- und 3. Mai 2023
Als wir unsere Route für die ersten Monate in Japan entlang der Westküste von Kyushu planten, wollten wir dieses Mal Arita nicht auslassen. Und dann entdeckten wir bei unseren Recherchen, dass in Arita während der „Goldenen Woche“ der wohl größte Töpfermarkt Japans stattfinden würde!
500 Anbieter, die auf einer Strecke von knapp drei Kilometern verteilt ihre Waren anbieten: So stellt man sich den Himmel auf Erden vor, wenn man sein Herz an japanische Keramik verloren hat.
Keramik hat in Japan eine Tradition, die Jahrtausende alt ist. In vielen Teilen des Landes gibt es berühmte Töpfereien, mancherorts sind ganze Keramikdörfer entstanden, die ihren ganz eigenen Stil über Generationen hinweg behalten haben und auch heute noch pflegen. Porzellan wird in Japan allerdings erst seit vergleichsweise kurzer Zeit hergestellt. Porzellan-Meister, die aus Korea als Kriegsbeute nach Kyushu verschleppt wurden, fanden 1616 in den umliegenden Bergen von Arita Kaolin und etablierten hier und in anderen Teilen des Landes eine neue Tradition der Porzellanproduktion. Nur wenige Jahrzehnte darauf sorgte u.a. ein Deutscher, Zacharias Wagner, für die Verbreitung des japanischen Porzellans in Europa. Nicht zu verwechseln mit Gottfried Wagener, einem deutschen Ingenieur, mit dessen Hilfe im 19. Jahrhundert in Arita die Brennöfen auf Steinkohle umgestellt wurden und somit die Produktionsbedingungen verbessert werden konnten.
Und dann klappte es tatsächlich, dass wir unseren Plan einhalten konnten und rechtzeitig zur „golden week“ da waren. Wir parkten die Muktuk am Fähranleger in Mogi, wie vor vier Jahren schon einmal. Von hier aus fuhren wir mit dem Bus zum Hauptbahnhof nach Nagasaki und weiter mit dem Regionalzug nach Arita.
Der Töpfermarkt erstreckte sich durchgehend auf einer drei Kilometer langen Straße, beginnend am Bahnhof Arita bis zur nächsten Bahnstation Kami-Arita: Links und rechts reihte sich ein Stand an den anderen.
Normalerweise befinden sich in dieser Straße bereits viele Porzellangeschäfte, die das ganze Jahr über Waren aus Arita anbieten. Aber zusätzlich dazu müssen noch Wohnstuben und Garagen ausgeräumt worden sein, um den angereisten Anbietern Verkaufsflächen zur Verfügung zu stellen. Zudem waren viele mobile Stände an Mauern und auf freien Plätzen aufgebaut. Die meisten provisorischen Stände waren ansprechend dekoriert, hatten die Ware kunstvoll präsentiert. Andere wiederum begnügten sich mit großen Plastikkisten, in denen die Kundschaft auf der Suche nach Schnäppchen wühlen konnte.
Auf den ersten Blick bot sich ein wildes Durcheinander von Keramikwerkstätten und Porzellanmanufakturen, die ihre Jahresproduktion anboten; Zwischenhändler, die zum Teil auch Ausschussware in den Kisten zum Verkauf bereit hielten; exquisite Antiquitätenhändler und nicht zuletzt Trödler mit Flohmarktware. Keramik und Porzellan für den täglichen Gebrauch konnte man in diesen Tagen für ein Drittel ihres Ladenpreises erstehen. Nicht alles wurde verschleudert, viele schöne Einzelstücke kosteten mitunter ein kleines Vermögen und wir begnügten uns mit dem Genuss des Betrachtens.
Zwischendurch entdeckten wir einen Laden mit Holz- und Lackwaren, einen Stand mit schönen Stoffen, eine Kiste mit alten japanischen Tuschezeichnungen, alles Kostproben der Kunsthandwerke, die in Japan über die Jahrhunderte hinweg zur Perfektion gereift sind.
Der Himmel auf Erden kann allerdings auch anstrengend werden. Stundenlang Läden und Stände abklappern, dabei in Grabbelkisten wühlen, die Regale entlang gehen und in der Fülle der Angebote jene Stücke finden, die uns gefallen; dann beraten, ob wir die eine oder andere Vase mitnehmen wollen; überlegen, ob diese Schale oder jener Becher vielleicht als Geschenk in Frage käme. Zwischendurch eine Pause einlegen, einmal Luft holen, von einem der mobilen Stände eine Portion Nudeln holen, um danach gestärkt weiter machen zu können.
Als ich auf dem Rückweg im Zug die vielen Fotos durchging, die ich an diesem Tag mit meinem Mobiltelefon gemacht hatte, entdeckte ich viele Stücke, die ich doch sehr gerne mitgenommen hätte. Nach einigem Überlegen entschloss ich mich, ein weiteres Mal nach Arita zu fahren – Andreas erklärte mich für verrückt und wollte nicht noch einmal die Fahrt von dreieinhalb Stunden auf sich nehmen. Allerdings brauchte ich einen Tag Pause dazwischen. Am fünften Tag der Goldenen Woche stand ich wieder bereit, mich ins Getümmel zu werfen. An diesem Tag waren viel mehr Menschen unterwegs, und die Regale und Grabbelkisten waren bereits deutlich ausgedünnt, so dass ich nach einigen der von mir ersehnten Stücke gründlicher suchen musste oder aber sie nicht mehr fand, weil sie längst verkauft waren.
Erfahrene Töpfermarktbesucher reisten gleich mit einem Rollkoffer an oder hatten ein ausklappbares Wägelchen dabei, in das sie ihre Einkäufe gut verpackt verstauen konnten. Sicherheitshalber hatte ich nur meinen Rucksack und zwei Taschen dabei, sonst wäre ich sehr versucht gewesen, auch so viel mitzunehmen.
Auch am Ende meines zweiten Tages in Arita schwirrte mir der Kopf und wenn ich die Augen zumachte, sah ich immer noch Teller, Tassen und Vasen vor mir. Solch eine Menge und Vielfalt an Keramik und Porzellan hatte ich noch nie in so kurzer Zeit an einem Ort gesehen und es dauerte ein paar Tage, bis ich alle Eindrücke verarbeitet und sortiert hatte.
Über die Geschichte der Keramik und des Porzellans in Japan ist viel geschrieben worden. Hier sind ein paar Links dazu:
Die Geschichte des Porzellans von Arita und Imari: (https://de.wikipedia.org/wiki/Imari-Porzellan)
Die Geschichte des Porzellans: https://de.wikipedia.org/wiki/Porzellan
Die Entwicklung der Keramik in Japan und die sogenannten „Sechs Öfen“: https://de.wikipedia.org/wiki/Rokkoy
Ein interessanter Blog über Tee und Teekeramik: https://blog.teekeramik.com/einfuehrung-in-die-eigentuemlichkeiten-japanischer-keramik/