Einmal USA und zurück

Die Einreisebeschränkungen in die USA zu Covid Zeiten sind unübersichtlich. Da gibt es (noch bis November) die Regel, dass nicht einreisen darf, wer sich die letzten zwei Wochen im Schengenraum aufgehalten hat. Wir sind schon acht Wochen in Mexiko, das betrifft uns also nicht.

Dann gibt es die Beschränkung bei der Einreise von Mexiko aus nicht-notwendigen Gründen. Laut der Website der US-Botschaft in Mexiko betrifft dies aber nur die Einreise auf dem Landweg und mit Fähren. Dort steht explizit: von den Einreisebeschränkungen nicht betroffen sind Flug-, Bahn- und Schiffsreisen, außer Pendlerzüge und Fähren. Sollte für uns also eigentlich passen, denn eine Fähre ist unsere Muktuk ja nicht.

Dennoch versuchen wir, Klarheit durch einen Anruf bei den amerikanischen Grenzbehörden zu erhalten. Auf der Website finden wir die Telefonnummer der zuständigen Behörde in San Diego, dort gibt es aber nur eine Bandansage ohne Information für uns.

Also machen wir uns auf den Weg. Wir warten auf ein Wetterfenster, wo der praktisch beständige Nordwind eine Pause macht und motoren über Nacht die 65 Seemeilen nach Sand Diego hoch, um bei Tageslicht anzukommen.

Wir machen am „police dock“ fest und finden dort eine Telefonnummer, bei der tatsächlich ein Mensch antwortet. Er fragt nach unserer Nationalität, unseren Visa, dem Zweck unserer Reise und klingt schon recht bedenklich, schickt aber zwei Beamte zu uns an den Steg, die auch nach 20 Minuten eintreffen.

Sie fragen uns (nicht unfreundlich), warum wir gegen die Einreisebestimmungen verstoßen würden, denn es gäbe doch ein Einreiseverbot für nicht-notwendige Reisen in die USA. Ich erkläre, dass das auf der offiziellen Botschafts-Website der USA ganz anders erklärt wird, aber es hilft alles nichts: uns wird die Einreise in die USA nicht gestattet.

Unsere Pässe werden notiert, unsere Fingerabdrücke abgenommen, Fotos gemacht. Die Küstenwachse sei benachrichtigt, sie würde verfolgen, dass wir auch wirklich auf direktem Weg das Land verlassen.

Die beiden Beamten sind dabei aber stets freundlich, es scheint ihnen selbst unangenehm zu sein, uns fortschicken zu müssen. Sie müssen sich aber an die Regeln (oder die Interpretation der Regeln durch ihren Vorgesetzten) halten. Sie sagen, dass sie eine Änderung in ein oder zwei Monaten erwarten, und dass wir dann selbstverständlich willkommen seien.

Vor allem aber erkennen sie an, dass wir in gutem Glauben gekommen sind, und statt uns die Einreise zu verweigern (was uns sicher bei der Verlängerung unserer Visa Probleme machen würde), erlauben sie uns, unseren Einreisewunsch zurückzuziehen, so dass kein negativer Eintrag in unserer „Besucherakte“ erfolgt. Wir dürfen noch unsere Wassertanks auffüllen und Diesel tanken, dann aber machen wir uns auf den Weg zurück nach Mexiko.

Zwei Nachtfahrten, anderthalb Stunden Aufenthalt in San Diego, 150 Liter Diesel vertuckert, rund 100 Euro Gebühren für das Aus- und wieder Einklarieren in Mexiko, und wir liegen wieder an unserem alten Steg in der Marina. Um eine Erfahrung reicher. Und mit rund sechs Wochen Zeit, bevor die Hurrikan-Saison zu Ende geht und wir uns auf den Weg nach Süden in die Sea of Cortez aufmachen können.

Wir nehmen es gelassen. Wir haben Ensenada liebgewonnen, das Leben hier ist gut und günstig. Es gibt schlimmere Orte, um eine Weile auszuharren.

Im Land der Mango und Papaya

Früher war Westdeutschland für mich das Land der Schokolade und Bananen, so wie ich es mir als Kind in Rumänien ausgemalt hatte. Heute ist Mexiko für uns das Land der Mangos und Papayas, der Tortillas und Burritos, der Salsa und Guacamole: Die mexikanische Küche ist so vielfältig wie das Land groß und es gibt noch so viel zu entdecken. Dass wir tatsächlich so viele neue Zutaten und Gerichte in den letzten Wochen kennen lernen konnten, verdanken wir einer mexikanischen Familie.

