Tempelfest in Imabari

25. Mai 2024

An diesem Samstag waren wir zu einem kleinen Kunsthandwerksmarkt eingeladen, wo sich Freunde von uns mit ihrer Musikband am musikalischen Begleitprogramm beteiligen sollten.

Als wir vor dem Gemeindezentrum in einem Vorort von Imabari aus dem Auto ausstiegen, hörten wir Flötenspiel und Trommeln ziemlich nahe bei.

Neugierig folgten wir den ungewohnten Klängen. Am Fuß einer hohen steilen Treppe, die zu einem Tempel hinauf führte, hatten sich bereits viele Zuschauer versammelt, die alle gebannt einem ganz besonderen Schauspiel folgten: eine Gruppe junger Männer teilte sich ein Löwenkostüm, sie sprangen im Takt der Flöten wild herum, während einer von ihnen mit dem Kopf des Löwen umher wedelte.

Danach wurden drei kleine Jungen, vielleicht 8-9 Jahre alt, auf die Schultern von jeweils einem jungen Mann gehoben. Gekleidet in traditionelle Gewänder, teilweise mit Kopfschmuck versehen und im Gesicht stark geschminkt, vollführten die Jungen im Takt der Trommeln und Flöten kunstvolle Handbewegungen mit allerlei Insignien wie Fähnchen, Rasseln und Fächern. Dann aber wurde es richtig akrobatisch: Erst setzten die jungen Männer die kleinen Jungen ab und jeder einzelne von ihnen stieg auf die Schultern eines sehr kräftig aussehenden Mannes, der wiederum von mehreren Männern seitlich gestützt wurde. Dann wurde der kleine Junge hoch gereicht, den wiederum der junge Mann auf seine Schulter setzte. Drei Türme mit jeweils drei Menschen!

Dort oben führten die kleinen Jungen noch einmal ihre rituellen Bewegungen vor. Zum Abschluss verteilten sie ganz viel Konfetti, das aus Schirmchen regnete, die ihnen vorher hochgereicht wurden, während von unten von allen Seiten Luftschlangen auf die drei geworfen wurden.

Die Zuschauer klatschten begeistert und gleichzeitig erleichtert, dass alles gutgegangen war. Alle Darsteller stiegen die Treppe herunter und formten eine kleine Prozession. Während sie an uns vorbei gingen, konnte man in einigen Gesichtern die Freude und Erleichterung sehen.

Mittelpunkt der Prozession war dieser mit viel Gold verzierte Schrein, der sehr schwer sein musste, so wie die Männer unter seiner Last schwankten. Begleitet wurde der Schrein vom Priester des Tempels und etlichen älteren Herren in schwarzen Anzügen, die an hohen Stangen befestigte Gebetsfahnen trugen.

Wir folgten dem Zug durch den Stadtteil bis zum Hafen, wo der Schrein abgestellt wurde. Der Priester sprach ein paar Gebete und versprengte Weihwasser, während sich die Akrobaten im Schatten etwas erholten. Denn sie mussten gleich wieder ran und in der schon recht heißen Vormittagssonne das ganze Programm mit den Tänzen noch einmal aufführen, dieses Mal sogar zeitweise mit vier Türmen nebeneinander.

Hier aus nächster Nähe betrachtet wirken die Darbietungen noch spektakulärer. Wir bewundern die akkuraten Bewegungen der Jungen, die sich da oben in luftiger Höhe fast schon synchron bewegen, staunen über die Kraft der Männer und ihre Konzentration, die keine Sekunde nachlassen durfte, um jede kleinste Schwankung aufzufangen.

Eine Zuschauerin, die gut Englisch sprach, erklärte mir, dass sich im Schrein die Schutzgöttin des Stadtviertels befände. Einmal im Jahr würde der Schrein durch den Ort geführt, um der Gottheit zu zeigen, wie gut es den Menschen hier ginge. Die zeremoniellen Tänze stellten alle eine Ehrbezeugung für die Göttin dar.

Zuletzt, so erzählte sie mir, würde der Schrein aufs Wasser hinaus gefahren werden. Diese Fischerboote sind miteinander verbunden und tragen gemeinsam eine Art Plattform. Darauf sollen noch einmal die zeremoniellen Tänze präsentiert werden. Leider konnten wir nicht so lange bleiben, um zu sehen, ob sie diese akrobatischen Nummern tatsächlich in vollem Umfang auch auf dem Wasser ausprobiert haben.

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