7. Juni 2023
Den Tipp bekamen wir von Fuminori-san aus Hirado: wenn wir Zeit hätten, sollten wir unbedingt die kleine Insel Takushima besuchen, denn da gäbe es ein kleines Ryokan (traditionelles japanisches Gasthaus), in dem man nicht nur ein Abendessen bekommen, sondern auch vorher ein Bad nehmen kann.
Das Inselchen hat keinen eigentlichen Ort, aber das Gasthaus ist dank google Maps schnell gefunden und wir versuchen, im nahegelegenen Hafen festzumachen. Der ist allerdings sehr klein, der einzige mögliche Liegeplatz hat ablandigen Wind und der drückt beim Anlegen immer wieder den Bug der Muktuk weg, bevor wir festmachen können. Nach etlichen Versuchen und einer ordentlichen Schramme am Bug brechen wir den Versuch ab.
Zum Glück gibt es aber am anderen Ende der Insel einen weiteren Hafen (wir fragen uns manchmal, ob japanische Inseln mehr Häfen als Einwohner haben), und der ist groß genug. Zu Fuß machen wir uns am späten Nachmittag auf den Weg, das Gasthaus ist etwa drei Kilometer entfernt. An Häusern und Zäunen hängen überall Kinderzeichnungen, die vor den Wildschweinen warnen, die offensichtlich auf dieser Insel zu Hause sind. Ein abwechslungsreicher Spaziergang führt uns vorbei an Cosmea-Feldern, liebevoll gepflegten Gemüsegärten und Selbstbedienungs-Ständen mit Gemüse.
Am Gasthaus angekommen, das gar nicht wie ein Gasthaus, sondern wie ein normales privates Wohnhaus aussieht, versuchen wir uns auf Japanisch zu verständigen: können wir hier ein Essen und ein Bad bekommen? Die Besitzerin schüttelt bedauernd den Kopf und redet auf uns ein. Viel verstehen wir nicht, aber es scheint, das Gasthaus würde nur auf vorherige Reservierung öffnen, und sie seien nicht auf Gäste eingestellt, hätten nichts eingekauft, vorbereitet etc.
Aber unser trauriger Gesichtsausdruck bringt sie dann doch zum Überlegen. Nachdem sie sich kurz mit ihrem Mann beraten hat, bedeutet sie uns zu warten. Nach einer Weile führt sie Birgit in ein kleines Badezimmer und lässt ihr in eine Art Sitzbadewanne ein heißes Bad ein. Ich darf währenddessen auf der Terrasse Platz nehmen, auf der ein Schreiner, ein Freund des Wirtspaares, gerade dabei ist, ein neues kleines Holzhaus zu bauen. Auf einem Betonfundament hat dieser das Gerüst für das Haus errichtet: Ständer, Riegel, Streben, Dachbalken und der ganze Dachstuhl stehen schon, nur Wände und Dach fehlen noch.
In dieses Gerüst stellen die Wirte einen Tisch und ein paar Stühle; ich sitze mit dem Schreiner bei einem Bier und übe mein Japanisch. Er erzählt stolz, dass er den gesamten Holzaufbau am heutigen Tag errichtet hat. Ich erzähle von unseren Reisen, und habe tatsächlich den Eindruck, dass wir uns – ausnahmsweise ganz ohne Übersetzungsprogramm – verständigen können. Nach einer halben Stunde kommt Birgit aus dem Bad, und ich darf ihren Wannenplatz übernehmen.
Während ich bade, verwandeln die Wirtsleute den Rohbau auf liebevolle Weise in ein gemütliches Restaurant: Blumen werden in Vasen auf die Holzriegel gestellt, der Tisch wird gedeckt, für später werden Lichter an die Dachsparren gehängt. Wir sitzen im Schein der untergehenden Sonne, schauen auf Meer und Hafen (den Schauplatz meines unrühmlichen Anlegeversuchs). Und dann werden die Köstlichkeiten aufgefahren: Platten mit Sashimi, Misosuppe, einlegtes Gemüse, Seeigel, Gebratenes, Gedämpftes… ein Gang nach dem anderen erscheinen auf dem Tisch, wir essen alle gemeinsam (die Wirtsleute, der Schreiner, Birgit und ich), Bier wird aus großen Flaschen reihum in unsere Gläser gefüllt. Wieder einmal fühlt es sich an, als hätten wir Familienanschluss gefunden, und wir unterhalten uns mit Händen, Füßen, Mimik und unsern paar Brocken Japanisch.
Als wir am späten Abend unsere Rechnung bezahlen und aufbrechen, bestehen sie darauf, uns mit dem Auto zum Schiff zurückzubringen – in der Nacht sei das mit den Wildschweinen nicht ganz ungefährlich…