15. – 18. April 2023
Zwei Tage und zwei Nächte sind wir unterwegs, nachdem wir Okinoerabu-Jima verlassen haben. Wir wissen anfangs noch nicht, wie lange uns der Wind für unsere Reise nach Norden erhalten bleiben wird, deshalb haben wir kein festes Ziel, sondern legen uns nur eine ganze Reihe von Optionen zurecht. Für alle Inseln, die in Frage kommen, haben wir Detailkarten, Satellitenfotos der Häfen und ein paar touristische Informationen aus dem Internet heruntergeladen.
Die Überfahrt verläuft zunächst phantastisch: wir sausen mit 6-7 Knoten bei nicht allzu viel Welle dahin und kommen hervorragend voran. Die zweite Nacht ist allerdings anstrengend. Um uns herum toben Gewitter, es regnet in Strömen, die Sicht ist fast Null. Alle Frachter, die zwischen Tokio und Taiwan oder Südkorea unterwegs sind, kreuzen unseren Kurs. Außerdem sind auf dem Dampferstrich auch noch Flotten chinesischer Fischereifahrzeuge unterwegs, die sich um Vorfahrtsregeln wenig scheren. Wer hier ohne AIS unterwegs ist, ist verloren.
In dieser Nacht ist also nicht wirklich an Schlaf zu denken. Ständig stehen Ausweichmanöver oder zumindest gespanntes Beobachten des Schiffsverkehrs an. Wir legen unsere Wunschinsel für die Ankunft fest, und am frühen Morgen ist klar, dass wir diese auch erreichen können, bevor der Wind dreht.
Io-Jima heißt sie und liegt gerade mal 30 sm vom Festland entfernt. Sie hat einen hübschen Vulkankegel und soll mehrere heiße Quellen mit den dazugehörigen Bädern (Onsen) haben. Neben Vulkanologen kommen im Wesentlichen Onsen-Freunde hierher, es gibt kaum touristische Infrastruktur, keine Restaurants, einen kleinen Krämerladen. Genau das Richtige für unseren Geschmack.
Wir erfahren, dass vor etlichen Jahren ein berühmter Trommler aus Guinea hierherzog, um eine Schule für die afrikanische Djembe-Trommel zu eröffnen. Die hat hier auf der Insel gründlich eingeschlagen, so dass die Hälfte der Inselbewohner entweder trommelt oder zur Trommelei tanzt. Viermal pro Woche kommt die Fähre aus Kagoshima, und am Wochenende, wenn die Kinder schulfrei haben, wird die Fähre mit einer Djembe-Trommel Vorführung nebst Tanz begrüßt.
Um der drohenden Entvölkerung der Insel zu begegnen, werden Neu-Ansiedler hier drei Jahre lang subventioniert, um Fuß fassen und eine Anstellung finden zu können. Im Gegensatz zu anderen Inseln mit ähnlichen Programmen muss man hier das Bürgergeld auch dann nicht zurückzahlen, wenn man die Insel wieder verlässt.
Nach unserer harten letzten Nacht auf See freuen wir uns jedenfalls sehr bei der Vorstellung, im heißen Wasser der vulkanischen Quellen entspannen zu können. Aber zu früh gefreut: als wir im Hafen angelegt haben, werden wir von einem Behördenvertreter informiert, dass wir ohne aktuellen PCR-Test nicht an Land dürfen. Wir dürfen gerne im Hafen bleiben, bis das Wetter besser wird, aber das Schiff nur verlassen, um die Hafentoilette zu benutzen. Alles Vorzeigen unserer Impfpässe oder Schnelltests hilft nichts. Und hier auf der Insel kann man natürlich keinen PCR-Test machen, den hätte man schon mitbringen müssen. Sho ga nai, wie der Japaner sagt: da kann man wohl nichts machen.
Langweilig wird es uns trotzdem nicht. Zwar dürfen wir nicht von Bord, aber das hält die Inselbewohner nicht ab, uns zu besuchen. Als erstes kommt Aia, Mutter des fünfjährigen Sohns Aito und ihrer einjährigen Tochter Asami. Aito will unbedingt das Schiff besichtigen, und der Mutter ist der fehlende PCR-Test schnuppe, also kommen sie alle an Bord, wir unterhalten uns, trinken Tee und essen Plätzchen. Sie fährt dann schnell noch heim, um für uns frisch geerntete Bambussprossen zu holen, lässt Aito solange bei uns. Er meint am Ende, wenn er groß ist, will er auch so ein Boot haben und um die Welt segeln.
Als nächstes kommen Yumi und Rei, ein elfjähriges Mädchen, wieder ist es die Neugier des Kindes, die den Kontakt herstellt. Schnell werden Yumis Mann Yoshiro und Oleg, der Vater des Mädchens angerufen, und so sitzen wir bald zu sechst um den Messetisch und unterhalten uns, denn Oleg ist ein Russe aus Estland, der vor dreizehn Jahren nach Japan kam, gut Englisch spricht und für die anderen übersetzen kann. Außerdem baut er gerade sein eigenes Boot und ist natürlich an unserer Muktuk interessiert. Wir verabreden uns für den nächsten Tag zum Abendessen an Bord und können so viel über die Insel, über die japanische Gesellschaft und über Olegs spannende Biographie erfahren.
Die Crew eines gerade eingelaufenen Forschungs- und Bergungsschiffes kommt uns auch begrüßen. Ein weiteres fünfjähriges Mädchen mit ihrem Vater besucht uns, und damit haben wir den Inselkindergarten schon komplett an Bord gehabt. Wenn es mit den Besuchern so weitergeht, haben wir bald die paar Dutzend Insulaner, die hier leben, kennengelernt, und dann hat sich das mit dem PCR-Test ja auch irgendwie erledigt.
Vor ein paar Tagen meinte Birgit, sie wünsche sich einmal einen Tag Pause, an dem nichts Neues passiert, damit sie dazu kommt, in Ruhe ein paar Blogeinträge zu schreiben. Als wir erfuhren, dass wir hier nicht an Land können, dachten wir eigentlich, ihr Wunsch würde sich erfüllen. Aber wir haben hier nun doch so viele nette Menschen kennengelernt und so viel Neues gelernt, dass es wohl wieder nichts war mit der Pause. Tja – sho ga nai, da kann man nichts machen….