Kyoto

18.-21. April 2019

Mit leichtem Handgepäck machen wir uns am frühen Morgen auf den Weg. Der Bus fährt über die vielen Brücken bis nach Fukuyama und dort steigen wir in den Shinkansen, den für seine Überpünktlichkeit bekannten Hochgeschwindigkeitszug, der uns innerhalb von eineinhalb Stunden nach Kyoto bringt. Eine angenehme Ruhe herrscht in den Waggons, Handys müssen auf stumm geschaltet werden und wer unbedingt telefonieren will, muss auf die Plattform zwischen den Waggons ausweichen. Der Schaffner verneigt sich, wenn er den Wagen betritt und bevor er zum nächsten weiter geht, dreht er sich noch einmal um und verbeugt sich abermals.

Der Bahnhof von Kyoto ist ein architektonisches Kunstwerk und alle Touristen, die das erste Mal hier ankommen, fahren die Rolltreppen hoch zur 5. Plattform, um Fotos zu machen.

Nach dem wir unsere Zimmer im Hotel bezogen haben, gehen wir erst einmal zur Einwanderungsbehörde, um unser Visum zu verlängern. Eine halbe Stunde später und 4.000 Yen pro Person leichter, erhalten wir den Stempel im Pass, der uns erlaubt, weitere drei Monate in Japan zu bleiben. Nun haben wir noch den ganzen Nachmittag Zeit, herum zu laufen und einen ersten Eindruck von der Stadt zu bekommen.

Kyoto gefällt uns auf Anhieb – diese Mischung aus mondäner Großstadt mit breiten Straßen und Shoppingzentren, großen Parks und Tempelanlagen und kleinen verwinkelten Gassen mit alten Holzhäusern ist etwas ganz Besonderes. In diesen historischen, größtenteils schön renovierten Häusern sind inzwischen viele Gästehäuser untergebracht: hochpreisige Ryokans, in denen man ganz traditionell wohnen kann und vom Personal rund um die Uhr umsorgt wird.


Einer der vielen Tempel im Nordosten der Stadt


Ein Tempel mitten in der Stadt

Unser (ganz normales) Hotel liegt gleich neben dem kaiserlichen Park, Kyoto war nämlich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts über viele Jahrhunderte hinweg Sitz des japanischen Kaisers. Von hier aus können wir fast alle Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen.


Die letzten Kirschblüten im Park, eine späte Sorte mit vielen Blütenblättern


In der U-Bahn stellt man sich auch in der Reihe auf

Die ersten beiden Tage verbringen wir abwechselnd in Kunsthandwerk-Museen bzw. laufen durch Einkaufsstraßen mit Läden voller Kunsthandwerk oder zwängen uns mit Hunderten anderer Touristen durch eine Straße voller Lebensmittelläden, neben der der Viktualienmarkt in München bescheiden aussieht.


Alles mit Grüntee


Der berühmteste Messerladen der Stadt


Überall französische Bäckereien mit Baguette, Croissant und Eclair!

Unterwegs entdecken wir häufig Interessantes, wie z.B. einen kleinen Handwerksbetrieb, der Soja-Sauce herstellt, wo wir in die großen Fässer reinschauen dürfen und von den ganz unterschiedlichen Saucen probieren.

Oder eine Ausstellung mit Kalligraphie, wo die jeweiligen Schöpfer der Rollen auch für die Gestaltung der Blumenvasen zuständig sind. Am Eingang liegt ein Besucherbuch aus, in das man sich eintragen kann, mit einem Pinsel seinen Namen zeichnen. Das versuchen wir auch!

Zurzeit findet gerade ein Fotografie-Festival statt, Kyotografie genannt: über die Stadt verteilt sind überall unterschiedliche Fotoausstellungen zu sehen. Von bekannten Namen wie Paolo Pellegrini von Magnum, der mit einer Fotoserie über die Antarktis vertreten ist, bis zu aufstrebenden jüngeren Fotokünstlern wie Weronika Gesicka aus Polen und japanischen Fotografen mit sozialkritischen Themen ist das Spektrum breit gestreut.

Im Raku-Museum sehen wir u.a. eine Sonderausstellung mit Keramik, die den Berg Fuji als Motto oder Motiv hat, Schönes bis Skurriles.

Eine richtig tolle Überraschung ist das Shibori Textilmuseum: Shibori ist eine ganz besondere Technik zur Bearbeitung von Seidenstoffen, bevor daraus die berühmten Kimonos genäht werden. Erst wird der Stoff mit vielen feinen Punkten bedruckt, dann wird der Stoff um den Punkt herum mehrmals ganz eng und fest mit einem Faden umgebunden, eine mühselige monatelange Kleinarbeit, für die man Jahre der Übung braucht, um die Perfektion zu erreichen, die einen Meister bzw. eine Meisterin ausmacht. Danach wird der Seidenstoff gefärbt und anschließend werden die Noppen wieder aufgetrennt. Dort, wo der Faden ganz dicht gewickelt war, ist der Stoff weiß geblieben, es ist das typische gepunktete Muster entstanden. Und solange die Stoffbahnen nicht gewaschen und gebügelt werden, behalten sie auch die unebene Struktur der Noppen. Zwar wurde auch eine Maschine entwickelt, die beim Knüpfen hilft und den Prozess etwas beschleunigt, aber da erscheint das Muster nicht ganz so fein. Ein Kimono aus diesem Stoff war und ist ein wertvolles Kunstwerk für sich und wird über Jahrzehnte sorgsam gepflegt. In der Kimono- und Geisha-Stadt Kyoto waren diese Stoffe früher sehr begehrt, heute aber gibt es nur noch etwa 40 Menschen, die das Handwerk beherrschen.

Abends sind wir so voller Eindrücke und so müde vom Herumlaufen, dass wir nach dem Abendessen nur noch die Beine hoch legen wollen. Erst am dritten Tag schaffen wir es, in das Vergnügungsviertel von Kyoto, wo sich eine Bar an die andere reiht. Wir haben bald genug von dem Trubel und gehen noch durch ein paar einsamere Straßen eines Wohnviertels, mit gedämpftem Licht herrscht hier eine ganz eigene Atmosphäre.


Um Missverständnisse von vornherein zu vermeiden. In diesem Restaurant gibt man mindestens 24,00 EUR aus

Am letzten Tag wollen wir früh raus zum großen monatlich stattfindenden Flohmarkt in einer Tempelanlage. Das Areal ist riesig und die Reihen schier unübersichtlich. Alte und neue Keramik, Holz- und Lackarbeiten, Stoffe und Kimonos, Haushaltswaren und Gemüse, alles kann man hier finden. Und an den Essenständen ist schon am frühen Morgen Hochbetrieb. Dazwischen wird gebetet, Mönche gehen in einer Prozession ein paar Mal durch die Reihen, den Weg wird ihnen von Polizisten frei geräumt.


Hier wird Okonomiyaki gebraten, in der Kyoto-Version: Pfannkuchenteig mit Kohl und Fisch oder Fleisch

Wir haben eine Einkaufsliste geschrieben und finden auch fast alles, was darauf steht: unter anderem einen Teekessel für die Muktuk, Keramik, Fächer und sogar einen Schalenkoffer für den Transport der Keramik nach Deutschland. Den allerdings musste Andreas einem Händler abschwatzen, denn der war eigentlich nicht zum Verkauf sondern zum Transport seiner eigenen Waren gedacht.

Schwer beladen machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof und zurück zur Muktuk und überlegen die ganze Zeit, wo wir eigentlich das sperrige Teil auf dem Boot unterbringen können.