Sie standen ja im Revierführer: die „acceleration zones“, d.h. Seegebiete vor den Steilküsten der kanarischen Inseln, an denen durch den Düseneffekt der Wind erheblich stärker weht. Die Rede war von einer Steigerung um 10-15kn.
Auf der Überfahrt von den Selvagems nach La Palma hatten wir im Schnitt 20kn, also Windstärke 5. In der acceleration zone erwarteten wir also 30-35kn (Windstärke 7). Alles im grünen Bereich, zumal sich in dem kleinen Gebiet kein Seegang aufbaut, der diesem Wind entspricht. Also zwei Reffs ins Groß und rein ins Vergnügen.
Aber Rasmus hatte sich das anders vorgestellt. Es kachelte auf einmal mit 40-45 (9 Bft), in Böen auch schonmal 50-55kn (10 Bft), ein ausgewachsener Sturm also. Und auch aus den 2-3 Meter Wellen wurden ab und an 4-5 Meter, so dass das Ganze doch ein recht sportliches Erlebnis wurde.
Weder Windsteueranlage noch Autopilot konnten das mehr steuern, und so durfte ich Sturmtaktik beim Rudergehen üben: wenn die großen Wellen anrollten, vor den Wind gehen, damit einen die Welle genau von achtern erwischt und nicht querschlagen lässt. Wenn kleinere Wellen anrollen, wieder anluven, damit man irgendwann auch aus der acceleration zone heraus- und in die Abdeckung der Insel hineinkommt.
Mich hatte die ganze Aktion in unserer normalen Bordkleidung erwischt (kurze Hose, T-Shirt), war sofort klatschnass und schaffte es erst nach einer halben Stunde, kurz nach unten zu gehen und Ölzeug anziehen zu können.
Birgit war währenddessen unter Deck damit beschäftigt, die umherfliegende Inneneinrichtung zu bändigen, denn alles was nicht niet- und nagelfest gestaut war, entwickelte einen ungeheuren Bewegungsdrang. Und welche Luken nicht ganz dicht sind, wissen wir jetzt auch genau. Aber insgesamt hatte unsere Muktuk keinerlei Schwierigkeiten mit diesen Verhältnissen, sie blieb jederzeit kontrollierbar und sicher.
Nach anderthalb Stunden war der Spuk vorbei, und zwar so plötzlich, als hätte man einen Schalter umgelegt. Innerhalb von fünf Minuten ging es von Sturm auf Flaute, so dass wir die Segel bergen und die Maschine anwerfen mussten. So tuckerten wir dann gemütlich in den Hafen von Tazacorte, wo wir extrem geschützt liegen. Leider gibt es auf La Palma keine guten Ankerplätze, so dass wir erst einmal in der Marina bleiben werden, um von hier aus die Insel zu erkunden.
Von unserem heißen Ritt gibt es leider keine Fotos – unsere Kamera ist nicht wasserdicht, und ich hatte auch keine Hand frei. Das Bild und ein kleines Video sind von der Überfahrt.
Respekt, das klingt ja nach einem wilden Ritt! Sozusagen die Feuer- äh, Wasser-, nein Windtaufe von Muktuk v2.0? :o)