Unsere Hauptheizung an Bord ist ein kleiner gusseiserner Ofen für Holz. Eingeweiht haben wir ihn schon in Steward Island auf der anderen Seite der Welt, und immer mal wieder hat er unsere Muktuk schön behaglich gemacht, wenn es draußen ungemütlich wurde, aber in Alaska wird er sich zum ersten Mal richtig beweisen müssen.
Wenn wir im Februar an Bord zurückkehren, liegen noch drei Monate mit regelmäßigen Minustemperaturen vor uns. Holz muss ja eine Weile lagern und trocknen, bevor es richtig brennt. Die empfohlenen drei Jahre Lagerzeit schaffen wir zwar nicht, aber ein paar Monate helfen auch schon. So haben wir in den letzten Wochen in Alaska rund einen Ster Holz gesägt, gespalten und gestapelt, um zumindest für den Anfang gerüstet zu sein. Der Stauraum an Bord ist ja beschränkt: jetzt ist unser Cockpit zum Holzlager umfunktioniert, und unter Deck lagern auch noch ein paar Eimer voll.
Wie lange diese Holzmenge reichen wird, wissen wir noch nicht. Wir werden unseren Ofen sicherlich mit weiteren Maßnahmen unterstützen müssen: Zusätzliche Plastikscheiben vor alle Luken haben wir schon angebracht, so dass sie nun zweilagig verglast sind. Den Boden – zumindest in der Messe – werden wir noch mit Styropor, Schaumstoff und/oder Teppich belegen, um keine kalten Füße zu bekommen. Ein Gebläse wird den Austausch zwischen der warmen Luft unter der Kabinendecke und dem kalten Bodenbereich fördern. Und schließlich werden wir unsere defekte Webasto Diesel-Warmluftheizung ersetzen, um auf die Schnelle Wärme zu haben, bis der Holzofen in Gang kommt.
Wie sich das ganze Konzept bewähren wird, werden wir sehen. Aber wir sind ja nicht auf See, wo wir alles mit Bordmitteln lösen müssen – in Cordova gibt es zusätzliches Material und Ausrüstung zu kaufen. Und ein paar weitere Bäume stehen notfalls auch noch herum.
Je weiter östlich wir reisten, umso höher wurden die Gebirge
und die ersten Gletscher tauchten auf. Wie gewaltig diese Eismassen sind,
konnten wir aus der Ferne nur erahnen. Also entschlossen wir uns, noch einen
Tag länger beim Nationalpark der Kenai Fjords zu verbringen, um einen Gletscher
aus der Nähe anzuschauen.
Bei der Einfahrt mussten wir ein bisschen aufpassen, denn in
den Karten war die Rede von Sandbänken, die sich jedes Jahr ein wenig
verschieben. Ein paar Gezeiten-Wellen brachten uns noch zum Schaukeln und dann
waren wir im stillen Wasser der langgezogenen Bucht. Die Gletscher waren noch
weit weg und trotzdem wurde die Luft immer kälter, denn die Morgensonne musste
sich erst noch aus den Schleierwolken heraus kämpfen. Nur mit dicker Jacke und
Mütze war es am Vorschiff beim Ausguck und Fotografieren gemütlich.
Die Gletscher boten beim Näherkommen immer neue Blickwinkel
und jeder war spektakulärer als der vorherige. Kleine Eisschollen in bizarr
anmutenden Formen trieben träge an uns vorbei, auf manchen hatten sich Möwen
einen Ruheplatz gesucht. So stellt man sich eigentlich Alaska vor…
Wir umrundeten eine der Inseln in der Bucht und fuhren zum
Northwestern Glacier, ganz hinten in der NW-Ecke. Dort kommen von zwei Seiten
die festgepressten Schneemassen herunter, es knackste ab und zu bedrohlich, und
manchmal fielen auch ein paar Kubikmeter Eis polternd und donnernd die
Felsenwände herunter. Auch wenn es, mit Abstand betrachtet, gar nicht so große
Stücke waren, so machte es doch einen ziemlichen Lärm.
In einer respektvollen Entfernung vom Gletscher hielten wir an und ließen uns treiben, denn zum Ankern war es viel zu tief. Mit einer Tasse Kaffee saßen wir in der Sonne, schauten uns diese wunderbare Märchenwelt aus Eis an und fühlten uns mal wieder wie Glückspilze.
Und überlegten, warum eigentlich der festgepresste Schnee an
den Abbruchkanten so blau schimmert. Eisdichte, Lichtbrechung? Am liebsten
wären wir den ganzen Tag da sitzen geblieben.
Nach ein paar Stunden fuhren wir die Bucht ab auf der Suche
nach einem sicheren Ankerplatz, was gar nicht so einfach war, denn fast überall
ging es ganz nah am Ufer von 3-4 Meter gleich auf 20 Meter runter. Schließlich
fanden wir eine Stelle vor einem Fluss in der Nordostecke der Bucht und im
Schlick hielt der Anker auch einigermaßen.
Auch hier war ein Gletscher, ganz weit oben stürzte ein
großer Wasserfall die Felsen herunter und weiter unten, wo sich noch ein paar
Eismassen türmten, sahen wir eine Art offene Kathedrale aus gepresstem Schnee.
Mit dem Dinghi fuhren wir an Land und wanderten den Gletscherfluss hoch, auch
hier waren immer wieder Gruppen von Lachsen unterwegs, selbst in den kleinsten
Nebenrinnsalen versuchten sie, über Stock und Stein höher zu kommen. (Später
erfuhren wir in Gesprächen mit Fischern, dass es in diesem Sommer in Alaska
viel zu heiß war und viel zu wenig geregnet hatte, dass die Flüsse
normalerweise viel mehr Wasser führen. So hatten viele Lachse nicht nur
Probleme, zu ihren angestammten Laichgründen hoch zu schwimmen, es war ihnen
auch viel zu heiß, was ihnen zusätzlichen Stress bereitete.)
Am nächsten Tag machten wir uns auf den Weg in Richtung Prince William Sound und konnten bei der Ausfahrt noch einmal die großen und kleinen Gletscher in der Morgensonne bewundern. Wir tuckerten an der Ostseite der Granit-Insel vorbei. An der Ostseite dieser Insel befindet sich eine winzig kleine geschützte Bucht mit einer spektakulären Einfahrt, wo wir zwei Tage zuvor geankert hatten. Hätten uns unsere Freunde nicht darauf hingewiesen und von der Bucht vorgeschwärmt, hätten wir uns da vermutlich gar nicht erst rein gewagt. Mitten in der Einfahrt sind Felsen, die sichere Passage ist links davon und so eng, dass meinem Skipper und mir ganz mulmig wurde. Aber wir wagten es, Andreas manövrierte uns durch die enge Stelle, wo sich auch noch der Schwell der See brach und zusätzlich für Nervenkitzel sorgte.