9. März 2023 um 22:30 Uhr UTC, POS 24°31’N 137°31’E
Sagte ich schon, dass wir langsam ankommen wollen? Wir haben in der vergangenen Woche gut Strecke gemacht, Japan rückt näher. Seit wir unsere „Reiseflughöhe“ von 18° Nord verlassen haben und Kurs direkt auf Okinawa abgesetzt haben, wird es jeden Tag ein wenig kälter. Die Wassertemperatur unserer Kübeldusche ist von 26° auf nur noch 20° C gesunken und kostet bereits Überwindung. Die Barfuß-Zeiten sind vorbei, lange Hosen und Socken werden aus dem Schrank geholt. Die Felsbrocken und Inselchen, an denen wir vorbeifahren, heißen bereits irgendwas mit -Jima (japanisch: Insel), der Schiffsverkehr nimmt zu. Am Mittwoch hatten wir die letzte Umstellung unserer Bordzeit und sind jetzt in der Zeitzone Japans. Aktuell trennen uns noch 540 Seemeilen vom Ziel.
Allerdings sind wir ja nicht länger im Passatgürtel und können nicht auf beständige Winde aus unserer Wunschrichtung rechnen. Für die letzten Meter hat Rasmus daher noch ein paar Flauten und einen Frontdurchgang für uns vorgesehen. Aber das schaffen wir auch noch.
Wir spüren die vielen Wochen und Meilen, die hinter uns liegen. Die Stimmung an Bord schwankt zwischen Übermut und Überdruss. Der Vorschlag, noch ein paar Ehrenrunden um Okinawa zu drehen, bis auch die letzten Kartoffeln, Zwiebeln und Kohlköpfe aufgegessen sind, stieß auf einhellige Ablehnung. Dabei können wir uns ja gar nicht beklagen. Die Passatstrecke ist seglerisch nicht besonders herausfordernd, wir hatten bisher kein wirklich schweres Wetter, fast immer gute Windrichtungen und keine Schäden an Bord, mit denen wir nicht umgehen konnten. Toi toi toi, dass es auf den letzten Meilen so bleibt!
Wir haben es ja vergleichsweise leicht, weil uns jede Menge Technik unterstützt, die frühere Seglergenerationen nicht hatten. Die Windsteuerung geht Ruder, der Arduino übernimmt das Trimmen, das AIS geht (mit) Ausguck, das GPS navigiert. Und wir? Na gut, hin und wieder zupfen wir an den Segeln und treffen folgenschwere navigatorische Entscheidungen: „Kurs West für die nächsten sechs Wochen!“. Als Hausmeister halten wir alles in Schuss, flicken Löcher in Segel und Bordwand, reparieren, was kaputt geht. Davon abgesehen fahren wir eigentlich nur als Köche und Vogelscheuchen mit.
Und trotzdem spüren wir die Erschöpfung, körperlich wie mental. Immer mal wieder kommt uns Bruce Willis aus der siebzehnten Fortsetzung von „Stirb Langsam“ in den Sinn. Da steht er, schon längst pensioniert, mal wieder im rußverschmierten und blutbefleckten Feinripp-Unterhemd und sagt „ich glaube ich bin zu alt für diesen Scheiß“. Und macht natürlich doch alle Bösewichter fertig.
Wenn also die nächste Fortsetzung von „Zehn Wochen auf See“ gedreht wird, werden wir uns nicht gleich wieder um die Hauptrollen bemühen. In nächster Zeit sowieso nicht, denn da stehen wir bereits für „Kirschblüte in Japan“ unter Vertrag.