Kurz nach der aufregenden Passage durch die Kanmon Strait suchen wir uns einen Hafen an der Nordküste aus. Ube heißt der Ort, das Hafenbecken ist groß und laut Seekarte tief genug, wir fahren am Nachmittag bei fallender Tide hinein. Bald sehen wir eine Pier, die mit schwarz-gelben Streifen markiert ist. Man hatte uns gesagt, so seien die öffentlich verfügbaren Liegeplätze markiert, also legen wir dort an. Wir benötigen allerdings etwas Hilfe, denn die Kaimauer ist gut zwei Meter über Deck und es gibt keine Leiter. Zwei Männer helfen uns, die Leinen anzunehmen, wir machen fest und ich klettere an Land. Mit Gesten und ein paar Brocken Englisch gibt uns einer der Männer zu verstehen, dass dies hier der Liegeplatz der Schlepper sei und wir nicht über Nach bleiben können. Ich zeige fragend mit der Hand im ganzen Hafen herum: „gibt es einen anderen Liegeplatz?“. Gibt es nicht, aber er zeigt mir auf der Handy-Landkarte einen Hafen weiter östlich. Da könnten wir hin. Er telefoniert kurz und bestätigt dann, dass wir dort eine Nacht bleiben könnten.
Diesen Hafen hatte ich auch schon auf der Seekarte angeschaut und als ungeeignet verworfen. Ein enges, langgestrecktes Hafenbecken mit geringen Tiefen, und laut Satellitenkarte liegen dort nur Jollen und kleine Kabinenkreuzer, maximal 4-5 Meter lang. Ein so großes Boot wie unsere Muktuk soll da reinpassen? Mit großen Zweifeln fahren wir die knapp vier Seemeilen und schauen uns den Hafen an. Den Kiel hoch, so dass wir nur noch 2,5 m Tiefgang haben, tasten wir uns in langsamer Fahrt in das Becken hinein. Wir werden schon erwartet, ein kleines Segelboot kommt uns entgegen, das hat nämlich seinen Liegeplatz für uns geräumt. Leute an Land signalisieren uns ganz zum Ende des Hafenbeckens, dort sollen wir an einem alten Kahn festmachen, der als Schwimmsteg dient und von dem eine klapprige Leiter die Pier hinauf führt. Viele Helfer vom hiesigen Segelclub nehmen unsere Leinen an, reichen uns eine Mooring, legen Extra-Leinen vom Schwimmsteg an Land zur Verstärkung, denn Muktuk ist fast doppelt so lang und wahrscheinlich zwanzigmal so schwer wie unser Steg-Kahn. Der Mann vom ersten Hafen ist auch wieder da, er ist mit dem Auto herübergefahren um sicherzugehen, dass wir gut unterkommen. Gastfreundschaft auf japanische Art!
Nachdem Muktuk sicher versorgt ist, machen wir uns auf, Ube zu erkunden. Einen Supermarkt gibt es direkt gegenüber, einen Onsen eine halbe Stunde entfernt. Auf dem Weg dorthin kommen wir an einem Restaurant vorbei, das ganz interessant aussieht. Dort steht auf jedem Tisch ein Grill, wir klopfen an und fragen, ob wir in etwa einer Stunde zum essen kommen können. „Können Sie Hormone essen?“ fragt uns die Wirtin mit Hilfe unseres Google Übersetzers. Birgit und ich schauen uns an. Hmmm… können wir schon, aber wollen wir? „Das sind die inneren Organe der Kuh“ stellt die Wirtin bzw. Google klar. OK, das ist einfacher. Leber mögen wir sowieso, Kutteln kennen wir ja aus der Toskana – wir sagen zu.
Eine Stunde später, frisch gebadet, ist das Restaurant rappelvoll. Gut, dass wir reserviert haben. Die Wirtin fragt, was wir haben wollen. Das Bier zu bestellen ist einfach, aber fürs Essen gibt es keine Speisekarte, die wir verstehen würden, wir machen per Zeichen klar, das wir einen gemischten Teller mit „Hormonen“ wollen. Der kommt dann auch, aber außer einem Stückchen Leber, einem Stückchen Fleisch und einem Stückchen Zunge erkennen wir keines dieser „inneren Organe“. Es sieht eigentlich auch nicht nach wirklichen Organen aus, eher eine Mischung aus Fett und Bindegewebe, mit eigenartigem Geschmack. Später werden wir diese Sachen auch im Supermarkt finden, aber auch da scheitert unser Taschen-Übersetzer, wir wissen bis heute nicht, was wir da gegessen haben. Wie heißt es so schön: interessanter Geschmack. Aber die Zunge war außerordentlich gut, die bestellen wir noch einmal nach und lernen, dass sie nicht wie alles andere in Sojasauce getunkt wird, sondern in Zitronensaft und mit frischem Pfeffer bestreut. Ziemlich gut.
Als wir am nächsten Morgen ablegen, drückt uns der hilfreiche Herr vom Vortag noch eine Tüte in die Hand, gefüllt mit Lebensmitteln. Man lässt in Japan seine Gäste eben nicht hungern. Und nachdem er erst einmal unsere Leine angenommen hat, waren wir wohl seine Gäste. Er springt in ein kleines Segelboot und fährt uns ein paar Minuten hinterher, um uns noch einmal zuzuwinken, dann dreht er ab und fährt wieder in den Hafen zurück.