Guatemala – Mittelamerika – Central America

Neue Länder, neue Sprachregelungen: Wenn wir hier mit den US-amerikanischen Seglern sprechen, heißt es immer, wir sind in Zentralamerika. Bei Mittelamerika schauen sie erst einmal irritiert, damit verbinden sie eine Region ihres Landes…

Während der ersten zwei Wochen in der abgeschiedenen Welt des Rio Dulce haben wir ab und zu in Wikipedia über Guatemala gelesen. Dass weniger als die Hälfte der Bevölkerung sich den „indigenas“, Mayas, zuordnen, konnten wir kaum glauben, das Straßenbild zeigte uns etwas anderes. Die wenigen Touristen und Ladinos, Nachfahren der Spanier und deutschen Einwanderer, fallen deutlich auf zwischen den vielen Menschen mit indianischen Gesichtszügen, die Frauen überwiegend in ihrer bunten Tracht.

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Rio Dulce, im Ort Fronteras teilen sich Fußgänger, Straßenstände und Trucks die enge Fahrbahn

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Überall werden Tortillas gebacken!

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Auch in der Hauptstadt, Guatemala City, war es nicht viel anders. Dort hatten wir einen Tag lang Zeit, bevor unser Flug nach Deutschland ging. Im Zentrum versammelten sich an jenem Tag, Ende Mai, an verschiedenen Plätzen Menschen, zogen in Gruppen an uns vorbei, mit Fahnen und Spruchbändern. Dazwischen und vor einigen Gebäuden Polizei mit den obligatorischen Maschinengewehren.

Ministerium1

Polizei vor dem Ministerium in Erwartung der Demonstranten

Ministerium2

Zwei Stunden später…

Maschp

Vor einem Ministerium stand eine größere Gruppe, sie skandierten Parolen, andere saßen im Schatten und aßen ihre mitgebrachten Tortillas, kauften von den Straßenhändlern frisches Obst in Tütchen. Zwei junge Männer fielen uns auf, einer davon hatte einen Fotoapparat mit Teleobjektiv in der Hand. Wir sprachen sie an, ob sie wüssten, weshalb heute diese vielen Demonstrationen stattfänden. Jeff, der eine, begann zu erzählen und wir erhielten innerhalb von zwanzig Minuten einen Schnellkurs in Sachen Zeitgeschichte. Zwei, drei Monate zuvor war bekannt geworden, dass etliche Regierungsmitglieder Steuergeldern beiseite geschafft hatten, dieses Mal war das Ausmaß der Selbstbedienung allerdings so groß, dass sogar Minister und der Vizepräsident zurücktraten

DemoJeff

Demoplakat

U.a. fehlt dieses Geld nun im sowieso schon maroden Gesundheitswesen und Land, das den Kleinbauern versprochen worden war, konnte nicht verteilt werden, usw. Also gab es schon seit einiger Zeit immer wieder Demonstrationen, und an diesem Tag waren nicht nur die Angestellten der Krankenhäuser und Polykliniken auf der Straße, aus dem ganzen Land kamen „campesinos“, Bauern zusammen. Jeff, ein us-amerikanischer junger Journalist, der schon seit etlichen Jahren in Guatemala lebt, erzählte uns auch von den Oligarchen, ihrem Reichtum, dem Einfluss der USA, von dem Misstrauen der indigenen Bevölkerung der Polizei und dem Militär gegenüber, der 30jährige Bürgerkrieg endete ja erst 1996. Die Rate der Analphabeten ist erschreckend hoch, viele Mayas sprechen einen der 15 Dialekte, aber nicht alle können Spanisch. Der Schulunterricht auf dem Land sollte zweisprachig sein, das wird kaum gewährleistet.

Obststand

Parque

Die bunte Menge im Hintergrund: ebenfalls Demonstranten

In den Straßen der Hauptstadt war uns vorher schon aufgefallen, dass die Telegrafenmasten auf Augenhöhe mit bunten Ornamenten bemalt waren – auch ein Zeichen des Protestes, so können oder dürfen darauf keine Wahlplakate geklebt werden. Warum tragen so viele Maya-Frauen Tracht, nicht aber die Männer? Teil des Genozids, während des Bürgerkrieges wurden Männer, die z.B. bunt gewirkte Gürtel oder Umhängetaschen trugen, vom Militär als Rebellen klassifiziert, wurden festgenommen, erschossen, galten als Freiwild.

Die Bereitschaft auf die Straße zu gehen und nicht mehr alles hinzunehmen, wertete er als einen beginnenden gesellschaftlichen Wandel, der sich vielleicht schon in den kommenden vorgezogenen Wahlen im September niederschlagen könnten. Er schreibt für eine Internetseite, die sich kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Vorgängen in Lateinamerika auseinandersetzt: upsidedownworld.org.

Es wird also spannend werden in den nächsten Monaten und wir hoffen, noch einiges dazu zu lernen, auf unseren Fahrten durchs Land.

Ziege

Beim Parque Central neben der Demo bietet ein Bauer seine Ziegen zum Verkauf an