Dass wir ausgesprochene Keramik-Fans sind, steht ja schon in einigen anderen Artikeln dieses Blogs. Der Höhepunkt der getöpferten Kunstwerke kommt aber hier.
Der Begriff Raku hat in Japan eine speziellere Bedeutung als in Deutschland. Bei uns steht Raku allgemein für eine Brenntechnik, bei der das Töpfergut nach dem Brand bei niedriger Hitze (rund 1000 Grad) eine Reduktionsphase durchläuft, durch die sich Kohlenstoffeinlagerungen, feine Risse und metallischer Glanz bilden können.
In Japan wurde Raku aber auch als Familienname der berühmtesten Töpfer-Dynastie verliehen. Diese geht zurück auf Sen Rikyu, den Meister der Teezeremonie und den Töpfer Chojiro, die das alles im 16. Jahrhundert erfunden haben. Seither gibt es fünfzehn Generationen der Töpfermeister aus der Raku Familie. Der derzeit amtierende heißt Raku Kichizaemon XV, wurde 1949 geboren und löste 1981 seinen Vorgänger in der Dynastie ab. In jeder neuen Generation ist dabei beides gefragt: sowohl die Tradition fortzusetzen, als auch sie zu brechen und weiterzuentwickeln.
Die Produktionen dieser Raku Meister sind überwiegend Teeschalen, die im Rahmen der Teezeremonie Verwendung finden. Und was für welche! Wir hatten in Kyoto sowohl Gelegenheit, Werke aller fünfzehn Generationen im Raku-Museum zu sehen, als auch eine Ausstellung im nahegelegenen Segawa Art Museum, die ausschließlich Raku Kichizaemon XV gewidmet war.
Ein wenig zum Hintergrund: Bei der Teezeremonie dreht sich alles um wa (Harmonie), alle Details ordnen sich dem unter: vom Garten über die Architektur der Teehütte, den reduzierten Schmuck in der tokonoma mit ihrer Bild- oder Schriftrolle und ihrer zur Jahreszeit passenden Pflanze bis hin zur Auswahl des Teekessels und eben der Teeschale. Das kennzeichnende Element der Ästhetik ist dabei wabi-sabi. Sabi bedeutet soviel wie „gereift durch den Gebrauch“ und wird beispielsweise durch Patina erreicht, durch leichte Rostspuren am Teekessel, der seit Generationen im Einsatz ist oder eben durch die Raku-typischen Risse in der Keramik. Wabi ist das Ideal des Unvollkommenen, der Schlichtheit, das Gegenteil der Perfektion. Und typisch japanisch ist es, diese Schlichtheit und Unvollkommenheit zur höchsten Perfektion zu treiben – und damit sind wir wieder bei Raku.
Raku Teeschalen werden in einem mehrtägigen Prozess von Hand geformt, sind nie ganz rund, haben bewusst sichtbare Spuren des Bearbeitungsprozesses oder Abdrücke der Zange, mit der sie noch rotglühend dem Töpferofen entnommen wurden. Jede Schale ist natürlich ein Unikat, hat einen Namen, oft gibt es dazu ein Gedicht aus dem Man’yoshu, der ältesten Gedichtsammlung Japans. Und sie sind einfach unglaublich schön, egal ob es sich um alte Klassiker oder moderne Interpretationen dieses Stils handelt.
In beiden Museen war es eigentlich verboten zu fotografieren. Weil aber einige der ausgestellten Schalen in keinem Katalog zu sehen sind, haben wir doch heimlich ein paar Bilder gemacht: