03. – 07. Mai 2019
Go in Okayama
Nach den vielen kleinen Inseln haben wir mal wieder Lust, eine große Stadt anzuschauen und planen einen dreitägigen Abstecher nach Okayama. Wir ankern in einem großen Hafenbecken, das Teil des Industriehafens ist. Der liegt zwar etwas abseits vom Zentrum, aber die Bushaltestelle ist nicht weit und zum Proviantieren sind ein paar große Supermärkte ganz in der Nähe.
Es ist das letzte Wochenende der „Golden Week“, der allgemeinen Urlaubswoche. Aber anders als in Deutschland sind in Japan die Läden auch an Feiertagen geöffnet und gerade weil alle Leute unterwegs sind, gibt es in den Einkaufsmeilen noch mal richtig viele Aktionen. So auch in Okayama: in der überdachten Fußgängerzone sind mitten drin viele Stände aufgebaut, die Kunsthandwerk verkaufen oder Essen anbieten und auch die Geschäfte haben zusätzliche Verkaufsflächen mit Kleidern, Geschirr usw. aufgestellt. In dem ganzen Trubel hätten wir den Go-Club fast übersehen, der ebenfalls einen Tisch nach Draußen gestellt hat. Wir bleiben stehen und Andreas wird sogleich eingeladen, eine Partie zu spielen, was er sehr gerne annimmt.
Leckere frisch ausgerollte Soba-Nudeln aus Buchweizen
Okayama hat einen der ältesten Gärten von Japan und den wollen wir uns auch ansehen. An diesem Tag sind wir aber nicht alleine da, es ist richtig voll. Wir teilen uns den schönen Garten mit vielen fröhlichen Menschen, die die Koi-Karpfen füttern, fotografieren oder im Biergarten Schlange stehen.
Die fliegenden Fische als Drachen werden in Japan überall an diesem Tag aufgehängt, denn es ist der Tag der Kinder!
Tommeln in Kurashiki
Am nächsten Tag, am Sonntag, fahren wir mit einem Regionalzug nach Kurashiki, einer kleineren Stadt, die noch einen gut erhaltenen historischen Stadtkern hat, mit einem malerischen Flussabschnitt, jetzt im Frühling blüht es überall und die Trauerweiden leuchten im hellen Grün. Kurashiki war und ist immer noch für seine Papierproduktion berühmt, auch das blaue Indigotuch wurde hier gefärbt und verarbeitet, die Vorläufer der Jeans, wenn man es so sehen will. Entsprechend viele hübsche kleine und größere Läden gibt es, in denen man stundenlang stöbern und einkaufen könnte. Und wieder haben wir Glück, es ist der letzte Tag, an dem noch viel Programm geboten wird, u.a. treten zwei Trommelgruppen auf. Die erste ist mittags dran, die Sonne scheint und die drei Trommler, zwei junge Frauen und ein junger Mann bearbeiten mit einer ungeheuren Energie und Begeisterung ihre Instrumente, während der Meister mit der Fahne ernst daneben steht. Es ist eine Freude, ihnen zuzusehen und sich von den Rhythmen mittragen zu lassen, sie zu bewundern, für die Kraft und Ausdauer, die sie dafür benötigen.
Als wir zum Fluss kommen, sehen wir dort eine Gruppe von Männern in einem Boot, die kleinere Trommeln bearbeiten, einer spielt Flöte dazu und ein weiterer Mann steht am Ruder. Der ganze Fluss ist voll gesäumt mit Menschen in Urlaubslaune.
Viele junge Frauen haben sich in Schale geworfen, sprich: sie tragen Kimonos, die man sich für einen Tag lang ausleihen kann. Bunte exotische Tupfer in der Menge.
Am späten Nachmittag tritt dann die zweite Gruppe der Trommler auf, der Platz ist inzwischen mit Zuschauern brechend voll. Auch sie spielen mit viel Kraft und Präzision ihre Stücke und werden entsprechend von der Menge bejubelt.
Bizen Keramik in Imbe
Wir beschließen, noch einen Ausflug zu unternehmen, dieses Mal nach Imbe wegen der berühmten Bizen Keramik. Tags zuvor hatten wir in Kurashiki eine schöne Ausstellung von sechs Keramikern aus der Imbe-Gegend bewundert und auch eine kleine Vase erstanden. Und nun wollen wir sozusagen zur Quelle fahren.
Es ist Montag und der letzte Feiertag, aber die Leute sind inzwischen alle auf dem Heimweg, so dass wir den Keramikort fast ganz für uns alleine haben.
Am Bahnhof holen wir uns noch einen Ortsplan von Imbe, auf dem die Keramikwerkstätten und -läden eingezeichnet sind und ziehen los. In diesem überschaubaren Ort konzentriert sich alles auf 2-3 Straßenzüge.
Die Bizen-Keramik kann man sehr leicht an den erdfarbenen Tönen erkennen, von Beige über Orange, überwiegend Braun mit etwas Grau und Schwarz. Die Oberfläche ist eher rau, denn die Objekte werden nicht glasiert, die Farben entstehen durch den langen reduzierten Brand und die Muster durch das Zusammenspiel der einzelnen Töpferwaren im Ofen. Manchmal sieht man Streifen auf den Schalen und Tellern, die stammen von Reisstroh, das dazwischen gelegt wurde.
In einem Laden spricht uns der Keramiker an, ob wir interessiert seien, einen Ofen anzuschauen? Die Nachbarwerkstatt gegenüber hat einen traditionellen Ofen, in dem gerade die Töpferwaren gebrannt werden. Sehr gerne nehmen wir das Angebot an und werden durch den Laden in den Hinterhof geleitet. Dort treffen wir auf eine junge Japanerin, Lehrling im 4. Jahr und eine Keramikerin aus Lausanne, die ganz glücklich ist, dass sie für zwei Monate bei einer Werkstatt mitmachen kann. Die beiden sprechen gut Englisch und können uns viel erklären. Der Ofen ist in mehrere Abschnitte unterteilt und leicht abschüssig gebaut, so dass man unterschiedliche Temperaturen und Zugbahnen der Luft damit erreichen kann. Er wird nur einmal im Jahr in Betrieb genommen, und ist mit rund 2.500 Stücken gefüllt, der Jahresproduktion der Werkstatt. Insgesamt brennt er 7-8 Tage lang und muss rund um die Uhr bewacht und mit Holzscheiten gefüttert werden. In einem ausliegenden Heft wird Logbuch geführt über die Temperaturen und die Menge der Holzbündel und Scheite, die verfeuert wurden. Ab und zu schaut der Meister vorbei und gibt weitere Anweisungen. Es ist eine Wissenschaft für sich, und es braucht jahrzehntelange Erfahrung, um diese besonderen Muster und Färbungen der Bizen Keramik zu erzielen.
In einem anderen Laden zeigt uns eine junge Frau einen sehr schön gemachten dicken Ausstellungskatalog über Bizen-Keramik. Es ist eine aktuelle Wanderausstellung in zehn Museen Japans, u.a. in Tokyo und Kyoto in der ihr Mann, ihr Schwiegervater und ihr Onkel jeweils mit ihren Keramik-Kunstwerken darin vertreten sind. Die Keramik, ob Vasen, Teller oder Tassen, die im Katalog abgebildet ist, und auch die die wir im Laden sehen können, kann man wirklich als Kunstwerke bezeichnen, so schön und einzigartig sind sie.
Am Ende finden wir noch eine kleine Vase, die zu jener passt, die wir tags zuvor erstanden haben. Sicher hätten wir noch viel mehr einpacken wollen, aber das hätte ein zu großes Loch in unseren Geldbeutel gerissen, denn die Bizen-Keramik wird nicht unter ihrem Wert verkauft.