Gleich in der ersten Woche, nachdem wir wieder auf der Muktuk zurück waren, haben wir einen Imbiss entdeckt: es schmeckte uns so gut, dass wir regelmäßig alle paar Tage dort zu Mittag gegessen und uns mit den Besitzern angefreundet haben:


Von links nach rechts: Karina, ihr Bruder Fernando und dessen Frau Gabriela

Für die Tagesgerichte kombinierte Fernando mit viel Fantasie die mexikanische Küche mit Rezepten aus aller Welt und seine Schwester Karina kocht wie bei Muttern daheim: typische mexikanische Gerichte, die man eher selten in den Restaurants auf der Speisekarte findet.

Huhn in Mole: die Mole ist eine Sauce mit allerlei Gewürzen, der Kakao und die Mandeln darin geben ihr die dunkle Farbe und den besonderen Geschmack. Wir haben uns vom Markt auch „Mole“ geholt und das Gericht bereits ein paar Mal nachgekocht.

Nopales, so heißen die großen ovalen essbaren Kaktusblätter, das neue „Superfood“. Wenn die Nopales in kleine Stücke geschnitten werden, sondern sie einen durchsichtigen Schleim ab. Anders als im Internet in vielen Rezepten empfohlen, sollte man die Kaktusblätter nicht vor dem Kochen wässern, sagten uns unsere mexikanischen Freunde. Vom Geschmack her erinnern die Nopales ein bisschen an grüne Bohnen und werden meistens auch ähnlich zubereitet. Mit Zwiebeln und Knoblauch gedünstet und zuletzt klein geschnittene Tomaten dazu.


Nopales mit Schweinefleisch

Und dann noch Burritos gefüllt mit Hühnerfleisch oder Bohnen, ein Klassiker:

El Globo

Etwa 15 min mit dem Fahrrad entfernt befindet sich der „Globo“ Markt, ein ganzes Stadtviertel mit Läden: ganz das Gegenteil eines sterilen klimatisierten Shoppingcenters: Langgezogene überdachte Gänge mit Geschäften, die vollgestopft sind mit Sachen aus zweiter Hand, Waren des täglichen Bedarfs: Klamotten, Küchenutensilien, Elektrogeräte, Werkzeug, Möbel. Beim ersten Mal waren wir ziemlich überfordert, es erschien uns alles wie ein riesiges unüberschaubares Chaos. Aber man gewöhnt sich daran und findet überraschend ab und zu Sachen, nach denen man gar nicht gesucht hat.

Ein Stück alte Heimat in Mexiko!

Am Rande dieses wohlgeordneten Durcheinanders befindet sich die Straße mit den Lebensmittelgeschäften für Obst und Gemüse, oder jeweils für Käse, Fleisch, Fisch. Ich habe mich riesig gefreut, als ich feststellte, dass der Käse, aus dieser Theke hier genauso schmeckt wie der, den man in Hermannstadt auf dem Zibinsmarkt kaufen kann!


Hier fand ich dann auch die herrlichen dicken Tomaten, die so schmecken, wie ich sie von früher kenne. Sie sind nicht so robust wie die neuen Züchtungen, darum nehme ich jedes Mal eine große Dose mit, damit sie auf dem Transport zurück auf dem Fahrrad nicht zermatschen. In der Marina gibt es ein Grillhäuschen und so lag es nahe, aus dem vielen guten sonnengereiften Gemüse eine Sakuska zu kochen. Sakuska ist eine Art Ajvar, wie es in Rumänien zubereitet wurde, mit Auberginen dazu. Dafür werden die Auberginen und ein Teil der Paprika vorher als Ganzes gegrillt und dann erst von den verkohlten Schalen befreit. Das rauchige Aroma gibt der Sakuska diesen besonderen Geschmack.




Unser Kühlschrank ist seit Wochen bis obenhin voll mit Obst fürs Müsli in der Früh (Papaya, Mango und Babybananen) und mit Gemüse, Fleisch oder Krabben fürs Abendessen. Mittags fahren wir entweder zu unserem Imbiss oder essen am Wochenende bei einem der Flohmärkte Carnitas, Tacos mit gesottenem Fleisch. Garnieren kann man sie dann am Tisch mit Zwiebeln und Koriander und wer sich traut, auch mit den ziemlich scharfen Saucen.

Bei diesem Stand im Zentrum stehen die Leute am Wochenende in der Schlange, um Tacos Mariscos mit Meeresfrüchten zu essen.

