09. – 15. November 2021
Endlich darf die Muktuk wieder vor Anker schaukeln! Vor uns karg bewachsene Felsen, die in der Abendsonne goldbraun leuchten, ein gedrungenes Gebäude hoch oben auf dem Berg dient als Leuchtturm. Seelöwen brüllen, durchs Fernglas sehen wir die große Kolonie in der Sonne liegen. Sie bevorzugen die von Wind und Wellen geschützten Stellen am Ufer. Ab und zu hört man zwischen den lauten klagenden Rufen der Seelöwen eine Art Schnarren: das müssen die See-Elefanten sein, die es hier auch geben soll. An einer kleinen durch Felsen geschützten Bucht der Insel, wo die Brandung weniger stark heran rauscht, sind ein paar Häuschen zu erkennen.
Zwei Tage und zwei Nächte sind wir von Ensenada bis zu den Islas San Benitos gesegelt: Mit ausgebaumter Genua und Fock als Schmetterling bei achterlichem Wind konnten wir am ersten Tag teilweise mit bis zu 8 Knoten sausen! Die letzten Stunden allerdings mussten wir bremsen, um nicht mitten in der Nacht anzukommen. Mit verkleinertem Segel auf 3-4 qm machten wir immer noch 4 Knoten Fahrt!
Nachdem der Anker gefallen ist, stellt sich das befreiende Gefühl ein, wieder draußen zu sein. Die Aussicht auf ein paar ruhige Tage in dieser hübschen Bucht stimmt uns geradezu euphorisch.
In einem offenem Boot mit starkem Außenbordmotor kommen zwei Fischern vorbei, dick verpackt in Ölzeug. Sie begrüßen uns und fragen, wie lange wir hier bleiben werden. Im winzig kleinen Ort sind acht Leute stationiert, erfahren wir: vier „pescaderos“ und vier „vigilantes“, Fischer und Wächter.
Segelfreunde, die wir in Ensenada in der Marina kennen gelernt haben, kommen am nächsten Tag an und wir freuen uns sehr, sie wieder zu sehen. In den nächsten Tagen fahren Gilbert und Andreas mit Israel und Ulisses, zwei der Wächter, zum Fischen raus und kommen mit einer beachtlichen Menge an Fischen zurück. Für den Abend werden wir alle zum Essen bei den Fischern an Land eingeladen.
Die Fischer haben es sich hier in 2-3 Häusern gemütlich gemacht, der Rest der Gebäude ist unbewohnt und verfällt. Ein Generator brummt laut, die kleine Kirche ist mit ein paar elektrischen Kerzen beleuchtet. Die früheren Bewohner des Dörfchens sind mittlerweile alle auf die benachbarte Insel Cedros gezogen, dort gibt es Telefon und Internet und das Festland ist nicht ganz so weit.
Die Fischer von San Benitos und Cedros sind in einer Genossenschaft organisiert. Ihr Gebiet haben sie vom Staat gepachtet und führen dafür Abgaben ab: ihr Hauptgeschäft sind die Langusten, die sie für gutes Geld nach Europa und China verkaufen können. Diese Genossenschaft besteht aus ca 80-90 Mitglieder und ist streng organisiert. Um beitreten zu können, muss man sich erst ein paar Jahre lang als Angestellter bewähren und braucht dazu noch einen Fürsprecher. Alkohol während der Arbeitszeit ist verboten. Und mit Arbeitszeit sind die vollen 15 Tage gemeint, die die Männer abwechselnd entweder als Fischer oder als Wächter auf den jeweiligen Stationen der beiden Inseln verbringen. Wir erleben sie als eingeschworene und stolze Gemeinschaft. Auf Nachfrage versichert jeder einzelne von ihnen, dass er sich keinen anderen Beruf vorstellen mag und um wie viel lieber er hier draußen arbeitet als in einer lauten staubigen Stadt.
