Euklidische Risiken

Naturkatastrophen gehören in Japan zum Alltag. Erdbeben, Tsunamis und Taifune sind keine Seltenheit. Die Warn-App auf unseren Handys weckt uns regelmäßig mit Meldungen über Erdrutsche nach starken Regenfällen oder der Gefahr von Hitzschlag. Auf der anderen Seite gibt es außer Wildschweinen keine gefährlichen Wildtiere, Schlangen oder Skorpione.

Kaum bekannt aber ist die Gefahr, die hierzulande von bestimmten geometrischen Figuren ausgeht. Es sind vor allem die spitzwinkligen Dreiecke, die tückisch am Wegrand lauern und nichtsahnende Spaziergänger mit Steinen bewerfen. Kreise oder Quadrate können hingegen als praktisch ungefährlich gelten.

Von etlichen Schildern gewarnt, sind wir jetzt jedenfalls auf der Hut und passen auf, dass uns nicht einer dieser Wegelagerer überrascht. Ob man spitzwinklige Dreiecke wohl – ähnlich wie die Bären in Alaska – mit lauten Gesängen vertreiben kann? Ob unser Pfefferspray auch gegen Dreiecke hilft? Auf der Spraydose haben wir keinen Hinweis gefunden, und der praktische Test steht noch aus.

Gerade als Segler sind wir natürlich besorgt. Jahrelang haben wir spitzwinklige Dreiecke zur Fortbewegung genutzt, und nie sind wir mit irgendetwas (außer Salzwasser) beworfen worden. Aber vielleicht sollten wir sicherheitshalber doch zu Rechtecken als Antrieb zurückkehren. Wussten die alten Rahsegler vielleicht mehr als wir?

 

Die Kirschblüte in Japan 2024

Ende März bis Mitte April 2024

Die Zeit der Kirschblüte, Sakura, ist seit Jahrhunderten fester Bestandteil der japanischen Kultur. Im Frühling gehört es zur normalen Wettervorhersage auch über den aktuellen Stand der Kirschblüte zu berichten. Der nationale japanische Wetterdienst hat mittlerweile sogar eine App rund um die Kirschblüte entwickelt. Hier kann man sich – nach Regionen sortiert – über den voraussichtlichen und aktuellen Stand der Blüten informieren. Zusätzlich bieten die App und auch die Webseite eine Liste der schönsten Parks an, wo man Hanami, das Kirschblütenfest, feiern kann. So ist es ein Leichtes für uns, während unserer Fahrt durch die Seto Inlandsee einige dieser Parks anzusteuern.

Die ersten Blüten in Okayama

Für die Gegend um Okayama wird der Beginn der Kirschblüte auf Ende März festgelegt. Alles ist vorbereitet: die Verkaufsbuden für Essen und Souvenirs stehen schon und der Übertragungswagen der örtlichen Fernsehstation ist auch schon da, um die ersten Blüten zu filmen. Im berühmten Korakuen Park neben der Burg sehen die Bäume aber noch sehr kahl aus, ein Kamerateam hat sich unter einem Baum aufgestellt und sucht in den Zweigen nach der allerersten Blüte. Auch am Flussufer, wo auf beiden Seiten große alte Kirschbäume stehen, sind nur vereinzelt ein paar wagemutige Blüten zu sehen, an besonders sonnigen und windgeschützten Stellen allerdings sind schon ganze Zweige aufgeblüht!

Blütenmeer auf der Insel Iwagi

Eine gute Woche später sind wir mit Freunden unterwegs und fahren zur Insel Iwagi, wo wir die Muktuk an einem Schwimmsteg parken können. Nicht weit vom Hafen entfernt befindet sich ein Tempel, in dessen Hof ein paar alte Kirschbäume stehen, deren ausladende Äste mit dicken Pflöcken abgestützt werden müssen.

In der Mitte der Insel erhebt sich der Berg Sekizen auf etwa 360 Meter über dem Meeresspiegel. Während des Zweiten Weltkrieges wurden sämtliche Kiefern der Insel gefällt, das Kiefernöl war damals eine begehrte Alternative zum knapp gewordenen Erdöl. In der Nachkriegszeit begannen die Inselbewohner mit einer Aufforstung der besonderen Art: sie pflanzten Kirschbäume auf die kahlen Hänge. Inzwischen hat sich der Brauch eingebürgert, dass Kinder zu ihrer Einschulung und alle, die ihren 60. Geburtstag feiern, einen Kirschbaum pflanzen.

