23. Februar 2023 um 20:45 Uhr UTC, POS 17°56’N 164°57’E
Eine sehr abwechslungsreiche Woche liegt hinter uns. Der erste Tag war noch eine Fortsetzung des schon gewohnten Wind- und Wellenbildes: um die sechs Windstärken, achterliche See von rund drei Metern, Besegelung Fock und ausgebaumte Genua als Schmetterling. Hin- und her rollendes Schiff, alles wie gehabt.
Dann wurde der Wind immer schwächer, die See beruhigte sich, und auf einmal war sie da: die erste Flaute seit Erreichen der Passatzone. Normalerweise ist Flaute beim Segeln ja nicht so gern gesehen, man erinnert sich noch immer an den Spruch aus der SKO: ohne Fahrt machen wir keinen Meter.
Aber wir haben den Flautentag so richtig genossen. Endlich mal wieder durchs Boot laufen, ohne links und rechts blaue Flecken einzusammeln. Mal wieder schlafen, ohne quer durch die Koje gerollt zu werden. Selbst die Zwiebeln ergaben sich der Schwerkraft und blieben in ihren Kisten und Netzen (und das will etwas heißen). Wir haben die Windstille genutzt, um endlich unser Leichtwindsegel auszurollen und zu nähen. Oder vielleicht sollte man besser sagen: die verbliebenen Fetzen zusammenzunähen. Jetzt hat er zwar keine perfekte Form mehr, aber zum Auffangen des Winds von hinten reicht es allemal. Nach den ersten 72 Stunden Einsatz hat er allerdings bereits wieder einen neuen Riss im Unterliek. Die Naht von heute ist die Schwachstelle für den Riss von morgen, Sisyphus lässt grüßen.
Den Rest des Tages verbrachten wir mit baden, so richtig im tiefblauen Meer, saßen nachmittags im Cockpit, schauten der Sonne beim Untergehen zu. Ganz wie man sich Segelurlaub vorstellt. Fehlten nur noch die Schirmchen-Drinks.
Aber auch die schönste Flaute ist nicht von Dauer (zum Glück!), und so erwachten wir am nächsten Tag mit einem Regenguss fast tropischen Ausmaßes. Wir konnten gar nicht so schnell neue Kanister und Eimer unterstellen, um das kostbare Wasser aufzufangen. Nur leider landete das nicht nur in den Behältern, sondern kam auch überall ins Schiff. Bei diesem ersten ordentlichen Guss seit Mexiko sahen wir, wie sehr die Gummidichtungen in einem Jahr Hitze versprödet sind, wie sehr das Dichtmaterial der Fensterscheiben rissig geworden ist und wie sehr Holzsockel, auf denen die Luken teilweise sitzen, schon undicht geworden sind. Es tropft überall herein: im Bad, In der Messe, beim Niedergang, in der Mittelkabine, in der Ankerlast. Diesmal war es nur Süßwasser, aber bei überkommender See ist das alles andere als gut. Jetzt haben wir mit Silikon und Dichtmasse einiges zugeklebt, beim nächsten Regenguss werden wir sehen, ob es etwas genutzt hat.
Der übelste Wassereinbruch kam allerdings nicht von einer Luke, wie wir zunächst dachten. Das Wasser tropfte aus der Wand der Achterkabine zum Cockpit hin, und zwar in Massen (etwa ein Liter pro Stunde). Das heißt, erstmal fluchen. Dann Handtücher zum Auffangen, auswringen wenn vollgesogen. Abmontieren der Holzverkleidung in der Kabine, herausbrechen der Schaumstoffisolierung, um an die Stelle heranzukommen. Endlich ist klar, wo das Wasser herkommt. Der achtere Mast sitzt auf einem Stahlsockel. Der hat ein kleines Abteil, das oben offen ist, und unten ein Entwässerungsloch hat, zumindest theoretisch. Denn das ist oft zugesetzt, und wenn sich dann darin das Wasser staut, rostet der Stahl natürlich. Dazu ist das Abteil so eng, dass man mit keinem Werkzeug hineinkommt, um den Rost zu bekämpfen, sondern nur mit dem Pinsel neue Farbschichten auf den Rost streichen kann. Und da das über die Jahre oft genug passiert ist, ist die Wand zwischen diesem Abteil im Cockpit und der
Achterkabine an einer Stelle durchgerostet. Wenn es nun regnet, füllt sich das Abteil mit Wasser, das den Mast herunterrinnt, es fließt nicht oder zu langsam ab, der Wasserspiegel steigt und erreicht die durchgerostete Stelle. Tja, und dann gibt es eben Wasser in der Achterkabine. Wir haben jetzt erst einmal die Entwässerung wieder in Gang gebracht und den Bereich von innen entrostet. Aus dem Haarriss im Rost wurde nach einigen Hammerschlägen ein ordentliches Loch, durch das man schon ein paar Finger durchstecken konnte. Mit Epoxid-Spachtel haben wir nun eine Edelstahlplatte über das Loch geklebt, das hält erst einmal. Bei nächster Gelegenheit muss dann ein neues Stück Stahl eingeschweißt werden.
Ein paar Stunden nach dem Regen kam dann auch wieder Wind auf, kräftig und plötzlich mit Windstärke sieben und Böen von acht. Die See baute sich bis auf vier Meter auf, bevor wir dann wieder zu normalen Passatverhältnissen zurückkehren.
Themenwechsel zum Gemüse. Weil außer Kartoffeln, Zwiebeln und Kohl die verbliebenen Gemüsebestände mittlerweile sehr traurig dreinschauen, keimte in mir das Bedürfnis, einen Sprossengarten anzulegen. Jetzt sind ständig Mungbohnen, Linsen und Radieschen-Keimlinge am Wachsen, Rucola und Brokkoli-Samen sind schon schwieriger, aber klappen mittlerweile auch. Mit Senf, Quinoa, Amaranth tue ich mich noch schwer. All das braucht zwar einiges an wertvollem Süßwasser (aber es hat ja geregnet) und mehrmals tägliche Pflege, denn das Grünzeug will dauernd eingeweicht, gewässert, umgepflanzt und besprüht werden, aber es ist einfach schön, frisches Grün in der Pfanne, im Salat und auf dem Rührei zu haben.
Noch ein kleiner Wehmutstropfen: dem Geruch folgend, entdeckten wir unter dem Beiboot versteckt die Überreste von Admiral Hornblower. Es blieb nur, ihn standesgemäß der See zu übergeben. Er ist also doch nicht weitergeflogen, wie wir letzte Woche dachten. Oder – je nach Sichtweise – ganz weit fort.