds verlassen. Wir legen die Ohren an und warten.
Die angekündigten Starkregenfälle beginnen pünktlich in der Nacht davor. Am Dienstagmorgen sind alle unsere Kanister und vier große Eimer randvoll mit schönstem Regenwasser. Und es gießt weiter. Die Wartezeit ist zermürbend. Dienstag 16 Uhr kommt, aber kein Wind. Erst gegen 21 Uhr beginnen die ersten stärkeren Böen, und tatsächlich bleiben wir vom Südost völlig verschont. In der Cook-Strait, keine zwanzig Seemeilen von uns entfernt, bläst es in voller Sturmstärke mit sieben Meter See, und wir liegen in der vorhergesagten Windtasche, und Welle bekommen wir auch keine ab.


In der Nacht weht es dann kräftig aus Nordwest, und viel Schlaf bekommen wir nicht, aber Mooring und Leinen halten, alles bleibt an Deck und am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei. Wir sind mal wieder glimpflich davongekommen.

Alles ist erleuchtet

Die Bucht erreichen wir bereits an unserem ersten Tag in den Marlborough Sounds. Onapua Bay heißt sie, dreimal müssen wir um die Ecke fahren, bis wir diesen sehr geschützten Ankerplatz erreichen. Schon in der ersten Nacht bemerken wir Meeresleuchten ums Boot herum, in der zweiten, fast windstillen und fast mondlosen Nacht ist es noch stärker geworden.

Zunächst stehen wir spät abends an der Bordwand, wühlen mit Paddel und Besenstiel im Wasser herum und freuen uns an den leuchtend grünen Schleifspuren im Wasser. Doch dann bemerken wir den Lichterschein an dem kleinen Kiesstrand knapp zweihundert Meter hinter uns. Die leichten Wellen, die auf die Bucht laufen, leuchten in hellem Grün. Das muss ich mir ansehen und fahre mit dem Kanu zum Strand. Je näher ich dem Ufer komme, desto intensiver wird das Meeresleuchten. Begeistert kehre ich zum Boot zurück, und wir rudern alle gemeinsam mit dem Dinghi hin, um das Spektakel zu bewundern.

Die Paddel produzieren bei jedem Eintauche einen hellen leuchtenden Fleck, die Bugwelle des Dinghis läuft als leuchtender Streifen davon. Weil wir ohne Außenborder unterwegs sind, bemerken Fische erst spät unsere Annäherung. Als schnurgerade leuchtende Linien schießen sie vor dem Boot davon, wie Elementarteilchen in einer Nebelkammer.

Lange treiben wir ein paar Meter vor dem Strand, wo das Leuchten am stärksten ist. Wir fahren mit den Händen durchs Wasser und können uns an den Spuren nicht sattsehen. Mit der hohlen Hand schöpfen wir Wasser, und lassen leuchtend grünes Gold ins Meer zurückfließen. Pure Magie. Die beiden Arten von Meeresleuchten sind gut zu unterscheiden: ein diffuses, milchiges Leuchten des bewegten Wassers insgesamt, durchsetzt von einzeln aufblitzenden helleren Lichtpunkten wie Funken einer Wunderkerze.
Nur schwer können wir uns losreißen und rudern zum Boot zurück. Die Spur unserer Ruderschläge führt als langsam verblassende Reihe grüner Tupfen bis zum Strand zurück.

Wir haben uns schon oft gewundert, welchen biologischen Sinn das Meeresleuchten haben mag. Unsere heimischen Glühwürmchen locken Artgenossen des anderen Geschlechts, die neuseeländischen Glowworms Beutetiere an. Manche Meeresbewohner leuchten gerade so stark, dass sie sich von unten betrachtet nicht gegen die hellere Meeresoberfläche abheben. Aber all dies sind keine sinnvollen Gründe für die Dinoflagellaten, einzellige Algen, die überwiegend für das Meeresleuchten verantwortlich sind. Warum also leuchten die Dinger?
Das deutsche Wikipedia liefert keine Erklärung. Aber das englische hat gleich zwei spannende Theorien zu bieten. Die erste: die Fressfeinde der Leuchtalgen verursachen bei ihrer Jagd eine Leuchtspur im Wasser, die sie wiederum für ihre Fressfeinde sichtbar macht und damit im Bestand reduziert. Ziemlich raffiniert.

Die zweite Theorie ist aber noch pfiffiger: die Fressfeinde der Leuchtalgen, in erster Linie Quallen und kleine Tintenfische, sind relativ durchsichtig. Die Drohung der Algen: wenn ihr uns fresst, bekommt ihr einen derartig leuchtenden Magen, dass ihr hervorragend markiertes Futter für eure Fressfeinde abgebt. Diese Theorie wird dadurch unterstützt, dass in Gebieten starken Meeresleuchtens Tintenfische ihre Mägen mit einer schwarzen Membran auskleiden.

Die Erklärungen für dieses Phänomen sind also fast so faszinierend wie das Meeresleuchten selbst. Aber nur fast.

Queen Charlotte Sound

Nach sieben Tagen Stadturlaub (Bericht wird nachgereicht) locken die Marlborough Sounds mit einsamen Buchten und viel Natur. Von Wellington aus gilt es jedoch erst einmal, die Cook-Strait zu überqueren. Sowohl Wind als auch der Gezeitenstrom müssen sich durch diese enge Lücke zwischen Neuseelands Nord- und Südinsel quetschen, was den Wind in der Strait regelmäßig zwei Windstärken mehr blasen lässt und für Stromwirbel und unangenehm steile Wellen sorgt. Die Cook Strait gehört damit zu den gefürchtetsten Seegebieten Neuseelands, aber wir haben einen Tag mit passendem Wetter ausgesucht. Obwohl wir das Timing für die Gezeitenströme einigermaßen richtig erwischen, durchqueren wir ein Gebiet mit seltsam brechenden Wellen, und vor der Einfahrt liegt für einige Zeit eine dicke Nebelwand. Letztlich können wir aber ohne Probleme in den Tory Channel hineinfahren. Wir sind mal wieder auf der Südinsel. Ein bisschen erleichtert sind wir schon.


Eine Woche lang genießen wir den Queen Charlotte Sound bei schönstem Wetter, viel Sonne, meist angenehmen Wind, eine kleine Bucht schöner als die andere. Wir können am Strand Muscheln sammeln, Blue Cod angeln und mit unserem in Gisborne neu erworbenen Kajak herumfahren.
Wir werden für die kommenden Wochen ein temporäres Mitglied des „Waikawa Boating Club“. Damit haben wir die Erlaubnis, die fast 100 Mooringbojen des Clubs zu nutzen, die über die ganzen Marlborough Sounds verteilt sind. Das ist ganz praktisch, denn die großen Wassertiefen bis dicht vor dem Ufer machen das Ankern in manchen Buchten nicht ganz einfach.

Am 1. Februar ist das ruhige Sommerwetter erst einmal vorbei: der tropische Zyklon „Fehi“ zieht zur Westküste Neuseelands herunter, mit Sturm- und Starkwindwarnungen für halb Neuseeland. Im Inneren der Marlborough Sounds sind zwar nur 25 Knoten Wind vorhergesagt, aber mit Böen von bis zu 70 Knoten, und das ist eine Menge. Der große Vorteil hier ist, dass sich keine Welle aufbaut, während draußen vor der Küste sieben Meter vorhergesagt sind.

Im Club fragen wir nach, wo wir uns bei einem Sturm aus Nord am besten verkriechen können, und wir machen am Abend vorher an einer Mooring in der Bucht von Kumutoto fest. Hohe Bergwände schützen uns vor dem Gröbsten, aber selbst hier werfen Fallböen das Boot hin und her, so dass das Besteck vom Tisch rutscht. Obwohl das Spektakel erst am Morgen so richtig losgehen soll, bekommen wir schon in der Nacht nicht viel Schlaf. Aber die Mooring ist mit einem 5 Tonnen schweren Betonblock verankert, und wir sind zuversichtlich, den Sturm hier gut zu überstehen. Draußen auf See mag jetzt freilich keiner sein. Oder – wie es früher auf Anita immer hieß – die armen Leute an Land, wie da jetzt die Fensterläden klappern müssen!

Quietsch, Knarrrz

Normalerweise geht man ja in einen Hafen, um seine Ruhe zu haben. Um nicht auf See mit Wind und Wellen zu kämpfen, um nicht in der Bucht bangen zu müssen, ob der Anker hält und das Boot sich nicht selbständig macht. Eben um seine Ruhe zu haben.