Und hier noch ein paar Impressionen:






Kann es im Schlaraffenland schöner sein als hier?

Dos Margaritas por favor!

Ensenada beansprucht für sich, den Margarita erfunden zu haben. Gleich zwei Bars in der Stadt machen sich heute den Titel streitig, welche von ihnen als Erste diesen Drink gemixt habe. Die Legende der Hussong Bar berichtet davon, dass in den 1930er Jahren die Tochter des deutschen Botschafters Margarete Henkel in der Bar zu Gast war, als der Barmann gerade einen neuen Drink mit Tequila, Zitronensaft, Likör und zerstoßenem Eis ausprobierte. Die Hussong Bar ist die älteste Bar der Stadt, es gibt sie bereits seit 1892.

In der Bar Andaluz kann man einen Hauch des goldenen Zeitalters in den 1930er Jahren erahnen: sie befindet sich im Gebäude des damaligen Hotels Playa mit Casino, heute das Kulturzentrum der Stadt „Riviera de Ensenada“ inmitten eines wunderschönen Parks. Die Andaluz Bar behauptet nun, den Drink nach der ehemaligen Direktorin des Hotels, Margarita King, benannt zu haben.

Wie dem auch sei: wir setzen uns in den hübschen Innenhof des Kulturzentrums, genießen die letzten Sonnenstrahlen und bestellen Margaritas: es gibt sie ganz klassisch mit Zitrone, oder mit Mango, Himbeeren oder Erdbeeren. Uns hat es die Mango-Variante angetan, der Glasrand ist mit einer köstlichen Mischung aus Salz, Limette und getrockneten Paprika versehen.

Jeden Sonntagnachmittag wird der Saal gegenüber der Bar geöffnet und es treffen sich Tanzbegeisterte, die zu einer Life-Band für ein paar Stunden Lateinamerikanische Tänze tanzen. Sie bewegen sich alle mit einer solchen Leichtigkeit, egal ob jung oder alt. Ihre Ernsthaftigkeit und die Begeisterung sind so ansteckend, am liebsten würde ich mittanzen.

Mitte August wurde in Ensenada das Margarita-Festival gefeiert. Im großen schönen Park waren Zelte aufgebaut, Tische und Stühle auf den Rasen gestellt. Am Eingang musste man sich in eine Liste eintragen, die Telefonnummer angeben und den Impfstoff, mit dem man jeweils gegen Covid-19 geimpft worden war. Dann durfte man – mit Mundschutz – durch den Park flanieren, sich in die Schlange für einen Margarita anstellen, sich etwas zu essen holen bei einem der vielen Stände und der Live-Musik zuhören. Überall entspannte fröhliche Menschen! Wir merkten auf einmal, wie sehr wir es vermisst hatten, einen Abend unbeschwert unter vielen Menschen verbringen zu können.

Der Park und das schöne alte Gebäude sind immer einen Besuch wert, jedes Mal entdecken wir neue Details:

Ensenada

Wenn man die letzten Einträge gelesen hat, könnte der Eindruck entstehen, wir würden den ganzen Tag nur Motoren und Pumpen reparieren und kaputte Geräte aus- und neue einbauen.
Aber nein, Ensenada ist ein Ort, wo man es sich auch gut gehen lassen kann. Buchstäblich an jeder Straßenecke steht ein mobiler Imbiss, wo man Tacos und Tortillas „mariscos“ mit Meeresfrüchten essen kann oder große Becher mit Ceviche auslöffeln und ein paar Scheiben Avocado auf Chips dazu bekommt. Das heißt, dass wir mittags meistens nicht kochen, sondern schnell mit den Fahrrädern losfahren und in der Stadt was essen: köstlich und günstig.
Und da die Leute hier alle so freundlich und kontaktfreudig sind, kommen wir meistens mit dem Inhaber des Imbisses oder mit dem einen oder anderen Gast schnell ins Gespräch. Die einzige Hürde dabei ist unser fürchterlich eingerostetes Spanisch.

Auch im Hafen an unserem Steg treffen wir auf viele nette Segler. Zwar ist nicht so viel los, wie vor der Pandemie, viele Boote sind hier geparkt und ihre Besitzer zurück in den USA. Die paar verbliebenen „liveaboards“ (Segler, die auf ihrem Boot leben und dauerhaft im Hafen liegen) kennen sich untereinander ganz gut und wir machen für einige Wochen in dieser Gemeinschaft mit: wir treffen uns auf ein Glas Wein oder helfen einander.

