Es gibt so viel zu erzählen über das Land an dessen Südküste wir acht Wochen lang unterwegs waren, dazu etliche Tage mit dem Bus an Land. Der Bericht darüber würde einen halben Reiseführer füllen und davon gibt es inzwischen genügend und sicher auch viele Infos im Internet. Darum, zum Abschluss unserer Zeit ein paar persönliche Eindrücke.
In Santiago de Cuba, ganz im Osten der Insel, bei einem kleinen Fest als Dankeschön für die Rettungsaktion der Muktuk, als sie in der Bucht auf Wanderschaft ging: Die beiden jungen Marineros, die den Katamaran der Marina betreuen, haben viel Kontakt mit Seglern und dadurch nach und nach ihr Englisch verbessert. Sie würden sofort, wenn es möglich wäre, auswandern, um eine Weile im Ausland zu arbeiten, egal was. Sie ärgern sich, dass ihre Arbeit so gering bezahlt wird und sie davon nicht leben können, sie möchten das Internet nutzen, aber das ist nicht möglich, für private Haushalte nicht zugelassen… sie wollen reisen können, fragen uns aus nach den Ländern, die wir schon gesehen haben, wohin wir demnächst hin wollen, stellen Fragen zur Renovierung unseres Bootes, was es gekostet hat. Sie lachen hellauf und meinen, was sie für dieses Geld in Kuba alles hätten reparieren können. Selbst der anwesende Sicherheitsoffizier scheint sich nicht an ihren Reden zu stören, immerhin führen wir die Gespräche teilweise auch auf Spanisch.
Diese Offenheit erleben wir in den nächsten Tagen noch oft: in Camagüey im Artex-Laden des staatlichen Kunsthandwerksverbandes, wo es die schönsten Che T-Shirts gibt, komme ich mit den beiden Verkäuferinnen ins Gespräch. Wie so oft fragen sie erst nach, woher wir kommen und wieso wir als Deutsche so gut Spanisch sprechen, und so ergeben sich schnell weitere Gesprächsthemen. Auch sie sagen spontan, wie gerne sie reisen möchten und wie schwer das Leben hier sei. Wenn ich daraufhin antworte, dass ich zuversichtlich bin und hoffe, dass die bisherigen ersten Schritte in Richtung Privatisierung, einen Wandel zeigen, der „poco a poco“ nicht mehr zurückzudrehen sei, schauen sie mich sehr skeptisch an. Zu lange schon warten sie, Jahre um Jahre…
In der Warteschlange vor der Wechselstube kommen wir mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der vier Jahre in Erfurt gearbeitet hat, noch zu DDR-Zeiten. Er fragt uns nach einer Weile, was denn ein Flug nach Deutschland kosten würde, schluckt, als er die Summe von 800,00 EUR hört – er hatte mit einem Viertel gerechnet – und erzählt, dass er einen Sohn in Deutschland habe, den er gerne einmal besuchen würde.
In Santiago fahren wir mit dem Taxi in die Stadt, wollen für zwei Wochen frisches Obst und Gemüse vom Markt kaufen. Der Taxifahrer erwähnt, dass er in den nächsten Tagen seine Frau aus Venezuela zurück erwartet, sie hat dort zwei Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet. Seine Eltern halfen ihm, den 12 Jahre alten Sohn mit zu versorgen. Eigentlich hätte sie schon da sein sollen, aber sie musste erst nach und nach die vielen Pakete losschicken, mit all den Haushaltswaren und sonstigen lebensnotwendigen Dingen, die sie in Venezuela erstanden hat und die es in Kuba nicht gibt.
Als wir mit den Einkäufen zu ihm zurück kommen, stellt er uns einen jungen Mann vor, der uns in fließendem Deutsch mit leicht sächsischem Akzent begrüßt. Er ist Sohn einer Deutschen und eines Kubaners, noch vor der Wende in Kuba geboren, als Kleinkind mit den Eltern nach Merseburg gezogen und dort aufgewachsen. Nun ist er zurück gekommen, vertieft seit 9 Monaten seine Spanischkenntnisse und möchte hier bleiben, als Biochemiker, Techniker arbeiten. In Kuba sei das Leben so viel ruhiger, der Staat mische sich viel weniger ein als in Deutschland (sic!), erklärt er uns. Und dann gibt er unumwunden zu, dass er zwar mit einem guten finanziellen Polster hergekommen sei, sich aber genauso wie alle anderen an dem Schwarzhandel beteilige, der das Überleben überhaupt erst möglich mache. So z.B. wohnt er in bzw. neben einer Rumfabrik, wird von dort mit günstigen Rumflaschen versorgt, die er gewinnbringend weiter verkaufen kann.
