Mai 2023
Ein weiterer Grund, weshalb wir ein paar Tage länger in Kuchinotsu verbringen wollten, waren die vielen herzlichen Menschen, die wir beim ersten Mal kennen gelernt hatten und die wir noch einmal treffen wollten.
Zur Erinnerung: Etwa drei Wochen zuvor hatten wir Kosei getroffen, der mit seinem Segelboot unterwegs nach Okinawa war. Er empfahl uns, unbedingt einige Tage in Kuchinotsu zu verbringen, und bat seinen Bruder Eiji sowie seinen Segelfreund Yamamoto, sich um uns zu kümmern. Yamamoto wiederum brachte seinen Sohn, Yamamoto Jr., zur Begrüßung mit. Wir saßen dann bei Kaffee und Keksen im Boot und lernten uns erst einmal kennen.
Yamamoto Sen. ist Kartoffelbauer und Segler. Als wir ihm erzählten, dass die Kartoffeln in Deutschland ein Grundnahrungsmittel seien, so wie der Reis in Japan, und dass wir ganz begeistert wären, wie gut die Kartoffeln auf den Inseln Okinawa und Okinoerabu schmeckten, nickte er zustimmend und erfreut: „So, so!“. Um die 20 Tonnen habe die letzte Ernte auf seinen Feldern betragen. Tags darauf bekamen wir eine große Kiste mit Kartoffeln geschenkt – so viele, dass wir damit sicherlich bis in den Sommer auskommen werden!
Yamamoto Jr. erzählte, dass seine Familie seit acht Generationen in dieser Region leben würde und seine Vorfahren ursprünglich von der Seto Inland See hierher kamen. Durch Kriege, Aufstände und die Christenverfolgung waren gegen Ende des 17. Jahrhunderts viele Menschen umgekommen und ganze Landstriche von Kyushu entvölkert, so dass die Fürsten um Bauern aus anderen Teilen Japans warben.
Eiji, der Bruder von Kosei, war früher bei der Stadtverwaltung von Shimabara für das Schlossmuseum zuständig, als Rentner arbeitet er nun freiberuflich für die regionale Zeitung und ist .u.a. Mitglied der Vulkanologischen Vereinigung. Ein naheliegendes Interesse, denn der Vulkan hier in der Nähe spuckt regelmäßig alle paar Jahrzehnte Rauch und Lava.
Eiji-san und Yamamoto-san
Am Sonntagvormittag, am Tag nach dem Fischfang-Festival, kam Eiji eigens noch einmal von Shimabara nach Kuchinotsu, denn Yamamoto Sen. hatte uns alle in ein Café eingeladen, wo wir auch eine gute Freundin von ihm trafen: Shu-san. So saßen wir in dem gemütlich eingerichteten „Café Bremen“, das mit vielen Bilder der vier Bremer Stadtmusikanten geschmückt war.
Der Inhaber des Café Bremen
Frau Shu zeigte uns anschließend ihren schönen, im japanischen Stil angelegten Garten und wir verabredeten, dass wir uns nach unserer Runde durch die Ariake See noch einmal alle in Kuchinotsu wiedersehen wollten.
Shu-san in ihrem Garten
Yamamoto-san, Andreas-san, Shu-san und Eiji-san
Als wir – wieder bei strömendem Regen – ein zweites Mal in Kuchinotsu ankamen, fuhren wir mit Eiji und seiner Frau zu einem Mittagscafé, wo Frau Shu bereits auf uns wartete. Wie sich herausstellte, war der Koch und Inhaber des Cafés ein ehemaliger Segler, der 17 Jahre lang mit seinem Boot unterwegs war, davon längere Zeit auch im Mittelmeer. Das erklärte auch die italienisch-griechisch anmutende Einrichtung und vor allem die köstlichen Spaghetti-Saucen!
Shu-san betreibt hauptberuflich die Tankstelle gleich gegenüber des Hafens. Nebenbei ist sie eine passionierte Musikerin und spielt mit Hingabe Mundharmonika. Wir beschlossen den Nachmittag bei uns an Bord mit Kaffee und Apfelkuchen und bekamen von Shu-san ein Privatkonzert geboten. Sie legte eine CD mit Begleitmusik ein und spielte auf ihren verschiedenen Harmonikas die Titelmelodie: japanische Schlager aus den 1960er Jahren, traditionelle japanische Lieder und auch „Edelweiß“ aus dem in Japan so berühmten Hollywood-Film „Sound of Music“ von 1965.
Danach holte Andreas unsere Gitarre, drückte sie Eiji in die Hand und wir sangen alle zusammen noch ein paar Lieder. „Arigato gosaimasu! Vielen Dank für die schöne gemeinsame Zeit!
Eiji-san mit seiner Ehefrau bei uns auf der Muktuk
An einem der ersten Abende in Kuchinotsu fanden wir ein Sushi-Lokal, das vom Ehepaar Kodama betrieben wird. Wir saßen an der Theke in dem kleinen heimeligen Raum und schauten ratlos auf die Karte, denn unser Übersetzungsprogramm konnte die handgeschriebenen Zeichen nicht gut entziffern. Kurzerhand rief die Dame des Hauses ihren Sohn an, der mit seiner Familie zwölf Jahre lang in den USA bzw. Kanada gelebt und gearbeitet hatte. Er und seiner Tochter, beide fließend Englisch sprechend, übersetzten dann den ganzen Abend geduldig und bereitwillig, wenn die Mama bzw. Oma immer wieder anrief, sobald wir mit dem Übersetzungsprogramm nicht weiter kamen. So durften wir wieder gleich eine ganze Familie kennen lernen. Bevor wir heim gingen, packten sie uns eine Teetasse aus Keramik ein, die sie vor gut 40 Jahren zur Eröffnung ihres Restaurants hatten anfertigen lassen.
Das Ehepaar Kodama in ihrem Sushi-Restaurant
Das Außenfenster des Sushi-Restaurants bei Nacht
Am nächsten Morgen kamen die beiden kurz zur Muktuk, um sich mit eigenen Augen von dem zu überzeugen, was wir am Vorabend erzählt hatten. Als wir sie um das Rezept ihrer Miso-Suppe fragten, die so gut und ganz anders geschmeckt hatte, als die, die wir bisher kannten, bat sie wieder ihren Sohn, uns zu erklären, wie das geht. Aber das schien ihnen nicht sicher genug, so dass sie noch einmal vorbei kamen und uns alle notwendigen Zutaten brachten, eine spezielle Miso-Sorte, Algen und außerdem noch ein Päckchen mit Äpfeln, die hier in Japan ein kleines Vermögen kosten.
Als wir wieder in Kuchinotsu waren und noch einmal zum Sushi-Essen zu ihnen gingen, brachte ich als kleines Dankeschön für die vielen Gaben ein Glas von der Orangenmarmelade mit, die ich aus den hiesigen Bitter-Orangen (einer Kreuzung aus Orange und Grapefruit) gekocht hatte. Und am nächsten Tag, als wir von unserer Wanderung zurück kamen, hing eine Tasche an der Reling und darin ein kleines Mobile aus gefalteten Kranichen mit einem lieben Gruß von ihnen. Die Kraniche hängen nun bei uns in der Messe neben dem Kolibri aus Oaxaca. Sie werden uns jedes Mal an diese liebenswürdigen Menschen erinnern und sie werden uns ganz gewiss viel Glück auf unserer weiteren Reise durch Japan bringen!