Bis zum Karneval sind es noch zwei Wochen hin, aber es wird schon viel gefeiert und auch an diesem Wochenende gibt es überall Umzüge. Der Nachbarort von Point a Pitre, Les Abymes ist an diesem Sonntag dran, viele Gruppen kommen hier zusammen, bilden einen gut organisierten Zug. Am Straßenrand sitzen überall Frauen auf Hocker, Klappstühlen, Kinder wuseln herum, Männer holen Getränke, es wird mitgesungen, mitgetanzt.
Die Broschüre zum Karneval in Guadeloupe informiert uns auch über die Geschichte und die verschiedenen Gruppen, die auftreten: es ist eine lebendige Tradition, offen für Einflüsse aus anderen Regionen. So gibt es nicht nur die traditionellen Gruppen, „Po“, hauptsächlich Männer, die auf Tamburinen trommeln, Rasseln schütteln und in Conques-Muscheln blasen. Den Körper bemalen sie mit Melasse, Silber, Gold und tragen manchmal große Kopfmasken.
Den brasilianischen Einfluss sieht man deutlich in den Gruppen „caisses clairet“, hier überwiegend Frauen, deren knappe Kostüme mit viel Glitzer, Perlen und Federn verziert sind. Wir viel Arbeit diese Farbenpracht und Farbenvielfalt gemacht haben muss! Und wie sie tanzen und singen können! Sie werden immer von einer Musikgruppe begleitet, mit Trompete, Saxophon und Trommeln.
Unbedingt dazu gehören auch die Frauen in Kleidern im Kolonialstil oder auch mal ein bauchfreies Ensemble, entweder ganz in Weiß oder in den schönen karierten kreolischen. Ihr Markenzeichen sind die Hüte: jede zeigt stolz ihre eigene Kreation: Gewürze in Säckchen, Segelboote, Trommeln, Obst und Gemüse, alles in Miniatur und liebevoll zusammengestellt und aufgeklebt.
Die Gruppen, „Ti Mass“ oder nur „Mass“ gibt es wohl erst seit der Jahrtausendwende. Sie tragen einheitliche Plastikmasken, Zombies mit wilden Frisuren oder Affengesichter, auch ihre Kostüme sind oft identisch, manchmal tragen sie nur Hemd und Jeans. Es sind überwiegend junge Leute, die um Stöcke herum tanzen oder wilde Sprünge vollführen, mit den Damen auf ihren Stühlen schäkern, vorwitzige Kinder auf den Arm nehmen und mit ihnen herumlaufen, die ganz Kleinen in den Buggys werden dagegen vorsichtig angestupst. Viel Phantasie und viel Theater zum Austoben, manchmal mit gesellschaftspolitischen Botschaften dabei auf den T-Shirts oder Plakaten. Auch sie haben eine musikalische Begleitung: Steelbands und die Trillerpfeifen zum Taktgeben. Und einige der Jungs haben schwere geflochtene Peitschen in der Hand, mit denen sie ordentlich knallen können.
Ich weiß gar nicht wo ich hinschauen soll, so schnell ziehen die Gruppen vorbei: ob auf die kleinen Kinder, die oft vorneweg gehen und putzig aussehen in ihren Masken, und die sich schon gekonnt mit bewegen, oder auf die hinreißend tanzenden Frauen, oder die kraftvollen Trommler…
Schade, dass es so schnell dunkel wird und der Fotoapparat nicht mehr alle Einzelheiten der Kostüme einfangen kann.
Abends zurück in Point a Pitre ist die Stadt aus ihrer Sonntagsnachmittag-Ruhe erwacht: die Straßen sind belebt, überall wird Popcorn verkauft, hier ein Imbisswagen mit Crepes und Burger, dort ein improvisierter Stand mit Hotdogs. Sie warten alle darauf, dass die Gruppen des Festumzugs von Les Abymes nun auch durch Point a Pitre ziehen – und schon kommt eine daher getanzt und wird bejubelt und beklatscht. Bis Mitternacht hört man in der Stadt die Trommeln, Trillerpfeifen und Conch-Muscheln dröhnen…