So einen schönen Winter hatten wir schon lange nicht mehr! So viele sonnige Tage hintereinander und wenn der Himmel dazwischen mal grau wurde, dann nur, um noch mehr Schnee zu bringen!
Die Sonne steht zwar noch nicht sehr steil am Himmel, aber wir haben nun deutlich längere Tage. Anfang März wurde dann noch die Sommerzeit („daylight saving time“) eingeführt, nun haben wir vom Aufwachen bis gegen acht Uhr am Abend Tageslicht. Die Sonne mag es an manchen Abenden besonders spektakulär und färbt die umliegenden schneebedeckten Berge in unterschiedliche gelb-orange-rosa Töne. Und da die Dämmerung hier oben so viel länger andauert, kann man dann den Bergen zusehen, wie sie in dem diffusen Licht nach Sonnenuntergang in einem kalten Weiß-Blau scheinen.
Und nicht nur die Schifahrer hatten was von dem vielen Schnee. Ein langer schöner Wanderweg führt vom Dorfrand den Berg hoch bis zur Skipiste mit wunderbaren Aussichten auf die umliegenden Bergketten und das Delta des Copper Rivers. Ich bin den Weg ein paar Mal hoch gegangen und jedes Mal war es, als ob ich durch einen Märchenwald ginge, still und verzaubert.
Frost und Schnee zusammen konnten aber auch über Nacht für Überraschungen sorgen, etwa wenn morgens die Luke zum Niedergang nicht mehr auf ging. Wie gut, dass wir unsere Stegnachbarn anrufen konnten und Jan es mit Hilfe der Schneeschaufel und heißem Wasser schaffte, uns zu befreien.
Cordova hat vor ein paar Jahren ein Kulturzentrum gebaut mit Museum, öffentlicher Bibliothek, Räumen für Tagungen und einem großen Saal, der für Konzerte, Theater und Kino gleichermaßen geeignet ist. Der örtliche Kulturverein „Cordova Arts and Pageants“ von viel ehrenamtlicher Arbeit getragen, kümmert sich um das Programm: Künstler auf Alaska-Tournee, die auch nach Cordova eingeladen werden und hier ein enthusiastisches Publikum vorfinden. Zwei bis drei Spielfilme oder Dokumentarfilme werden pro Monat von dem Freundesverein der Bibliothek ausgesucht und gezeigt. Ganz anders als in München, wo einen das kulturelle Angebot schnell erschlagen kann, freut man sich hier auf jede Aufführung und geht dann auch hin.
Außerdem wurden wir von unseren Freunden hier im Hafen zu ihren Freunden im Ort mitgenommen, wo jeden Montagabend ein „Potluck“ stattfindet. Alle sind herzlich willkommen, jeder bringt etwas zum Essen mit und schnell entfalten sich spannende Gespräche. So sehen wir nicht nur fast alle unsere Stegnachbarn wieder sondern lernen auch viele neue Leute aus dem Dorf kennen. Eine sehr schöne Sache und ein großes Dankeschön an das junge Paar, das sein gemütliches großes Wohnzimmer dafür zur Verfügung stellt.
Weil unser kleiner Ofen ein großer Holzfresser ist, mussten wir dann doch noch einmal in den Wald. Zwar hätten wir uns für den großen Holzschlagplatz des staatlichen Forstamtes beim Flughafen anmelden können, da liegen riesige Holzstämme unter dem Schnee. Aber die sind viel zu dick für unsere kleine Kettensäge. Also fragten wir beim Forstamt nach, ob wir uns aus dem Wald einen kleineren Baum aussuchen dürften. Ja, das wäre möglich, solange es sich um Totholz handelt. Vorsichtshalber fragten wir auch noch bei der Stadt nach und bei den Anwohnern des Waldes, um nicht in privatem Besitz zu wildern. Und so stiefelten wir dann an einem sonnigen Tag los, mit Kettensäge, Axt und Eimern den Berg hoch – Andreas sägte und zusammen schleppten wir die Stücke aus dem Wald raus an den Straßenrand.
Als wir fertig waren – und auch so richtig „fertig“ von der ungewohnten Arbeit – und uns noch überlegten, wie wir diese Menge Holz am besten mit einem Schlitten oder unserem Wägelchen in wie vielen Fuhren runter zum Hafen bringen könnten, kam der Nachbar vorbei und bot uns an, das Holz auf seinen Pickup zu laden. Großartig! Ein paar Stunden später trafen wir uns und er brachte Verstärkung mit: seine kleine Tochter, noch keine fünf Jahre alt, bestand darauf, mit zu helfen. Tauschte ihre Ballerina gegen Gummistiefel ein und schleppte fröhlich singend ein Stück nach dem anderen zum Auto. Als sie nach einem größeren Stück griff und ich meinte, „Vorsicht, das ist doch viel zu schwer für dich“, sagte ihr Vater nur: Ach, wir würden uns wundern, was sie für ihr Alter schon alles schleppen könne. Starke Frauen in Alaska!
Von der spontanen und unkomplizierten Hilfsbereitschaft und dem Zusammenhalt der Menschen hier sind wir jedes Mal überwältigt.
Überhaupt mussten wir uns in den ersten Tage an ein anderes Tempo und einen anderen Ton gewöhnen: dass aus den vorbeifahrenden Autos jeder und jede mit Handzeichen grüßt, dass so ziemlich jedes Auto anhält, wenn man die Straße überqueren will, dass die Autos die großen Pfützen umfahren, wenn ein Fußgänger am Straßenrand entlang geht, dass man überall freundlich angesprochen wird und gefragt wird, wie es einem geht und was es doch für ein schöner Tag heute sei und wie schnell man ins Gespräch kommt mit den Menschen hier. Keine Hektik, nirgends!
Das Problem mit der Tropfsteinhöhle, sprich: dem nassen Mittelschiff, wo das Kondenswasser von den Wänden floss, ging vom täglichen Abwischen und Abwarten leider nicht weg. Den Heizlüfter täglich anzufeuern, das hätte unsere Stromrechnung in die Höhe getrieben. Also kam der Zufall uns zu Hilfe, denn in einem Baucontainer unweit des Hafens fand Andreas ein paar Sperrholzplatten, betätigte sich für ein paar Stunden lang als Schreiner und baute eine Türe. Die ist nun eine ungleich bessere Barriere als der Vorhang. Nun entweicht keine warme Luft mehr und es bleibt auch um einiges wärmer da, wo wir heizen und uns überwiegend aufhalten, in der Messe und in der Küche!
In dem Baucontainer lag noch viel mehr Holz, trocken und hervorragend als Brennholz geeignet. Nun musste Andreas erneut am Steg Sägen und Holz hacken. Aber jetzt sollten wir wirklich genug haben.
Cordova ist ein hervorragender Platz, um den Winter zu verbringen!