Kauri – der Riese des Waldes

Ein Kauri ist ein Dinosaurier unter den Bäumen, vor Jahrmillionen gab es ihn schon und seither hat er sich kaum verändert. Er wächst kerzengerade in die Höhe, ein langer Stamm ohne Astansätze, die Baumkrone beginnt weit oben und überragt alle anderen Bäume im Wald. Botaniker zählen den Kauri zu den immergrünen Araukarien, die im subtropischen Raum heimisch sind. Er ist ein langlebiges Gewächs, bis zu 2000 Jahre alt kann er werden. Sein einziger Nachteil ist, er wächst sehr langsam.

Bevor die europäischen Einwanderer in Scharen nach Neuseeland kamen, gab es undurchdringliche Wälder auf der Nordinsel voller Kauri. Die neuen Bewohner brauchten Holz für ihre Häuser, die Schiffsbauer waren begeistert von den geraden und sehr stabilen Stämmen und wollten dieses Holz auch haben. Außerdem produziert der Kauri ein Harz, das noch besser als das seiner Verwandten in Ozeanien ist und sich hervorragend für Lacke aller Art eignet.

Es entstand der Beruf des „gum-diggers“, des Harz-Sammlers: große Klumpen von Kauri-Harz, das über Jahrhunderte in Sümpfen konserviert worden war, wurden ausgegraben. Als in den Sümpfen nicht mehr viel gefunden wurde, mussten die lebenden Bäume selbst herhalten. Die Rinde eines Kauri-Baumes wurde eingeritzt und nach einer Weile das tropfende Harz geerntet. Eine genauso harte und gefährliche Knochenarbeit wie das Graben in den Sümpfen. Und ähnlich wie beim Goldschürfen wurden die wenigsten Sammler davon reich…


Längsschnitt durch einen Kauri-Stamm

Das Abholzen der Kauri kommt aus heutiger Sicht einem Raubbau gleich – mit ungläubigem Staunen sind wir durch das Kauri-Museum in Matakohe von Raum zu Raum gegangen und haben uns die Exponate angeschaut. Wie viel Energie und Erfindungsgeist wurde investiert, um diese riesigen Bäume zu fällen, sie zu zersägen und dann die einzelnen Stücke durch das unwegsame bergige Land zu transportieren. Dämme wurden gebaut, um die Wasserkraft zu nutzen, ein einfaches aber gut funktionierendes System mit einer wiederverwendbaren Klappe, Ochsengespanne wurden eingesetzt, die die Stämme dann weiter zogen bis zu den neu angelegten Bahnlinien. In nur 100 Jahren schafften es die neuen Siedler fast allen Kauri im Norden der Nordinsel abzuholzen und den größten Teil der Wälder in Weideland umzuwandeln.

Erste Bemühungen gab es schon in den 1920er Jahren, Naturschutzgebiete für den Kauri und für den subtropischen Wald mit all seiner Vielfalt einzurichten, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnten ausreichend viele Waldgebiete in Reservate umgewandelt werden, so dass damit der Schutz des Kauri erst wirksam wurde.

Heute ist der Kauri wohl nicht mehr vom Aussterben bedroht, wird in den Schutzgebieten aufgeforstet, darf aber nicht mehr abgeholzt werden. Allenfalls altes Kauri-Holz aus Sümpfen kann zurzeit noch kunsthandwerklich verarbeitet werden, es ist ein schönes Holz, das in Form von Schalen oder Brettchen gut zur Geltung kommt.

Und nun gibt es ein neues Problem, eine aus Australien eingeschleppte Krankheit, die die Bäume verdorren lässt: „Kauri dieback“. Deshalb müssen alle Besucher der Nationalparks, bevor sie wandern wollen, am Eingang an einer Schleuse die Schuhsohlen abbürsten und die Schuhe mit einer speziellen Lösung besprühen, damit diese Krankheit nicht durch infizierte Erdkrümel unkontrolliert weiter verbreitet wird.

Für die Maori waren und sind einzelne große alte Kauri-Bäume heilig und sie spielen in der Mythologie eine große Rolle. So sind der größte noch lebendige Kauri-Baum, der „Gott der Wälder“, Tane Mahuta (Stammumfang 13,70m, 51m hoch und die Blätterkrone beginnt erst bei knapp 18m über dem Erdboden) und der nicht ganz so hohe, dafür aber dickere „Vater des Waldes“, Matua Ngahere (Stammumfang 16,41m und knapp 30m Höhe) nicht nur für die durchreisenden Touristen interessant.

Diese Bäume und noch ein paar mehr können in einem Waldstück nicht weit voneinander entfernt besichtigt werden. Wir sind beeindruckt von ihrer Schönheit und betrachten sie mit einer gewissen Ehrfurcht, wenn wir daran denken, dass sie schon da standen, bevor Captain Cook seinen Weg nach Neuseeland fand und sogar noch bevor die ersten Kanus der Maori anlandeten!