Schnell lernen auch wir, dass wir ein bisschen herumfragen müssen, um beispielsweise Eier und Butter zu bekommen, denn in den Kaufhäusern der Stadt wurde ich nur milde belächelt, als ich danach fragte. Die Kellnerin im Restaurant oberhalb der Marina, oder die Köchin im Hotel nebenan, sie alle verdienen sich ein paar CUCs dazu, in dem sie uns einen Tag später eine Lage Eier bringen, ein Pfund Butter in der Tüte.
Zwei junge Männer am Flughafen in Havanna, sie haben ein privates Taxi, einen hübsch hergerichteten Oldtimer aus den USA, 50er Jahre – wir holen mit ihnen unseren nächsten Gast ab. Ein Flugzeug steigt in den Nachthimmel über unsere Köpfe hinweg auf, sie schauen beide sehnsüchtig hinterher: „Einmal möchte ich auch darin sitzen“, sagt der eine.
An der Südküste der Insel ziehen wir von einer einsamen Ankerbucht zur nächsten – vor einem kleinen Dorf muss dann der örtliche Grenzsoldat seine Pflicht erfüllen und unseren „despacho“, das Reisedokument, abstempeln. Er wird von einem Fischer im Bötchen zu uns gerudert, beide sitzen in der Messe und auch sie fragen nach den Ländern, wo wir schon waren und wohin wir noch segeln möchten. Da erklärt der Grenzsoldat freimütig, dass er auch sehr gerne reisen wolle, aber nicht dürfe, könne. Und fragt uns im weiteren Gespräch, ob wir denn ein paar Fische als Geschenk haben wollten –s ehr gerne, natürlich. Dafür gibt es eine Tüte voller Geschenke im Tausch für seine Kinder und jene des Fischers.
Ein paar Tage später ankern wir neben einer kleinen Flotte von Krabbenfischern, die sich von ihren nächtlichen Ausfahrten tagsüber dort ausruhen. Versorgungsboote kommen alle paar Tage, holen ihre Kisten mit Krabben ab. Wir fahren zu ihnen rüber. Einer aus der Mannschaft erzählt uns, dass er vor etlichen Jahren zu einer zweimonatigen Schulung in Galicien war, just auf der Isla de Arousa, wo wir ein Jahr lang an der Muktuk herum gewerkelt haben. Es hat ihm sehr gut gefallen dort, er zählt aus dem Stegreif alle Ortschaften der Ecke auf, die er damals besucht hat. Wir ziehen ab mit einem Eimer voller frischer Krabben plus zwei Langusten, bringen der Besatzung einen Schnaps aus Galicien und noch ein paar Kleinigkeiten als Gegengabe.
Einfahrt in die Bucht von Cienfuegos
In Cienfuegos in der Nähe der Marina laufen wir in einer Seitenstraße an einem Garten vorbei, am Zaun ein Schild, mit Obst und Gemüse zum Verkauf, darunter ein Plakat mit der Castro-Familie anlässlich eines Jubiläums. Wir rufen, der Besitzer kommt und lässt uns rein, zeigt uns stolz sein Reich: Beete mit Minze, Tomaten, kleinen roten süßen Paprika, Salate, Schnittlauch. Dazwischen schattenspendende Bäume, Zitronen, Orangen, Avocados, zwei große Mangobäume, die reifen Früchte liegen auf dem Boden, hinten in der Ecke ist ein Hühnerstall. Wir bekommen Tüten in die Hand gedrückt und dürfen selber ernten, derweil der Gärtner auf unsere Fragen hin allerlei erzählt. Er verkauft nur an Privatleute, für sein Gemüse würde er auf dem Markt mit den staatlich festgelegten Preisen nicht genug einnehmen, um zu überleben. Und seine Sachen sind so viel besser, das können wir bestätigen. Es ist eine Freude, ihm zuzuhören, wie er mit Begeisterung und Liebe von seinem Garten spricht. Eine kleine Oase hat er da geschaffen. Bei unserem zweiten Besuch, wir brauchen wieder Proviant für die nächsten einsamen Ankerbuchten, sind wir schon gute „amigos“, werden von ihm und seiner Frau mit Küsschen begrüßt, er zeigt uns seine Garage, in der er ein provisorisches Lager aufgebaut hat, einen Kühlschrank voller Limettensaft, und wir bekommen zum Abschied ein Plakat mit der Castro-Familie geschenkt. Anschließend fährt er uns das kurze Stück zur Marina zurück in seinem schönen alten Auto, 10.000 CUC hat es ihn gekostet, noch mit Originalmotor.