Mittlerweile sind es um die 4.000 Kirschbäume, die im Frühling zu unterschiedlichen Zeiten mit ihrer Blüte beginnen. Knapp vierhundert Meter machen keinen großen Unterschied aus, könnte man meinen. Für die Kirschblüte aber schon: unten am Fuß des Berges ist die Blüte bereits in vollem Gange, während oben am Gipfel noch sehr viele rosa Knospen zu sehen sind. So kann man während der Wanderung zum Berggipfel alle Stadien der Kirschblüte genießen.


Besonders schön ist hier der Kontrast zwischen den weißen bis blassrosa Kirschblüten und den gerade aufblühenden Azaleen.


Blick von oben auf die umliegenden Inseln.

Muktuk am Steg in Iwagi

Kirschblüte in Onomichi

Onomichi ist bekannt für seine vielen Tempel, die sich inmitten eines Wohngebietes mit alten traditionellen Häusern befinden. Zusammen bilden sie ein verwirrendes Labyrinth von kleinen und kleinsten Gässchen, die an manchen Stellen so eng sind, dass man selbst mit den schmalen japanischen Autos nicht mehr durchkommt. Oberhalb dieses Stadtteils ist bis zur Spitze des Berges ein weitläufiger Park angelegt worden, wo im Frühling viele hundert Kirschbäume blühen. Wir fahren mit der Drahtseilbahn hoch und können unterwegs einige Tempel aus der Vogelperspektive betrachten.

Die Kirschbäume im Park sind inzwischen alle voll aufgeblüht und mit jedem Windstoß wirbeln Blütenblätter durch die Luft. Als Andreas mich unter einem Baum stehend fotografieren will, kommen zwei ältere Herren dazu und schütteln die Äste über meinem Kopf, so dass ich in einem Blütenregen stehe. Sie freuen sich sichtlich darüber, uns Fremden zu diesem Fotomotiv der Vergänglichkeit zu verhelfen.

Wir können uns nicht satt sehen an dieser Blütenpracht und genießen die schöne entspannte Stimmung, in die sich eine leise Wehmut schleicht.

Die Wege zwischen den Bäumen sind inzwischen über und über mit Blütenblättern bedeckt, bald ist die Kirschblüte vorbei.

Bis nächstes Jahr, vielleicht!

Takehara und die Haseninsel Okunoshima

21. – 23. März 2024

Takehara, ein kleiner Ort an der Küste der Seto Inlandsee wird in Reiseberichten immer wieder mit dem Beinamen „Klein-Kyoto“ erwähnt. Früher war der Ort berühmt für seinen Handel mit Salz und ist es heute noch für seine Sake-Brauereien.

Im Zentrum der Stadt sind viele alte Holzhäuser aus der Edo-Zeit erhalten geblieben, drei komplette Straßenzüge lang. Gemeinsam bilden sie ein schönes Ensemble, das mit viel Liebe zum Detail erhalten und gepflegt wird. Jetzt in der Nebensaison sind nur ein paar japanische Touristen unterwegs und hier und da auch ein paar Ausländer.

Diese Kugel aus Reisig ist in ganz Japan ein Zeichen dafür, dass in diesem Haus Sake gebraut und verkauft wird.

An einem anderen Haus hängen diese geschnitzten Kunstwerke aus Bambus.

Leider haben wir es versäumt, eine Flasche von diesem mit Salz von der Seto Inlandsee gebrauten Bier zu kaufen, so können wir nicht sagen, ob es salzig oder doch malzig-süß schmeckt.

Von Takehara aus geht stündlich eine Fähre zur nahe gelegenen Haseninsel Okunoshima. So niedlich die freilaufenden Hasen sind, so grausam die Geschichte der Insel, denn bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde hier Giftgas für das Kaiserliche Heer produziert. In den ehemaligen Räumen der Anlage ist heute ein Museum untergebracht, das über die verheerenden Folgen der Produktion berichtet.

Die Kaninchen sind Nachfahren der ehemaligen Versuchskaninchen (im buchstäblichen Sinne des Wortes) und haben die Insel inzwischen komplett übernommen. Sie sind sehr zutraulich und hoppeln ohne Angst auf Menschen zu, denn sie wissen, dass sie von ihnen großzügig mit Futter versorgt werden.

In dem großen Hotel, wo wir als Tagesgäste den Onsen mit Meeresblick nutzen dürfen, gibt es im Erdgeschoss ein Café, dessen Logo dem von Starbucks nachempfunden ist.

Nach diesem Zwischenstopp auf der Haseninsel tuckern wir weiter.