In Gisborne hat das nicht ganz geklappt. Wir sind dort eingelaufen, um unsere lieben Freunde Silvi und Peter zu besuchen, und um einen vorbeiziehenden Sturm aus Nord abzuwettern. Die kleine Marina ist allerdings voll, im Becken des Vorhafens können wir auch nicht ankern, denn da werden fast täglich riesige Frachtschiffe manövriert, die Holzstämme aus Neuseeland nach Asien transportieren. Ein Anruf bei der Hafenverwaltung liefert auch keine gute Alternative. „sorry mate, you probably have to leave…“

Aber wie so oft in Neuseeland regelt sich dann doch alles. Der diensthabende Lotse ruft uns an, wir dürfen ausnahmsweise an einem großen Baggerschiff längsseits festmachen. Eine perfekte Lösung für uns, jedenfalls während des Nordsturms. Dann aber dreht der Wind auf Südsüdost, gar nicht mal so stark, aber das ist genau die Richtung, aus der die Dünung in den Hafen laufen kann. Der riesige Bagger fängt in der Nacht an zu tanzen, wir längsseits ebenfalls. Wir rucken in die Leinen, das Dinghi arbeitet sich in der Strömung hinter unserem Heck zwischen Muktuk und Bagger und versucht sich als Hilfsfender. Ein Riemen findet das nicht so lustig und bricht entzwei, zum Glück kommt das Dinghi selbst mit ein paar Flecken von abgeschabtem roten Lack davon, die am Rumpf der Muktuk nun fehlen. Ein großer Kugelfender ist am Morgen nicht mehr aufzufinden, hat sich wohl losgerissen.

Ein Arbeiter vom Baggerschiff warnt uns: das war erst das Vorspiel, denn das kommenden Hochwasser wird den Wellenbrecher überspülen, und dann rollt die Dünung ungebremst ins Hafenbecken. Wir sollten vielleicht besser weiter nach innen, da ist es vielleicht ruhiger. Also Leinen los, und wir machen an einer schwimmenden Plattform etwa 100 Meter weiter innen fest. In der Tat schaukelt es dort erst einmal weniger, aber die Plattform ist mit Metallsäulen fixiert, an denen sie mit der Tide auf- und abgleitet, und dabei im Takt der Wellen ein fürchterliches Gequietsche abgibt. Dazu das Knarzen unserer Leinen, wenn die Muktuk von der Dünung hin und hergeworfen wird. Eine Geräuschkulisse wie im Horrorfilm, in der folgenden Nacht machen wir kein Auge zu.

Noch eine Nacht später steigert sich das Spektakel. Die Dünung wird höher, zwei Stunden vor und nach Hochwasser haut es die Muktuk in die Leinen, dass es uns Angst und Bange wird. Eine Spring arbeitet sich los, daraufhin bricht eine der Achterleinen. Ein Fender platzt. Wir gehen die ganze Nacht Leinenwache. Am nächsten Tag lässt die Achterbahnfahrt langsam nach – es ist nur noch laut, aber das Einrucken in die Leinen lässt nach. Welche Erleichterung. Und in der dritten Nacht ist der ganze Spuk vorbei, wir können wieder durchschlafen. Ihr glaubt ja gar nicht, wie schön das sein kann!

Nacht, heilige

Mit gehöriger Verspätung, aber trotzdem von Herzen, wünschen wir allen unseren treuen Blog-Lesern nachträglich ein schönes Weihnachtsfest und ein guten neues Jahr!

Wir haben die Weihnachtsfeiertage dieses Jahr besonders genossen, denn Rebekka und Julian waren bei uns zu Besuch. Zwar mussten wir wegen der Sache mit der Nord- und Südhalbkugel auf klassische Zutaten wie Schneedecke, Tannenbäume und Elche verzichten, aber ein paar Konstanten gab es dann doch: Birgit hat es sich nicht nehmen lassen, Honigkekse zu backen, zu verzieren und über dem Messetisch aufzuhängen. Und das obligatorische Fischfondue gab es natürlich auch, mit neuseeländischen Fischsorten. Zwei von fünf Sorten immerhin waren selbst gefangen.

Für die Deko konnten wir die Lebkuchen mit sehr hübschen natürlichen Strohsternen ergänzen, wir wissen es nicht genau, es könnte eine Art von „tumbleweed“ sein, jedenfalls haben wir es am Strand von Mercury Island gefunden.

Smokehouse Bay

Endlich sind wir dem Stress des Werftaufenthalts und der Hektik des Landurlaubs entronnen und wieder auf dem Wasser. Unser Ziel, eine gute Tagesreise von Whangarei entfernt: Great Barrier Island. Die sechstgrößte Insel Neuseelands hat etliche schöne Ankerbuchten, wir können nur eine kleine Auswahl erkunden. Der verrückteste Platz hier: Smokehouse Bay.