Wir werden köstlich bekocht von Israel. Er steht am Herd, wendet den frisch gefangenen Kingfish in der Pfanne und kommt kaum nach, alle Teller zu füllen. Dazu gibt es frischen Salat, Reis und Tortillas. Wir erfahren, dass Ulisses an diesem Tag seinen 20. Geburtstag feiert. Wie gut, dass wir Segler zum Nachtisch Kuchen mitgebracht haben.
Israel: Fischer, Wächter und passionierter Koch
Das Geburtstagskind: Ulisses, Zweiter von rechts im weißen Pullover
Unsere Segelfreunde stammen ursprünglich aus Puerto Rico, Spanisch ist ihre Muttersprache, das erleichtert die Kommunikation mit den Fischern ungemein. Wir versuchen zwar, so gut es geht, dem schnellen mexikanischen Spanisch unserer Gastgeber zu folgen, aber ab und zu müssen unsere Freunde doch übersetzen. Es ist eine fröhliche Runde: wir fragen viel und auch die Fischer möchten so einiges erfahren über das Leben als Segler und die Länder, aus denen wir stammen. Dieser Abend ist ein ganz besonderer für uns und wir freuen uns sehr, dass wir diese Einladung erhalten haben!
Für den nächsten Tag sind wir mit unseren Freunden zu einer Wanderung zu den Leuchttürmen verabredet. Etliche Fußwege durchziehen das auf den ersten Blick unwegsame Gelände. Ein geschlängelter Pfad führt den Berg hoch, die Sicht auf die vielen kleinen Buchten der Insel wird immer besser.
Wir müssen besonders gut auf den Weg achten, denn überall liegen lose kleine Kaktusbällchen herum, deren Stacheln sich nicht nur an den Schuhen und Socken fest haken, sie können auch die Schuhsohlen durchbohren. Ich bin immer noch fasziniert von den vielen Kakteen und Sträuchern, die sich in dieser trockenen Umgebung behaupten.
Wir erreichen den ersten Leuchtturm, den wir schon vom Ankerplatz aus sehen konnten. Er funktioniert momentan aber nicht, irgendein Problem mit den Batterien.
Zwei Leitern führen auf die obere Plattform, von wo aus wir den perfekten Rundblick haben. Greifvögel kreisen in den warmen Aufwinden, die Raben sind weniger scheu und streiten sich um den besten Platz auf dem umlaufenden Geländer.
Wir beschließen, auch zum alten Leuchtturm zu laufen, der auf der Nordseite der Insel auf halber Höhe steht.
Er wurde in den 1930er Jahren gebaut und ist schon lange nicht mehr im Betrieb. Überall liegen Glasscherben der zerborstenen Fensterscheiben herum, viele Geräte und Halterungen sind verrostet, aber das Gebäude selbst ist kaum beschädigt. Schade, dass dieser Leuchtturm nicht mehr in Betrieb ist, denn er ist um so vieles solider gebaut und auch schöner als der neue hoch oben auf dem Berg.
Auch von hier hat man einen herrlichen Blick aufs Meer und wir stellen uns vor, dass sich in der schönen schattigen und windgeschützten Veranda eine Bar einrichten ließe. Die Lage wäre perfekt dafür geeignet.
Wir steigen eine breit angelegte Wendeltreppe im Turm des Leuchtturms hoch, das Licht fällt durch große runde Fenster rein. Die Fresnel-Linse des Leuchtfeuers ist noch fast komplett erhalten, vorsichtig laufen wir herum, bewundern diese Konstruktion und versuchen herauszufinden, wofür die anderen verrosteten Gerätschaften dienten, die in dem Raum herum stehen.
Nach so vielen Tagen an Bord tut die Bewegung richtig gut. Am liebsten würde ich am darauffolgenden Tag noch einmal loswandern, aber wir müssen weiter, die Wettervorhersage hat günstigen und vor allem ausreichenden Wind gemeldet.