25.-27. April 2019
Über fünf Ecken haben wir von Amy und Paul gehört, die auf der Insel Shiraishi wohnen. Sie freuen sich über Segler, die bei ihnen vorbei schauen, denn sie segeln selbst sehr gerne und haben ein Boot im Hafen liegen. Die beiden leben schon seit vielen Jahren in Japan, Amy spricht fließend japanisch, ist Schriftstellerin und Journalistin. Hier ihre Webseite.
Im neuen Fischereihafen von Shiraishi machen wir längsseits an Pauls Boot fest. Amy erwartet uns bereits und bei einem Kaffee an Bord lernen wir uns nun auch richtig kennen. Danach gehen wir gemeinsam zu Fuß zum Tempelfest. Unterwegs erzählt sie uns schon viel über die Insel und die Projekte, die sie mit den Bewohnern gestartet haben, um für Touristen attraktiv zu sein und um die Abwanderung etwas aufzuhalten.
Beim Tempel angekommen, müssen wir erst einmal die Reinigungszeremonie durchlaufen. Amy macht es vor: mit der rechten Hand nimmt man mit der Schöpfkelle Wasser und schüttet es über die linke Hand, dann schöpft man mit der linken Hand Wasser und schüttet es über die rechte Hand. Danach muss noch der Mund ausgespült werden und das verbliebene Wasser wird über beide Hände verteilt indem man die Schöpfkelle etwas senkrecht hält. Eigentlich alles ganz einfach.
Danach führt uns Amy durch das Gelände des Tempels, zeigt uns die Statue von Kobo Daishi, dem berühmtesten Mönch und Pilger Japans. Überall, wo er Station gemacht hat, findet man eine Statue von ihm. In einem Gemeinderaum nebenan wird gerade noch traditionelle Musik gespielt, eine Gruppe von Frauen sitzt an elektrisch verstärkten Zithern. Wir bekommen zur Begrüßung einen intensiv schmeckenden Trank serviert, eine Art Milch aus Soja und Reis mit einem Schuss Sake darin.
Eine große Trommel wird auf den Platz vor dem Haupttempel gerollt und der Tanz beginnt. Zwei junge Mädchen, drei Jungen und zwei ältere Damen führen einen Reigen auf mit ganz kompliziert anmutenden Handbewegungen und Schrittfolgen. Der ältere Mann an der Trommel wird von einem weiteren Mann am Mikrofon begleitet, beide singen sie. Der Tanz ist mehrere Jahrhunderte alt und diente dazu, die Seelen der in einem Kampf gestorbenen Samurai zu besänftigen und ins Jenseits zu begleiten. Amy hofft, dass dieser Tanz auch an die nächsten Generationen weiter gegeben wird, dass noch genügend junge Menschen auf der Insel leben, die ihn tanzen werden.
Danach gibt es einen Imbiss im Gemeindehaus, zu dem auch wir als Gäste eingeladen werden, Reisbällchen, Salat und Grüntee. Wir fragen, ob wir zum Dank etwas spenden können. Ja, vielleicht, wir könnten Holzstäbchen kaufen, auf die wir unsere Wünsche drauf schreiben, die werden dann zusammen mit allen anderen ins Feuer geworfen.
Auf dem Platz vor dem kleineren Tempel steht schon ein quadratisch angerichteter Scheiterhaufen bereit. Eine lange Holzkette wird heraus gebracht, sie besteht aus vielen großen dunkelbraunen Holzkugeln mit abgegriffenen Inschriften darauf und sie reicht weit um den Holzhaufen herum. Wir stellen uns alle im Kreis auf und halten die Kette fest. Der Priester beginnt mit einem Gebet und die Kette wird im Kreis bewegt, indem jeder von uns sie weiter reicht. Die Feuermeister, alle ganz in Weiß gekleidet, lassen ihre Stöcke erst vom Priester kurz weihen, dann legen sie Feuer an den Scheiterhaufen. Der beginnt sehr schnell zu brennen und die teilweise noch frischen Kiefernzweige erzeugen einen dichten Rauch, der ziemlich in den Augen brennt. Als der Haufen fast ganz abgebrannt ist, werden noch die Holzstäbchen mit den Wünschen ins Feuer geworfen, auch unsere sind mit dabei! Dann beendet der Priester seinen Gebetsgesang, die Kette steht still und wird vorsichtig wieder eingeholt und zusammen gelegt.
Ein schönes und beeindruckendes Fest und wir sind sehr froh, dass wir daran teilnehmen konnten.
Am nächsten Tag machen wir noch eine Wanderung über die Insel – die Gemeinde hat einen langen und teilweise verzweigten Weg um die Insel herum ausgebaut, mit herrlichen Aussichtspunkten über das satte Grün der Insel und aufs weite Meer hinaus, mit Bänken und Tischen zum Ausruhen. Ab und zu kommt man an heiligen Steinen vorbei, die mit kleinen Buddha Statuen verziert sind. Shintoismus und Buddhismus werden auch hier wie überall in Japan oft nebeneinander praktiziert und viele Menschen fühlen sich beiden Religionen zugehörig.
Wir verbringen mit Amy und Paul zwei spannende und lustige Abende, auf der Muktuk und bei ihnen im Haus, erzählen von unserer bisherigen Erlebnissen und positiven Eindrücken von den Menschen hier und lernen von den beiden noch viel mehr über Japan. Amy gibt uns zum Abschied noch jede Menge Lektüre mit, u.a. ihren Benimm-Führer für Japan. Ein sehr gut und unterhaltsam geschriebenes Buch darüber, was man als Tourist in Japan beachten sollte, um nicht unangenehm aufzufallen. Viele der Regeln werden so auch in Europa und anderswo angewendet und viele andere Angewohnheiten und Bräuche könnte man gut und gerne übernehmen, denn sie gestalten auf sehr angenehme Weise einen höflichen und respektvollen Umgang miteinander.