Die Tätowierung, bzw. Tatauierung (Polynesisch) auf den Marquesas ist ein Bestandteil ihrer austronesischen Kultur, die sie mitgebracht hatten, als die Inseln besiedelt wurden. Hier, durch ihre isolierte Lage, entwickelten sich ganz eigene Motive und die Kunst der Tatauierung erreichte eine einzigartige Perfektion. Die Männer erhielten im Teenager-Alter in einer speziellen Zeremonie die ersten Tatauierungen und im Laufe ihres Lebens wurde nach und nach der ganze Körper mit Zeichnungen und Mustern bedeckt. Die Frauen allerdings durften sie nur hinter den Ohren, an Armen, Händen und Beinen tragen.
Tatauierungen waren kostspielig, die Meister wurden meist in Schweinen bezahlt, so dass die Anzahl der Verzierungen sicher auch ein Zeichen des sozialen Status innerhalb eines Stammes bedeutete.
Die ersten Zeichnungen der Tatauierungen gab es von der russischen Expedition unter Krusenstern um 1800. Die schönsten aber hat Karl von den Steinen in seinem dreibändigen Werk „Die Marquesianer und ihre Kunst“ festgehalten. Als er 1897 die Inseln bereiste, fand er allerdings nur noch unter den über 40jährigen Männern Tatauierungen vor. Die Missionare und die französische Kolonialregierung hatten in den vergangenen Jahrzehnten sehr erfolgreich das Verbot der Körperbemalung durchgesetzt, , ebenso wie sie viele andere zeremonielle Traditionen verbaten. Also suchte Karl von den Steinen in entlegenen Tälern und auf der Insel Ua Pou, wo die Gendarmerie nicht alles kontrollieren konnte, alte Tataumeister auf und ließ sich u.a. von ihnen die Motive und Verzierungen aufzeichnen.
Erst 1985 hob der damalige Bischof der Marquesas Le Cleac’h das offizielle Verbot auf. Dank der Vorlagen aus verschiedenen Büchern, hauptsächlich aber aus dem Werk von Karl von den Steinen, konnte diese Tradition wieder aufleben. Sein Werk ist heute die „Bibel“ der Tataumeister.
Inzwischen ist fast jeder Mann auf den Inseln tatauiert, einige wenige sind über und über mit Zeichnungen bedeckt. Die meisten haben eine Schulter, oder Teile des Oberkörpers oder der Oberschenkel ausgewählt, andere wiederum haben auch im Gesicht Tatauierungen, entweder halbseitig oder vom Hals ausgehend über das Kinn. Oft sieht man auch „work in progress“, wenn schon die Umrisse des nächsten Musters eingezeichnet sind und im nächsten Schritt ausgefüllt werden müssen. Auch viele Frauen tragen inzwischen wieder Tatauierungen, und nicht nur hinter dem Ohr und an den Armen, manchmal sieht man auch auf dem Rücken eine schöne Verzierung.
In früheren Jahrhunderten gab es wohl überwiegend ornamentale Tatauierungen, in der Zeit zwischen den Expeditionen von Krusenstern und den Forschungsarbeiten von Karl von den Steinen kamen auch stilisierte Darstellungen von Menschenköpfen und Tieren dazu. Bischof Le Cleac’h wiederum hat das „marquesianische Kreuz“ eingeführt, das zwischen den Ornamenten auch überall auftaucht und mit Stolz getragen wird.
Seitdem Tatoos auch in der westlichen Welt gesellschaftsfähig geworden sind, legen sich viele Touristen hier unter die Nadel. Und natürlich auch sehr viele Segler, jeder zweite, so scheint es, fährt mit einem Souvenir auf der Schulter oder am Oberarm weiter. Es ist tatsächlich nicht einfach, sich der Faszination dieses Körperschmucks zu entziehen, wenn er hierzulande mit solch einem Stolz getragen wird.