Der mittlerweile verstorbene Eric Webster hat vor vielen Jahren hier ein Stück Land gekauft, einige ganz wunderbare Dinge installiert und das Ganze den vorbeikommenden Seglern und Anglern zur Verfügung gestellt. Als da sind: ein großer Räucherofen für Fisch, eine polierte Marmorplatte zum Ausnehmen und Filetieren. Eine Wasserleitung aus den Bergen, Waschbecken zum Wäschewaschen, Mangeln zum Auswringen der Wäsche, große Wäscheständer zum Trocknen. Eine Feuerstelle zum Grillen, Tische und Bänke. Eine komplette Ausstattung an Kochgeschirr. Das Beste aber: ein Badehaus mit Badewanne und einem Holzofen fürs heiße Wasser.

Warme Duschen sind ja schon ein Luxus, den es normalerweise nur ausnahmsweise an Land gibt; unterwegs ist ein Sprung ins Meer angesagt. Aber ein echtes heißes Wannenbad – wir wissen gar nicht wie viele Jahre wir das nicht mehr hatten. Das geht dann mit Holzsammeln am Strand los, kleinsägen kann man es mit einer Auswahl an Sägen aller Art, die ebenfalls dort hängen. Ofen einheizen, zwei oder drei Ladungen Holz braucht man, bis das Wasser schön heiß ist. Wenn man Glück hat, räuchern in der Zwischenzeit ein paar Angler ihren Fang und man kann sich die Wartezeit mit der Verkostung von frisch geräuchertem Snapper und Angeltipps vertreiben. Und dann eintauchen ins heiße Wasser. Wunderbar!

Grün

Neuseeland ist ja als die grüne Insel bekannt. Das können wir nun nach rund 4000 km Landstraße durchaus bestätigen. Damit es so grün bleibt, muss die Insel ständig gegossen werden – leider auch während unserer Reise. Aber zum Glück nicht als Dauerregen, sondern eher nach dem Muster unseres Aprilwetters – Regenschauer, Sonne, mal bedeckt mal heiter, warm wenn die Sonne scheint und kalt sonst.

Wir wollen uns nicht beklagen – meist haben wir genügend trockenes Holz für ein Lager- und Grillfeuer gefunden, und wenn es draußen zu ungemütlich war, haben wir uns ins Innere des Campervans gekuschelt und die Naturkulisse durch die Fensterscheiben betrachtet.

Gezäunt und gerädert

31 Millionen Schafe, 10 Millionen Rinder leben aktuell in Neuseeland. Das sind 7 Schafe und gut 2 Rinder pro Einwohner. Auf unserer Rundreise haben wir in drei Wochen definitiv mehr Schafe gesehen als in unserem ganzen bisherigen Leben.

Zwar sind die Viecher eigentlich überall, aber wegen der Sache mit dem Privateigentum muss natürlich immer ein Zaun darum herumgezogen werden. Das hat seine guten und schlechten Seiten. Zum einen hält es die Tiere überwiegend von der Straße fern, was das Autofahren deutlich erleichtert und den Schafen die Mühe erspart, sich mit den Verkehrsregeln vertraut zu machen.

Zum anderen hält es aber auch Campervans wie den unseren von den Freiflächen fern, denn eigentlich ist jedes Stück Land entweder Farm und damit bewohnt oder Weide und damit eingezäunt. Man fährt also durch die schönsten Gegenden und sucht am Abend ein Plätzchen, wo man den Bus abstellen kann. Aber wo man in Deutschland einen Feldweg oder eine Forststraße erwarten würde, trifft man in Neuseeland entweder Zaun oder Gatter. Die Suche nach einem Stellplatz kann also schon leicht mal ein Stündchen dauern.

Aber die Suche hat sich meist gelohnt: ein hübsches Plätzchen an der Lagune, ein Parkplatz auf den Klippen mit Blick auf die wilde Brandung, ein idyllisches Fleckchen am Bach, oder eben neben der Schafsweide.

Nur die vorletzte Nacht ging etwas daneben: da hatten wir ein hübsches Plätzchen direkt am Ufer unter einer stillgelegten Eisenbahnbrücke gefunden, nur dass sie sich dann doch als nicht ganz so stillgelegt herausstellte. Kurz vor Mitternacht rauschte ein Güterzug nach dem anderen über uns hinweg, bis zum frühen Morgen. Ihr glaubt gar nicht, wie laut ein Zug sein kann, wenn man sich etwa drei Meter darunter befindet.

Stadt Land Fluss

Es war schon erstmal eine Umstellung. Nach unserer geräumigen 20 qm Wohnung mit 3 Zimmern Küche Bad (unserer Muktuk) der Umzug auf 6 qm Campervan. Da wir für drei Wochen Fahrt doch einiges an Klamotten und Ausrüstung dabeihatten, war ständiges Umstauen an der Tagesordnung. Wollte man sich zum Essen hinsetzen, wanderte der ganze Haufen aus Jacken, Taschen, Rucksäcken etc. auf die Matratze. Brauchte man neue Küchenvorräte, wanderte der ganze Haufen wieder zurück, damit man die Matratze hochklappen und die Staufächer erreichen konnte. Brauchte man Kartoffeln, mussten zuerst die Wanderstiefel weg, dann die Regenjacken und -hosen, irgendwo darunter waren sie dann. Die ersten Tage konnte man echt die Krise kriegen.

Aber wie Segler wissen, ist der Mensch ja ein anpassungsfähiges Wesen. Am Ende ist uns der kleine Bus richtig ans Herz gewachsen (Danke, liebe ZigZags). Alles Nötige war in unserem Schneckenhäuschen dabei, das Kochen auf dem kleinen Gaskartuschenbrenner klappte auch, jeden dritten Tag konnten wir auch ein Lagerfeuer anzünden und grillen, und so konnten wir drei Wochen lang Weiden, Strände, Museen, Hügel, Kauri-Bäume, Höhlen, Blumenwiesen, Bäche, schneebedeckte Berge, blühende Parks, Vulkane und auch ein paar Städte anschauen und wissen nun aus erster Hand, dass es hinter der Küste tatsächlich ein ganzes Land gibt.

Rette sich wer kann

Auf der Arbeitsliste für den Werftaufenthalt stand auch die Wartung unserer Rettungsinsel, die zuletzt vor vier Jahren in Galicien zur Wartung war und nun wieder fällig ist. Schon vor unserer Abreise nach Deutschland haben wir sie ins Dinghi gepackt und auf die Werft geschleppt. In Deutschland kam dann die unangenehme Nachricht: der Hersteller der Insel ist vor einigen Jahren pleite gegangen, daher kann keine Wartung mehr gemacht werden, denn Originalersatzteile sind nicht mehr verfügbar, und andere darf ein zertifizierter Wartungsbetrieb nun einmal nicht verbauen.

Nach einiger Recherche im Internet, wie man so etwas macht, entscheiden wir, die Insel mal selbst anzuschauen. Eigentlich ist das auch kein großes Problem. An einem Tag mit trockener Luft pumpen wir die Insel mit dem Blasebalg auf und bekommen so einen ersten Eindruck von dem Teil, in das man eigentlich nie einstigen möchte. Wir studieren das Zubehör und wissen nun zum ersten Mal, was da eigentlich drin ist.

Die Insel macht einen recht soliden Eindruck, das Gummi ist stark und nicht spröde, die Verklebungen sehen intakt aus. Die Dichtigkeitsprüfung besteht sie auch gut, nach 36 Stunden ist der Druck immer noch gut. Auf der Gasflasche ist vermerkt, was sie leer und voll wiegen soll, auch da passt alles. Der Auslösemechanismus kann inspiziert werden, wenn man die Metallplatte abschraubt, auch alles gut.


Aber jetzt der Hammer: Es gibt in der Insel etliche Batterien: für das (kaputte) Blinklicht am Dach, für die Taschenlampe im Zubehörsack, für die kleine EPIRB zur Ortung. All diese Batterien sind im Jahr 2003 (!) abgelaufen. Das heißt, sie waren schon bei den letzten drei Wartungen abgelaufen und hätten von den Wartungsfirmen ersetzt werden sollen. Es stellt sich also die Frage, ob diese Unternehmen den Container überhaupt geöffnet haben, oder nur einen neuen Aufkleber (nächste Wartung am…) angebracht und eine Rechnung über mehrere hundert Euro gestellt haben.

Eine andere Frage stellt sich dagegen nicht mehr. Ob man es wagen kann, die Wartung der Rettungsinsel selber zu machen. Mag ja schon sein, dass man es nicht so perfekt hinbekommt. Aber man kann zumindest sicher sein, dass es überhaupt gemacht wurde.
Der schwierigste Teil kam allerdings noch: fast einen halben Tag habe ich gebraucht, das Ding wieder so zu falten, dass es wieder in den Container passt. Am Ende half nur ein ausgeliehener Spanngurt, um die beiden Halbschalen des Containers zusammenzukriegen. Aber in der Wärme der Tropen und bei dem ständigen Geschaukel an Bord wird es sich schon zurechtrücken.