01. – 15. Juli 2023
Die Sommermonate in Japan sind dicht gepackt mit Festen und Umzügen. Auch Fukuoka hat ein solches Festival, das „Hakata Gion Yamasaka“.
Bei diesem Fest wird an den buddhistischen Mönch Seiichi Kokushi gedacht, der vor über 770 Jahren die Straßen der Stadt mit geweihtem Wasser reinigte, um damit die Ausbreitung einer Epidemie einzudämmen. Ironie der Geschichte – in den vergangenen drei Jahren konnte das Festival wegen der Pandemie nicht oder nur mit hohen Auflagen stattfinden. In diesem Jahr, 2023, darf es nun wieder ganz ohne Einschränkungen gefeiert werden, den Reinigungsritualen dieses Festes kommt nun eine neue Bedeutung zu.
Die einzelnen Stadtviertel von Fukuokas Innenstadt Hakata bauen jedes Jahr einen Festwagen (Kakiyama), der mit Figuren und allerlei Schmuck ausgestattet ist, so dass man die dicken Holzbalken fast gar nicht mehr sehen kann.
Solch ein Wagen hat allerdings keine Räder. Er muss, um bewegt zu werden, von mehreren Männern getragen werden. Und der Wagen ist schwer, rund zwei Tonnen wiegt er. Die Männer wechseln sich ständig ab, denn selbst die stärksten von ihnen schaffen es nur ungefähr 3-4 Minuten am Stück zu tragen. Allein dieses Wechseln während der Wagen in Bewegung bleibt, ist eine so komplizierte Angelegenheit, dass man dafür jahrelang trainieren muss.
Auf dem Wagen vorne und hinten sitzen jeweils 3 Männer, die mit roten Stäben eine Art Takt vorgeben und den Wechsel der Träger dirigieren. Andere Männer, die vor oder neben dem Wagen laufen, sind für die Richtung zuständig.
Es ist ein ständiges Gewusel um den Wagen herum, wenn dieser in Bewegung ist, kaum ist einer ein paar Schritte als Träger gelaufen, wird er schon abgelöst. Alles geht so schnell, dass es für mein ungeübtes Auge gar nicht erkennbar ist, was und wie da alles innerhalb von wenigen Sekunden stattfindet.
Jeder einzelne Festwagen wird von einer großen Schar von Kindern, Jugendlichen und Männern allen Alters begleitet. (Vereinzelt sieht man auch ein Mädchen mitlaufen, Frauen dagegen keine.) Manche von ihnen tragen Banner oder Holztafeln mit Inschriften. Und alle rufen, während sie laufen: „Oissa, oissa!“
Auch ganz kleine Kinder sind schon mit dabei, an der Hand des Vaters oder Opas rennen sie tapfer mit.
Die traditionelle Kleidung der Männer besteht aus einem Oberteil ganz in Weiß oder mit dunkelblauem Webmuster. Ansonsten sehen sie ziemlich nackt aus, sie tragen eine Bauchbinde und dazu einen kunstvoll gebundenen Lendenschurz, der aber den Po größtenteils frei lässt. An den Füßen tragen sie schwarze Zehensocken. Die unterschiedlich bunten gedrehten Kopfbänder zeigen, welche Funktion der jeweilige Träger hat und auf welcher Stufe er in der strengen Hierarchie steht. Viele Männer haben zudem eine Schlinge aus Hanf im Gürtel stecken. Diese Schlinge wird beim Tragen des Festwagens um den Holzbalken gewunden.
Anfang Juli werden diese Festwägen in den jeweiligen Stadtteilen in einem großen Zelt aufgestellt, wo Tag und Nacht Männer in der traditionellen Tracht Wache halten. Zwei Wochen lang finden nun fast täglich Umzüge statt, bei denen die einzelnen Gruppen weiterhin an der Technik des Tragens feilen. Auch werden verschiedene Zeremonien abgehalten, Reinigungsrituale sind in dieser Zeit sehr wichtig. Unter anderem versammeln sich die jeweiligen Gruppen am Strand, wo die Männer Sand einsammeln, den sie dann an verschiedenen Orten der Stadt verstreuen.
Höhepunkt des Festes ist der große Umzug am 15. Juli, der am Kushido Schrein beginnt. Um 3.00 Uhr nachts sind alle Gruppen mit ihrem Wagen dort versammelt. Pünktlich um 4.59 Uhr zieht der erste Wagen los, die anderen folgen im Abstand von 10 Minuten. Alle 8 Gruppen , so viele sind es in diesem Jahr, müssen eine Strecke von 5 km durchhalten!
Diesen letzten Umzug kann ich nicht anschauen, an dem Tag müssen wir für unsere Abreise packen. Aber drei Tage vorher, am Donnerstag nachmittags, findet ein Übungslauf statt. Rechtzeitig zum Beginn stehe ich an der Straße im Zentrum von Hakata und höre schon von Weitem die „oissa, oissa!“ Rufe.
Polizei und ehrenamtliche Ordner sorgen dafür, dass die Straße frei bleibt.
Hier haben sich die professionellen Fotografen an einem strategisch günstigen Platz aufgestellt, an einer Kreuzung, wo der Umzug um die Ecke weiter zieht. So können sie das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln aufnehmen.
Die Regenzeit ist fast vorbei, der Himmel ist trotzdem meistens grau verhangen. Es ist heiß und unglaublich schwül, dadurch ist die Hitze noch schwerer zu ertragen. Am Straßenrand stehen ältere Männer, auch sie in der traditionellen Tracht. Sie schöpfen mit Eimern Wasser aus bereit stehenden Tanks und schütten in regelmäßigen Abständen Wasser auf die Läufer. Eigentlich ist es ein Reinigungsritual in Erinnerung an den buddhistischen Mönch, aber die Läufer sind dankbar für jede Abkühlung.
Das ganze Festival ist geprägt von Teamwork, ohne die Zusammenarbeit der Bewohner der einzelnen Stadtteile ist es nicht möglich, zwei Wochen lang eine solch aufwendige Organisation zu stemmen.
Bei diesem Festival gibt es keinen Wettbewerb, welches Team den schönsten Wagenschmuck hat, oder wer die Strecken am schnellsten bewältigt. Es kommt viel mehr darauf an, dass so viele Menschen wie möglich mitmachen können und alle als gut eingespieltes Team miteinander arbeiten. Wichtig ist ihnen allen, diese kollektive Anstrengung den Göttern im Kushida Schrein darzubringen.
Am Ende des Umzugs wird der Wagen zurück ins Zelt gebracht. Hier folgt eine kurze Abschlusszeremonie mit einer Ansprache, dann klatschen alle gleichzeitig zwei Mal in die Hände und verbeugen sich.
Im Video kann man sehen, in welchem Tempo so ein Festwagen durch die Straßen getragen wird.