Mangroven
Auf er Isla de Juventud treffen wir noch freundlichere und hilfsbereitere Menschen, so viele fröhliche und entspannte Gesichter sehen wir auf der Busfahrt zur Inselhauptstadt, wie sie einander begrüßen, miteinander umgehen. Auch wir werden oft angesprochen, werden gefragt, ob wir Hilfe bräuchten, bekommen bereitwillig und ausführlich Antwort auf unsere Fragen.
Privater Markt auf der Isla de Juventud
„Jeder Kubaner muss schiessen können und er muss gut schiessen können (Fidel)“
Im Hotel neben der Marina geht es ruhig zu, abgesehen von sporadischen Tauchurlaubern ist dort nicht viel los, dabei ist die Anlage ganz hübsch, mit Swimmingpool, ein paar Schritte weiter der Strand. In dem Laden des Hotels arbeitet eine Dame, die recht gut Deutsch spricht – und auch sie fragt sofort offen und herzlich, womit sie uns helfen kann. Fahrten zum Flughafen, um Besuch abzuholen, Obst und ein gutes Huhn aus ihrem Dorf organisiert sie spontan für uns. Und nach und nach erzählt auch sie, von ihren beiden Söhnen, der eine ist Ingenieur und arbeitet in Havanna, der andere studiert Medizin. Sie hofft auf ein Visum für Deutschland, will im Sommer dort auf Einladung einer Freundin drei Monate lang bleiben und unbedingt arbeiten. Mit dem Geld möchte sie ein Haus in Havanna kaufen, vielleicht eine Pension, ein Restaurant eröffnen, ihr Mann kann gut kochen. Sie sorgen sich um die Zukunft ihrer Söhne, wollen für die beiden etwas in der Hauptstadt aufbauen. Das beschauliche Landleben auf der Insel mit der Hektik der Großstadt zu tauschen, ist nicht einfach, aber nachdem vor einem Jahr die Löhne gekürzt wurden und sie nurmehr umgerechnet 11 CUC pro Monat verdient: „Was sollen wir machen, wir haben unser Leben schon hinter uns, aber unsere Söhne…“ Wir hoffen sehr, sie im Sommer in Deutschland wieder zu sehen.
Letzte Station, bevor wir Kuba verlassen, ist eine kleine Marina an der westlichsten Spitze der Insel, am Cabo San Antonio. Hier sind die Offiziellen überraschend entspannt, die Papiere, der Arztbesuch können an Land erledigt werden, nur der Hundeführer kommt mit seinem haarigen Pelzbündel an Bord. Er lässt seine Hündin laufen, schnüffeln, und fragt derweil interessiert nach den schönen Holzarbeiten im Boot, nach den aufgehängten Fotos. Nachdem die Hündin ausgiebig unsere Zehen abgeschleckt, eine deutsche Zeitung angeknabbert hat, schläft sie friedlich ein, und wir unterhalten uns immer noch mit dem freundlichen Gast. Er hat schon immer auf diesem einsamen Außenposten gearbeitet, 20 Tage in der Grenzstation, eine Woche daheim, mit drei Kindern ist das kein einfaches Leben. Aber in wenigen Jahren, mit Mitte Vierzig, kann er offiziell aus dem Militär ausscheiden und sich eine andere Beschäftigung suchen. Die desolate wirtschaftliche Lage Kubas schiebt er voll und ganz auf das US-Embargo und erzählt von den schweren Jahren der sogenannten Sonderperiode nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, als Kuba schlagartig von den Subventionen, dem Austausch der Arbeitskräfte und vor allem den günstigen Öllieferungen abgeschnitten wurde. Damals wurde buchstäblich der Gürtel enger geschnallt, die Lebensmittel rationiert, auf Pferde und Ochsenkarren umgestellt. „Aber wir haben überlebt“, sagt er stolz und streckt seine Arme hoch, die Hände zu Fäusten geballt. Kuba müsse seine Zukunft im Ausbau des Tourismus suchen, erklärt er dann noch, denn Kaffe, Rum und Zigarren, die früheren Exportschlager geben auf dem Weltmarkt nicht mehr viel her.
Es sind einzelne Begegnungen mit Menschen, eine sehr subjektive Auswahl, und es sind Menschen, die überwiegend mit Touristen, Reisenden wie uns, zu tun haben. Wir hatten leider keine Zeit, um diese Bekanntschaften zu vertiefen und wir hatten auch kaum Gelegenheit, Menschen aus anderen Lebens- und Arbeitsbereichen des Landes kennen zu lernen. Wir sind trotzdem sehr gespannt darauf, wie es im Lande weiter geht, wie es in ein paar Jahren aussehen wird.