Wo ist die Kokosnuss, wo ist die Kokosnuss?

Na ja, eigentlich fast überall in den Tropen. Was wir aber hier erzählen wollen: was man alles mit der Kokosnuss machen kann. Hierzulande, also eigentlich Dazulande, soll heißen in Deutschland kannte man ja bis vor kurzem nur die braunen hartschaligen, meist schon etwas älteren Nüsse, die man hin und wieder im Supermarkt findet und dann daheim mit Hammer und Schraubenzieher auf dem Balkon aufklopft und mit zwei bis drei abbrechenden Tafelmessern traktiert, um das weiße Fruchtfleisch herauszubekommen, auf dem man dann herum kauen kann. Das macht in den Tropen natürlich niemand, allein schon mangels Balkon.

Also fangen wir von vorne an: wenn die Palme noch jung ist, vielleicht 3-4 Meter hoch, und da wo sie wächst nicht gebraucht wird, kann man sie mit der Machete in Bodennähe abschlagen, und aus dem unterem halben Meter den inneren weißen und weichen Stammabschnitt herauslösen. Das sind Palmenherzen, schmecken köstlich roh als Salat oder kurz angebraten. Aber lassen wir die Palme weiter wachsen und Früchte tragen.

Die Kokosnüsse sind nicht nur von der braunen harten Schale umgeben, sondern nochmals in ein rund fünf Zentimeter dickes faseriges, sehr zähes Gewebe verpackt, damit sie den Aufprall nach ihrem planmäßigen Sturz zu Boden übersteht. Anfangs ist dieser Schutzhelm grün, und grüne Kokosnüsse fallen nur herunter, wenn es stürmt oder jemand raufklettert und sie runter wirft. Grüne Kokosnüsse sind zum trinken da. Sie werden mit der Machete geköpft (die harte braune Schale ist noch nicht so hart), so dass sie ein mundgerechtes Loch bekommt. Das Innere ist vollständig mit Flüssigkeit gefüllt, das junge Kokoswasser schmeckt frisch und leicht süß. Weißes Fruchtfleisch gibt es kaum.

Wird die Kokosnuss reif und die Umverpackung braun, fallen die Nüsse freiwillig herunter. Entfernt man nun die faserige Hülle, findet man die braune Kokosnuss wie im erwähnten Supermarkt. Die Flüssigkeit schmeckt nun anders, das weiße Fruchtfleisch ist jetzt das Hauptprodukt. Es wird aber nicht einfach gegessen. Man kann zweierlei damit machen:

Erstens Geld verdienen. Löst man das Fleisch heraus, trocknet es und füllt das dann schon leicht ranzig riechende Produkt in Säcke, nennt man das Kopra. Es dient zur Produktion von Kokosöl für Kosmetik, Lebensmittel und Industrieanwendungen. Kopra ist noch heute das Hauptexportgut vieler tropischer Inselstaaten. Leider unterliegt der Preis starken Schwankungen, das macht es vielen Menschen dort schwer, etwa das Schulgeld für ihre Kinder zu bezahlen. In manchen Jahren reicht es, in manchen nicht. Und es ist ein hartes Geschäft! Für die Kopraproduktion werden die Kokosnüsse samt Umverpackung mit der Axt gespalten und dann mit dem Messer ausgelöst. Ein Könner ist da natürlich schon geschickter als unser Heimwerker auf dem Balkon, aber bis ein 60kg Sack Kopra voll ist, braucht es rund 400 Kokosnüsse, und dafür gibt es umgerechnet 20-30 Euro.

Zweitens essen. Dazu wird die Kokosnuss ebenfalls halbiert (das geht auch ohne Axt mit einem Stein), dann wird das Fleisch als Brei herausgeschabt. Früher traditionell mit einer harten Muschelschale, heute meist mit einem kleinen Reibeisen, das am Ende der Sitzfläche eines kleinen Hockers befestigt ist. Da sitzt man drauf, schabt die halbe Kokosnuss auf und ab und fängt den Brei in einer darunter gestellten Schüssel auf. Auch wir haben uns an Bord so ein Ding gebastelt, geht viel schneller so.

Der Brei, vermengt mit dem Wasser der Kokosnuss, wird dann durch ein Tuch gepresst. Sollte man kein Tuch haben, hilft die Kokospalme weiter, denn um die jungen Stämme herum bildet sie eine Art Bast, der als faseriges Sieb fungiert und traditionell zum Filtern des Kokosbreis verwendet wird. Übrigens: auch zum Feuermachen dient dieser Bast, denn das Zeug brennt wie Zunder. Zurück zur Kokosnuss: die ausgepresste Flüssigkeit ist die Kokosmilch, die und nur die dient zur menschlichen Ernährung. Der im Tuch verbleibende Rückstand der Kokosflocken wird an Schweine und Hühner verfüttert. Aber die frische Kokosmilch hat es in sich. Man kann Fisch, Fleisch und Gemüse darin dünsten, oder sie mit stärkehaltigen Früchten wie gekochten Süßkartoffeln, Taro, Yams, Maniok oder gerösteten Brotfrüchten zu einem Brei vermengen.

OK, satt sind wir jetzt. Was machen wir mit den Schalen? Nichts, denn mit denen haben wir das Feuer zum Kochen gemacht. Oder das Feuer, mit dem in der Regenzeit das Trocknen des Kopras beschleunigt wurde. Wenn doch noch eine übrig ist, hat man ein prima Trinkgefäß (z.B. für Kava) oder eine Schale zum Kochen.

Aber damit ist noch nicht das Ende der Palmenstange erreicht. Da gibt es ja noch die Palmwedel. Aus denen kann man auf einfache Weise Matten, Fächer, Tabletts oder Körbe flechten. Fast alles, was man auf dem Markt kauft, ist ein einem dieser Palmkörbchen, das Körbchen bekommt man kostenlos mit dazu als wiederverwendbare, kompostierbare Einkaufstasche. Je nach Anzahl Blattrippen und Flechttechnik entstehen verschiedene Standardgrößen und –Formen von Körben. Phantastisch.

Vom Markt geht’s zurück nach Hause. Für so ein Haus muss man hier in den Tropen aber nicht ein halbes Leben lang schuften. Eine einfache Hütte ist in einer Woche gebaut, mit Gerüst und Wänden aus Bambus und einem Dach aus… richtig: Kokospalmen. Dazu werden aus den Blattrippen die harte „Mittelgräte“ entfernt, die Blätter um ein Stück Bambusholz gefaltet und – jeweils ein halbes Blatt überlappend – mit der zuvor entfernten Mittelgräte durchstochen und fixiert. Die so entstandenen Reihen werden – nun von unten nach oben überlappend – am Dachgerüst befestigt, und fertig ist das Reetdach aus Kokospalme. So ein Dach kann fünf bis zehn Jahre halten, oder bis zum nächsten Taifun.

Bleibt noch der Stamm der Kokospalme. Den kann man – von Hand oder mit der Kettensäge(!) – in Bretter schneiden und als Bauholz verwenden. Wenn man gerade kein Bambus zur Hand hat.