16. Februar 2023 um 19:30 Uhr UTC, POS 18°23’N 176°34‘E
In dieser Woche gab es gleich mehrere völlig irrelevante, aber für uns bedeutende Meilensteine. Am Anfang der Woche konnten wir Bergfest feiern – die Hälfte der Strecke lag hinter uns. Mittlerweile sind von den ursprünglichen 7.421 Seemeilen nur noch 2.950 übrig.
Vorgestern wechselte unsere Position von West- auf Ostlänge. Wir haben ja seit unserer Abreise in Mexiko bereits fünfmal die Uhr eine Stunde zurückgestellt, also hatten fünf unserer Tage eine Stunde zusätzlich. Dafür mussten wir jetzt, beim Überschreiten der Datumsgrenze, einen ganzen Tag hergeben. Mittwoch, der 15. Februar taucht also bei uns im Logbuch nicht auf.
Seit sechs Wochen fahren wir nun unter Windsteuerung. Es ist immer wieder faszinierend zuzusehen, wie dieses Wunderwerk der Ingenieurskunst ganz ohne Strom die Muktuk auf Kurs hält. Hin und wieder korrigiert unsere automatische Trimm-Vorrichtung die Stellung des Hauptruders, alles andere macht die Windsteuerung alleine, Tag und Nacht. Vor allem, wenn es nachts richtig finster ist, bevor der Mond aufgeht, denken wir immer: wie gut, dass die Muktuk alleine weiß, wo sie hinfahren soll.
Neben den Segeln, dem Rigg und der Unversehrtheit des Rumpfes ist die Windsteuerung eine unserer kritischsten Komponenten. Müssten wir stattdessen den Autopiloten verwenden, würde dessen Getriebe unserer Erfahrung nach eine so lange Seestrecke nicht durchhalten (Ersatzzahnräder haben wir auch nicht in unbeschränkter Menge dabei). Und wenn andauernd einer von uns beiden Rudergehen müsste – was für ein Alptraum.
Deshalb war es erstmal ein Schreck, als letzten Samstag das Boot ständig aus dem Kurs lief. Die Ursache war schnell gefunden: das Pendelruder der Windsteuerung war abgebrochen und liegt jetzt auf 5.000 Meter Tiefe. Früher war das Pendelruder aus Holz, aber wir haben es erst 2017 in Neuseeland durch die neue Version aus Aluminium ersetzt. Und dieses ist jetzt knapp unterhalb der Halterung abgebrochen – vom Schadensbild her anscheinend ein Ermüdungsbruch. Das ist natürlich unerfreulich und sollte nach sechs Jahren mäßigen Einsatzes noch nicht passieren, andererseits ist die Konstruktion der Windsteueranlage so einfach und reparaturfreundlich, dass wir das Pendelruder ohne große Probleme durch ein Reserveblatt aus Holz ersetzen konnten.
Blöderweise kommt man allerdings an die nötige Stelle dafür von Deck aus nicht heran. Das Pendelruder montieren wir normalerweise vor Anker vom Beiboot aus, was unterwegs natürlich keine Option ist. Also musste ich mich achtern über Bord hängen, um das Ersatz-Ruderblatt einzupassen und zu montieren. Ich war dabei zwar gesichert, aber wenn von achtern die Dreimeterwellen anrollen, arbeitet man doch ständig mit einem besorgten Blick über die Schulter. Jedenfalls waren wir beide sehr erleichtert, als das Ding montiert und ich wieder wohlbehalten an Deck war. Und die Windsteuerung wieder pendelte, wie es sich gehört.
Wir überlegen schon mal, was wir an Bord zersägen können, sollten wir noch einmal ein neues Pendelruder brauchen. Andererseits: es sind ja nur noch 2.950 Seemeilen.
Mit den Tölpeln hatten wir jetzt keine so großen Probleme mehr. Manchmal streiten sie sich am Abend noch um die Rastplätze auf den Masten, aber die Solarpaneele wurden nicht mehr belagert. Dafür haben wir bereits an zwei Abenden einen Tropikvogel gesehen. Wenn ihr den googelt, werdet ihr verstehen, warum wir so begeistert davon sind. Mit ihrem langen Schwanz sehen diese Vögel aus wie eine etwas übertriebene Computer-Animation eines geflügelten Fabelwesens. Und die fliegen hier einfach so herum. Toll!