Und dann gibt es noch unsere lautstarken Nachbarn: eine Seelöwenkolonie erobert ab und zu einen freien Steg und unter viel Getöse und Lärm kämpfen sie um den bequemsten Platz in der Sonne. Die Möwen sind nicht weniger laut, ständig auf der Suche nach Essbarem. Sobald eine etwas gefunden hat, kommen aus allen Richtungen weitere Möwen dazu und das Schreien und Quaken geht los.


Wenn sie allerdings so verschränkt im Wasser liegen, schlafen sie und sind ganz still.

Gleich neben unserer Marina ist die Anlegestelle für die Kreuzfahrtschiffe. Zwei von diesen riesigen schwimmenden Städten können gleichzeitig festmachen. Einige der Linien haben bereits wieder ein paar Gäste an Bord. Ein Unternehmen aber nutzt den Aufenthalt hier, um seine Schiffe zu reparieren. Dann sieht und hört man vor allem das ständige Brummen und Hämmern der Arbeiter, die den Rost klopfen, putzen und alles neu streichen.

Nur die kleine schwarze Katze huscht abends lautlos auf dem Steg umher und versucht, durch offene Luken in die Boote zu gelangen, um ein bisschen Essen, das offen herum liegt, zu stibitzen.

Wir befinden uns ganz oben im Norden der mexikanischen Provinz namens „Baja California“ (Niederkalifornien). Eine Halbinsel von über 1.200 km (im Vergleich ungefähr so lang wie Italien) und eine der sichersten Ecken des Landes. Der Ort Ensenada liegt eine gute Stunde südlich von der Grenze der USA entfernt. Direkt an der Grenze befindet sich die Stadt Tijuana, durch diese schreckliche Mauer von San Diego getrennt. Es ist eigentlich ein Metallzaun, durch den man hindurch schauen kann, unüberwindliche Meter hoch. Ohne den Zaun könnte man gar nicht erkenne, wo Tijuana aufhört und wo San Diego anfängt, beide Ortschaften sind so aufeinander zugewachsen.
Während der Prohibition in den USA vor hundert Jahren entwickelte sich Tijuana zu einem beliebten Ausflugsziel, es entstanden Vergnügungsviertel mit Kneipen und Casinos, wo es nachts nicht mehr ganz so sicher war. Und auch heute ist die Stadt eine beliebtes Ziel, vor allem in den „spring breaks“, den Frühlingsferien, kommen viele junge US-Amerikaner hierher, um zu feiern.

Ensenada lebt auch vom Tourismus, momentan geht es aber etwas ruhiger zu. Die Kreuzfahrtschiffe brachten vor der Pandemie ständig Tagestouristen in die Stadt, viele US-Amerikaner kamen mit dem Auto hierher, für sie ist diese Gegend ebenso attraktiv wie für einheimische Reisende.
Wie das vor Corona gewesen sein muss, wenn drei bis viertausend Touristen von zwei Schiffen auf einmal durch die Stadt zogen, kann ich mir nicht recht vorstellen. Aber Ensenada ist gut gerüstet dafür: in drei langen Straßenzügen reihen sich Boutiquen, Andenkenläden, Restaurants und Cafés aneinander. Alle sehr einladend und hübsch eingerichtet. Auch das Umland hat ein paar Sehenswürdigkeiten: an der Küste entlang gibt es immer mal wieder schöne Strände und Hotels, im Hinterland in den Hügeln liegt das Weinbaugebiet Valle Guadeloupe, und im Winter kann man darauf hoffen, Walen auf ihrer Wanderung an der Küste entlang zu begegnen.

Jenseits der Touristenmeile gehört die Stadt den Einheimischen: die Straßen sind in einem quadratischen Raster angelegt: Große Supermärkte neben kleinen Läden, auf der Straße fliegende Händler, dazwischen Handwerksbetriebe und kleine Cafés. Ab und zu ein Restaurant oder ein kleiner Imbiss und überall die vielen fahrbaren Straßenstände, bereiten traditionellere Gerichte zu, die zudem günstiger sind.
Nach und nach haben wir die Stadt erkundet, viele Ecken sind uns vertraut und wir wissen nun, wo es eine gute Auswahl an Schrauben gibt, welcher Fischladen immer frische Krabben bereit hält und welcher Stand die guten reifen Tomaten hat…

 

Zwischendurch eine kleine Oase der Ruhe: der Innenhof eines Cafés: